Kapitel 15

Die drei Katzen waren seit einigen Tagen unterwegs. Der Wald, der einst ihre Heimat war, lag nun weit hinter ihnen. Statt des vertrauten Raschelns von Laub und der warmen Erde unter ihren Pfoten war der Boden jetzt karger, härter, und die Bäume wichen immer mehr offenen Flächen. Der Wind trug den Duft von fremden Territorien mit sich - Gerüche, die sie noch nie zuvor erlebt hatten.

Frostsee führte die Gruppe an, seine Schritte fest und zielgerichtet. Doch auch er konnte die Erschöpfung nicht leugnen, die sich in seinen Muskeln breitgemacht hatte. Steppenfall lief direkt hinter ihm, ihre blassbraunen Pfoten schienen über den unebenen Boden zu schweben, während Bachfeder als Schlusslicht die Umgebung wachsam im Auge behielt.

„Wie weit sollen wir noch gehen?" fragte Steppenfall schließlich und brach die Stille, die seit Stunden zwischen ihnen geherrscht hatte. Ihre Stimme klang ruhig, aber der Hauch von Unsicherheit war nicht zu überhören.

Frostsee blieb stehen und drehte sich zu ihr um. Seine eisblauen Augen waren hart, aber nicht ohne Mitgefühl. „Bis wir einen Ort finden, der sicher ist. Wir können nicht zurück, also bleibt uns nur der Weg nach vorn."

„Das verstehe ich," erwiderte Steppenfall und senkte kurz den Blick. „Aber wir sind ausgelaugt, und unsere Vorräte sind fast aufgebraucht. Wenn wir keinen Unterschlupf finden, wird uns die Kälte irgendwann einholen."

Bachfeder trat zu ihnen und legte den Schweif beruhigend auf Steppenfalls Schulter. „Frostsee hat recht. Wir können uns keine Pause leisten, bevor wir nicht wissen, dass wir außer Gefahr sind. Sobald wir einen sicheren Ort gefunden haben, können wir über unser weiteres Vorgehen nachdenken."

Die Worte schienen Steppenfall etwas zu beruhigen, und die drei setzten ihren Weg fort. Der Wind wurde schärfer, und die Sonne, die hinter dichten Wolken hervorlugte, spendete kaum Wärme.

Als der Nachmittag sich dem Ende neigte, erreichten die Katzen eine Hügelkette. Von hier aus hatten sie einen weiten Blick über das Land vor ihnen. Es war eine Mischung aus offenen Grasflächen, die sich im Wind wiegten, und vereinzelten Baumgruppen, die wie stille Wächter in der Ferne standen.

„Dort unten," sagte Bachfeder und deutete mit dem Schweif auf eine kleine Baumgruppe. „Das sieht aus, als könnte es Schutz bieten. Wir sollten es uns ansehen."

Frostsee nickte zustimmend, und die drei Katzen machten sich an den Abstieg. Der Weg war steil und von losem Geröll übersät, was jeden Schritt zu einer Herausforderung machte. Doch schließlich erreichten sie die Ebene und näherten sich der Baumgruppe.

Als sie näher kamen, entdeckte Steppenfall etwas im hohen Gras. „Seht ihr das?" flüsterte sie und deutete mit der Nase auf eine Bewegung in der Nähe der Bäume.

Bachfeder kniff die Augen zusammen. „Es sieht aus wie... ein großer Vogel!"

Ein Funke von Hoffnung flackerte in den drei Katzen auf. Beute war seit Tagen Mangelware gewesen, und ihre Mägen knurrten vor Hunger. Frostsee gab leise Anweisungen: „Steppenfall, du gehst links herum. Bachfeder, du bleibst hier und deckst die rechte Seite. Ich werde es von vorne treiben."

Die drei Katzen nahmen ihre Positionen ein, ihre Bewegungen präzise und lautlos. Frostsee schlich sich an den großen Raubvogel heran, seine Muskeln angespannt, bereit zum Sprung. Das Tier hob plötzlich den Kopf, als hätte es die Gefahr gewittert. Doch bevor es fliehen konnte, war Frostsee schon zur Stelle. Mit einem gezielten Sprung packte er den Vogel und beendete sein Leben mit einem schnellen Biss.

„Gut gemacht," lobte Bachfeder, als sie sich zu ihm gesellte. Steppenfall kam ebenfalls heran, ihre Augen vor Hunger glänzend.

„Wir sollten es teilen," sagte Frostsee und riss den Vogel zu Boden. „Endlich etwas vernünftiges.." Murmelte er leise zu sich selbst.

Die drei Katzen setzten sich in den Schutz der Bäume und begannen, die Beute zu teilen. Es war nicht genug, um ihre Mägen wirklich viel zu füllen, aber es reichte, um ihre Kräfte etwas zu erneuern.

Nach dem Mahl lehnte sich Steppenfall gegen den Stamm eines Baumes und sah in den Himmel, wo die ersten Sterne zu leuchten begannen. „Glaubt ihr, der SternenClan sieht uns?" fragte er leise.

Bachfeder schien einen Moment nachzudenken, bevor sie antwortete. „Vielleicht. Aber ich glaube, sie erwarten, dass wir unseren eigenen Weg finden."

Frostsee, der bisher geschwiegen hatte, hob den Kopf und sah ebenfalls zu den Sternen. Die Worte der sternengehüllten Katze, die ihn in seinem Traum besucht hatte, hallten immer noch in seinem Inneren wider.

Folge deinem Herzen und der Sonne. Sie werden dich leiten.

Doch plötzlich wurde die friedliche Stimmung durch ein Geräusch in der Ferne unterbrochen. Es war ein tiefes, gleichmäßiges Dröhnen, das von den Hügeln widerhallte.

„Was war das?" fragte Steppenfall alarmiert, seine Ohren zuckten nervös.

Frostsee sprang auf die Pfoten und spähte in die Dunkelheit. „Ich weiß es nicht. Aber wir sollten wachsam bleiben."

Bachfeder nickte und stand ebenfalls auf. „Wir sollten Wache halten, abwechselnd. Wenn das irgendetwas Gefährliches ist, müssen wir bereit sein."

Die drei Katzen richteten sich für die Nacht ein, doch die Unruhe ließ sie nicht los. Der Klang verstummte zwar, doch das Gefühl, dass sie beobachtet wurden, blieb.

Als die Sonne am nächsten Morgen aufging, waren die drei Katzen bereit, ihre Reise fortzusetzen. Frostsee führte sie wieder an, seine Schritte fest und entschlossen.

„Was auch immer vor uns liegt," sagte er schließlich, „wir werden es gemeinsam durchstehen."

Bachfeder und Steppenfall nickten zustimmend, ihre Entschlossenheit erneuert. Sie hatten sich für diesen Weg entschieden, und nun gab es schon lange kein Zurück mehr.

Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top