XVII;
Ryoyu senkte den Kopf und hustete. Blut floss leicht aus seiner Nase und sein Wangenknochen brannte wie Feuer.
Wenn er sich nicht einbildete, dass sich auch dort eine Wunde erstreckte.
Er spürte den Blick seines Bruders auf ihn lasten.
Tränen kamen dem jüngeren in die Augen, die er aber durch Blinseln verdrängte und versuchte, nicht durch den angekommenen Schwindel von den Füßen zu fallen.
"Du weißt dass du nicht während der Saison trinken darfst", hauchte er noch in so einer Lautstärke, dass es zu Ryoyu vordrang. Dennoch verstand er nicht, warum er für das nun eine Ohrfeige bekommen hat.
Er hat Mona nichts angetan, er hat sie nicht geküsst, weder noch irgendwas, was auf eine nähere Zuneigung zeigen könnte. Und Händchenhalten hat man bereits im Kindergarten gemacht.
Ryoyu rappelte sich langsam auf und sah über die Schulter. Es trennten nur wenige Zentimeter beider Nasen; Ryoyus und Monas. Sie hatte sich hinter ihm gestellt und lugte noch knapp mit der Nasenspitze über seine Schulter als hätte sie Angst davor, was als nächstes passieren würde.
So sah der jüngere Kobayashi nun zum älteren und erkannte die Hand von Taku. Sie krallte sich fest um das Handgelenk Junshiros, als würde er vermeiden wollen, dass er nochmals zuschlug.
Normalerweise tat er dies auch nicht, jedoch wenn er nicht mehr er selbst war, kam es schon öfters vor, dass Ryoyu es ausbaden musste, da er immer der war, der ihm am nächsten war.
Doch eine Ohrfeige hat er noch nie kassiert. Meist war er die Person, die Junshiro anschrie um seinen Frust loszuwerden.
Er schniefte das Blut zurück an die Stelle, wo es hergekommen war, nahm ganz politisch seinem Bruder das Bier aus der Hand und leerte es. Es war Zeichen für Junshiro genug, als die leere Flasche an Kasai überreicht wurde, dass er die Finger von dem Zeug lassen sollte.
Ryoyu machte eine kurze Verbeugung vor Noriaki, der dies nur etwas mitgenommen vom Vorhin erwiderte. Er verabschiedete sich vom Rest. Jedoch nicht von Mona.
Während Ryoyu vorausstürmte, wank sie noch höflichst und musste in ihrem Kopf ihre Füße auffordern, sich zu bewegen. Der Schock der unerwarteten Ohrfeige stand ihr noch in den Knochen.
Sie machte auf dem Satz kehrt und versuchte sich durch die Menschen zu drängen, ein erneutes Mal.
In ihrem Kopf war mehr Party und weniger Verwirrtheit an diesem Tag geplant gewesen.
An der Garderobe angekommen, stürmte sie von Kleiderständer zum nächsten, bis sie ihren Mantel fand. Sie schlüpfte, wenn auch etwas verworren, hinein und hastete auf den Ein- beziehungsweise Ausgang zu.
Ryoyu stand unter der Tür und wartete bereits.
Mona näherte sich langsam und konnte beobachten, wie er sich über der Lippe etwas wegstrich und dies dann betrachtete. Die andere Hand war in die Jackentasche geschoben.
Vorsichtig legte sie eine Hand auf seine Schulter und er sah zu Boden.
"Wie ist nun dein Plan?", hauchte er gebrochen hervor und sie glaubte zu hören, dass seine Lippen leicht zitterten.
Mona stellte sich neben ihn und versuchte sein Gesicht zu sehen, was sie aber aufgab und in die Ferne den vom Himmel tanzenden Schneeflocken zusah.
"Ich bring' dich ins Hotel."
Er sah auf, als würde er so etwas wie Hoffnung an diesem Abend noch finden.
Mit einem Hauch von einem letzten Mal, nahm er ihre Hand von seiner Schulter und in einen festen Griff. Er führte sie den Weg zum Hotel, den sie schweigend bestritten.
Beide nutzten die Gelegenheit, um so einige Dinge im Kopf zu sortieren.
Mona musste die zweiteilige Persönlichkeit von Ryoyu verarbeiten.
Ryoyu musste eine Antwort auf Mona finden.
Das erneute Schniefen von Ryoyu, ungefähr bei der Hälfte des Weges, ließ sie aus ihren Gedanken erwachen.
Sein Handrücken war von Blutschlieren überzogen. Doch die dumpfen Straßenlaternen ließen sie nicht viel davon erkennen.
"Jetzt komm' mal her", nahm sie vorsichtig seine Hand und betrachtete das Blut. Es war zwar nicht viel, jedoch etwas, um sich Sorgen zu machen.
Ryoyu beobachtete alles mit leicht zitternden Lippen. Er hätte sich noch eine Jacke mitnehmen sollen.
Mit Blick gerichtet nach oben, zog sie ihn mit sich und hielt unter dem Lichtkegel einer Straßenlaterne.
Trotz ihrer Größe und Zierlichkeit, drehte sie seinen Kopf ohne ihn in irgendeinen Plan einzuweihen.
"Sieht ein wenig...", murmelte sie und griff an seine Nase, wo sie herumtastete. Und noch bevor Ryoyu sie bitten konnte, dies zu unterlassen, rückte sie die Nase mit einem deutlichen Knarzen zurück an die richtige Stelle.
Mit einem Schrei beugte er sich nach vor und Mona machte einen Schritt von ihm weg. Sie kicherte leicht und sah zu, wie er mit seiner Männlichkeit den Grad der Schmerzen unterdrücken wollte. Seine Schmerzlaute gingen in Lachen über.
"Du kleiner Teufel", richtete er sich auf und lächelte leicht, während seine Hände die Nase vor weiteren Attacken schützen sollte. "Hast du mich etwa ausgelacht?"
Mona brach in Lachen los und hielt sich den schmerzenden Bauch nur so vor Lachen.
"Ich verstehe schon", hauchte er und als Mona sich aufrichtete, war seine eingerenkte Nase nur einen Zentimeter vor ihrer entfernt.
"W-was wird das?", fragte sie etwas überrascht und sah in seine Augen. Sie schimmerten und strahlten Freude aus.
Er verdrehte den Mund und zog die Augenbrauen nach oben, als würde er nachdenken. Ryoyu wusste genau was er wollte.
"Nennen wir es Revanche?"
Mona starrte ihn nur an und hatte mit der Situation zu kämpfen. Und sie wusste nicht, ob er ganz bei Verstand war. Wo ist der schüchterne Ryoyu aus der Vergangenheit hin.
Würde er sich, aufgrund seines Alkoholismus, morgen an nichts mehr erinnern, wäre es Mona zu peinlich, ihm alles zu erzählen.
Aber sie möchte es gerne ausprobieren.
Ryoyus Lippen kamen näher und sie schloss ihre Augen.
Sie spürte seinen warmen Atem und seine Wärme, die er generell ausstrahlte. Ihr Herz schlug bis zum Hals und ein Adrenalinschub rauschte durch ihre Adern.
Durch ihren Kopf schossen vergangene Zeiten und Stunden, in denen sie in ihrem Zimmer gesessen war und nachgedacht hat. Und jetzt stand sie da, in einem Abschnitt, den sie nie geglaubt hat wahr zu werden.
Doch eine Hand griff nach seiner und sie ergriff die Flucht.
Mona riss ihre Augen auf und bekam leicht rote Wangen, als sie Ryoyu so nahe erkannte. Sie zog ihn mit sich, der vorerst ein paar Schritte über seine eigenen Füße stolperte und sich danach etwas sträubte, von ihr mitgezogen zu werden.
Doch eine Antwort gab sie ihm nicht, warum sie dies getan hat. Denn innerlich schrie sie sich an, nicht so viel Angst zu haben.
Es war doch nur Ryoyu.
Er verdrehte seine Augen und hoffte nur, Mona nicht verschreckt zu haben. Kobayashi könnte sich denken, dass sie ihn vor der Eingangstür des Hotels stehenlassen und in ihr Hotel gehen word.
Doch hat er es wenigstens versucht.
Als sie nun vor der Eingangstür stand, zückte Ryoyu seine Zimmerkarte und gewährte ihnen damit Eintritt. Er stand nun unter dieser und sah Mona an, als würde sie nun gehen, doch sie zeigte keinen Funken davon.
"Willst du mir deinen weiteren Plan erzählen?", murmelte er mit einem Hauch von Betrunkenheit, den er sich am liebsten aus dem Mund prügeln wollte und stärker geworden war, als vorhin. Genau jetzt brauchte er das Rauschgift nicht mehr.
Sie trat mit ihm hinein in die Eingangshalle und die Türen schlossen sich.
Es war leise, denn nur mehr sie zwei waren anscheinend auf den Beinen.
"Entweder ich schmuggle mich in das Hotel oder ich verhalte mich morgen so, als würde ich vom Joggen kommen."
Der Blick von Ryoyu schweifte an ihr herab. In dem schwarzen Kleid wird es ihr wohl kaum einer abkaufen. Auch wenn er betrunken war, hatte er noch einen klaren Verstand dies zu bemerken.
"Lass uns auf dein Zimmer gehen", schob sie ihn leicht mit der Hand am Rücken in Richtung Treppen, die er nun schwankend und mit Unterstützung bewältigen konnte. Mit leichtem Lachen fielen sie fast durch die Zimmertür und diese fiel hinter ihnen ins Schloss.
Mona tastete an der Wand nach einem Lichtschalter, den sie fand.
Das Zimmer wurde erleuchtet und war fast wie im gleichen Zustand damals in Innsbruck. Doch sie haben etwas vergessen.
Ein bleicher Kento setzte sich nun im Bett auf und musterte die beiden fragwürdigen Geister. Mona entschuldigte sich höflichst, während Ryoyu nur loslachte, als wäre er ein Kleinkind.
Sakuyama kratzte sich am Hinterkopf und brauchte nicht die Bestätigung von Mona, dass er wieder einmal ein Glas zu viel gehabt hatte. So glaubte sie zumindest aus einem Gesichtausdruck lesen zu können.
"Schön dich wiederzusehen", raffte sich nun Kento sichtlich zu Worte an Mona gerichtet auf und streifte sich die Bettdecke vom Körper. Er gähnte genüsslich und folgte Ryoyu mit den Augen, wie er zum Bett torkelte.
"Gleichfalls", lächelte Mona leicht und sah ebenfalls Ryoyu zu, wie er sich nun rücklings ins Bett fallen ließ. "Wie geht's dir?"
Sakuyama schnaubte nur und murmelte ein Geht so heraus, bevor er sich wieder unter die Decke verkroch.
Mona hatte ihren Kopf von Kobayashi abgewandt und veranstaltete mit dem Fußboden einen Anstarrwettbewerb. Der Blick Ryoyus von vorhin hatte ihrer Idee vom morgentlichen Vorgaukeln eines Joggens zugesetzt und sie glaubte, dass es besser wäre, jetzt zu gehen.
"Hier", wurde sie aus ihren Gedanken gerissen und schnellte zur Seite.
Ein kleines Päckchen aus T-Shirt und Jogginghose wurde ihr im fein säuberlich zusammengefalteten Zustand unter die Nase gehalten. Ryoyu scheint wieder ein wenig seines Alkohols verarbeitet zu haben und konnte wenigstens schwindelfrei stehen.
Etwas zurückhaltend, nahm sie die Kleidungsstücke und Kobayashi drehte sich wieder um, um auf den geöffneten Koffer am Boden zuzugehen.
"Du wirst doch nicht mehr nachhause gehen", deutete er auf das Fenster und Mona ging ein wenig näher, um sich den draußen wütenden Schneesturm ansehen zu können, der sich während der letzten zehn Minuten zusammengebraut haben müsste.
Er hatte recht.
Sie sah sich kurz um und bemerkte die leicht geöffnete Badezimmertür, in welches sie flüchtete.
Das Licht flackerte mehrere Male, bis es schließlich dauerleuchtete und sie sich im Spiegel betrachten konnte.
Ihre Haare sahen um einiges zerstreuter aus, als sie aus ihrem Hotelzimmer gegangen war. Ihre Augen zeugten von Müdigkeit und waren schon leicht rot unterlaufen. Ein Blick auf ihr Smartphone zeigte nun, dass es bereits knapp nach Mitternacht war. Schlaf würde ihr gut tun, obwohl sie morgen bei der Heimreise auch schlafen kann.
Mit einem Handgriff zur Tür, war diese verschlossen und mit einem weiteren, die Tür versperrt.
Sie begann sich umzuziehen und mit Entsetzen in ihrem Unterbewussten zu bemerkten, dass die Hose von Ryoyu ihr passte, lediglich in der Kürze nicht dienen konnte.
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