13. Mein Kopf wird platzen vor Informationen

Die Tür schloss sich leise hinter mir und Rune. Dennoch blieb er nicht stehen, sondern schwamm einen Flur entlang und bog dann in einen kleinen Raum ohne Tür hinein. Es war etwas gruselig zu wissen, dass sich überall Kraken befanden, die die Türen mit Griffen öffneten.

„Serafina, es ist wichtig, dass das, was ich dir gleich sage, nicht diese vier Wände verlässt. Hast du verstanden?"

„Äh, ja, hab ich", sagte ich.

Rune nickte und wandte mir den Rücken zu. Einen kurzen Moment zögerte er, doch dann fing er an zu sprechen:

„Ich glaube nicht, dass dein Großvater von einem Forestchanger umgebracht wurde. Schließlich denken sie, die Windchanger hätten ihn getötet und diese beschuldigen uns Seachanger. Es ist ganz klar. Es war jemand, der unsere drei vereinten Reiche spalten wollte. Jemand, der will, dass wir uns bekriegen. Vermutlich wartet er nur auf seine Chance, um selbst zuzuschlagen. Die Frage ist nur, wann? Und wieso macht er das alles?"

Rune schwieg ein paar Sekunden, während ich das eben Gehörte verdaute. Es gab jemanden, der wollte, dass sich alle drei Reiche gegenseitig bekriegten? Aber was wollte er?

„Ich weiß, das hört sich unmöglich an, aber du musst unsere drei Reiche wieder vereinen. Du bist die einzige, die das kann."

„WAS?! Ich?"

Erschrocken starrte ich ihn an. Wie sollte ich bitte drei Reiche vereinen, wenn mich die meisten der Bewohner tot sehen wollten? Das war unmöglich!

„Du bist die einzige Trichanger. In dir sind alle drei verschiedenen Reiche vereint", erläuterte Rune.

„Was ist, wenn ich doch keine Trichanger bin und es stattdessen auf meinen Bruder vererbt wurde?", warf ich ein.

„Er hat zwar eine starke Ausstrahlung, dennoch weiß ich, dass du es bist."

„Woher denn?"

Aufgebracht schwamm ich in dem kleinen Raum auf und ab. Hier gab es nichts. Keine Fenster, keine Beschmückungen und keine Gegenstände oder Möbel aus Stein. Trotzdem fühlte sich diese Leere momentan sehr beengend an.

„Ich habe dich gesehen, wie du dich in drei verschiedene Wesen verwandelt hast, vor sechzehn Jahren. Das war, bevor deine Mutter beschloss, dem allem hier den Rücken zuzukehren", erklärte Rune mit einem bedauerndem Unterton.

Da war ich nicht einmal ein Jahr alt gewesen. Aber hatte er nicht gesagt, dass man sich erst mit sechs Jahren das erste Mal verwandelte? Beziehungsweise ich später, weil mein Vater ein Mensch war? Wie konnte ich mich dann schon damals verwandelt haben?

„Es liegt vermutlich daran, dass du eine Trichanger bist. Bevor du ein Jahr alt bist, verwandelst du dich einmal in jedes der drei Tiere. Danach ist es so, als hättest du dich nie verwandelt und die Gabe wird sich erst später richtig entwickeln. Jedenfalls habe ich das gehört."

Das hieß, dass Ryan kein Trichanger war. Aber was war er dann? Ein Seachanger wie unsere Mutter? Oder ein Forest- oder Windchanger, weil unser Großvater sich in alle drei Tiere verwandeln konnte?

„Ist mein Bruder ein Seachanger?"

„Vermutlich", war Runes wage Antwort.

Also wusste er es nicht sicher.

„Wenn der Zwietracht tatsächlich mit Absicht gestiftet wurde", griff ich das vorige Thema wieder auf, „wer war es? Ein Mensch wahrscheinlich nicht. Aber warum sollte einer der Tierwandler Krieg zwischen den Reichen wollen?"

„Wenn ich das bloß wüsste. Es würde so vieles vereinfachen. Leider kann ich nur Vermutungen anstellen, aber die meisten sind unsinnig."

Rune zuckte die Schultern, was als Hai bescheuert aussah.

„Wenn du andere Fragen hast, stell sie ruhig. Dies hier ist einer der wenigen Orte, wo man ungestört reden kann, ohne befürchten zu müssen, dass die Wände Ohren haben", ermutigte er mich.

Hatte ich überhaupt Fragen? Ich überlegte kurz. Warum hatte meine Mutter mir nichts über das alles hier erzählt? Gab es in meiner Schule Spione? Konnte ich meinen Freunden Lyra und Wesley von meinem heutigen Erlebnis berichten? Oder musste ich alles für mich behalten? Wer war der Mörder meines Großvaters? Waren denn keine Zeugen bei seinem Mord anwesend gewesen?

Zu viele Fragen schwirrten in meinem Kopf herum. Ich wusste nicht, welche ich stellen sollte. Welche war die dringendste?

„Gab es Zeugen bei dem Mord meines Großvaters?", fragte ich schließlich

„Sie wurden entweder alle getötet oder nie wieder gesehen. Es ist sehr merkwürdig."

Das war es allerdings. Der Mörder war sehr sorgfältig vorgegangen. Anscheinend hatte er keine Spuren hinterlassen.

„Das einzige, was wir erfuhren, waren Gerüchte, die er gestreut hatte. Bei den einen war der Schuldige ein Seachanger, bei den anderen ein Forestchanger, und wieder bei anderen ein Windchanger."

Das war ärgerlich. Wie konnte man so etwas schaffen? Es musste doch irgendwelche Zeugen geben! Vögel, die vorbeigeflogen waren, Insekten, eine Maus oder so etwas. Aber sonst hätte man sicher davon erfahren.

„Wie hieß er? Also mein Großvater", wollte ich wissen.

Als Rune antwortete, hielt ich neugierig inne.

„Sein Name war Aetius."

Er sagte für kurze Zeit nichts mehr, sondern schien in weit zurückliegenden Erinnerungen zu schwelgen.

„In die Tiere, in die er sich verwandeln konnte, kann ich mich auch verwandeln, oder?"

„Komischerweise nicht. Bei jedem Trichanger sind es andere Tiere, auch wenn das seltsam erscheint."

Ich wartete einen Moment, bevor ich eine weitere Frage stellte.

„Muss ich alles für mich behalten? Das ganze hier?"

Ich machte mit meiner Flosse eine Bewegung zu mir und zu allem um mich herum.

„Das ist wichtig. Wenn du das eben Gehörte weitersagst, können Spione an diese Informationen gelangen. Auch Menschen sollen nichts über diese Dinge erfahren", sagte Rune ernst.

Ich nickte. Dann würde ich es Lyra und Wesley wohl oder übel vorenthalten müssen.

„Wenn du keine weiteren Fragen hast, dann würde ich vorschlagen, dass wir zu den anderen zurückkehren. Ich denke, es wird Zeit, dass du nach Hause gehst. Es wird in einer Stunde dunkel."

Nachdem wir den Saal betreten hatten und sich die Tür leise hinter uns geschlossen hatte, hing ich meinen Gedanken nach. Erst einmal musste ich diese ganzen Informationen verdauen. Trichanger, Mörder, Spione - das war etwas zu viel für einen einzigen Tag.

„Da seid ihr endlich wieder!", rief Akira leicht genervt.

So lange waren wir nun auch nicht weg gewesen.

„Yunus erstickt hier ja schon fast!"

„Nein, mir geht's gut", bestritt dieser.

Er war ziemlich blass, was mir Sorgen bereitete. Nicht, dass er jetzt gleich ertrank. Aber vielleicht war das auch seine natürliche Färbung.

„Der Junge sollte dringend zu einer Station", mischte sich Will ein.

Akira, Rune und ich halfen Yunus aus dem Palast, da er kaum allein schwimmen konnte. Der Pottwal folgte uns. Als der Delfin wieder aus der Station kam, war er Energie geladen und konnte wieder in einem rasanten Tempo schwimmen.

„Danke. Ich hätte es wohl noch ein bisschen länger ausgehalten, waren ja nur 27 Minuten", sagte Yunus verlegen.

„Und drei Minuten später wärst du ertrunken", erwiderte Rune trocken und wandte sich dann an mich.

„Wir sollten jetzt los."

„Bis bald, Akira, Yunus", verabschiedete ich mich von den beiden.

„Du verlässt Fotein schon?"

Traurig sah mich der Hammerhai an.

„Ist ja nicht für immer."

Sofort grinste Akira wieder.

„Wir sehen uns."

Yunus winkte mit der Flosse. Schnell verabschiedete ich mich von Will, dann beeilte ich mich Rune aufzuholen, der schon am Eingang wartete.

*

„Ich weiß nicht, ob das wirklich so eine gute Idee ist."

Ich stand schon seit fünf Minuten vor meiner Haustür und diskutierte mit Rune. Egal, wie vehement ich mich gewehrt hatte, er hatte mich bis nach Hause begleiten wollen. Jetzt, wo wir da waren, wollte er sogar warten, bis meine Mutter die Tür öffnete - oder mein Bruder oder Vater, je nach dem. „Zur Sicherheit" wie er sagte.

„Deine Mutter kennt mich doch. Wovor fürchtest du dich überhaupt?"

„Ich fürchte mich nicht!", fauchte ich ihn an. „Ich mache mir lediglich Sorgen, dass sie deinen Anblick nicht gutheißen wird. Es gab doch sicher einen guten Grund, warum sie ihrem alten Leben den Rücken gekehrt hat, oder nicht?"

„Klingel einfach", sagte Rune mit leicht zusammengekniffenen Augen.

Schon kurz nachdem ich geklingelt hatte, wurde die Tür geöffnet. Es war meine Mutter. Als sie mich sah, lächelte sie, doch als ihr Blick weiter zu Rune schweifte, erstarrte sie.

„Was machst du hier?", fragte sie mit einem harten Unterton.

„Hallo Evelyn. Schön, dich mal wieder zu sehen."

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