7

Ich öffnete meine Augen und fand mich in einen weißen Raum wieder. Es war sehr hell und ich musste mir die Augen zukneifen, da sich meine Augen sonst nicht daran gewöhnt hätten. Langsam drehte ich mich um meine eigene Achse, um etwas ausmachen zu können, erkannte jedoch, dass sich nichts in diesen Raum befand. Plötzlich hörte ich ein leises Flüstern. Es war eher ein Keuchen. Einzelne Laute, aber keine ganzen Worte. Sie wurden lauter. Immer lauter. Bis sie zu laut waren. Ich drückte wie eine Irre meine Hände auf meine Ohren, um dieses laute Keuchen irgendwie zu dämpfen. Doch es wurde nur noch schlimmer. Es wurde immer lauter und lauter, bis es unerträglich wurde. Ich versuchte es zu ignorieren, es zu dämpfen, doch es ging nicht. Ich spürte, wie der Schweiß meine Stirn runterlief und wie einzelne Tränen meine Augen verließen. Gerade als ich meine Hände noch fester gegen meine Ohren drücken wollte, verstummte es ganz plötzlich. Es war weg. Vorsichtig und zitternd nahm ich meine Hände von den Ohren. Gerade als ich erleichtert durchatmen wollte, ertönte ein bestialischer Schrei, der mich zusammenzucken ließ. Doch ich hatte nicht genug Zeit, um auf diesen Schrei zu reagieren, da er genauso schnell verschwand, wie er gekommen war. Plötzlich hörte ich ein Flüstern. Es war aber nicht wie vorhin. Es war ruhiger. Leiser. Dieses Flüstern kam von allen Seiten. Ich versuchte mich darauf zu konzentrieren, was dieses Flüstern sagte. Ich konnte hören, dass es einen Satz sagte. Immer und immer wieder denselben Satz. Was es jedoch sagte, verstand ich jedoch nicht. Noch nicht. Dieses Flüstern wurde immer lauter. Sie hallte in diesen Raum wieder. Es schien, als würde das Echo an den Wänden abprallen und auf auf mich zukommen. Wie ein wildes Tier, welches kurz davor ist, mich zu zerfleischen. Ich hielt mir die Ohren zu. Wie zuvor. Ich wollte dieses Flüstern nicht mehr hören. Doch es wurde immer lauter. Und langsam verstand ich auch, was dieses Flüstern sagte.
,,Es ist alles deine Schuld!"
Mittlerweile war es kein Flüstern mehr. Eher ein Brüllen. Diese Stimme brüllte mich an. Brüllte mir zu, dass alles meine Schuld sei. Alles. Was passiert war und was noch passieren wird.
Wie eine Irre drückte ich meine Handflächen gegen meine Ohren um nichts mehr zu hören. Doch es gab kein Entkommen. Dieses Brüllen hallte in meinen Kopf wieder. Ich konnte es so sehr ignorieren, wie ich wollte. Es klappte nicht. Ich konnte meine Ohren so fest zuhalten, wie ich wollte. Es funktionierte nicht.
,,Es ist alles deine Schuld!"
Ich erkannte diese Stimme. Ich erkannte sie an den Akzent. Newt. Newt brüllte mich an. Behauptete, dass alles meine Schuld sei. Ich spürte, wie mir Tränen in die Augen stiegen. Es tat weh. Seine Stimme so zu hören. Sie war so wütend. Und enttäuscht. Es zerriss mich innerlich. Ich wollte es nicht mehr hören. Ihn nicht mehr hören.
,,Hör auf!"
Newt schien es zu ignorieren. Er brüllte nur weiter, dass alles meine Schuld sei. Ich begann zu weinen. Nicht vor Schmerz. Vor Angst. Die Angst, dass das real ist. Dass Newt mir wirklich die Schuld an allem gab.
,,Es ist alles deine Schuld!"
Eine weitere Stimme kam hinzu. Es war Minho. Und dann noch die von Chuck. Und die von Alby. Und zum Schluss schließlich waren es viele Stimmen, die immer wieder dasselbe brüllten.
,,Es ist alles deine Schuld!"
Mein Kopf schmerzte und ich hielt es nicht mehr aus. Ich wollte es nicht mehr hören. Ich konnte nicht mehr. Die Tränen liefen unaufhaltsam meinen Wangen herunter und ich begann zu schreien. Es war ein verzweifelter Schrei. Er war laut und schrill. Ich schrie und schrie, doch die Stimmen wollten nicht weggehen. Ich schrie immer weiter. Und immer lauter.

Kreischend wachte ich auf und fuhr hoch. Ich konnte nicht aufhören. Ich konnte einfach nicht. Ich kreischte und weinte. Verzweifelt hielt ich mich am Rand meiner Hängematte fest und hielt die Augen geschlossen. Ich wollte nicht in diesen weißen Raum sein. Was ist, wenn ich doch dort drinnen war? Ich wollte nicht da rein.

,,Mary! Mary!"
Eine Stimme mit leichtem Akzent sprach zu mir. Newt griff vorsichtig nach meiner Hand und drückte sie. Es ließ mich etwas leiser werden. Wenigstens war ich nicht alleine. Ich hörte, wie mein Kreischen immer leiser wurde, bis es schließlich ganz verstummte. Langsam und ängstlich öffnete ich meine Augen und bemerkte, wie vermutlich jeder Junge auf der Lichtung um mich herum stand. Hatte ich wirklich so laut geschrien? Es musste aber bedeuten, dass ich noch auf der Lichtung war. Ich entspannte mich etwas. Einerseits weil ich doch nicht in diesen weißen Raum war, andererseits weil Newt noch immer meine Hand sanft drückte. Doch dann begann ich zu weinen. War das ein Traum? Oder Realität? War ich wirklich an allem schuld?

,,Hey Mary. Alles ist gut"
Neben Newts sanften und beruhigenden Worten hörte ich das Nuscheln vieler Lichter. Viele waren verwirrt und müde. Andere waren genervt und wollten wissen, was mit mir schiefläuft.

,,Geht wieder schlafen ihr Strünke!"
Ich drehte mich um und sah Alby, wie er alle Lichter wieder zurück zitierte, damit er zu mir kam. Er kam direkt auf mich zu und es folgte ihn ein blonder Junge.
,,Warum kreischt dieser Frischling mitten in der Nacht herum?", fragte er den Anführer aufgebracht.
,,Das werden wir sie jetzt fragen", meinte Alby bloß monoton. Shit. Ich versuchte nicht allzu laut zu schiefen. Mit meinen linken Arm wischte ich mir die Tränen aus dem Gesicht und starrte einfach auf die Lichtung ohne einen bestimmten Punkt anzuvisieren.

,,Was sollte das denn, Frischling?"
Ich drehte den Kopf zur Seite und bemerkte, wie mich Alby wütend ansah. Was ich verstand. Ich wäre auch wütend, wenn mich jemand durch Gekreische aufgeweckt hätte. Ich atmete ein, wodurch man auch bei dieser Dunkelheit merkte, dass ich geweint hatte und begann zu reden:,, E-Es tut mir leid. I-Ich weiß selbst nicht, warum das passiert ist und-"
Doch weiter kam ich nicht, da ich von den anderen blonden Jungen unterbrochen wurde. Erst jetzt erkannte ich, dass es auch der Junge war, der mich aus der Box gezogen hatte.
,,Es tut dir leid? Echt jetzt, Frischling? Du weckst uns alle mitten in der Nacht auf und sagst, dass es dir leid tut?"
Ich hörte nur wie Alby und Newt genervt ausatmeten. Es ging noch eine Weile so und ich versuchte meine Tränen zu unterdrücken. Nicht wegen den Jungen, der sauer auf mich war, sondern wegen den Traum. Diesen lächerlichen Traum. Er geisterte noch immer durch meinen Kopf und ich hörte noch immer die Stimmen der Jungs, wie sie es noch immer sagten. Es war ganz leise. Leicht zu überhören. Doch sie war da.

Panisch schüttelte ich den Kopf und zog meine Beine zu mir an die Brust und umschlang sie mit meinen Armen. Ich vergrub meinen Kopf in meine Knie und schluchzte. Es war alles meine Schuld. Sie hatten recht. Es war alles meine Schuld.

,,Hey Mary alles ist gut"
Newt strich mir beruhigend über den Rücken, während ich versuchte mich wieder einzukriegen, was etwas funktionierte. Die Stelle kribbelte, wo er mit der Hand über meinen Rücken fuhr und ich vergas augenblicklich zu weinen. Ich vergas für einen kurzen Moment diese Stimmen in meinen Kopf. Ich vergas meinen Traum.

,,Frischling, mitkommen", murrte Alby müde, während ich noch wie verängstigt in meiner Hängematte hockte. Ich versuchte rauszukommen, doch ich schaffte es irgendwie rauszufallen. Ich landete auf meinen Knien und stützte mich mit meinen Händen ab, um aufzustehen. Newt half mir dabei. Er nahm mein rechtes Handgelenk und stützte mich ab Rücken ab, während er mich sanft nach oben zog. Sofort durchfuhr mich ein Kribbeln an den Stellen, an denen er mich gestützt hatte. Es war ein sanftes Kribbeln, was mich zu Newt aufsehen ließ. Als ich stand folgte ich schnell Alby und flüsterte ein Dankeschön zu Newt. Warum war ich bei ihm so drauf?

Alby ging zu einem großen Haus, bestehend aus Holz und Stroh. Es sah alt und gebrechlich aus. Es könnte jeden Moment einstürzten, oder? Obwohl, das dachte ich beim Baumhaus und es war sicher, also würde es bei diesem Haus auch nicht anders sein, oder? 

Ich ging in das Haus und Alby drehte sich augenblicklich um, als ich es betrat.

,,Was sollte das, Frischling?", fragte er mich aufgebracht, aber beherrschend. 
,,Ich weiß es nicht, okay! Ich wusste nicht einmal, dass ich schreie!", meinte ich etwas gereizt. Ich war müde (was meine Schuld war), gereizt, weil mich jeder anfuhr (was auch meine Schuld war) und wegen den Traum, nervlich komplett am Ende (auch meine Schuld). Verdammt, es war wirklich alles meine Schuld! Alles was passiert war! Die Stimmen hatten recht. Sie hatten recht. Ich schluckte diese Erkenntnis runter und suchte nach einen Stuhl oder etwas in der Art, da meine Beine immer weicher wurden und sich anfühlten, als wären sie nicht da. Ich spürte, wie alles etwas verschwommen wurde, und bevor ich hinfallen konnte, spürte ich, wie mich jemand stützte und auf etwas niedersitzen ließ. Ich klammerte mich an das Hemd der Person und ließ mich auf den Baumstamm nieder.
,,Hey Mary!", hörte ich dumpf war. Ich konnte erkennen, dass die Stimme von links kam, weshalb ich meinen Kopf in diese Richtung streckte.
,,Alles gut?", fragte mich diese Person. Ich nickte noch etwas benommen und ich spürte, wie ich langsam wieder klar sehen konnte. 
,,Willst du uns erzählen, was passiert ist", fragte die Person ruhig weiter. Und wieder nickte ich. Die Stimme wurde immer klarer und ich konnte langsam erkennen, wer es war: Newt. Etwas benommen rückte ich etwas von ihm weg. Ich spürte, wie ich rot wurde und daher senkte ich den Kopf, damit er es nicht sehen konnte. Warum wurde ich immer in seiner Anwesenheit rot?

,,Also, Mary. Was ist passiert?"
Ich blickte zu Alby, welcher mich neugierig ansah. Er hatte mich bis jetzt noch gar nicht beim Namen genannt. Na gut, ich hatte meinen Namen auch nicht über die ganze Lichtung gebrüllt. Er konnte ihn nicht wissen. 

,,I-Ich hatte nen Traum", begann ich zu erzählen. Ich sah Verwirrung in Albys Gesicht, während Newt mich eher besorgt ansah.
,,I-Ich war in einen weißen Raum. Da war nichts außer ich. Sonst nichts. Und ich hörte Stimmen. Sie sagten immer und immer wieder dasselbe. Jedes Mal. Und mit jedem Mal wurden sie lauter. I-Ich hielt mich die Ohren zu, doch es half nichts. Sie waren in meinen Kopf. Ich wollte diese Stimmen nicht mehr hören. Ich sagte sogar, dass sie aufhören sollten. Aber sie machten einfach weiter. Und dann schrie ich. Ich schrie, weil ich sie nicht mehr hören wollte. Sie machten mich wahnsinnig u-und-"
Ich brach ab, da ich erneut zum weinen angefangen hatte. Es war einfach lächerlich, dass ich wegen sowas weinte. Newt rutschte vorsichtig zu mir und strich mir behutsam über den Rücken. Erneut kribbelte es an den Stellen, an denen er mich berührte. Dieses sanfte Kribbeln beruhigte mich etwas und lenkte mich vom Weinen ab. 
,,Was sagten diese Stimmen?"
Ich hob meinen Blick und sah in Albys Gesicht. Wollte er es wirklich wissen? Ich überlegte, ob ich es ihm sagen sollte. Sollten sie es wissen? Sollten sie es wissen, dass es ihre Stimmen waren, die mir zuerst zuflüsterten und dann zubrüllten, dass alles meine Schuld sei?
Ich schüttelte mit dem Kopf und flüsterte, dass ich mich nicht mehr daran erinnern könnte. Ich spürte förmlich den misstrauischen Blick seitens Alby auf mir, was mir nur noch mehr Angst machte. Hatte er einen Verdacht, dass ich ihn belog?

,,Nun, ich denke, dass wir dich heute Nacht nicht mehr zu den Jungs lassen werden", fing er an. Ich sah auf und es schien, als würde er überlegen, ob er fortfahren sollte.
,,Du wirst heute Nacht bei einen von den Hütern untergebracht-", doch bevor er den Satz beenden konnte, meinte Newt sofort:,, Sie kann heute Nacht bei mir unterkommen."
Ich sah ihn perplex und doch glücklich an, was er mit einem Lächeln quittierte. Alby nickte bloß und meinte, dass es in Ordnung wäre. Dann verließ er den Raum, sodass nur mehr Newt und ich da waren. Es war eine angenehme Stille zwischen uns zwei. Niemand machte sich auch nur die Mühe, dieses Schweigen zu beenden. Als Newt aufstand und mir die Hand hinhielt, nahm ich die an und überlegte, was ich sagen sollte.

,,Danke, Newt"
,,Für was?"
,,Für alles"

Ich merkte, wie er zu lächeln begann, was mich rot werden ließ. Warum werde ich immer rot? 
,,Nun dann: Gern geschehen"
Er lächelte mich freundlich an, wodurch mein Bauch wie wild kribbelte. Was war mit mir los? Warum kribbelte mein Bauch wie verrückt, wen er mich anlächelte? 

Ich war so sehr in meinen Gedanken rund um Newt und das immer wieder kommende Kribbeln in meinen Bauch versunken, sodass ich gar nicht merkte, wie wir bei seiner Hütte ankamen. Erst als ich gegen ihn lief, kam ich zum Stehen. Wie oft soll ich noch gegen ihn laufen? Noch roter konnte ich nicht mehr werden. Oder?

Ich hörte ein leises Lachen, während sich der blonde Junge zu mir umdrehte und mich belustigt ansah. Aber da ich müde, verzweifelt, nervös und fertig mit den Nerven war, nuschelte ich ein Tschuligung und blickte wehmütig auf den Boden.
,,Schon gut"
Ich sah auf und sah direkt in seine wunderschönen braunen Augen. Sie funkelten so schön, sodass man meinen könnte, dass sich der Himmel dort drinnen befindet. Sie waren beruhigend. Wie Newt selbst.
,,Kommst du?"
Aus meinen Gedanken gerissen, nickte ich und ging in seine Hütte. Wie heute morgen war sie klein aber gemütlich. Sofort stieg mir ein Geruch in die Nase, den ich sofort identifizieren konnte: es war Newts Geruch. Sein Geruch nach Wald war einzigartig. Woher wusste ich, wonach Newt roch?
Ich merkte nicht, wie Newt die Türe hinter uns schloss. Erst nachdem er an mir vorbeigegangen war, sah ich nach hinten und bemerkte die verschlossene Tür. Danach drehte ich mich wieder zu ihm und sah, wie er sich auf sein Bett setzte. Er sah zu mir und lächelte mich freundlich, aber schüchtern an.
,,Wenn du willst kann ich auch auf den Stuhl schlafen"
Ich schüttelte nur den Kopf. Vielleicht würde ich gerade heute Nach seine Nähe brauchen. Obwohl ich ihn erst seit gut zwei Tagen kannte, hatte ich das Gefühl ihn schon ewig zu kennen. Langsam ging ich auf sein Bett zu und ließ mich darauf nieder. Es war nicht sonderlich weich, aber bequemer als die Hängematte. Ich legte mich müde hin und wünschte Newt noch eine gute Nacht, bevor mir die Augen endgültig zufallen würden. Ich hatte gar nicht gemerkt, wie müde ich eigentlich war.
,,Gute Nacht, May"
Bei diesen Worten kribbelte es erneut in meinen Bauch. Mein Herz begann etwas schneller zu schlagen. Und ich hatte dieses Gefühl im Bauch. Es war nervig, aber angenehm.

Newt machte das Licht aus und ich merkte, wie er mich zudeckte und ebenfalls in Bett stieg. 
,,Danke"
Nun war ich so müde, dass ich nicht mehr anders konnte: ich entspannte mich und ließ mich von meinen Gedanken ins Land der Träume entführen. Und ausnahmsweise gefiel mir der Traum, der mein Kopf für mich bereithielt.

Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top