Kapitel 5
„Hey, Frosti, da steckst du ja!" Die fröhliche Stimme von Bachfeder durchbrach Frostsees Gedanken. Die graublaue Kätzin näherte sich ihm mit ihrer gewohnt entspannten Art, dicht gefolgt von Steppenfall, einem braunen Kater mit dunklen Streifen.
„Wir dachten schon, du hättest dich im Schnee verirrt", fügte Steppenfall mit einem amüsierten Schnurren hinzu, während er sich zu Bachfeder gesellte. Sein Blick fiel auf die Beute, die Frostsee mit sich trug. „Sieht aus, als wäre eure Jagd erfolgreich gewesen."
„Ja, Wieselpfote und Flammensprung haben großartige Arbeit geleistet", erwiderte Frostsee, wobei seine Stimme ruhig klang, obwohl seine Gedanken noch immer bei dem Flüstern waren, das er gehört hatte.
Bachfeder legte den Kopf schief und musterte ihn neugierig. „Du wirkst so gedankenverloren. Ist alles in Ordnung, Frostsee?"
Frostsee zögerte einen Moment, bevor er den Kopf schüttelte. „Alles in Ordnung. Nur müde von der Jagd."
„Na gut", miaute Bachfeder und schob ihn spielerisch mit ihrer Pfote. „Dann komm ins Lager, bevor du noch im Stehen einschläfst. Außerdem wartet Felsenstern bestimmt schon darauf, dass du deine Beute ablieferst."
Frostsee nickte leicht, seine Gedanken jedoch blieben bei dem seltsamen Ruf, der ihn nicht loslassen wollte. Während er den beiden zurück ins Lager folgte, fragte er sich, ob er diesen Drang jemals ignorieren konnte – oder ob das Schicksal bereits eine andere Entscheidung für ihn getroffen hatte.
Im Lager herrschte pures Chaos. Katzen rannten hektisch umher, aufgeregte Stimmen erhoben sich über das Durcheinander, und die Luft war von einer aufgeladenen Spannung erfüllt. Frostsee, Bachfeder und Steppenfall tauschten verwirrte Blicke aus.
„Was zum...?" murmelte Bachfeder, ihre Ohren zuckten nervös, während sie den Tumult vor sich betrachtete.
Steppenfall hob die Schnauze und schnupperte, als wollte er Hinweise auf die Ursache des Chaos finden. „Irgendetwas ist passiert. Lass uns näher hingehen."
Gemeinsam eilten sie ins Zentrum des Lagers, wo eine aufgebrachte Menge sich vor Felsenstern versammelt hatte. Der Anführer stand erhoben auf dem Hochfelsen, seine Augen funkelten vor Zorn und Entschlossenheit. Neben ihm stand Sommerranke, der beige Heiler, dessen Schweif nervös hin und her zuckte.
„Alle herhören!" rief Felsenstern mit einer Stimme, die selbst die lautesten Stimmen im Lager übertönte. Langsam kehrte Stille ein, doch die Anspannung war fast greifbar.
„Es wurde etwas entdeckt – etwas außerhalb unserer Grenzen!" Donnerte der Anführer. Sein Blick war schneidend, als er die versammelten Katzen musterte. „Und es könnte uns alle betreffen."
Frostsee spürte, wie sein Herz schneller schlug. Ein Flüstern, ein Windstoß, und jetzt diese Nachricht? War das Schicksal dabei, seinen Lauf zu nehmen?
Felsenstern wartete einen Moment, bis die Unruhe vollständig verebbt war, dann sprach er weiter, seine Stimme fest und unnachgiebig. „Dämmermaske wurde tot aufgefunden – außerhalb unserer Grenzen!" Ein kollektives Keuchen ging durch die Menge, gefolgt von einem aufgeregten Murmeln.
Frostsee starrte entsetzt auf den Anführer. Dämmermaske? Die stolze Kriegerin, die stets darauf bestanden hatte, die Regeln des Clans zu wahren, war tot? Und außerhalb der Grenzen? Das war unvorstellbar.
„Wie...?" Bachfeder flüsterte, ihre Stimme kaum mehr als ein Hauch. „Wie konnte das passieren? Sie hätte niemals..."
„Ruhe!" bellte Felsenstern, und die Stimmen verstummten. Sein Blick glitt durch die Versammlung, als wollte er jeden Einzelnen durchschauen. „Die Umstände ihres Todes sind unklar. Aber die Tatsache bleibt bestehen: Sie hat das Gesetz gebrochen. Sie hat unsere Grenzen überschritten. Und dafür hat sie mit ihrem Leben bezahlt."
Frostsee spürte, wie sich sein Magen zusammenzog. Etwas stimmte nicht. Dämmermaske war nicht der Typ, der das Gesetz einfach so missachtete. Warum war sie außerhalb des Territoriums gewesen? Und was genau hatte sie dort gefunden – oder gefunden sie?
Ein Schauer lief ihm über den Rücken, als ein vertrautes Flüstern durch seinen Geist zog. „Frostsee..." Es war leise, kaum mehr als ein Hauch, doch es ließ ihn nicht los.
„Wir werden vorsichtiger denn je sein müssen," fuhr Felsenstern fort. „Niemand übertritt die Grenzen. Nicht für eine Jagd, nicht aus Neugier, und schon gar nicht aus Rebellion! Das Gesetz ist klar, und ich werde nicht zulassen, dass noch mehr Leben sinnlos verloren gehen."
Die Versammlung löste sich langsam auf, die Katzen kehrten zu ihren Aufgaben zurück – mit gedämpften Stimmen und gesenkten Köpfen. Doch Frostsee blieb stehen, unfähig, sich zu rühren. Dämmermaskes Tod war nicht nur eine Tragödie. Es war ein Zeichen. Und er wusste, dass das Schicksal sich näherte, unausweichlich wie ein Sturm am Horizont.
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