XLVII;
Mit einem kurzen Gähnen schritt Mona den endlosen Gang entlang. Es kam ihr wie eine Ewigkeit vor, wie sie sich durch Personen schlängelte und versuchte, nicht verloren zu gehen.
Mona war etwas unbehaglich, da sie solche Menschenansammlungen nicht mehr gewohnt war und noch dazu so einzigartig aussah.
Sie begann wieder an ihr selbst zu zweifeln.
Doch in der Ferne war ihre Rettung, die sie aus diesem endlosen Kreis holen wird.
Ein junger Mann hielt ein kleines Schild aus Karton in die Höhe, auf dem mit Wachsmalstiften sie ihren Namen entziffern konnte.
Mona musste etwas schmunzeln, als sie vor Taku stand, der seine beiden Jungs mitgenommen hat, um sie abzuholen. Der kleinere der beiden hielt wacker den Karton und starrte Mona mit großen Augen an; wie auch Takeuchi.
Die Bilder, die er von Mona in seinem Kopf aus der Grimming-Therme besaß, überschlugen sich mit denen, die er gerade sah.
Ihre Haare kurz geschnitten, mit Untercut. Er musste sich zusammenreißen, seine Augen von den Piercings an ihren Ohren zu lösen. Die schwarzen Highwaist-Denims, die schwarzen schweren Stiefel und das tiefschwarze leichte Oversize-T-Shirt. Das um die Hüften gebundene dunkelviolette Hemd war der einzige farbliche Touch an ihr.
Aber auf Make-up verzichtete sie gänzlich.
Ryoyu, was hast du nur angestellt, murmelte er sich selbst zu und musste den Drang unterdrücken, sie zu umarmen. Alles an ihr schrie förmlich danach und auch wenn sie strahlte, kaufte es ihr Taku nicht ab.
Dan rettete diese peinliche Stille, während Taku in seinen Gedanken versunken war, als er sich Mona gegenüber leicht verbeugte. Auch sie erwiderte diese Geste mit einer Verbeugung. Toki kam vor Starren nicht dazu, Mona zu begrüßen. Taku brachte sich zu einem leichten Lächeln auf und entschuldigte sich, dass er ihre Tasche nicht nehmen konnte.
Als sie aus dem Untergrund des Flughafens kamen, Mona war vorhin an einigen Stationen mit der U-Bahn zum Ausgang vorbeigefahren, erstarrte sie.
Es traf sie wie einen Schlag, als sie in die Stadt trat. Für Mona war es immer schon ein Traum gewesen, eines der östlichen Länder zu bereisen und jetzt war es mehr eine Pflicht, als ein Vergnügen. Mona kam vom Staunen kaum mehr heraus, bis sie schließlich in das Auto stieg.
Taku verkündete zwei Stunden Autofahrt, bis sie zuhause in Karuizawa sein werden.
"Du hast dich wahnsinnig verändert", brachte es Takeuchi nach knapp einer halben Stunde hervor. Es klang wie ein Gespräch zwischen Vater und Tochter, die sich seit Jahren nicht mehr gesehen hat.
"Im Sommer hatte ich den Drang danach, mal etwas Neues auszuprobieren."
"Steht dir gut", schmunzelte er in sich hinein. Ihm war danach Ryoyu eine Ohrfeige zu verpassen, da er nicht wieder diese Einsamer-Wolf-Nummer durchziehen und Taku um Hilfe fragen hätte sollen.
Vielleicht waren sie auch alle mitschuldig an dem. Taku hätte aus Junshiro den wahren Grund für sein Verhalten beschwören müssen, um Ryoyu helfen zu können. Vielleicht hätten sie Roy auch in Ruhe lassen sollen, was das Thema Frauen betrifft. Wer lässt sich von jemanden helfen, der einen Jahre vorher immer damit aufgezogen hat, ob er der oder der anderen Frau wohl schöne Augen gemacht hat, nur weil er in Gedanken versunken an der Gestalt unbewusst hängengeblieben war.
"Wie sieht es schulisch aus?"
Mona begann zu lachen, senkte aber ihre Stimme, als sie sich im Hinterkopf rief, dass die beiden auf der Rückbank eingeschlafen sind.
"Linus hat dir aber auch alles erzählt, hm?"
"Er scheint dich zu beschützen wie einen Wachhund", hielt Taku kurz inne, als er die Spur wechselte, "er ist auf uns zugekommen, als wären wir die größten Schwerverbrecher, hat gefragt, was Ryoyu mit dir angestellt hat."
"Manchmal ist Linus sehr überfürsorglich für Verwandtschaft dritten Grades. Na ja, wir sind eben gemeinsam groß geworden, ich..."
"Verwandtschaft?", riss es Taku aus seinen Gedanken und er starrte Mona für wenige Sekunde an, bevor er sich wieder auf die Straße konzentrierte. "Sag' das nochmal."
"Du hast doch nicht ernsthaft geglaubt, dass Linus in mich verschossen ist, oder?"
Mona wäre kurz davor gestanden, ihm in die Schulter zu picken, unterließ es aber. Es wäre besser sich so wenig Erinnerungen an diese Tage zu machen, da sie diese Personen danach nie wieder sehen wird, auch wenn sie dies möchte.
Taku schmunzelte erneut in sich hinein und fuhr mit seiner Erzählung fort.
"Jedenfalls haben wir Linus gefragt, was Mona Ryoyu angetan hat, da wir ihn seit Wochen nicht mehr gesehen haben. Aber..."
"Seit Wochen sagst du?"
"Seit Ryoyu in die neue Wohnung gezogen ist, hatte nur Naoki und seine Geschwister mit ihm Kontakt, und das wiederum spärlich."
Mona verfiel ins Grübeln. Wenn Ryoyu sich seit Wochen nicht mehr blicken hat lassen, dann gab es nur zwei plausible Gründe dafür. Entweder, er hat jemand anderen gefunden, oder er hat sich verschanzt und wie sie, in Trauer begraben.
Macht er sich eigentlich Sorgen um mich?
Monas Kopf schlug sich eher auf die Seite der ersten Option, dass Ryoyu ein anderes Mädchen gefunden hat, doch sie glaubte dies nicht. Deswegen den Kontakt zu Teamkollegen abzubrechen, war sinnlos. Es muss einen anderen Grund gegeben haben.
Mona schmorte in ihren Gedanken, bis das Halten des Autos sie aus ihren Gedanken riss. Ausgestiegen, warf sie ihre Tasche auf den gepflasterten Boden in der Garage und öffnete die Hintertür. Sie befreite Toki aus dem Kindersitz, der sie immer noch mit großen Augen betrachtete. Keine Tränen schwammen in seinen Augen, aber dennoch zog ihr Aussehen ihn in seinen Bann.
"Ossu", lächelte sie ihm entgegen, während sich ihre beiden Blicke nicht trennten. Toki schweigte dennoch. Langsam streckte er seine Hände ihr entgegen, als Zeichen, dass sie ihm aus der Schale helfen sollte, aus der sie ihn auch hob. Er hat dieses Hey wohl als Friedenszeichen wahrgenommen.
Er griff nach ihrer Hand und begann sie in Richtung Tür zu ziehen, die von der Garage aus in das Innere führte. Dan wartete dort bereits.
Taku schloss die Türen und versperrte das Auto. Als Mona in den Hausgang trat, empfing sie als Erstes ein süßlicher Duft, den sie nicht zuordnen konnte. Leise im Hintergrund waren japanische Stimmen zu hören.
"Schatz, wir sind wieder zuhause!"
Die Kinder hatten schnell sich aus den Schuhen befreit und rannten den Küchengeräuschen nach, während Mona mit all diesen Eindrücken fertig werden musste. Die ein mal ein Meter große Fläche nach der Eingangstür war durch die Erhöhung in das Haus getrennt.
Es war alles modern und dennoch etwas Vintage gehalten.
Taku bot ihr ein paar Patschen an, in die sie schlüpfte.
"Du kannst deine Sache neben die Treppe stellen. Ich zeige dir nachher dein Zimmer."
Mona nickte stumm und folgte ihm. Sie fühlte sich, tief in ihr, ziemlich einsam. Zu verdanken hatte sie dies der fremden Sprache. Nichts beziehungsweise einen Bruchteil zu verstehen, ließ sie so fühlen, als wie wenn sie die einzige Person um sie herum wäre, mit der sie sich austauschen konnte.
Obwohl sie Japanisch versucht hatte zu lernen, scheint im Land wo es gesprochen wird, dennoch daran zu scheitern.
Die Kinder hingen an der Kante der Arbeitsfläche, um zu erkennen, was ihre Mutter zubereitete. Diese hatte jedoch nur Augen für den Neuankömmling, die diesen in ihre Arme schloss.
Und Mona erwiderte sie. Sie genoss es. Als würde ihr diese Frau sämtliche Last von ihren Schultern nehmen, war sie ihr dankbar für das sonnige Gemüt, welches sie ausstrahlte.
"Ich bin Niina", lösten sie sich und Mona stellte sich auch vor, als ein jemand ungeduldiges dazwischen plapperte.
"Was kochst du Mama?", jammerte Dan beinahe, "Ich hab so Hunger."
"Hunger", stimmte Toki mit ein und es waren die ersten Worte, die sie aus seinem Mund hörte.
"Dann decken wir auf und Papa zeigt Mona ihr Zimmer", deutete sie Taku, der sichtlich verwirrten Mona zu helfen und gebrochen zu übersetzen.
Er führte sie in das obere Stockwerk an drei Türen vorbei in ein kleines Seitenzimmer. Es war ziemlich klein, aber für einen Gast reicht es völlig aus.
Auf dem Fensterbrett standen die Juniorenweltmeistertrophäen von Taku. Das Bett sah aus wie ein altes Kinderbett. Ein großer Schrank erstreckte sich an der Wand gegenüber vom Bett. Mona fand es gemütlich, wie die letzten Sonnenstrahlen auf ihrer Haut prickelten.
"In ein paar Minuten gibt es Abendessen", informierte Taku Mona, die stumm nickte und darauf alleine im Zimmer war.
Zunehmend glaubte sie, dass es die falsche Entscheidung gewesen, hierherzukommen. Sie tauchte wieder ein in die Zeit vor einem guten halben Jahr und sie war nicht annähernd bereit dafür.
Mit einem Finger streifte sie über den goldenen Rand des Kelches aus dünnem Messing und sah nach draußen auf die leicht verschneiten Berge, die sich hier im November zeigten. Für Mona sah dieser Berg mehr wie ein kleiner Vulkan aus und dennoch von schönem Anblick.
Sie senkte den Kopf und warf die Tasche auf das Bett, um nach einem frischen T-Shirt zu suchen, bevor sie wieder nach unten gehen würde.
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