Kapitel 26

Als Frostsee seine erste Pfote in das Lager der Sternenwächter setzte, fühlte sich die Luft schwer und gleichzeitig elektrisierend an, als ob die Geister all der vergangenen Kämpfer ihn beobachteten. 

Kaum hatte er das Lager betreten, eilten Bachfeder und Steppenfall auf ihn zu.

„Frostsee, du bist wieder da!" rief Bachfeder mit einem Ausdruck tiefster Erleichterung. Ihre grauen Augen funkelten, doch in ihrem Blick lag auch Besorgnis.

„Ja," entgegnete Frostsee mit einer Stimme, die tiefer und kälter klang als je zuvor. „Ich bin wieder da."

Steppenfall musterte ihn, seine bernsteinfarbenen Augen schmal vor Sorge. „Was ist passiert, Frostsee? Du wirkst... anders."

Frostsee hielt inne und atmete tief durch. Die Schatten, die ihn in der Höhle begleitet hatten, schienen noch immer an ihm zu haften, und sein Blick war voller Last und Entschlossenheit.

„Ich habe die Wahrheit gesehen," sagte er schließlich mit einer leisen, aber durchdringenden Stimme. „Alles, was ich zu wissen glaubte, war eine Lüge."

Bachfeder trat zögernd näher, ihre Schweifspitze zuckte nervös. „Welche Wahrheit?" fragte sie mit bebender Stimme.

„Die Wahrheit, die das Fundament von allem zerstört," antwortete Frostsee, ohne seine eisblauen Augen von ihnen abzuwenden. „Und jetzt ist es Zeit, diese Wahrheit ans Licht zu bringen."

„Frostsee, du bist erschöpft," warf Steppenfall ein, während er vorsichtig einen Schritt auf ihn zutrat. „Komm, ruhe dich aus. Es gibt Zeit, um—"

„Nein," unterbrach ihn Frostsee mit einer Schärfe, die selbst Steppenfall zum Schweigen brachte. „Ich habe genug Zeit verloren. Der Flockenclan verdient es, zu wissen, was wirklich geschehen ist."

In diesem Moment mischte sich eine weitere Stimme ein. „Frostsee," sagte Flora, die Heilkundige der Sternenwächter, mit sanfter Entschlossenheit, während sie auf ihn zuging. „Die Wahrheit ist eine schwere Bürde, aber sie ist auch ein Werkzeug. Du musst sicher sein, dass du bereit bist, sie mit dem Clan zu teilen."

Frostsee richtete seinen Blick auf sie, und in seinen Augen brannte ein Feuer, das selbst Flora für einen Moment innehalten ließ. „Ich bin bereit," sagte er knapp. „Und nichts wird mich aufhalten."

Ein angespanntes Schweigen legte sich über die Katzen um ihn herum, bevor Bachfeder schließlich nickte. „Dann lass uns die Sternenwächter zusammenrufen. Sie sollen hören, was wir nun tun werden." 

Ohne ein weiteres Wort setzte Frostsee seinen Weg fort, und hinter ihm sammelten sich die Katzen des Lagers, getrieben von einer Mischung aus Neugier, Furcht und Respekt. 

,,Noctar, könnte ich das Wort ergreifen?" Bat er den Sternenrufer, woraufhin dieser nickte.

Frostsee hielt inne, als das leise Quietschen des kleinen Katers die Stille durchbrach. Sein Blick glitt zu dem winzigen, weißen Kater mit den graugrünen Augen, die ihn neugierig musterten. Einen Moment lang schien etwas in seinem Inneren zu brechen – die kindliche Unschuld, die noch immer in diesem Lager lebte, stand in krassem Gegensatz zu der dunklen Wahrheit, die er in sich trug.

„Mama, was macht der Fremde da?" fragte der kleine Kater erneut, seine Stimme unsicher, aber von natürlicher Neugier erfüllt.

Die elegante, schneeweiße Kätzin – Noctila, wie Frostsee sich erinnerte – trat vor, ihr Gang geschmeidig und anmutig. Ihre tiefvioletten Augen strahlten eine warme, mütterliche Autorität aus, als sie den Kleinen sanft mit ihrer Schwanzspitze berührte. „Geh zurück zu Nova, Selis und Echo, Wisp," schnurrte sie, ihre Stimme weich, aber unnachgiebig.

Wisp ließ den Kopf hängen, doch gehorchte er, tappte mit leisen Pfoten davon und warf Frostsee einen letzten, neugierigen Blick zu. Frostsee folgte ihm mit den Augen, spürte, wie sich ein Knoten in seinem Magen bildete. So viel Unschuld, und doch lebten auch sie in einer Welt voller Geheimnisse und Täuschungen.

Noctila wandte sich Frostsee zu, ihr Blick nun schärfer, aber nicht unfreundlich. Sie nickte ihm kaum merklich zu, als wolle sie ihm Mut zusprechen, bevor sie sich mit einem eleganten Schritt zurückzog und sich zu den anderen Katzen gesellte.

Frostsee holte tief Luft und richtete sich auf, seine eisblauen Augen glitten über die Sternenwächter, die sich nun in einem Halbkreis um ihn versammelt hatten. Ihre Gesichter waren eine Mischung aus Erwartung, Skepsis und leiser Besorgnis.

„Sternenwächter," begann er mit fester Stimme, die jedoch von einer unterschwelligen Emotion getragen wurde. „Ich bin hier, da ich die Wahrheit über meines Clanes herausgefunden habe. Ich und meine zwei Clangefährten werden zurück kehren um ihnen die Wahrheit zu berichten" 

Ein Murmeln ging durch die Reihen der Katzen, doch Noctar hob schweigend seinen Schweif, und das Lager verstummte. Alle Augen waren nun auf Frostsee gerichtet, und die Last seines Vorhabens schien für einen Moment erdrückend.

Frostsee spürte die Schwere des Moments, als die letzten Worte seiner Erklärung verhallten. Das Murmeln der Sternenwächter war nicht nur ein Ausdruck von Neugier, sondern auch von Zweifel und Sorge. Noctar hatte seine Autorität genutzt, um Ruhe zu schaffen, aber die Anspannung in der Luft blieb spürbar.

Ein großer, stämmiger Kater mit pechschwarzem, leicht zottigem Fell und tiefen, orangefarbenen Augen trat vor. Seine Stimme war tief und ruhig, doch sie trug eine Spur von Skepsis in sich. „Du willst zurückkehren, Frostsee? Zurück zu einem Clan, der dich verlassen hat? Der dich vielleicht nicht einmal willkommen heißt? Was verspricht dir, dass sie dir zuhören werden?"

Frostsee hob den Kopf, seine eisblauen Augen leuchteten entschlossen. „Ich habe keine Garantie," gab er zu, seine Stimme klar und unbeirrt. „Aber ich habe eine Pflicht. Die Wahrheit muss ans Licht kommen, egal wie schwer es wird. Mein Clan hat ein Recht darauf, zu wissen, was Wolkenwächter getan hat – und wer er wirklich ist."

Ein leises Raunen ging erneut durch die Menge, doch diesmal war es mehr Zustimmung als Skepsis.

Bachfeder trat nun neben Frostsee, ihre bernsteinfarbenen Augen glänzten vor Entschlossenheit. „Wir stehen hinter ihm," erklärte sie, ihre Stimme voller Loyalität. „Der FlockenClan verdient die Wahrheit, und wir werden dafür kämpfen, dass sie gehört wird."

Steppenfall nickte, trat an Frostsees andere Seite und sprach mit ruhigem Nachdruck. „Wir werden nicht zurückweichen, egal, was uns erwartet. Der Clan braucht uns – und Frostsee ist der Schlüssel zu ihrer Rettung."

Einige Katzen der Sternenwächter tauschten zögernde Blicke aus, doch dann trat Flora, die goldene Kätzin mit den schwarzen Streifen und blattgrünen Augen, vor. Sie musterte Frostsee mit einer Mischung aus Respekt und Sorge. „Deine Entschlossenheit ist bewundernswert, Frostsee," sagte sie mit sanfter Stimme. „Aber du wirst auf Widerstand stoßen. Nicht jeder wird bereit sein, die Wahrheit zu akzeptieren. Manche werden kämpfen, um die Lüge aufrechtzuerhalten."

„Das weiß ich," erwiderte Frostsee, seine Stimme fest. „Aber ich bin bereit, diese Kämpfe auszutragen. Für meinen Clan. Für die, die an mich glauben. Und für die Gerechtigkeit, die Wolkenwächters Opfer verdient haben."

Ein respektvolles Schweigen breitete sich aus, bevor Noctar schließlich das Wort ergriff. Der Sternenrufer sah Frostsee mit einer Mischung aus Stolz und Besorgnis an. „Dann wünsche ich dir Stärke auf deinem Weg," sagte er mit gedämpfter, aber eindringlicher Stimme. „Deine Reise ist noch lange nicht vorbei. Und ich fürchte, sie wird dich an deine Grenzen bringen."

Frostsee nickte knapp. „Ich bin bereit."

Mit diesen Worten drehte er sich um und setzte seinen Weg aus dem Lager der Sternenwächter fort, Bachfeder und Steppenfall an seiner Seite. Hinter ihnen blickten die Sternenwächter still nach, einige mit Respekt, andere mit Sorge. Doch alle wussten: Frostsee war auf einem Weg, der die Zukunft seines Clans für immer verändern würde.

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