XI;

"Chichi!"

Mit einem tiefen Atemzug erwachte Ryoyu aus seinem Traum und versuchte sich zu orientieren. Seine Glieder fühlten sich ausgeruht und voller neuer Energie an, obwohl ihm ein kurzes Gähnen nicht verwehrt war. Auf seinem Körper befand sich die Bettdecke, wo er sich nicht erinnern konnte, sich mit dieser zugedeckt zu haben.

Er rieb sich die Augen und streifte die Haare zur Seite, aus seinem Gesicht, um sich danach umzudrehen. 

Sein Atem erstarrte und er konnte nicht wirklich glauben, was er vor sich sah. Offensichtlich war sein vorheriger Gedanke, er wäre allein in diesem Raum, nicht die Tat der Realität und zu seiner Freude befand sich die Person noch in seinem Zimmer, die er sich erhofft hatte. 

Jedoch schlief sie.

Mona war im Sitzen eingeschlafen, den Kopf an die Wand gelehnt und die Füße überschränkt. Zwischen ihren Hände lag ihr Smartphone etwas unsicher, weswegen Ryoyu vorsichtig seine Hand in Bewegung setzte. Er wollte doch nicht durch das Aufkommen des Smartphones auf dem Boden riskieren, dass es sie aus dem Schlaf riss. 

So zog er das goldene Ding langsam aus seiner vorherigen Position und legte es neben sich auf die Bettdecke. Und als er erneut seinen Kopf zu ihr drehte, sich mit den Armen aufstützte, fühlte er sich wie von einem LKW getroffen, von Gefühlen die er nicht kontrollieren konnte. 

Er begann sie zu mustern, von oben bis unten. 

Über ihre langen dunkelbraunen, leicht gewellten Haare, ihre wundervollen Wimpern, den zarten Gesichtszügen und ihren weich aussehenden Lippen.

Das schwarze Shirt umschmeichelte ihre Figur und ergänzte mit der grauen weiten Strickjacke ihr Outfit, wie er sie sich auch vorgestellt hatte. In gewisser Hinsicht hat er sich darüber nie einen Gedanken zerbrochen, dennoch war sein Instinkt richtig, dass Mona eine Ausstrahlung hatte, einen Hang für einfache modische Kleidung zu haben. Mit einer komplett schwarzen engen Röhrenjeans ergänzend, machte die Ausstrahlung eher einen Ausdruck von tiefer innerer Dunkelheit. 

Er würde ihr knalligere Farben zutrauen, anhand ihres fröhlichen Gemüts.

Obwohl sein Kopf sich über oberflächliches Gedanken machte, scheint in seinem Inneren etwas Starkes zu pochen. Noch nie in seinem Leben hat er dies je erlebt. 

Als wollte seine Herz aus seiner Brust, schlug es ihm bis zum Hals. Er nahm sanft ihren Atem wahr und hielt seinen eigenen an, um keine Sekunde dieses Spektakels zu versäumen. Seine Augen wanderten zu ihrer Hand, an der sich sein Ring befand, über den er sich gestern mehr Sorgen gemacht hat, als heute. Ryoyu wusste, dass er in Monas Händen sicher war und würde es die Zeit erlauben, wird er wieder an seinen Finger wandern. 

Er schüttelte seinen Kopf kurz und verscheuchte einen Gedanken nach dem anderen. Sie sollten ihm nun nicht diesen Moment in einen grauen Schleier hüllen. 

Mona drehte den Kopf zur Seite und verlagerte somit ihr Gewicht, worauf sie drohte von der Bettkante zu fallen. Ryoyu war währenddessen beschäftigt gewesen, herauszufinden wo sich Kento befand. Diese eine Sekunde, die er vielleicht zu viel in Interpretationen hingesteckt haben könnte, wäre Mona zum Verhängnis geworden. 

In seinem Kopf herrschte Für und Wider. Alles schrie dafür, sie festzuhalten und an sich zu ziehen, bevor sie sich verletzte. Jedoch rief eine andere Stimme in ihm, was wohl darauffolgend passieren wird, wenn er dies tat.
Würde Sakuyama aus dem Nichts in das Zimmer kommen, sprach sich ein Gerücht herum, welches loderndes Feuer er diesmal nicht so leicht löschen konnte. Zu viele Beweise würden gegen Kobayashi vorliegen. 

Doch dem Kopf trotzend siegte das Herz und sein Arm, begleitend vom Glöckchenklingeln, schlang sich um den Bauch von Mona und zog sie etwas näher an den Körper Ryoyus. In gewisser Hinsicht war er stolz auf seine Entscheidung, die sein leichtes Lächeln preisgab. 

Langsam nahm er den Arm von Mona und richtete sich leise auf. Alles mit solcher Vorsicht, um sie nicht aus ihrer Traumwelt zu reißen. Er hatte dieses komische Gefühl, dass es Sommerer nicht anderes erging, als ihm. 

Von einem Instinkt überwältigt, griff er sanft auf ihre Wange, die kalt war. Die leicht blauen Lippen waren verräterisch gewesen. So schälte er sich aus seiner roten Trainingsjacke, die er auf den Körper von Mona legte und wusste nicht, was er nun tun sollte. 

Er legte sich zurück in das Bett und starrte an die Decke; seine Hände hinter dem Kopf verschränkt. 

Ein Rausch von Gefühlen durchströmte ihn und er hatte irgendwie das Bedürfnis, mit Junshiro zu reden. Eigentlich wäre es besser seine Schwester Yuka anzurufen und mit ihr über dieses Thema zu sprechen. Wie Mutter immer zu sagen pflegte, fühlte Junshiro als ältester der vier Kobayashi-Kinder sich dazu erkoren, ein besonderes Vorbild zu sein, welches sich spätestens nach dem Unfall von Tatsunao mit seinem Fahrrad nochmals verstärkt hatte. Meistens kristallisierte sich dies durch besonderes Aufpassen, besser gesagt, Überreagieren bei manchen Dinge heraus. 

Er stieß schwer den Atem aus. 

Einen Bruchteil einer Sekunde später erkannte er im Augenwinkel, wie sich das Knie von Mona leicht hob und er wurde panisch. Alles, was er in seinem Kopf noch an Bewegungsabläufen zusammenbrachte, war das instinktive zur Seite drehen, was er nun auch tat. 

Ryoyu tat so, als schlief er. Doch er wusste, dass damit nur versuchte, alles aus dem Weg zu gehen. 

Mona erwachte aus ihrem Schlaf, an dessen Einschlafphase sie sich kaum mehr erinnern konnte. Sie rieb sich die Augen und versuchte sich zu orientieren. 

Offensichtlich befand sie sich noch im Hotelzimmer von Kobayashi und Sakuyama. Was sie eigentlich nicht geplant gehabt hatte. 

Sie sah nervös um sich herum und suchte nach ihrem Smartphone, welches sie wenige Zentimeter neben ihren Beinen auf der Bettdecke liegen sah.
Sofort wurde es genommen und die Uhrzeit gecheckt; hatte sie doch noch jemanden zu erwischen. 

Die Jacke die bereits von ihrem Körper gerutscht war, legte sie zur Seite und steckte das Smartphone in die hintere Hosentasche. Ohne nachzudenken, sprang sie auf und peilte den Mantel an, der auf der Stuhllehne hing, den sie abgelegt hatte, bevor sie sich an die Bettkante gesetzt hatte. Als sie in diesen schlüpfte, brachte sie noch wenige Sekunden auf, in dem sie Ryoyu musterte. 

Doch sie wandte den Blick kurz darauf ab. 

Ihr Kopf drillte sie nur mehr dazu, abzuhauen. Die Zeit drängte, auch wenn sie vorhin so getan hat, als würde sie alle Zeit der Welt haben. 

Eine Hand schnappte die Schultasche, die an der Bettkante von Kobayashi lehnte und konnte wieder nichts anderes tun als verweilen und ihn ansehen. 

"Stell dir vor, jemand ist hier der dich versteht. Eben nur ein paar Kilometer entfernt."

Als versetzte es ihr dadruch einen Hieb in ihr Herz, entfernte sich ein Fuß vom Bett und signalisierte ihr, zu gehen. Es würde besser für sie sein, sich nicht auf eine Person zu verlassen. 

Ryoyu hörte nur mehr, wie Mona aus dem Zimmer stürmte. 
In seinem Inneren sprach etwas dafür, falsch gehandelt zu haben.

Er drehte sich wieder auf den Rücken und atmete tief durch. In seinen Muskeln war zu wenig Motivation vorhanden, aufzustehen und aus dem Fenster zu sehen. 

Er hatte sich selbst enttäuscht. 

Seine Hand griff zur Seite ohne auch nur den Blick von der Decke zu lösen und tastete nach seine Smartphone auf dem Kästchen. Er ergriff es schlussendlich und drückte den Homebutton seines iPhones, um seiner Faulheit zuliebe, Siri für ihn arbeiten zu lassen. 

"Yuka anrufen."

"Ich rufe Yuka an."

Als das Freizeichen erklang, hielt Ryoyu sich das Smartphone an sein Ohr und lauschte nur. Er hatte keinen blassen Schimmer, wie spät es in Japan war und was seine Schwester gerade tat. Dennoch wünschte er sich sehnlichst dass sie den Anruf annahm. Ein anderes Mal würde er sich nicht überwinden können, seine Wort auszusprechen. 

"Ryoyu?", erklang eine Frauenstimme und er hielt den Atem an. Er begann jetzt erst zu realisieren, was er hier tat. Alles in ihm wollte weglaufen, doch sein Körper, sein Gemüt vernichteten diesen Gedanken da sie streikten. 

"Roy?", erklang die Stimme erneut und Kobayashi wurde panisch. Eine Sache, für die ihn schon viele zu einem Psychiater schicken wollten, er aber nie gegangen war. Beschrieb man seine Selbstreflexion, war sie für manche viel zu negativ und sprach man von seinem Vertrauen gegenüber Menschen, konnte er nicht antworten. 

Tränen bahnten sich ihren Weg in seine Augen und vernebelten seine Sicht an die trostlose Zimmerdecke. Viel zu viel lastete auf dem Japaner, von dem aber niemand etwas wusste und auch niemand je etwas darüber erfahren wird. Seine gut behüteten Probleme gegen den Rest der Welt.

Mona würde diese negative Schattenseite von ihm sowieso nicht verstehen. 

Und ohne ein Vorwarnung, hörte seine Schwester ihn nur mehr schluchzen.
Bitter und verzweifelt weinen.

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