Kapitel 13
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Ich wachte auf. Ich lag in meinem Bett. Der Mondstrahl ließ mein Zimmer kalt und unheimlich wirken. Mein Handy verriet mir, dass es 3 Uhr nachts war. Geräusche hallten durch den Flur. Ich schlüpfte aus meinem Bett und tapste zur Tür. Vorsichtig öffnete ich sie einen Spalt. Da waren sie wieder - die Stimmen meines Vaters und eines jungen Mädchens. Er schien ihr wegen einer Nichtigkeit die Schuld zu geben.
Leise schlich ich zum Treppengeländer. Von dort aus konnte ich auf das Geschehen hinabblicken. Vielleicht brauchte das kleine Mädchen meine Hilfe. Sie hatte wunderschönes, langes blondes Haar und stand mit dem Rücken zu mir. Sie starrte zu meinem Vater hinauf.
„Du ungezogene Göre!" Er schlug ihr ins Gesicht.
Ich hielt den Atem an. Mein Körper spürte den Schmerz mit und zuckte zusammen. Das Mädchen fasste sich an die betroffene Stelle.
„Du undankbare Tochter." Der nächste Schlag. Auf ihren zierlichen Körper. Sie krümmte sich vor Schmerz. Im nächsten Moment brach sie zusammen. Ich hörte ein dumpfes Poltern. Sie lag auf den kalten Fliesen. Das Blut sickerte aus ihrem Körper, wurde vom gierigen Boden aufgesogen. Um sie herum bildete sich eine Pfütze.
Giovanni Romano verließ mit schnellen Schritten den Raum. Er wirkte gelangweilt.
Ich rannte die Treppe hinunter zu dem jungen Mädchen. Ihre Haare waren verknotet und glänzten blutig. Ich kniete mich neben sie und legte ihr Gesicht auf meinen Schoß. Ihre Wange war lila verfärbt.
Ihr schmerzverzerrtes Gesicht ging mir durch Mark und Bein.
„Es wird alles okay. Bitte öffne deine Augen", hörte ich mich flüstern. Behutsam schlug sie die Lider auf.
Dann traf mich ein Schlag. Ich wich einige Meter zurück.
Sie hatte braune Augen. Meine braunen Augen.
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Ich wachte schweißgebadet auf. Es war ein Albtraum. Nur ein Traum.
Nein, es war viel mehr als das. Es war eine Erinnerung. Meine Erinnerung.
Es war ein Trauma. Mein Trauma, das mich ein Leben lang begleiten würde.
Ich musste mich zusammenreißen und durfte mich nicht in meinen Gedanken verlieren. Mein Oberkörper löste sich von der weichen Matratze. Ich scannte meine Umgebung. Die Sonne schien durch meine lichtdurchlässigen, bodenlangen Gardinen.
Ein neuer Morgen meines Lebens. Doch dieser war besonders. Heute war mein erster Schultag an der neuen Privatschule.
Zum ersten Mal hatte ich nicht nur Bekannte, mit denen ich mir die Bankreihen teilte. Ich hatte in kurzer Zeit Freunde gefunden. Eine Gruppe, die mich in schweren Zeiten auffing. Vor allem Millie war in den letzten Wochen eine sehr gute Freundin geworden - wenn nicht sogar meine beste Freundin.
Wir hatten viel gemeinsam. Wir teilten die gleichen Interessen und Ansichten. Wir verstanden uns ohne Worte, und ich konnte ihr vertrauen.
Ich blickte auf mein Handy. Eine Nachricht aus unserem Gruppenchat ploppte auf.
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Chicks with kicks
Millie ♡
Naaaa, seid ihr schon
aufgeregt auf
unser neues Jahr
als seniors??????
Wir müssen unseren
Neuzuwachs Amelia
auf gehobenen
Hauptes tragen!!!!!!
Emily
Naaatüüürrrlichhhh
Treffen wir uns
um 8:30 Uhr Westminster Stadion?
Olivia
Geht das deutsche
Sprichwort nicht anders?
Es hört sich
irgendwie komisch an
Millie ♡
Ich find es ist perfekt
so wie es ist.
Magggniiffiiqueeee
Lilly
Osteingang?
Google sagt:
(Foto)
Millie ♡
ES BLEIBT HIER
ALLES SO WIE ES IST!!!
Wie kann. man so früh
morgens so gute
Laune haben?
Emily
Es wird dich noch
verfolgen, glaub mir
Olivia
Spätestens wenn
Klausurenphase ist,
Millie am Abend
vorher angefangen hat
zu lernen, null Schlaf
mit einem Kaffeeimtuz,
sodass es lebensgefährlich ist.
Ich kann es mir zu 100% bei Millie vorstellen
Millie ♡
So schlimm bin ich gar nicht
Lilly
DOCH
Emily
Definitiv
Millie ♡
Alle schießen immer
gegen mich...
MANN!!!
Du hast am Anfang zwei Sprichwörter vertauscht
Es heißt: auf Händen tragen
Ich hätte sie dir
nie beibringen dürfen...
Emily
Zu spät...
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Lächelnd schloss ich mein Handy. Millies lustige Nachrichten ließen mich für einen kurzen Augenblick meine Ängste vergessen. Jene Ängste, die nicht mehr aushaltbar waren.
Ich schlüpfte aus meinem Bett und ging zu meinem großen Fenster. Ich zog die Gardinen auf und sah hinaus. Die Sonne strahlte in mein Gesicht und meine Haut erwärmte sich leicht unter ihrer Einstrahlung.
Durch das geöffnete Fenster konnte ich den Vögeln beim Wettsingen lauschen.
Nachdem ich mir genug Zeit für mich selbst gegeben hatte, um richtig aufzuwachen, ging ich in mein Badezimmer und machte mich frisch.
Meine weinrote Uniform baumelte gebügelt an einem Kleiderbügel vor meinem Sichtfeld umher.
Ein genervtes Geräusch verließ meinen Mund.
Diesen Part hatte ich vergessen. Oder eher verdrängt.
Uniformen hatten natürlich etwas an sich, bloß zweifelte ich daran, diesen Gegenstand den Rest meines Schuljahres jeden Tag tragen zu müssen.
Mein Vater hatte extra darauf bestanden, die notwendige Länge des Rockes, bis zu den Knien, noch um 2 Zentimeter zu verlängern. Zur Sicherheit.
Sicherheit, wovor? Vor meinem Vater, der sich ganz bestimmt von "der Sicherheit" abschrecken lassen würde?
Ich hinterließ einen Kommentar über dieses Kleiderproblem in unserer Gruppe.
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Chicks with Kicks
Muss dieser Rock
wirklich SO lang sein?
Lilly
Du bist doch das "rebellische
It-Girl" wie die Daily Mail dich nennt
Werd kreativ...
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Ich hatte tatsächlich eine Idee. Ich nahm mir eine Schwere aus der Schublade meines Schreibtisches und Schnitt leicht den rechten Rand des Rockes ein. Ein Schlitz entstand.
Ich zog den Rock über meine Beine und krempelte ihn am Bund, sodass nun der Rock 5 cm über meinem Knie zu finden war.
Ein deutliches Stück kürzer.
Ich knopfte meine Bluse zu. Die Krawatte Band ich leicht lose um meinen Hals.
Für den ersten Tag werden sie Erbarmen haben.
Ich sah auf die Uhrzeit. Shit. Wenn ich pünktlich an der Westminster Stadion sein will, sollte ich genau... jetzt los.
Meine Haare knotete ich in einen unordentlichen Dutt, damit sie nicht beim Laufen in mein Gesicht hingen.
Ein letzter Blick in meinem Spiegel.
Lächeln. Heute war ein großer Tag für mich.
Mein letzter erster Schultag.
An meinen Spiegel war ein Bild von mir und Kai befestigt. Ich erhaschte einen Blick. Sowie immer, wenn ich dieses Foto ansah, fing ich an zu lächeln.
Ein zauberhaftes Lächeln. Ein echtes Lächeln. Vielleicht ein verliebtes Lächeln.
Auf dem Foto waren wir auf einer Hausparty von Mason. Millie hatte uns mit einer Retrokamera fotografiert. Ich küsste Kai auf die Wange und meine Hand ruhte auf dieser. Er hatte seine Arme um meine Taille geschlungen.
Bei dieser Erinnerung schoß mir eine Wärme durch meinen Körper.
Wir hatten uns nach dem ersten Date häufiger getroffen und die Stadt erkundet. Häufig lagen wir auch nur am See und kühlten uns hin und wieder ab.
Gestern Abend hatte er mir einen Audio geschickt, in der er mir viel Glück, für heute, wünschte und er mich heute Nachmittag sehen will.
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Ich sprintete die Straße hinunter. Ich hatte mich in meine Gedanken verloren und die Zeit vergessen. Gleich musste ich um die Ecke biegen und die Stufen herunter zur U-bahnstation nehmen.
Auf dem Bahnsteig wartete ich auf meine richtige Line. Ich hatte mich mittlerweile an das System gewöhnt und könnte, trotz teilweiser Exkapaden, ohne viel Umweg zu meinem Ziel gelangen.
Ein quitschendes Geräusch hallte durch den dunklen Tunnel. Die Luft war voller Feinstaub und ich hörte verschiedene Stimmen ineinander reden.
London's Menschenmasse bereiteten mir manchmal Angst, doch ich liebte den Gedanken, dass jeder in dieser Stadt jeden Tag seine eigene Geschichte schrieb.
Sein Leben lebte.
Ich wurde durch die Menschen in den Wagon gedrückt. Ich musste meine Füße bloß heben und ich wurde wie von selbst getragen.
Es gab keinen Platz mehr. Der Zug war überfüllt. Ich stellte mich dicht an die Tür und hielt mich an einer Stange fest.
Ich hörte eine Stimme. Eine weibliche. "Wartet! Lasst die Tür auf!"
Schnell stellte ich meinen Fuß zwischen die zulaufende Tür und die Unbekannte konnte rechtzeitig noch hineinstolpern.
Ich erkannte sie. Es war...
Millie.
Mein Mundwinkel hoben sich innerhalb Sekunden. Hastig umarmte ich meine Freundin. Ich freute mich sie wieder zu sehen.
"Hey, süße. Danke wie praktisch, dass ich dich habe."
"Gern geschehen", lächelte ich.
"Deinen Rock hatte ich aber länger in Erinnerung."
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Wir fuhren bis zur Westminster Stadion. Dort gingen wir zum Osteingang. Millie erzählte mir den neusten Klatsch und Tratsch. Ihrer Meinung nach, sollte ich meine Mitschüler am bestmöglichsten kennen.
Die anderen drei Mädchen warteten schon auf uns. Wir hatten uns etwas verspätet.
Wir begrüßten uns alle und umarmten uns.
Als Olivia und ich uns umarmten wollten, zog sie mich von ihr weg und betrachtete mich. Eher den Rock.
"Also wenn du noch kein It-Girl wärst, würdest du es spätestens jetzt sein. Den Fimmel so kurz zu tragen hat sich selbst Lilly noch nicht getraut. Ich liebe jetzt schon die Gerüchte.", trällerte sie ,"Mir gefällt es! Magnifique."
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