Kapitel 31
Einige Monde ist es her seither das Gebiet des Flockenclans abgebrannt ist und sie sich mit den Sternenwächter zusammen getan haben. Es war ein Steiniger Weg doch langsam fanden sie ihren Platz in dieser Welt.
Der Sonnenuntergang hüllte die Welt in einen sanften Schein aus Gold, Rosa und Purpur, als Frostsee neben Noctar saß. Die Lichtspiele des Abends schienen die Härte des Kriegers für einen Moment zu mildern, doch in seinen eisblauen Augen lag ein Hauch von Zerrissenheit.
„Du meintest, ich sei dein Bruder..." Frostsees Stimme war leise, fast wie ein Flüstern, das sich mit dem sanften Rauschen der Blätter vermischte. „Die Ahnen der Vergangenheit haben mir offenbart, dass ich einen Bruder hatte, doch..." Er hielt inne, seine Krallen gruben sich unbewusst in den weichen Boden unter ihm. „Ich erinnere mich nicht. Es ist, als wäre dieser Teil von mir nie da gewesen."
Noctar richtete seinen Blick auf den Horizont, sein silbernes Fell wirkte im Licht der untergehenden Sonne fast ätherisch. Für einen Moment sprach er nicht, doch die Schatten in seinen Augen verrieten, dass er tief in Gedanken versunken war.
,,Ich war auch Teil des Flockenclans. Mein ehemaliger Name war Eisflüstern." Hauchte er leise.
Frostsee spürte, wie sein Herz einen Moment aussetzte. Seine Ohren zuckten, und seine Augen weiteten sich leicht, während der Name in seinem Kopf widerhallte. „Eisflüstern..." murmelte er, die Worte kaum hörbar, doch sie fühlten sich an, als wären sie von einer unsichtbaren Macht in den Wind geflüstert worden.
Er sah Noctar an, dessen Gesichtsausdruck eine Mischung aus Melancholie und Ruhe widerspiegelte. Der silberne Kater schien in Erinnerungen gefangen, und für einen Moment schien er nicht mehr die mysteriöse Figur zu sein, die Frostsee seit jener schicksalhaften Begegnung begleitet hatte, sondern etwas Vertrautes, etwas längst Vergessenes.
„Eisflüstern... dieser Name kommt mir bekannt vor," flüsterte Frostsee schließlich, und ein Schauer lief ihm über den Rücken. „Aber wie...? Warum kann ich mich nicht erinnern?"
Noctar lächelte schwach, doch das Lächeln erreichte seine Augen nicht. „Es ist lange her, Frostsee," begann er, seine Stimme weich und voller Bedauern. „Ich war jung, und mein Weg... er führte mich fort von dem, was ich kannte. Fort vom FlockenClan. Fort von dir."
Frostsee erstarrte, seine Gedanken rasten. Bilder, verschwommen und bruchstückhaft, blitzten in seinem Kopf auf: Ein silberner Kater, dessen Lachen im Wind widerhallte, eine warme Präsenz in kalten Nächten, eine Freundschaft, die mehr bedeutete, als Worte je ausdrücken könnten. Doch dann waren sie fort, wie Sand, der durch seine Krallen rieselte.
„Warum... warum hast du mich verlassen?" fragte er schließlich, seine Stimme bebte vor Emotionen, die er kaum unter Kontrolle halten konnte.
Noctar senkte den Blick, als würde er den Schmerz in Frostsees Augen nicht ertragen können. „Es war nicht meine Wahl," flüsterte er. „Manchmal zwingt uns das Leben, Wege zu gehen, die wir nie beschreiten wollten. Und manchmal... ist es einfacher, alles hinter sich zu lassen, als sich dem Schmerz zu stellen."
Frostsee schluckte hart, der Kloß in seinem Hals schnürte ihm die Luft ab. „Du warst mein Bruder," sagte er, die Worte schärfer, als er beabsichtigt hatte. „Und du hast mich einfach... zurückgelassen?"
Noctar hob den Blick wieder, und in seinen Augen lag ein Ausdruck, der Frostsee innehalten ließ. „Ich habe nie aufgehört, dich zu suchen, Frostsee," sagte er leise. „Und jetzt, da ich dich gefunden habe, hoffe ich, dass wir gemeinsam den Weg zurückfinden können."
Die beiden Kater schwiegen, während die Dunkelheit endgültig über das Land zog. Der Name „Eisflüstern" hallte noch immer in Frostsees Gedanken wider, ein Echo aus einer Zeit, die er verloren geglaubt hatte. Doch tief in seinem Inneren begann etwas zu erwachen – ein Funken Hoffnung, so klein und zerbrechlich wie der erste Stern am nächtlichen Himmel.
Frostsee blickte auf, das Gespräch mit Noctar verblasste für einen Moment, als Bachfeders aufgeregte Stimme zu ihnen drang. Ihre Augen funkelten vor Freude, und selbst Steppenfall, der oft ernst wirkte, schien gelöst und zufrieden zu sein. Neben ihnen stand Raven, dessen pechschwarzes Fell im schwindenden Licht des Sonnenuntergangs fast mit den Schatten zu verschmelzen schien.
„Flammensprung hat ihre Jungen bekommen?" wiederholte Frostsee, ein schwaches Lächeln umspielte seine Lippen. „Das ging ja schneller, als ich erwartet hatte."
Bachfeder nickte eifrig. „Ja, sie hat drei kleine Fellbündel – alle gesund und so winzig! Du musst sie dir ansehen!" Ihre Stimme überschlug sich beinahe vor Aufregung, und sie schien kaum stillstehen zu können.
Noctar erhob sich langsam und schüttelte leicht den Kopf, ein amüsiertes Glitzern in seinen silbernen Augen. „Es scheint, als gäbe es noch mehr Gründe, heute zu feiern," murmelte er, seine Stimme warm, doch zurückhaltend.
Steppenfall trat näher und warf Frostsee einen bedeutungsvollen Blick zu. „Es sind harte Zeiten gewesen, aber vielleicht... ist das der Anfang von etwas Neuem."
Raven, der bisher still geblieben war, neigte den Kopf und fügte hinzu: „Die Jungen symbolisieren mehr als nur neues Leben. Sie sind ein Zeichen dafür, dass der FlockenClan und die Sternenwächter zusammen eine Zukunft aufbauen können."
Frostsee nickte langsam. Irgendetwas in den Worten der anderen berührte etwas tief in ihm. Vielleicht war dies wirklich der Beginn von etwas, das größer war als die Kämpfe und Verluste der vergangenen Monde.
„Dann sollten wir sie besuchen," sagte er schließlich, seine Stimme fester. „Vielleicht... erinnern uns diese Jungen daran, warum wir kämpfen – nicht für die Vergangenheit, sondern für das, was noch kommen wird."
Mit diesen Worten wandte er sich um, gefolgt von Noctar, Bachfeder, Steppenfall und Raven, während die letzten Lichtstrahlen des Tages auf das Lager fielen. Es war ein Neubeginn – und Frostsee fühlte, dass er nicht allein war, um diesen Weg zu gehen.
ENDE
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