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Hektisch schaue ich mich um. Überall riesige Bäume und dichtes Gestrüpp. Ein Wald! Ein paar Vögel singen, aber Spotttölpel sind es nicht. Wo bin ich nur?
Plötzlich höre ich ein Knacken. Sofort wirble ich herum. Aus dem Gebüsch erscheinen die Karrieros. Sie grinsen. "Na Kleine, verirrt?" Ich will losschreien, doch Schreck lähmt meine Glieder. Als sie nur noch wenige Meter vor mir sind kehrt das Leben in mir zurück und ich renne davon. "Wo willst du hin?", lacht Cato und die vier Karrieros heften sich an meine Fersen. Mein Puls rast und ich habe Seitenstechen, trotzdem renne ich weiter. Ich versuche den Schmerz in meine Brustkorb zu ignorieren, was mir einigermassen gelingt. Tatsächlich wird der Abstand zu den Karrieros etwas grösser. Doch plötzlich bleibt mein Fuss an einer Wurzel hängen. Ich stolpere und falle hart auf den Boden. Die Karrieros holen mich sofort auf und noch bevor ich mich aufrappeln kann, stürzt sich Clove auf mich und nagelt mich am Boden fest. Böse grinsend öffnet sie ihre Jacke und enthüllt ihre Messersammlung... ~
Kreischend und schweissgebadet wache ich auf. Ich liege auf meinem Bett. Es war nur ein Traum! Aber wie echt er gewirkt hat. Ich bin ausser Atem, als ob ich wirklich von den Karrieros weggerannt wäre. Wie wird es wohl erst in Realität sein. Ich beginne zu zittern und ziehe meine Bettdecke höher. Doch an Schlaf ist jetzt ganz sicher nicht mehr zu denken. Die Bilder von meinem Albtraum geistern noch in meinem Kopf, also stehe ich auf, lege mir ein dünnes Jäckchen an und trete aus meinem Zimmer. Ich weiss nicht wohin, also gehe ich zum erstbesten Ort der mir einfällt. Auf Zehenspitzen schleiche ich den Gang entlang und nehme den Fahrstuhl nach oben, zur Terasse.
Als ich raustreten will sehe ich Myra und Lay, meine Mentoren, auf der Terasse. Sie sind mit dem Rücken zu mir gewandt und unterhalten sich leise. Schnell verstecke ich mich hinter einem Pflanzentopf. Aus ihrem Gespräch kann ich nur einige Worte verstehen. Obwohl ich weiss, dass ich das nicht tun sollte gehe ich näher heran und belausche sie. "... wie kann man nur so grausam sein?" "Ich weiss es auch nicht. Ich habe keine Ahnung wie man es toll finden kann, jungen Menschen zuzusehen, wie sie sich gegenseitig umbringen..." Lay schaut gedankenverloren aufs Kapitol, auf das man von der Terasse aus eine gute Sicht hat. " Ich kann das nicht mehr", Myra schluchzt, "jedes mal Mentorin von zwei zu sein, und ihnen dann beim Sterben zu zusehen."
Ich habe nie daran gedacht. Ich habe immer gedacht, zu gewinnen wäre toll. Endlich raus aus der Armut und man hat die Spiele überlebt. Aber ich habe nie an den Mentorenjob gedacht.
Lay nimmt sie in den Arm und streicht ihr tröstend übers Haar. "Ich weiss. Es ist schlimm, wir selbst mussten auch da durch. Aber wir sind ja zu zweit. Wir überstehen das." Myra vergräbt ihr Gesicht in seiner Schulter. Ihre gedämpfte Stimme kann ich nur schlecht verstehen. "Ein Wunder, dass sie uns erlaubt haben, den Mentorenjob gemeinsam zu machen.." Lay nickt nur.
Eine Weile lang höre ich nichts mehr. Vorsichtig spähe ich über den Topfrand, doch Myra und Lay sind verschwunden.
"Rue!" Erschrocken drehe ich mich um, sie stehen hinter mir. "Es... es tut mir Leid!", stottere ich, "ich wollte euch nicht belauschen..."
"Schon in Ordnung", sagt Myra freundlich. "Was machst du hier?
"Ich konnte nicht schlafen, ich habe geträumt, dass...", weiter wage ich es nicht auszusprechen. Unerwartet schliesst Myra mich in ihre Arme. "Ach Rue, du bist noch so jung. Ich wünschte du müsstest das alles nicht durchmachen."
Ich versuche tapfer zu sein und ihr zu antworten, dass alles okay ist, aber mittendrin breche ich in Tränen aus. "Ich habe so fürchterliche Angst. Ich kann nicht in die Spiele!" Ich merke wie ich hysterisch werde. Ich habe versucht die Starke zu spielen, aber jetzt kann ich einfach nicht mehr. Dabei bin ich erst etwas mehr als ein Tag hier. Alle Furcht, die ich lange versucht habe zu unterdrücken bricht aus mir heraus. "Pssscht, Rue" , sagt sie sanft, "ich verspreche dir, Lay und ich werden unser Bestes geben, um dich am Leben zu halten."

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"Schau, du musst es so halten!" Die Frau zeigt mir, wie ich mit Pfeil und Bogen umgehen soll. Heute ist der letzte Tag vor dem Einzeltraining, bei dem wir unser bestes zeigen sollen. Die letzten Trainingstage bin ich immer bei den Überlebensstationen geblieben, doch ich entscheide mich heute für etwas anderes. Ich habe nämlich beschlossen eine ziemlich hohe Punktzahl zu bekommen, oder es zumindest zu versuchen, um mehr Sponsoren zu kriegen. Da ich mir sicher bin, dass ich mit Klettern und meinem passablen Wissen über Pflanzen wohl kaum gut abschneiden werde, habe ich beschlossen mit ein paar Waffen zu üben. Schon über eine Stunde bin ich hier an der Pfeil-&-Bogen-Station und ich bin kein bisschen besser als am Anfang. Das ist ziemlich frustrierend, also gehe ich weiter zum Schwert. Es ist viel zu gross und schwer für mich, sodass ich es kaum heben kann. Langsam merke ich, ich habe keine Begabung für Waffen. Wie soll ich dann die Spiele überleben?

Ich sehe Peeta im Ecken des Trainingcenters, der seinen Arm bemalt. Katniss kommt zu ihm. Sie sagt etwas, worauf Peeta seinen Arm an einen Baum hält. Ich bin beeindruckt. Seine Hand verschmilzt fast mit der knorrigen Rinde. Auch Katniss ist überrascht. Ich verstecke mich und luge um die Ecke. Ich bewundere Katniss irgendwie. Ich habe zwar noch kein Wort mit ihr gesprochen, aber wie sie sich für ihre Schwester freiwillig gemolden hat, hat mich beeindruckt. An der Wagenparade hat sie so atemberaubend ausgesehen, irgendwie gefährlich, aber anders als die Karrieros. 'Ich wünschte, ich könnte sie als Verbündete haben', denke ich, 'aber wer verbündet sich schon freiwillig mit einer schwachen zwölfjährigen?'
"Du hast da einen Schatten", höre ich Peeta sagen. Katniss dreht sich zu mir um. Erst jetzt realisiere ich, dass ich damit gemeint bin. Schnell ziehe ich meinen Kopf ein und bin verschwunden. 'Hoffentlich denken sie nicht, dass ich sie spioniert habe.' Das Bündnis mit Katniss schlage ich mir sofort aus dem Kopf.

Nach einem langen Tag gehe ich müde ins Bett. Mit den Waffen bin ich kein bisschen Vorwärts gekommen, aber jetzt ist es mir egal, morgen ist das Einzeltraining, am Abend das Interview und dann beginnen die Spiele. Nur schon der Gedanke an meinen bevorstehenden Tod lässt mich frösteln und ich bekomme eine Gänsehaut. Albträume sind meine ständigen Begleiter diese Nacht..
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"Denkt daran, heute alles geben. Nur wenn ihr gut abschneidet werdet ihr viele Sponsoren bekommen", sagt Lay. "Und euer Leben hängt von Sponsoren ab", ergänzt Myra, "im schlimmsten Fall sind sie eure letzte Chance!" Tresh und ich nicken stumm. Wir sitzen alle am Tisch und geniessen das köstliche Mittagessen. Ich habe das Gefühl, dass ich in meinem ganzen Leben noch nie so viel gegessen habe wie diese wenigen Tage im Kapitol. Elisia sitzt neben mir und schminkt sich. " Und seit ja anständig!", flötet sie. An ihre übetriebene quietschende Stimme habe ich mich immer noch nicht ganz gewöhnt. Aber ich muss das nicht mehr lange aushalten, morgen beginnen die Spiele. Der Zwischenfall auf der Terasse liegt nun einige Tage zurück und ich hatte unterdessen viel Zeit um zu trainieren. Doch während alle sich irgendwie verbesserten, blieb ich auf meinem Stand. Waffen kann ich kaum halten, geschweige denn sie benutzen und das Feuer gelingt mir nur alle zehn Versuche. Das macht mich alles total nervös, was soll ich den Spielmachern zeigen, wenn ich nichts kann.

Ich sitze auf einer kargen Bank, Tresh und andere Tribute neben mir. Nach und nach leert sich der Raum, immer mehr Tribute werden zum Einzeltraining aufgerufen. Ich kaue auf meiner Lippe und warte bis ich dran bin. Ich bin ziemlich nervös. Ich darf das nicht vermasseln, sonst bekomme ich keine Sponsoren. Ich habe schon den ganzen Tag darüber nachgedacht, was ich vorzeigen soll, doch mir wollte nichts einfallen, was die Spielmacher beeindrucken könnte. Auch als eine metallische Stimme meinen Namen verkündet, habe ich immernoch keinen Plan.
"Viel Glück!" Tresh klopft mir ermutigend auf die Schulter. "Danke, dir auch." Mit langsamen Schritten laufe ich zur Türe, die sofort aufgeht, als ich davor stehe. Ich betrete eine grosse Halle. Überall sind Waffen, auch ein Klettergerüst und einpaar künstliche Bäume. Auf einem Podest sind die Spielmacher, darunter der Oberste, Seneca Crane.
Keiner beachtet mich, sie scherzen und essen. Ich stehe vor ihnen, ratlos. Ich räuspere mich und versuche meine Stimme klar und deutlich klingen zu lassen. "Rue .... , Distrikt 11!" Jetzt endlich wenden sie sich mir zu. Das ist das Blöde an Distrikt 11. Man ist einer der letzten, die Spielmacher sind müde und konzentrieren sich nicht mehr.
"Na, zeig was du kannst", sagt Seneca und sieht mich herausfordernd und gleichzeitig belustigt an. Ich schlucke und drehe mich um. Mein Hirn arbeitet auf Hochtouren. Was soll ich ihnen zeigen, was wird sie beeindrucken? Zögernd laufe ich zu einem Baum, die Blicke der Spielmacher auf meinem Rücken. Ich suche Halt an der künstlichen Rinde und flitze hoch. Die Spielmacher sehen gelangweilt aus. Ich muss ihnen was besseres bieten!
Und plötzlich weiss ich es. Ich suche Halt auf einem Ast und springe ab. Einen kurzen Moment habe ich das Gefühl zu fliegen. Dann kralle ich mich am nächsten Baum fest. Die knorrige Rinde schürft meine Hände etwas auf, aber ich ignoriere es. So springe ich von Baum zu Baum. Fast verliere ich das Gleichgewicht, kann mich aber gerade noch halten. So habe ich es in Distrikt 11 immer gemacht. Der Gedanke an meine Heimat versetzt mir einen Stich. Ich denke an meine Familie an meine Freunde. Alle die mir was bedeuten und die ich nie wieder sehen werde. Ich klettere den letzten Baum hinunter, mache einen Knicks und verschwinde ohne weiteres. Sie rufen mich nicht zurück, sondern lassen mich einfach gehen. Ausser Sichtweite der Spielmacher breche ich in Tränen aus. Das alles macht mich fertig! Das Einzeltraining habe ich jetzt sehrwahrscheinlich total verhauen. Vielleicht hätte ich noch ein Feuer machen, oder mein Glück am Kletternetz versuchen sollen. Aber es ist mir plötzlich so egal. Was habe ich mir nur eingeredet. Dass ich mit einer guten Bewertung und Sponsoren vielleicht eine Chance hätte? Alles Lüge, ich bin verloren!

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Hey!
Ich weiss dieses Update kommt sehr sehr sehr spät. Ich hatte einfach keine Zeit und nach und nach geriet wattpad in Vergessenheit..
Aber jetzt bin ich wieder da und ich hoffe euch gefällt dieses Kapitel.
Ich habe noch ein Problem : und zwar will mir einfach keinen Nachnamen für Rue einfallen (deshalb auch die Punkte (.....) mitten im Text). Es wäre echt toll, wenn ihr vielleicht gute Namen kommentieren könntet und ich wähle dann den besten aus. Danke im Voraus!!
Lg

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