Bittere Niederlage ✔

»Das Glück hat ein großes Gefolge, das Unglück hingegen kaum Gefährten.«

Bittere Niederlage

Professor Dumbledore schickte alle Gryffindors zurück in die Große Halle, und zehn Minuten später stießen auch die verwirrten Haufen aus Hufflepuff, Ravenclaw und Slytherin hinzu. Auf dem Weg zum Ausgang blieb Dumbledore noch stehen.

,,Ach ja, Sie brauchen..."

Mit einem lässigen Schlenker seines Zauberstabs flogen die langen Tische in die Ecken der Halle und stellten sich aufrecht gehen die Wände; ein weiterer Schlenker und der Fußboden war bedeckt mit hunderten von knuddeligen, purpurroten Schlafsäcken.

,,Schlaft gut!", sagte Professor Dumbledore und schloss die Tür hinter sich.

,,Alle in die Schlafsäcke!", rief Percy. ,,Los, macht schon, kein Getuschel mehr! In zehn Minuten geht das Licht aus!"

,,Komm", sagte Cormac und zog Ruby am Arm, nahm zwei Schlafsäcke und legte sie nahe der Tür, damit sie lauschen könnten, falls es neue Informationen gab.

Beide legten sich in die Schlafsäcke und stützen die Gesichter auf den Ellenbogen ab. ,,Was denkst du, wie er hierher gekommen ist, Ruby?", fragte Cormac leicht beunruhigt.

,,Ich weiß es nicht", antwortete Ruby und war selber viel entsetzter, denn sie hatte Sirius gewarnt, dass falls er das Schloss betrete, sofort Alarm geschlagen werden würde. ,,Mit einem Besen kommt er hier ja nicht rein..." Nachdenklich kratzte sie sich am Kinn. ,,Und apparieren kann man hier auch nicht und vor allem ohne Zauberstab ist es vollkommen unmöglich, als bleibt nur eines: Er muss einen Geheimgang kennen..."

,,Das kann stimmen", murmelte Cormac und ließ den Kopf in den Schlafsack, vor Müdigkeit, sinken. ,,Gute Nacht."

Ruby war nicht müde, weil sie Angst hatte; Angst um Sirius, dass jemand ihn erwischen könne. Denn falls das eintreten würde, wäre er verloren und niemand könnte ihm mehr helfen.

,,Wir löschen jetzt die Lichter!", rief Percy. ,,Alle in die Schlafsäcke und kein Getuschel mehr!"

Gleich darauf gingen die Kerzen aus. Das einzige Licht kam jetzt noch von den silbern schimmernden Geistern, die umher schwebten und in ernstem Ton mit dem Vertrauenschülern sprachen, und von der verzauberten Decke, die wie der Himmel draußen von Sternen übersät war. Dies und das Geflüster, das immer noch die Halle erfüllte, gab Ruby das Gefühl, bei einer leichten Brise unter freiem Himmel zu schlafen.

Stündlich erschien ein Lehrer, um nachzusehen, ob alles ruhig war. Gegen vier Uhr morgens, als viele Schüler endlich eingeschlafen waren, kam Professor Lupin herein. Er ging in die Richtung, in der Ruby und Cormac waren. Cormac schlummerte leise vor sich hin, während Ruby noch immer nicht schlafen konnte. Sie starrte mit glasigen Augen einfach an die Decke, als gäbe es dort etwas spannendes zu sehen, bis auf die Sterne, welche ihr entgegenstrahlten. Ruby reagierte nicht so, wie sie es unter normalen Umständen getan hätte, als Professor Lupin sich ihr näherte, denn die Gryffindor blieb ruhig liegen und malte sich moton im Kopf aus, wie die Dementoren Sirius die Seele aussaugten.

,,Ruby?" Ruby schreckte aus ihrer Starre auf und entspannte sich erst, als sie sah, dass Professor Lupin sich hingekniet hatte und sie besorgt musterte. ,,Kannst du nicht schlafen?", fragte er leise, mit einem bedachten Blick auf Cormac, um ihn nicht zu wecken.

,,Nein", erwiderte sie schlicht und streckte ihren eingeschlafenen Arm. ,,Selbst Harry, Ron und Hermine schlafen, wobei die bis drei Uhr geredet haben." Sie warf einen Blick auf ihre Taschenuhr. ,,Und es ist jetzt schon vier Uhr morgens."

,,Woher hast du die?", sagte Professor Lupin und deutete auf die goldene Taschenuhr, die alt und teuer aussah.

,,Von meinem Vater", flüsterte sie. ,,Das einzige, was ich von ihm noch habe." Professor Lupin runzelte verwirrt die Stirn und schien nachzudenken, denn er sagte kein Wort, sondern starrte die Uhr an als würde sie Bände sprechen.

,,Sag, Ruby, wie hieß deine Mutter?", stellte er eine weitere Frage.

,,Grace Clarke." Mehr wollte Ruby nicht sagen, da der Gedanke schmerzte und sich etwas tief in ihrer Brust zusammenzog.

,,Aha." Professor Lupin stand auf und verschwand mit einem leisen ,Warte kurz.'

Einige Minuten später tauchte er wieder auf, in der Hand eine Phiole mit einem hellblauen Trank. ,,Trink das", sagte er und hielt ihr lächelnd die Flasche entgegen.

,,Danke." Ruby kippte sich den warmen Trank die trockene Kehle hinunter und verspürte sofort ein Gefühl, welches ihre Angst übertrumpfte. Müdigkeit. Erschöpft schloss sie ihre Augen und schlief kurz darauf ein.

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Während der nächsten Tage sprachen sie in der Schule über nichts anderes. Immer abstuser wurden die Theorien darüber, wie Sirius in das Schloss eingedrungen sein könnte. Hannah Abbott von den Hufflepuffs erzählte in der Großen Halle jedem, der es hören wollte, dass Black sich in einen blühenden Busch verwandeln konnte, woraufhin Ruby die Augen verdrehte.

Das zerschlitzte Gemälde des fetten Dame wurde von der Wand genommen und euch das Porträt Sir Cadogans und seines fetten grauen Ponys ersetzt. Damit war niemand so recht zufrieden. Sir Cadogan forderte sie ständig zu Duellem heraus oder dachte sich lächerlich komplizierte Passwörter aus, die er mindestens zweimal am Tag änderte.

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Das erste Quidditch-Spiel rückte näher und das Wetter wurde immer schlechter. Das Team der Gryffindors ließ sich nicht entmutigen und trainierte, unter den Augen von Madam Hooch - für Harrys Sicherheit -, härter denn je. Dann, während ihres letzten Trainings vor dem Spiel am Samstag, überbrachte Oliver Wood seinem Team eine unerfreuliche Nachricht.

,,Wir spielen nicht gegen die Slytherins!", verkündete er wütend. ,,Flint war eben bei mir. Wir spielen gegen die Hufflepuffs."

,,Was?", riefen alle im Chor.

,,Flint redet sich darauf raus, dass ihr Sucher immer noch am Arm verletzt ist", sagte Wood mit knirschenden Zähnen. ,,Aber es ist doch klar, warum sie es tun. Wollen nicht bei diesem Wetter spielen, weil sie denken, es würde ihre Chancen mindern..."

Den ganzen Tag hat es heftig gestürmt und geregnet und ein fernes Donnergrollen unterlegte Woods Worte.

,,Malfoys Arm ist vollkommen gesund!", sagte Harry zornig. ,,Er schauspielert nur!"

,,Das weiß ich auch, aber wir können es nicht beweisen", sagte Wood erbittert. ,,Und wir haben jetzt alle diese Spielzüge geübt, weil wir angenommen haben, wir würden gegen die Slytherins spielen, und jetzt kommen die Hufflepuffs mit ihrer ganz anderen Spielweise. Sie haben einen neuen Kapitän und Sucher, Cedric Diggory -"

Angelina und Alicia fingen plötzlich an zu kichern.

,,Was ist denn?", sagte Ruby und runzelte die Stirn.

,,Das ist doch dieser große, gut aussehende Junge?", sagte Angelina.

,,Stark und schweigsam", sagte Alicia und wieder fingen sie an zu kieksen, woraufhin Ruby genervt einen Schritt weg von den beiden machte.

,,Der ist nur schweigsam, weil er zu doof ist, um zwei Wörter zu verknüpfen", sagte Fred unwirsch. ,,Ich weiß nicht, wieso du dir Sorgen machst, Oliver, die Hufflepuffs stecken wir doch in die Tasche. Beim letzten Spiel gegen die hat Harry den Schnatz in gerade mal fünf Minuten gefangen, du weißt noch?"

,,Das waren damals ganz andere Bedingungen!"; rief Wood mit leicht hervorquellenden Augen. ,,Diggory hat ein ziemlich starkes Team auf die Beine gestellt. Er ein sehr guter Sucher! Ich hatte ja schon befürchtet, dass ihr es zu leicht nehmt! Wir dürfen uns nicht zurücklenen! Wir müssen unsere Kräfte zusammen halt! Die Slytherins wollten uns auf dem falschen Fuß erwischen! Wir müssen gewinnen!"

,,Schon gut, Oliver!", sagte George eine Spur beunruhigt. ,,Wir nehmen die Hufflepuffs sehr ernst. Im Ernst."

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,,Warum hast du es so eilig, Clarke?", fragte Pucey und stellte sich Ruby in den Weg, diese murrte nur und trat ihm aufgebracht auf den Fuß, weshalb der Slytherin, sich den Fuß haltend, zur Seite sprang.

Ruby schlitterte bis vor die Klassenzimmertür, öffnete sie und huschte hinein.

,,Entschuldigen Sie, dass ich zu spät komme, Professor Lupin, Sie wissen ja, Stau auf den Gängen und -"

Doch es war nicht Professor Lupin, der da am Lehrerpult saß und sie ansah; es war Snape.

,,Setzen", sagte er schlicht und Ruby setzte sich verwundert, dass er ihr keine Punkte abgezogen hat, hin. ,,Nun, Professor Lupin hat keine Notizen hinterlassen über das, was er mit Ihnen schon durchgenommen haben, also starten wir mit Werwölfen."

,,Aber Sir", sagte Ruby, ,,wir sollten noch nicht die Werwölfe behandeln, eigentlich wollten wir mit den Hinkepanks anfangen -"

,,Miss Clarke", sagte Snape mit eisiger Gelassenheit. ,,Ich bin davon ausgegangen, dass ich den Unterricht halte und nicht Sie. Und nun schlagen Sie alle die Seite dreihundertundvierundneunzig auf." Wieder blickte er in die Runde. ,,Alle, habe ich gesagt! Und zwar sofort!"

Unter vielen verbitterten Seitenblicken und trotzigen Gemurmel schlugen sie ihre Bücher auf.

,,Wer von Ihnen kann mir sagen, wie man einen Werwolf von einem richtigen Wolf unterscheidet?", fragte Snape.

Alle saßen schweigend und reglos da; alle außer Ruby, deren Hand wie so oft nach oben geschnellt war.

,,Keiner?", sagte Snape ohne Ruby eines Blickes zu würdigen. Er setzte ein schiefes Lächeln auf. ,,Wollen Sie mir sagen, dass Professor Lupin Ihnen nicht einmal den einfachen Unterschied zwischen -"

,,Wir haben Ihnen doch gesagt", platzte mit einem Mal Katie los, ,,dass wir noch nicht bei den Werwölfen waren, wir sind immer noch auf -"

,,Ruhe!", bellte Snape. ,,Schön, schön, schön, ich hätte nie gedacht, dass ich auf eine vierte Klasse stoßen würde, die nicht mal einen Werwolf erkennt, wenn sie einen gegenübersteht. Ich werde Professor Dumbledore ausdrücklich davon in Kenntnis setzten, wie weit Sie alle hinterher sind..."

,,Bitte, Sir", sagte Ruby, die Hand noch immer nach oben gestreckt, ,,der Wolf ist vom echten Wolf durch mehrere kleine Merkmale zu unterscheiden. Die Schnauze des Werwolfs -"

,,Das ist das zweite Mal, dass Sie einfach reinreden, Miss Clarke", sagte Snape kühl. ,,Fünf Punkte Abzug für Gryffindor."

,,Was ist eigentlich mit Professor Lupin?", sprudelte es aus Ruby heraus, da ihr die Frage die ganze Zeit über auf der Zunge brannte.

,,Er sagte, er fühle sich heute zu krank, um zu unterrichten", sagte Snape wieder mit diesem schiefen Lächeln.

,,Was hat er denn?", hakte sie nach.

Snapes schwarze Augen glitzerten. ,,Nichts lebensbedrohliches", sagte er mit einem Blick, als wünschte er ebendies sehnlichst herbei. ,,Noch einmal fünf Punkte Abzug für Gryffindor."

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Als es endlich läutete, hielt Snape sie zurück. ,,Sie schreiben einen Aufsatz über die Frage, wie man ein Werwolf erkennt und tötet. Ich will bis Montagmorgen zwei Rollen Pergament darüber sehen. Wird Zeit, dass einer diese Klasse in den Griff kriegt."

,,Idiot", murrte Ruby, schlug ihr Buch zu und ging, unter den Blicken aller anderen, wutentbrannt auf Snape zu. ,,Professor Lupin ist der beste Lehrer, den wir je hatten und er hat seine Klasse im Griff - das kann ich Ihnen versichern!"

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Am Tag des Spiels regnete es heftig. Quidditch war so beliebt, dass wie immer die gesamte Schule auf den Beinen war, um das Spiel zu sehen, allerdings mussten sie mit eingezogenen Köpfen und gegen den Wind ankämpfend über den Rasen hinunter zum Spielfeld rennen, und der Sturm riss ihnen die Schirme aus den Händen. Kurz, bevor Ruby den Umkleideraum betrat, sah sie, wie Pucey und Flint auf dem Weg zum Stadion unter einem riesigen Schirm hervor lachend auf sie deuteten.

Rasch zogen sie sich ihre scharlachroten Umhänge über und warteten auf Woods übliche Aufmunterungsrede vor dem Spiel. Doch diesmal fiel sie aus. Mehrmals setzt er zum Sprechen an, brachte aber nur ein merkwürdig wirkendes Geräusch vor, schüttelte dann hoffnungslos den Kopf und winkte sie hinaus.

Der Wind war so stark, dass sie, als sie auf Spielfeld liefen, zur Seite wegstolperten. Die Menge mochte johlen und kreischen, sie konnten es durch die immer neuen Wellen des Donners nicht hören. Der Regen klatschte auf Rubys Haare, dass sie nach einigen Sekunden plitschnass waren. Wie zum Teufel sollte sie überhaupt den Quaffel in diesem Mistwetter erkennen?

Die Hufflepuffs mit ihren kanariengelben Umhängen kamen von der anderen Seite des Feldes. Die Kapitäne traten aufeinander zu und schüttelten sich die Hände; Diggory lächelte Wood an, doch Wood aus, als hätte er Kiefersperre und nickte nur. Ruby sah, wie Madam Hoochs Mund die Worte ,,Besteigt die Besen", formte; sie zog den rechten Fuß mit einem schmatzenden Geräusch aus dem Schlamm und schwang sich auf ihren Nimbus Zweitausend. Madam Hooch setzte sie Pfeife an die Lippen und blies; der schrille Pfiff schien aus weiter Ferne zu kommen - und los ging es.

Ruby stieg in die Höhe, doch ihr Nimbus schlingelte ein wenig im Wind. Sie hielt ihn mit aller Kraft gerade, später durch den Regen und schnappte sich den Quaffel, der kurz darauf in die Luft geworfen wurde.

Sie flog auf Torringe zu, ohne zu wissen, ob es die ihren oder die der Hufflepuffs waren, doch als sie eine rote Gestalt, Wood, sah, drehte sie rücklingst um und flog zu den Ringen der Hufflepuffs.

Sie wäre fast mit Harry zusammengestoßen, konnte jedoch im letzten Moment zur Seite fliegen, und rauschte weiter zu den Torringen, welche von Lazarus Smith bewacht wurden, der jedoch nicht sah, dass Ruby sich näherte.

Mit einem geschickten Wurf landete der Quaffel im linken Ring und Gryffindor erzielte zehn Punkte.

Hufflepuff hatte den Ball, jedoch nahm Angelina ihn ab und warf ebenfalls ein Tor.

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Mittlerweile hatten die Jägerinnen sieben Tore für Gryffindor geworfen, Hufflepuff zwei. Ruby wäre einmal fast mit Cedric Diggory zusammengestoßen, der sich jedoch, was sie nicht erwartet hätte, entschuldigte, fragte, ob es ihr gut ginge und davonbrauste. Sie müsste schon zugeben, dass Freds Beschreibung nicht passte. Generell waren die Hufflepuffs viel fairer als die Slytherins.

Verwirrt suchte Ruby das Feld ab, konnte jedoch den Quaffel nicht entdecken.

,,Wo bist du nur...?", murmelte sie vor sich hin. Als hätte sich ihr Wunsch erfüllt, erblickte sie den Quaffel und flog auf ihn zu.

,,Ich habe um Auszeit gebeten!", brüllte Wood seinem Team entgegen, während alle landeten. ,,Kommt, hier runter -"

Sie drängten sich am Spielfeld unter einem großen Schirm zusammen; Harry nahm die Brille ab und wischte sie hastig am Umhang ab.

,,Wie steht's eigentlich?"

,,Wir haben fünfzig Punkte Vorsprung", sagte Ruby.

,,Aber wenn wir nicht bald den Schnatz fangen, spielen wir bis in die Nacht hinein", fügte Wood hinzu.

,,Mit der hier hab ich keine Chance", keuchte Harry und schlenkerte mit der Brille durch die Luft.

Ruby strahlte aus unerfindlichen Gründen. ,,Ich hab da 'ne Idee, Harry! Gib mir mal deine Brille, schnell!", sagte sie aufgeregt.

Er reichte sie ihr und das restliche Team sah verdutzt zu, wie Ruby mit ihrem Zauberstab dagegen tippte und ,,Impervius!", rief.

,,Bitte sehr!", sagte sie und gab sie Harry zurück. ,,Jetzt stößt sie das Wasser ab!"

Wood sah Ruby an, als wollte er sie auf der Stelle küssen. ,,Genial!", rief er mit heiserer Stimme. ,,Gut Leute, packen wir's!"

Voller Zuversicht, aus das baldige Ende des Spiels, spähte sie in alle Himmelsrichtungen nach dem Quaffel und als sie sah, wie Angelina ihn vor Schreck nach oben warf, flog sie zu ihm und fing den großen ledernen Ball.

Sie wendete und wollte zur Mitte des Feldes zurückfliegen, doch in diesem Moment erleuchtete ein weiterer Lichtblitz die Tribünen, und Ruby sah etwas, oder jemanden, was sie vollkommen in den Bann schlug - die Kontur eines riesigen, zotteliger schwarzen Hundes, klar umrissen gegen den Himmel. Reglos saß er in der obersten leeren Sitzreihe.

,,Sirius", flüsterte Ruby erfreut, doch gleichzeitig wütend, da er sich in Gefahr brachte, indem er einfach so auftauchte.

Plötzlich überkam sie eine fürchterlich vertraute Welle aus Kälte, drang in sie ein, gerade als ihr eine Bewegung unten auf dem Feld auffiel...

Zeit zum Nachdenken blieb ihr nicht mehr, schon wandte sie die Augen von den Torringen ab und blickt in die Tiefe. Mindestens hundert Dementoren, ihre vermummten Gesichter ihr zugewandt, standen dort unter ihr. Es war, als würde eiskaltes Wasser in ihrer Brust aufsteigen und ihr die Eingeweide abtöten. Und dann hörte sie es wieder... jemand schrie, schrie im Inneren ihres Kopfes... eine Frau...

,,ICH HABE DICH NIE GELIEBT!", schrie sie aus Leibeskräften, voller Abscheu in der Stimme. ,,DU BIST EIN MONSTER, NICHTS WEITER! SEI FROH, DASS SIE NICHT AUCH EIN MONSTER IST! WIE KONNTEST DU MIR DAS NUR VERHEIMLICHEN?!"

,,Es tut mir leid, Grace, aber ich tat dies nur zu deinem Schutz", ertönte eine zweite Stimme, die flehend klang.

,,NEIN! VERSCHWINDE!", schrie die Frau wieder, doch senkte dann ihre Stimme. ,,Sie wird bei mir aufwachsen und du wirst sie nie zu Gesicht bekommen."

Ein schrecklicher Schrei ertönte und Ruby schwanden die Sinne.

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,,Ein Glück, dass der Boden so durchweicht war."

,,Ich dachte, sie ist tot."

,,Sie ist blasser als Harry, als er aufgewacht ist."

Ruby konnte Geflüster hören, doch sie verstand überhaupt nichts. Sie hatte keine Ahnung, wo sie war oder wie sie hierher gekommen war oder was sie davor getan hatte. Alles, was sie wusste, war, dass ihr sämtliche Glieder weh taten, als wäre sie verprügelt worden.

,,Das war das Fürchterlichste, das ich je im Leben gesehen habe."

,,Nein, es gab etwas schlimmeres, oder habt ihr es nicht bemerkt?"

,,Was denn?"

,,Professor Lupin. Sah aus, als hätte er Sirius Black höchstpersönlich getroffen, hat irgendwas vor sich hin gemurmelt. Keine Ahnung was, aber ich glaube, es waren Schimpfwörter. Jedenfalls das, was ich verstanden habe, klang nicht sehr höflich den Dementoren gegenüber. >Verfluchte Biester!<, hatte er gerufen und Dinge wie >Ausgeburten der Hölle!< oder -"

,,Wir haben es verstanden, George!"

,,Du brauchst mich nicht anbrüllen, Wood!"

,,Ich mache mir doch nur Sorgen um sie! Harry ist schon seit Stunden wach und sie liegt noch immer leblos im Bett!"

,,Haltet beide eure Klappen! Sie wird wach!"

Ruby blinzelte und fühlte sich benommen. Sie lag in einem Bett und um sie herum stand da ganze Team, sowie Cormac, Harry, Hermine und Ron.

,,Wie geht's dir?", fragte Cormac besorgt und legte ihr eine Hand auf die Stirn.

,,Ganz gut...", murmelte Ruby, ,,denke ich."

,,Willst du wissen, was passiert ist?", fragte Hermine, in deren Stimme ebenso Besorgnis mitschwang, als hätte sie Angst, Ruby wurde jeden Moment sterben.

,,Nein", erwiderte Ruby und zwang sich zu einem leichten Lächeln, ,,ich denke nicht."

,,Sollen wir es ihr sagen?", flüsterte Ron Fred und George zu, die eine Tasche in den Händen hielten.

,,Hat jemand meinen Nimbus mitgenommen?"

,,Ähm..." Cormac kratzte sich am Kopf und dachte nach, wie er Ruby sagen sollte, dass ihr Besen kaputt war. ,,Nun ja... äh..."

,,Komm auf den Punkt!", sagte Ruby entnervt und stütze sich auf die Ellenbogen. Alle Anwesenden tauschten bedeutende Blicke, ehe Wood die Tasche von Fred und George nahm und sie Hermine hin hielt.

,,Ähm -" Hermine warf einen bedeutenden Blick auf Wood.

,,Sie sind endlich wach!", rief Madam Pomfrey und wuselte wie aus dem Nichts herbei und hielt ihre Hand an Rubys Stirn. ,,Kein Fieber...", murmelte sie leise, ,,gut... - hier, trinken Sie das!" Die Heilerin reichte Ruby einen Trank; Ruby trinkte ihn sofort aus und verzog für einen Moment das Gesicht. Die Schmerzen ließen nach.

,,Also?" Ruby blickte von Hermine zu Wood. ,,Wo ist mein Besen?"

,,Nun ja... als du abgestürzt bist, wurde er weggeweht, genauso wie Harrys", sagte Hermine zögernd.

,,Und?"

,,Und er ist - gegen - o Ruby - gegen die Peitschende Weide gekracht."

Rubys Inneres verkrampfte sich. Die Peitschende Weide war ein sehr jähzorniger Baum mitten auf dem Schlossgelände.

,,Und?", sagte sie, und vor der Antwort war ihr ganz bange.

,,Die Peitschende Weide mag nicht - ähm - gern belästigt werden", sagte Ron.

,,Mit Harrys Besen ist dasselbe wie mit deinem passiert... Professor Flitwick hat beide geholt, vor etwa drei Stunden", sagte Hermine kaum vernehmlich.

Zögernd öffnete sie die Tasche, stellte sie auf den Kopf und schüttelte ein Dutzend zersplitterter Holzstücke und angeknackstes Reisig sich auf das Bett, die letzten Überreste von Rubys teurem, am Ende geschlagem Besen.

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