Kapitel 21
Frostsee setzte vorsichtig eine Pfote vor die andere, als die Dunkelheit der Höhle ihn vollständig umhüllte. Es war, als würde die Welt hinter ihm verblassen und nichts als die kühle Stille der Höhle übrigbleiben. Der Boden unter seinen Pfoten war feucht und glatt, mit kleinen Moosflecken, die den Schnee von draußen ersetzten.
Das Geräusch von fließendem Wasser hallte durch die Dunkelheit, sanft und beruhigend, aber auch geheimnisvoll. Es schien von überall und doch von einem klaren Punkt in der Ferne zu kommen. Frostsee spitzte die Ohren, suchte nach weiteren Geräuschen, doch die Höhle schien nur das Rauschen und das leise Tropfen von Wasser preiszugeben.
Ein schwaches Licht flackerte am Horizont seines Blickfelds auf, kaum mehr als ein Glimmen, aber genug, um seinen Weg zu erhellen. Neugier und eine seltsame Mischung aus Furcht und Entschlossenheit trieben ihn vorwärts.
Als er näher trat, wurde die Quelle des Lichtes deutlicher. Es war ein sanftes, silbriges Leuchten, das von einem großen, unterirdischen See ausging. Die Oberfläche des Wassers schien wie reines Glas, und das Licht, das sie ausstrahlte, tanzte in sanften Wellen an den Wänden der Höhle.
Frostsee blieb am Rand des Sees stehen, sein Atem bildete kleine Wolken in der kalten Luft und seine Pfoten versanken im Schnee der am Boden lag. Die Schönheit des Anblicks nahm ihm für einen Moment die Worte – und doch spürte er eine Schwere in der Atmosphäre, etwas, das ihn zurückhalten wollte.
„Die Höhle der tausend Wahrheiten," flüsterte er leise zu sich selbst und senkte den Blick auf das Wasser.
Es war in einem hellen, klaren blau getaucht und große Trittsteine waren im See verteilt.
Die Oberfläche begann zu glimmen, als hätte sie seine Präsenz erkannt. Schatten und Licht wirbelten ineinander, formten Muster, die fast wie Bilder wirkten. Frostsee fühlte, wie sein Herz schneller schlug. Die Wahrheit, die Noctar ihm angedeutet hatte, war nur einen Moment entfernt – doch war er bereit, sie zu sehen?
Aufeinmal erschien die Gestalt einer Katze vor ihn auf einen der Trittsteine auf
Frostsee starrte ungläubig auf die Gestalt, die plötzlich auf einem der Trittsteine erschien. Die Katze schien aus purem Licht zu bestehen, ihr Körper war durchscheinend, doch ihre Präsenz fühlte sich überwältigend real an. Ihr silbriges Fell schien die Umgebung zu erleuchten, während ihre Augen – wie flüssiges Mondlicht – Frostsee durchdringend musterten.
Die Katze hob ihren Kopf, und ihre Stimme hallte klar und doch sanft durch die Höhle. „Frostsee vom FlockenClan. Du bist hier, um die Wahrheit zu suchen, doch jede Wahrheit hat ihren Preis."
Der Krieger kämpfte gegen das Zittern in seinen Beinen an, als er eine Pfote auf den ersten Trittstein setzte. „Wer bist du?" fragte er mit belegter Stimme, während er die Erscheinung weiterhin anstarrte.
Die Katze neigte leicht den Kopf. „Ich bin Nyxara, ein Wächter der Vergangenheit und der Zukunft. In diesen Wassern liegt alles, was war und was noch kommen mag. Die Wahrheit, nach der du suchst, ist hier – aber sie wird dich verändern."
Frostsee trat zögernd weiter, jeder Schritt brachte ihn näher an die mysteriöse Gestalt heran. Das Licht des Wassers schien mit jedem Tritt intensiver zu werden, fast so, als würde es ihn auf seine Reise ermutigen.
„Werde ich Antworten finden?" fragte Frostsee, seine Stimme leise, fast flehend.
Nyxara nickte langsam. „Du wirst Antworten finden. Aber bedenke: Wahrheit ist niemals einfach. Manchmal bringt sie Heilung, doch oft bringt sie Schmerz. Bist du bereit, die Bürde dessen zu tragen, was du hier erfahren wirst?"
Frostsee spürte, wie die Schwere der Worte ihn traf. Er hatte keine Wahl – für seinen Clan, für seine Freunde, für das, was er glaubte, richtig zu sein. „Ich bin bereit," antwortete er schließlich, seine Stimme fest, auch wenn seine Gedanken wirbelten.
Nyxara lächelte traurig. „Dann schreite weiter, Frostsee. Deine Reise beginnt jetzt."
Entschlossen sprang der Kater von einem Trittstein zum anderen, bis er das andere Ende des Sees erreicht hatte. Vor ihm lag ein weiter Pfad offen, der tiefer in die Höhle drang. Eis bildete die Wände und langsam schritt er heran.
Frostsee spürte die Kälte, die von den eisigen Wänden ausging, wie ein leiser Atem, der über sein Fell strich. Jeder Schritt hallte in der Stille wider, und das leuchtende Blau des Wassers wich einem fahlen, silbrigen Licht, das von den schimmernden Eiskristallen an den Wänden reflektiert wurde. Der Pfad schien endlos, und die Dunkelheit hinter ihm fühlte sich schwer und bedrückend an, als würde sie ihn nach hinten ziehen wollen.
„Bleib standhaft," murmelte Frostsee leise zu sich selbst und schob die Zweifel beiseite.
Schließlich weitete sich der schmale Gang zu einer gewaltigen Kammer, deren Wände wie gefrorene Flügel in den Himmel ragten. In der Mitte der Kammer erhob sich ein steinerner Altar, umgeben von einer Aura aus silbrigem Licht. Auf der Oberfläche des Altars schwebte eine kleine Wasserlache, die sich stetig bewegte, als würde sie von unsichtbaren Winden berührt.
Frostsee zögerte, seine Schritte langsamer werdend, während er den Altar mit wachsender Ehrfurcht betrachtete. Die Luft war erfüllt von einem leisen Summen, als ob die Höhle selbst lebendig wäre, ihn beobachtete, ihn prüfte.
„Tritt vor, Frostsee," hallte eine tiefe, resonante Stimme durch die Kammer. Sie kam von überall und nirgendwo zugleich. „Der Weg deiner Seele hat dich hierher geführt. Bist du bereit, das Gewicht der Wahrheit zu tragen?"
Frostsee schluckte schwer. „Ich bin bereit," sagte er, seine Stimme klarer, als er sich fühlte.
„Dann lege deine Pfote auf die Oberfläche des Wassers," forderte die Stimme ihn auf. „Und sieh."
Er trat näher an den Altar heran, sein Herz pochte laut in seinen Ohren. Mit einem letzten Atemzug streckte er seine Pfote aus und berührte die glatte, kalte Oberfläche des Wassers.
Augenblicklich war es, als würde die Welt um ihn herum zerspringen. Bilder, Erinnerungen und Stimmen fluteten über ihn hinweg – alte Gesichter, vertraute Orte, dunkle Geheimnisse, die nie ans Licht gekommen waren. Die Wahrheit offenbarte sich ihm, Stück für Stück, wie ein kalter, unbarmherziger Fluss, der keine Gnade kannte.
Frostsee blinzelte und spürte plötzlich festen, weichen Boden unter seinen Pfoten. Die eisige Kälte der Höhle war verschwunden, ersetzt durch die vertrauten Geräusche eines lebendigen Waldes. Vogelgezwitscher mischte sich mit dem sanften Rascheln von Blättern im Wind, und die Luft roch nach frischem Harz und feuchtem Moos. Doch etwas fühlte sich seltsam an – wie ein Traum, der sich zu real anfühlte.
Er stand an einem sonnigen Waldrand, umgeben von hohem Farn, als er Stimmen hörte. Vorsichtig schlich er näher, seine Bewegungen instinktiv leise. Schließlich erreichte er eine kleine Lichtung, auf der zwei Katzen standen. Seine Kehle wurde trocken, als er erkannte, wer sie waren.
„Mutter...?" flüsterte er ungläubig.
Schneefall, ihre schlanke Gestalt von einem sanften Sonnenstrahl umgeben, stand mit gesenktem Kopf vor einer anderen Katze. Ihre eisblauen Augen, die Frostsee so vertraut waren, glitzerten vor Tränen. Die zweite Katze war Sommerranke – der ruhige und entschlossene Heiler des FlockenClans.. Doch jetzt war Sommerranke anders. Seine Schultern waren angespannt, sein Blick flehte um etwas, das Frostsee nicht sofort verstand.
„Schneefall, bitte..." begann Sommerranke mit zitternder Stimme. „Du kannst das nicht tun. Wir können das nicht tun."
„Ich habe keine Wahl, Sommerranke," antwortete Schneefall leise, und Frostsee konnte die Verzweiflung in ihrer Stimme spüren. „Es ist besser so – für dich, für mich, für..." Sie brach ab, und ihre Augen flackerten kurz zu ihrem Bauch, der leicht gerundet war.
Frostsee spürte, wie die Luft aus seinen Lungen wich. „Nein... das kann nicht sein..."
Sommerrankes Blick folgte dem von Schneefall, und für einen Moment schien die Zeit stillzustehen. Schließlich sprach er, seine Stimme leise und voller Schmerz. „Es ist meins, nicht wahr? Das Junge ist meins."
Schneefall hob den Kopf, und ihre Augen trafen die seinen. Ihre Stimme war kaum mehr als ein Flüstern, doch die Worte hallten durch die Lichtung wie ein Donnerschlag. „Ja, Sommerranke. Es ist deins."
Frostsee starrte ungläubig auf die Szene. Sein Herz schlug wild, seine Gedanken rasten. Alles, was er jemals über seine Mutter und seine Herkunft geglaubt hatte, schien in diesem Moment wie Glas zu zerbrechen.
„Warum lügst du ihn an?" fragte Sommerranke plötzlich und trat einen Schritt näher. „Warum sagst du Wolkenwächter, dass er der Vater ist? Warum nicht... warum nicht einfach die Wahrheit sagen?"
Schneefall wich zurück, und eine einzelne Träne rann ihre Wange hinab. „Weil es einfacher ist, Sommerranke. Wolkenwächter ist stark, respektiert. Er kann meinem Jungen eine Zukunft bieten, die wir ihm niemals geben könnten. Unsere Liebe... sie darf nicht sein. Sie ist ein Fehler, und ich werde nicht zulassen, dass unser Junge dafür bezahlen muss."
Frostsee spürte, wie sein Herz sich zusammenzog, als er die Worte seiner Mutter hörte. Ein Fehler? War das alles, was er für sie war?
„Ein Fehler?" wiederholte Sommerranke mit gebrochener Stimme. „Ist das alles, was ich für dich bin? Was wir sind?"
Schneefall schloss für einen Moment die Augen, ihre Schultern zitterten. „Du bist kein Fehler, Sommerranke. Unsere Liebe ist es auch nicht. Aber die Welt, in der wir leben, wird sie niemals akzeptieren. Ich tue das für unser Junges – für seine Sicherheit, für sein Leben."
Sommerranke schwieg, seine Augen glänzten vor unausgesprochenem Schmerz. Schließlich drehte er sich um und verschwand im Wald, seine Schritte schwer und von der Last der Worte gezeichnet.
Frostsee wollte ihm folgen, wollte schreien, wollte Antworten. Doch er konnte sich nicht bewegen. Stattdessen starrte er auf seine Mutter, die allein auf der Lichtung zurückblieb, die Tränen frei fließend.
„Es tut mir leid," flüsterte sie leise, obwohl niemand mehr da war, um sie zu hören. „Es tut mir so leid."
Die Szene begann zu verblassen, und Frostsee wurde zurück in die Dunkelheit der Höhle gezogen, doch die Wahrheit brannte sich in sein Herz ein wie eine unauslöschliche Flamme. Alles, was er geglaubt hatte, war eine Lüge gewesen. Seine Mutter, Sommerranke, Wolkenwächter – die Wahrheit hatte ihn verändert, so wie Noctar es gesagt hatte.
,,Wolkenwächter war nie mein Vater.." Hauchte er geschockt. Langsam rappelte sich der Krieger auf und ein weiterer Pfad wurde freigelegt, bereit betreten zu werden. Doch wollte Frostsee weiter machen? Wollte er wirklich weiter die Wahrheit Erfahren?
Frostsee stand reglos da, seine Beine fühlten sich an, als wären sie aus Stein. Die Worte, die er gerade ausgesprochen hatte, hallten wie ein Echo in der Höhle wider, jedes Mal schwerer, drückender.
Wolkenwächter war nie mein Vater...
Es war eine Wahrheit, die sich wie ein kalter Dolch in sein Herz bohrte.
Er atmete flach, seine Gedanken wirbelten chaotisch durcheinander. Seine Mutter hatte gelogen, Sommerranke hatte gelitten, und er... er war das Ergebnis einer Liebe, die nie sein durfte. Sein Leben, seine Identität, all das fühlte sich plötzlich wie ein Kartenhaus an, das unter einem leichten Windstoß zusammenbrach.
Vor ihm lag der neue Pfad, der sich mit einem sanften, leuchtenden Schimmer vor ihm auftat. Es war eine Einladung, weiterzugehen – weiter in die Tiefen der Wahrheit, weiter in die Schatten der Vergangenheit.
Doch Frostsee zögerte.
Wie viel kann ein Herz ertragen, bevor es zerbricht?
dachte er. Seine Pfoten zitterten, und er wich einen Schritt zurück. Die Dunkelheit des Weges schien ihn zu rufen, zu locken, aber auch zu warnen.
„Willst du das wirklich wissen?"
fragte eine leise Stimme in seinem Inneren, eine Stimme, die so sehr nach seiner Mutter klang, dass er den Kopf senkte.
Frostsee schloss die Augen und versuchte, seinen Atem zu beruhigen. Erinnerungen an Wolkenwächter schossen ihm durch den Kopf – der strenge, aber stolze Krieger, der ihm beigebracht hatte, wie man jagt, wie man kämpft, wie man Verantwortung übernimmt. Der Kater, der immer an seiner Seite gestanden hatte, egal wie schwierig die Zeiten waren.
„Er war nicht mein Vater..." hauchte er erneut, als ob die Worte ihre Bedeutung verlieren könnten, wenn er sie nur oft genug wiederholte. Doch es änderte nichts.
Langsam hob er den Kopf und blickte auf den leuchtenden Pfad. Die Entscheidung lag bei ihm. Konnte er es ertragen, noch mehr von der Wahrheit zu erfahren? Oder war es besser, den Rest im Dunkeln zu lassen und mit dem Schmerz zu leben, den er bereits kannte?
Schließlich spannte er die Schultern an, seine Augen flackerten entschlossen.
Ich bin Frostsee,
dachte er.
Ich habe mein Leben lang für die Wahrheit gekämpft, für Gerechtigkeit. Wenn ich jetzt zurückweiche, wofür stehe ich dann noch?
Er setzte eine zitternde Pfote vor die andere, trat auf den neuen Pfad und ließ die Dunkelheit der Höhle ihn einhüllen. Jeder Schritt fühlte sich schwerer an als der letzte, doch er wusste: Es gab kein Zurück mehr.
Die Wahrheit erwartete ihn, ob er bereit war oder nicht.
Frostsee bewegte sich vorsichtig vorwärts, das eisige Leuchten der Höhlenwände schien immer intensiver zu werden, je weiter er ging. Es war, als würde die Höhle selbst atmen, lebendig, und ihn auf eine unausweichliche Begegnung vorbereiten. Seine Pfoten hallten auf dem gefrorenen Boden, jeder Schritt ein Echo, das sich in der unheimlichen Stille verlor.
Plötzlich begann der Pfad breiter zu werden, und vor ihm öffnete sich eine große Kammer. Die Wände waren mit glitzerndem Eis bedeckt, das wie geschliffene Kristalle funkelte. In der Mitte der Kammer erhob sich eine Art Plattform, umgeben von einem schimmernden Nebel, der an den Kanten der Steine entlangwirbelte.
Frostsee zögerte, doch eine unsichtbare Kraft schien ihn nach vorne zu treiben. Als er nähertrat, wurde der Nebel dichter, begann sich zu formen, und dann sah er sie.
Eine Katze erschien vor ihm.
Ihr Fell war silbrig und leuchtete wie Mondlicht, doch ihre Augen waren dunkel, unergründlich – wie ein tiefes Wasser, das alle Geheimnisse verbarg. Sie wirkte wie eine Manifestation der Höhle selbst, eine Wächterin, die ihn auf die nächste Etappe seiner Reise vorbereitete.
„Frostsee," sprach die Katze, ihre Stimme war ruhig, fast sanft, aber sie trug ein Gewicht, das ihn dazu brachte, unwillkürlich die Schultern zu straffen. „Du hast die erste Wahrheit gesehen, doch sie ist nur ein Teil eines viel größeren Bildes."
Frostsee schluckte schwer und nickte, seine Kehle fühlte sich trocken an. „Wer bist du?" fragte er leise, obwohl er ahnte, dass er keine klare Antwort bekommen würde.
„Ich bin die Stimme der Vergangenheit und der Wahrheit," antwortete sie. „Ich bin hier, um dich durch die Schatten zu führen, die vor dir liegen."
„Was muss ich tun?" Seine Stimme war entschlossen, doch in seinem Inneren toste eine Flut aus Angst und Unsicherheit.
Die Katze neigte leicht den Kopf, als würde sie seine Entschlossenheit prüfen. „Du musst eintreten, Frostsee. Die nächste Wahrheit liegt hinter diesem Schleier." Sie deutete mit einer Pfote auf den Nebel, der sich nun vor ihm zu bewegen schien, wie ein lebendiges Wesen.
„Was erwartet mich dort?" fragte er, obwohl er sich bereits sicher war, dass die Antwort ihn nicht beruhigen würde.
„Die Wahrheit, die du suchst. Doch sei gewarnt: Mit jeder Wahrheit wirst du auch ein Stück deines alten Selbst verlieren. Kannst du diese Bürde tragen?"
Frostsee atmete tief durch und blickte in die dichten Schwaden. Er wusste, dass er keine Wahl hatte. „Ich bin bereit," sagte er schließlich, und ohne ein weiteres Wort trat er vor, hinein in den Nebel.
Der Nebel umhüllte ihn, kühl und beruhigend, aber auch bedrückend. Plötzlich fühlte er, wie der Boden unter seinen Pfoten verschwand, und er fiel – nicht in Panik, sondern in ein seltsames Schweben, als würde die Zeit um ihn herum aufhören zu existieren.
Frostsee trat zögernd durch den Nebel, der sich wie ein Schleier um ihn legte. Die Welt um ihn herum veränderte sich erneut, und er fand sich in einer kleinen, warmen Höhle wieder. Der Raum war erfüllt von einem vertrauten Geruch – ein Duft, den er mit Geborgenheit und seiner frühen Kindheit verband. Sein Herz schlug schneller, als er die Szene vor sich erkannte.
Vor ihm lag eine Katze, die auf Moos gebettet war. Ihre graue Gestalt war erschöpft, doch ihre Augen leuchteten vor mütterlichem Stolz.
Es war seine Mutter.
Neben ihr hockte eine andere Katze, der alte Heiler der Sommerranke ausgebildet hatte, Tannenzweig, mit konzentriertem Ausdruck. „Du hast es geschafft," murmelte der Heiler beruhigend, während er ein winziges, zitterndes Bündel Fell sanft vor sie legte.
Frostsee trat unwillkürlich näher, seine Pfoten zitterten leicht, als er das kleine Junge sah. Es war silber-weiß mit einem kleinen schwarzen Fleckt auf der Brust.
Es war er selbst.
„Er ist wunderschön," flüsterte seine Mutter mit schwacher Stimme und leckte das Junge liebevoll über den Kopf.
Frostsee spürte, wie sich ein Knoten in seinem Magen bildete. Er wusste, dass er Zeuge seiner eigenen Geburt war, doch irgendetwas fühlte sich falsch an. Die Anspannung in der Höhle war greifbar, fast erdrückend.
„Und... das andere?" fragte seine Mutter plötzlich, ihre Stimme zitterte vor Sorge.
Der Heiler zögerte, warf ihr einen unsicheren Blick zu und wandte sich dann dem hinter ihr liegenden Bündel zu. Frostsee hielt den Atem an, als der Heiler ein weiteres Junge hervorholte – kleiner, schwächer, aber lebendig.
„Er lebt," sagte der Heiler schließlich. „Aber er ist schwach. Es wird nicht leicht für ihn sein."
Frostsees Mutter stieß einen erleichterten Seufzer aus, doch ihre Augen füllten sich mit Tränen, als sie das zweite Junge betrachtete. „Meine kleinen Kämpfer," flüsterte sie, als sie beide Jungen an sich zog. „Egal, wie schwer es wird, ich werde euch beschützen."
Frostsee spürte, wie ihm die Kehle zuschnürte.
Er hatte einen Bruder?
Warum hatte sie ihm nie davon erzählt? Und wo war sein Bruder jetzt?
Die Szene vor ihm begann sich zu verändern, doch bevor sie verblasste, hörte er seine Mutter noch einmal sprechen, ihre Stimme war eine Mischung aus Liebe und Angst.
„Frostjunges... und..." Der Rest ihres Satzes wurde von einem plötzlichen Rauschen verschluckt, als der Nebel ihn wieder umhüllte.
Frostsee blieb wie angewurzelt stehen, die Worte hallten in seinem Kopf wider. Er hatte einen Bruder.
Aber wer war er?
Und warum hatte er sein ganzes Leben lang nichts von ihm gewusst?
Ein neuer Pfad öffnete sich vor ihm, doch dieses Mal zögerte Frostsee.
Wollte er wirklich wissen, was als Nächstes kam?
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