29. Kapitel

Hallo meine Lieben,
Ein neues Kapitel nach fast zwei Jahren...auch wenn die Geschichte gerade maximal bei der Hälfte angekommen ist, hatte ich zwischenzeitlich das Gefühl langsam zu alt für Fanfictions zu werden. Aber dann hat mich eine so wertschätzende und liebe Nachricht per direct Message erreicht, dass ich einfach weiterschreiben musste. Ich habe mir all eure tollen Kommentare aus dem letzten Kapitel durchgelesen und die haben mich wieder so unfassbar doll motiviert. Jetzt habe ich Vikings sogar nochmal angefangen, um noch mehr Inspiration zu bekommen. Ich hoffe das Kapitel gefällt euch. Vielleicht sind nach der langen Zeit ja noch ein paar von euch noch übrig, die sich noch für Magerys Schicksal interessieren :D have fun!

Magerys Herz schlug schnell. Dabei war sie kaum gerannt. Viel mehr machte ihr die Angst zu schaffen, jemand könnte sie sehen. Hastig verschnellerte die Engländerin ihren Gang und hielt erst inne, als sie die ersten Bäume erreichte. Unruhig blickte das Mädchen sich um, bevor sie die Schädel in das Gestrüpp warf. In der Hoffnung keiner würde sie entdecken, warf sie noch etwas Laub über die Gebeine. Eilig drehte sie sich zum Gehen um, doch noch in der Bewegung sah sie, wie das Weiß der Knochen durch das Gebüsch hindurchleuchtete. Es waren riesige Hirschschädeldecken mit Geweihen daran, die wiederum mit allem möglichen und unmöglichen Opfergaben behängt waren.
Der Hain lag abgelegen hinter der notdürftig in Stand gebrachten Halle, die sie mit Ivar und seinen Bediensteten seit ihrer Rückkehr nach Kattegatt bewohnte. Das Gebäude lag abseits am Rande der Siedlung und sollte ihnen als Heimat dienen, bis die große Halle wieder errichtet worden war. Ubbe, Hvitserk und Aslaug lebten in jeweils unterschiedlichen Bauten in unterschiedlichen Teilen Kattegats. Sie lebte hier mit Ivar allein. Wobei Magery den Ausdruck "hauste" als weitaus treffender empfand. Denn als etwas anderes konnte man ihr Dasein in diesem Loch kaum bezeichnen. Das erste was Ivars Sklaven taten, nach dem sie die Türschwelle des halb zerfallenen Anwesens betraten, war es die ohnehin schon wenigen Fenster mit dunklen Netzen abzuhängen und stinkende Pilze in jedem Raum zu entzünden. Nur ein paar einzelne Kerzen erhellten an einigen Stellen spärlich die Dunkelheit und Magery wartete nur darauf, dass die Fledermäuse sich in dieser Höhle niederließen. Da war es heute morgen über sie gekommen. Kurz nachdem Ivar die Halle mit ein paar Männern verlassen hatte, war sie wie von einer Wespe gestochen, aufgesprungen und hatte angefangen einen Hirschschädel nach dem anderen von den Wänden zu reißen.

"Herrin was tut ihr da?", hörte sie eine Stimme hinter sich.

Als sie herum fuhr sah sie Gaer, einen dänischen Sklaven aus Ivars Hausstand. Sie war verwundert, dass er ihr gefolgt war. Aber seine Anrede wunderte sie noch mehr. Es gab keinen Grund sie als "Herrin" anzusprechen. Doch vielleicht war ihm aufgefallen, dass Ivar sie anders zu behandeln schien als die anderen Sklavinnen.

"Ich biete den Göttern ein Opfer dar", log sie schnell und drehte die Hände zwei Mal mit abstehenden Fingern in der Luft, um eine feierliche Geste zu imitieren.
Gaer blickte mit gerunzelter Stirn auf die Hirschschädel, die verdreckt und halb verscharrt im Gestrüpp lagen.

"Aber sie waren doch schon den Göttern geweiht. Deshalb hangen sie doch in Ivars Halle....Sie wurden sogar von Priestern geweiht", entgegnete Gaer verdutzt und Magery konnte in seinem Gesicht ablesen, wie er die Vorgänge zu verstehen versuchte.
„Ähh...ja und deswegen ist es besser, wenn die geweihten Schädel nicht nur die Halle schützen, sondern auch das Land drum herum...deswegen habe ich sie hier hinaus gebracht...und damit sie auch keiner klaut, habe ich sie mit Laub bedeckt...", ersponn sie frei und wild eine zusammengestammelte Erklärung und schob sich an Gaer vorbei, ehe der etwas erwidern konnte.
Da brauchte es schon mehr als einen Fragen stellenden Dänen, um sie von ihrem Vorhaben abzubringen. Energisch schritt sie auf die Halle zu und riss die weiten Eichentüren auf. Wie jedes Mal schlug ihr ein muffiger Dunst aus Rauch, verbrannten Pilzen, Mäusekot und Stroh entgegen. Es wurde Zeit für Veränderungen. Und die abgerissenen Hirschgebeine sollten erst der Anfang gewesen sein.

Das Licht des Tages begann sich bereits in ein mildes Orange zu verfärben, als Ivar an seinen Hof zurückkehrte. Schon von weitem kam ihm Gear entgegengelaufen. Der ohnehin schon ängstliche junge Mann, blickte heute noch geduckter zu ihm auf als sonst. Wie ein Hund, der die geschlachtete Gans gefressen hatte und nun Prügel erwartete. Er stammelte etwas wie:
„Ihr müsst mir vergeben Herr...wollte es aufhalten. Aber hat sich einfach nicht stoppen lassen Herr. Wir haben alles versucht. Es war unmöglich."
Doch Ivar schenkte seinem nervösen Gerede kaum Beachtung. Stattdessen fuhr er seinen Streitwagen direkt vor die Tore seiner Halle und glitt vom Wagen. Sofort sprangen zwei Männer nach vorne und öffneten für ihren Herren die Tür.
Reflexartig fuhr Ivars Hand an seinen Waffengürtel, als die Tore zur Seite schwangen. Kaum etwas, das er im Morgengrauen zurückgelassen hatte stand noch am rechten Fleck. Die Halle war lichtdurchflutet und alle Fenster aufgerissen. Alle geweihten Opfer für die Götter, waren von den Wänden verschwunden. An ihrer stelle hangen nun getrocknete Blumen und bunt geflochtene Kordeln. Alles Stroh war im Feuer verbrannt und durch schneeweiße Lammfelle ersetzt worden. Kein einziges Netz war mehr zu sehen, stattdessen trennten samtige Tücher den weiten Raum.
Mit größter Mühe löste Ivar sich aus seiner Schockstarre.
„Was ist hier passiert? Wer ist dafür verantwortlich?"
Es dauerte einige Augenblicke, bis er eine Antwort erhielt.
„Die...die Engländerin Herr"
„Magery?", fragte der Knochenlose ungläubig.
Gaer nickte.
„Sie ist völlig durchgedreht Herr. Niemand konnte sie aufhalten. Loki hat Besitz von ihr ergriffen."
„Dann wird es Zeit sie daran zu erinnern, wer ihr eigentlicher Besitzer ist. Alle raus.", sagte er kalt. Kalt und leise. Die Bediensteten verschwanden so schnell sie konnten, doch seine Männer rührten sich nicht.
„Ich sagte alle."
Mit gesenktem Kopf traten nun auch seine Krieger zurück ins Freie und schlossen die Tore hinter sich zu.
Ivar kam nicht umhin zu bemerken, dass es nun überall nach frischen Blumen und Kräutern roch. Das war auch kein Wunder. Denn auf fast jedem Tisch waren große Sträuße mit bunten Blüten aller Arten und Farben aufgestellt worden.
„Magery!", schallte Ivars Stimme bebend durchs Haus. Doch nichts rührte sich.
„Magery!", schrie er ihren Namen erneut, rammte zwei kurze Eisenpfähle in die hölzernen Dielen und zog sich ein Stück vor.
Die Tür zu den Schlafkammern der Sklaven öffnete sich knarrend und Magery trat hindurch. Sie trug ein korallenfarbenes Leinenkleid mit einer rot bestickten Borte. Passend dazu hatte sie sich eine Mohnblume ins Haar gesteckt und schaute Ivar aus unschuldigen Kitzaugen an. Sie sah zufrieden aus.
„Warst du das?", knirschte Ivar zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor.
„Was?", fragte sie scheinheilig und strich sich eine Strähne hinters Ohr.
„Hast du meine Halle geplündert und all diesen unnützen Tand hier reingeschleppt?"
„Geplündert? Einer Plünderung liegt das Habhaftwerden von Dingen zugrunde, die einem selbst nicht gehören, welche man aber gerne hätte und sie zu diesem Zwecke jemandem gewaltsam wegnimmt."
Ivar fasste sich an die Schläfe.
„Den stinkenden Unrat den ich entsorgt habe, wollte ich aber ganz sicher nicht besitzen. Also war es mit Nichten eine Plünderung. Bestenfalls eine ausgiebige Reinigung"
„Das einzige was hier einer ausgiebigen Reinigung bedarf ist dein vorlautes Mundwerk.", blaffte Ivar zurück und begann sich gefährlich schnell auf Magery zuzubewegen. Diese wartete jedoch nicht, sondern lief so schnell sie konnte auf die andere Seite eines, mit Blumen vollgestellten, Tisches.
„Ivar bitte! Ich hab's nicht mehr ausgehalten."
„Oh, du wirst es nicht mehr aushalten, wenn ich mit dir fertig bin!", zischte Ivar zurück und schlängelte sich um den Tisch. Aber Magery war schneller und lief weiter vor ihm davon.
„Von morgens bis Abends bin ich in diesem Loch eingesperrt. Weißt du wie das ist? Ich werde wahnsinnig, wenn ich noch einmal den Geruch von verbrannten Pilzen riechen muss.", sagte sie und sprang mit einem Satz auf den Tisch.
Ivar fluchte.
„Meine Halle sieht aus, wie der Stammort eines Weiberzirkels."
„Vorher hätte man meinen können, ein Stamm wilder Höhlenbewohner hat sich hier eingenistet.", entgegnete Magery mutig vom Tisch aus.
„Wie soll ich meine Männer, meine Brüder oder gar meine Feinde an einem Ort empfangen, der so aussieht als wäre er von einer Scharr Blumenmädchen überrannt worden?"
„Ohh weniger Pilze und ein bisschen mehr frische Luft würde auch deinen Männern und Brüdern nicht schaden.", grinste sie noch frecher als zuvor. Der Höhe des Tisches hatte ihr das Gefühl einer trügerischen Sicherheit verliehen.
Ivar wollte gerade etwas erwidern, als ein Blöken durch den Raum tönte. Ein junges Schaf war durch die kleine Tür, durch die zuvor auch Magery gekommen war, in den Raum getreten. Etwas verdutzt schaute das Tier zu den beiden herüber. Aber noch viel verdutzter schaute Ivar zurück. Denn um den Hals trug das Lämmchen eine rote Schleife.
„Sollte dieses Lamm nicht heute Morgen geopfert werden?", knirschte er.
„Nein....ein anderes wurde geopfert...sie sehen sich alle so furchtbar ähnlich...", log die Engländerin nervös.
Dann entfuhr ihren Lippen ein überraschter Schrei. Denn der Boden unter ihren Füßen kippte plötzlich weg, als Ivar mit einer schnellen Bewegung den Tisch umwarf. Damit hatte sie nicht gerechnet. Noch im letzten Moment, gelang es ihr sich abzurollen. Geräuschvoll schlugen zwei Blumenvasen neben ihrem Kopf auf und bedeckten sie mit Tonscherben und Blüten. Schnell rappelte sie sich auf und rannte los. Sie konnte es sich nicht leisten, jetzt noch von ihm erwischt zu werden. Dafür hatte sie ihn zu wütend gemacht. Das Lamm sprang verdutzt zur Seite, als Magery über es herüber sprang und die kleine Tür durch die sie gekommen war hinter sich zuschlug. Dann lief sie den, ebenfalls mit Kordeln und getrockneten Blüten, dekorierten Gang weiter hinab, bis sie ihre Kammer erreichte. Unwirsch stieß sie die Tür auf, schlüpfte hinein und warf sie dann gleich wieder zu. Sklaven durften ihre Türen nicht zuschließen, daher gab es auch kein Schloss, was sie hätte verriegeln können. Also schob sie mit aller Mühe ihr Bett vor die Tür und presste sich dagegen. Er durfte sie nicht bekommen.

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