9.

„R. Fechtner", stand auf dem Schild, die Buchstaben erschienen ein wenig verschwommen vor Edwinas Auge.

Sie hatte die Fäuste geballt und fragte sich, was sie noch alles aushalten könne.

„Frau Löwenstrom?", lächelte die junge Frau gequält.

Edwinas Herz raste.

„Die bin ich", hauchte sie.

„Gut, dass sie noch da sind. Haben sie kurz Zeit?", fragte die Krankenpflegerin dann.

Wina nickte.

„Ist was mit meinem Mann?", stieß sie dann hohl hervor.

Frau Fechtner blickte zu Boden.

„Nein, wir... es ist uns außerordentlich unangenehm...aber wir brauchen ihre Zeugenaussage."

Edwinas Blickfeld zog sich zusammen, ihr Atem stockte und sie griff nach dem Arm der größeren, aber wesentlich schlankeren Frau.

„Hey!", rief diese und packte die ältere Frau unter dem Arm. „Ihrem Mann geht es richtig gut, keine Sorge."

„Ich...dachte..."  Edwina bekam kaum noch Luft.

„Es geht um meine Kollegin, Frau Clausen", erklärte die Fechtner.

Wina schaute auf. Langsam klarte sich der Gehirnnebel auf, und das Gefühl, dass die Schwester übertrug, war eindeutig von ihrer Scham getrübt. Edwina hatte es in ihrer Verzweiflung fehlinterpretiert! Frau Clausen war die Kollegin mit der Doppelschicht. Wina atmete tief ein und wieder aus. Machte sich sanft von der jüngeren Frau los und erwiderte: „Ich kann ihnen nicht viel dazu sagen. Hab ihr nur einen Kaffee ausgegeben."

„Das sagte sie. Könnten sie vielleicht mitkommen?"

Wina nickte und folgte der Frau. Sie ging nicht nach oben in Richtung Intensivstation, sondern in den Verwaltungsbereich der Klinik. Dort saß Frau Clausen auf einem Stuhl vor einem Bürozimmer, Wina erkannte sie an dem zotteligen Haar. Sie schaute auf ihre Hände und blickte nicht auf, als die Frauen an ihr vorbei gingen und Frau Fechtner klopfte.

Ein brummiges „Herein!" ertönte. Die junge Schwester öffnete die Tür und lächelte den Mann im Anzug an, der mit einem älteren Herren im Arztkittel sprach. Edwina seufzte. Sie kannte beide Männer, mehr oder weniger gut.

„Sören", lächelte sie den Anzugträger an. „Wenn du ein Date mit mir willst, hättest du es auch anders haben können."

Der große Mann lachte. Dann winkte er der Pflegekraft zu.

„Danke, Rose. Mach endlich Feierabend."

Sie nickte und lächelte noch einmal Wina zu, bevor sie ging. Sören deutete auf den Stuhl neben dem Arzt.

„Professor Ahlhaus", begrüßte sie ihn, bevor sie sich setzte.

„Waren wir nicht auch schon beim du?", erwiderte er lächelnd.

„Hab deinen Vornamen vergessen. Ist zu lange her...", gab Edwina zu.

Der Mann, der um vielfaches älter als sie war und gut ihr Vater sein könnte, gab zurück: „Bert. Ich kenne deinen noch gut, Edwina...sehr einprägend, und nicht nur der Name."

Sören unterbrach: „Wir sind nicht hier, um zu flirten, Bert. Wina, es tut uns leid, dich belästigen zu müssen, zu so schwerer Stunde."

„Wie bitte?", gab sie alarmiert wieder.

„Naja...das mit Thies tut mir leid. Ausgerechnet er, der öfter beim Sport war, als ich...", gab Sören zurück. „Manchmal ist es eben Veranlagung. Nun ja, es geht ihm gut, und so, wie es aussieht, seid ihr wieder ein Paar?"

Wina schossen Tränen in die Augen. Bert räusperte sich und ging dazwischen:

„Wir sind auch nicht hier, um Thies' Beziehungsstatus zu hinterfragen. Edwina, du weißt, normalerweise wird bei solch heißer Kiste wie einer Fahrlässigkeit im Medizinbereich nur das Fachpersonal befragt. Aber du bist vom Fach, kennst die Vorschriften und wir wissen, dass du es nicht an die nächste Zeitung bringen wirst."

„Ich kann euch kaum etwas berichten", murmelte Edwina, sie wollte die Frau nicht belasten!

Sören, der als Anwalt der Klinik tätig war, erklärte: „Frau Clausen hätte fast jemanden getötet, wenn Frau Fechtner nicht aufmerksam genug gewesen wäre und die Infusion abgestellt hätte. Die Beschuldigte behauptet, sie hätte den Beipackzettel sorgsam gelesen und alles richtig gemacht."

„Das habe ich gesehen. Ich hatte sie angesprochen, als sie darin gelesen hatte. Aber ehrlich, Sören- les du etwas sorgsam, wenn du seit über zehn Stunden wach bist, um dich herum Leute laut reden, es piept und klingelt und die Worte immer wieder vor deinen Augen verschwimmen", endete Wina und schaute ihn ernst an.

„Hier zählen nur Fakten. Sie hätte die Doppelschicht ablehnen müssen, wenn sie sich nicht fit genug gefühlt hätte- abgesehen davon wären es nur anderthalb Schichten gewesen."

„Zwölf Stunden", knurrte Wina.

„Machen unsere Ärzte auch. Und mehr!", kam von Bert zurück.

Es hatte keinen Sinn, auf dieser Ebene weiter zu diskutieren. Wina spürte, dass die Männer über ihre Reaktion verwundert waren. Damals, in den Zeiten, als sie noch Thies'Ehefrau und Gastgeberin gewesen war, hätte sie niemals eine solche Diskussion angefangen, hatte das Thema Job immer gemieden. Erstens, weil sie nur noch sporadisch in der Klinik gewesen tätig war und kaum noch auf Station gearbeitet hatte, dadurch ein schlechtes Gewissen dem „richtigen" Krankenpflegepersonal gegenüber hatte, und Zweitens, weil es sich für derartige Anlässe auch nicht schickte.

Nun schauten sich die Männer an. Bert nickte und fragte: "Hattest du denn...nun ja, das Gefühl, dass Frau Clausen Herr der Lage war?"

Wina zuckte zusammen. Hatte der Wissenschaftler, der nur nach rationalen Beweisen handelte, eben nach ihrem Gefühl gefragt?

„Ich... glaube nicht, dass mein Gefühl im Gerichtssaal ausschlaggebend ist", gab sie leise zurück.

Sören schüttelte den Kopf.

„Ich würde dir sofort zustimmen, wenn es sich um jemand anderen handeln würde. Aber du bist eine Löwenstrom."

Einen Moment wagte Edwina es, anzunehmen, dass er auf ihre Gabe abzielte. Doch nein, nicht in diesen Kreisen, da zählte nur Rang und Name! Sie schoß hoch und Bert zuckte zusammen.

„Vergesst es. Ich will meinen Namen nicht in diesem Zusammenhang erwähnt wissen, ist das klar? Sonst kriegt ihr es mit Thies zu tun", pokerte sie, die nicht mal mehr wußte, ob Thies sie nicht längst abgeschrieben hatte.

Dann rauschte sie davon und knallte die Tür hinter sich zu. Sie beugte sich zu der Pflegekraft runter und sagte sanft: „Ich drücke ihnen die Daumen." Obwohl sie wußte, dass man als fast kleinstes Glied nie gegen ein solches Unternehmen gewinnen konnte.

Und sie hatten ja schon recht gehabt. Diese Frau hätte auch Thies fast umbringen können! Doch trotzdem sollte Frau Clausen nicht für die Missstände der Klinik herhalten müssen.

Ohne nachzudenken, war Wina wieder auf dem Weg zur Intensivstation. Plötzlich fiel ihr ein, dass das Handy geklingelt hatte, als sie noch angenommen hatte, dass Thies etwas passiert war. Sie guckte drauf und sah, dass es Suki gewesen war. Blickte um sich, dann hockte sie sich auf den Boden der Schleuse, die Tür mit der Glasscheibe im Blick, und drückte auf Rückruf. Suki nahm sofort ab, Wina hörte, dass sie anscheinend draußen war, denn ein scharfer Wind knisterte in der Leitung.

„Wina! Es tut mir leid, dass...", begann Suki keuchend.

„Es ist alles gut. Sag mir nur, dass du in Ordnung bist. Ich könnte es nicht ertragen, wenn auch du..." Wina stockte und schluckte einen aufkommenden Schluchzer hinunter.

„Ich bin okay, Wina, wirklich. Es ist nur..."

Wieder ein Knistern und Knacken, dann: „Oh. Gott sei dank, da ist er ja!"

Suki's Stimme war leiser geworden. Wina rief:

„Ich kann dich kaum hören, wo bist du? Und wen meinst du?"

Sie war etwas hoch gekommen, doch nun sah sie eine Schwester in der Nähe der Schleuse und duckte sich schnell wieder.

„Thomas!" hörte sie Suki zischen.

Dann war das Gespräch weg, im gleichen Moment hörte Wina Schritte und versteckte das Handy schnell.

                                                                                           °°°

„Suki...", hauchte er atemlos, als er zu ihr aufschaute, als könne er nicht glauben, dass sie tatsächlich vor ihm stand. Sie konnte kaum in Worte fassen, wie erleichtert sie war, ihn gefunden zu haben und ein riesiger Stein fiel ihr vom Herzen. Allem Anschein nach war er wohl auf.

Im ersten Moment rührte sich keiner von beiden. Sie schauten sich einfach nur an, doch dann, ohne groß über ihr nächstes Handeln nachzudenken, beugte sie sich zu dem großen Mann hinunter und schlang ihre Arme um ihn. Zog ihn fest an sich. Sie spürte, wie er sich versteifte und ihr Kopf sagte ihr, sie sollte ihn wieder loslassen, aber sie konnte es nicht. Zu groß war die Sorge um ihn gewesen.

Mit einem tiefen Seufzen legte sie ihr Kinn auf seine Schulter und nun bemerkte sie es. Seine Kleidung war durch den Schnee komplett durchnässt und er zitterte wie Espenlaub. Sofort ließ sie von ihm ab und richtete sich auf.

„Thomas, du musst ins Warme und vor allem raus aus den nassen Klamotten." richtete sie ruhig das Wort an ihn und hielt ihm eine Hand hin, aber er rührte sich nicht, saß weiterhin wie ein Häufchen Elend da im Schnee und sah so unendlich traurig aus, dass es ihr fast das Herz zerriss.

„Thomas...", nun hockte sie sich vor ihn, legte zaghaft eine Hand auf sein Knie und blickte zu ihm auf, in diese wunderschönen blauen Augen, „Komm mit. Du holst dir sonst noch den Tod."

Nun erschien eine Regung in seinem Gesicht. Seine Lippen verzogen sich zu einem winzigen, spöttischen Lächeln und er wandte seinen Blick von ihr ab, ließ ihn in die Ferne schweifen ohne einen bestimmten Punkt zu fixieren.

„Genau das hätte ich doch verdient, oder? Nach allem, was ich getan habe...", murmelte er so leise, dass die Rothaarige Mühe hatte, ihn über den immer wieder aufheulenden Wind hinweg zu verstehen.

„Sag das nicht", erwiderte sie sanft und verstärkte den Druck mit dem ihre Hand auf seinem Bein lag. Hoffte, er würde auf sie reagieren und sie ansehen, aber er kam ihrem stummen Flehen nicht nach.

„Es stimmt doch...", murmelte er nur.

Sie biss sich fest auf die Unterlippe und griff nach seiner Hand, während sie sich wieder in eine stehende Position hochstemmte. Nun richtete er seinen Blick doch wieder auf sie. Er wirkte so verloren... fast wie ein kleiner Junge, der sich verlaufen hatte und plötzlich von einer Fremden an die Hand genommen wurde, um zu seiner Familie zurückgebracht zu werden. Nur, dass dort, wo sie mit ihm hingehen würde, niemand auf ihn wartete.

Sie zog leicht an seiner Hand und endlich kam er ihr nach. Erhob sich langsam von der Bank und schaute nun traurig zu ihr hinab, die Lippen zu einer schmalen Linie zusammengepresst. Dunkle Strähnen hingen ihm in die Stirn, von denen ihm kleine Rinnsale geschmolzenen Schnees über das Gesicht liefen.

„Na komm..." damit wandte sie sich von ihm ab, ohne jedoch seine Hand loszulassen und zog ihn, ohne dass er noch irgendwelche Gegenwehr zeigte, hinter sich her, den schneebedeckten Weg entlang. Das weiße Treiben hatte sich mittlerweile etwas beruhigt, aber es war dadurch nicht weniger kalt. Sie musste schleunigst mit ihm zurück in die Pension, um ihn aufzuwärmen. Er war eiskalt.

   °°°

Suki war gerade dabei, ihre Sachen in die große Reisetasche zu sortieren und überlegte hin und her, wie sie es schaffen sollte den großen Engländer, der nun schon zum zweiten Mal an diesem Tag in 'ihrem' Badezimmer duschte, davon zu überzeugen, mit ihr nach Deutschland zu gehen. Und dann musste sie das Ganze auch immer noch Edwina erklären. Vorhin hatte sie sich endlich ein Herz gefasst, wollte mit der Sprache herausrücken und dann war die Verbindung unterbrochen worden.

Wie würde ihre Freundin auf diese Wendung reagieren? Wahrscheinlich macht sie mich mindestens einen Kopf kürzer! dachte die große Frau und stopfte ihre Schlafsachen in eine freie Ecke.

Ihr Blick fiel auf die ordentlich gefaltete Herrenkleidung, die auf dem Bett lag und von der sie kurz zuvor noch die Preisschilder entfernt hatte.

Bevor sie mit Thomas in die Pension zurückgekehrt war, hatte sie ihn in das kleine Bekleidungsgeschäft geschleppt, welches sie bereits einige Tage zuvor entdeckt hatte. Zum einen war die Kleidung, die er im Moment trug, völlig durchnässt und zum anderen sah er darin einfach lächerlich aus. Zwar waren dafür ihre letzten Bargeldreserven drauf gegangen, welche sie noch hatte, aber so konnte sie ihn unmöglich weiter durch die Gegend laufen lassen.

Einfach war es nicht gewesen, etwas zu finden, da ihr Begleiter äußerst groß gewachsen, dabei jedoch recht schlank war. Aber schließlich hatten sie etwas passendes gefunden.

„Hörst du mich?", ließ sie seine Stimme zusammenschrecken und mit einer schnellen, fließenden Bewegung drehte sie sich zu dem großen Engländer um. Sie hatte gar nicht bemerkt, dass er hinter ihr aus dem Bad getreten war und nun in einigem Abstand von ihr entfernt stand und sie fragend ansah. Mit geweiteten Augen besah sie sich ihr Gegenüber und spürte wieder dieses Kribbeln im Bauch, wie schon einige Stunden zuvor.

Er hatte sich nur ein Handtuch um die schmalen Hüften gewickelt – ihren Bademantel hatte sie ja bereits verstaut – und stand nun mit nacktem Oberkörper vor ihr. Von seinem nassen Haar fielen ihm vereinzelt kleine Wassertropfen auf die Schultern und liefen dann über seine Brust hinab.

Ihr Atem beschleunigte sich und sie biss sich auf die Unterlippe, während ihr Blick langsam über seinen Oberkörper hinunter wanderte, bis sein Räuspern sie dazu brachte, ihm wieder ins Gesicht zu sehen.

„Was...?", piepste sie und erschrak dabei über den Klang ihrer eigenen Stimme.

Der Anflug eines winzigen Lächelns huschte über sein Gesicht, doch er wurde sofort wieder ernst und setzte sich nun in Bewegung, bis er nicht mal mehr eine Armlänge von der Rothaarigen entfernt war. „Ich sagte, ich komme mit dir nach Deutschland."

Ihr Herz schlug ihr bis zum Hals, als sie völlig perplex zu ihm aufschaute. Es dauerte einen Moment, bis seine Worte zu ihr durchdrangen und sie ihre Bedeutung begriff. „Wirklich?", fragte sie dann schrill und schlug sich direkt die Hand vor den Mund.

Er wirkte angespannt, schien nach den passenden Worten zu suchen und nickte schließlich zustimmend „Ja... du hattest recht mit dem was du gesagt hast", erklärte er ihr seufzend. Es war offensichtlich, dass es ihm überhaupt nicht behagte – wollte er doch nie mehr so abhängig von jemandem sein, wie es bei Lucille der Fall gewesen war. Aber er hatte gar keine Wahl. Er brauchte die junge Frau, die ihn nun aus großen grauen Augen ansah – zumindest für die erste Zeit. Das war ihm bewusst geworden, als er allein durch die Kälte geirrt war.

  °°°

„Ja ja ja... Ich komm ja schon!", hörte sie die gereizte Stimme gedämpft näher kommen, ehe die Tür mit einem Ruck aufgerissen wurde. Der anfänglich genervte Ausdruck auf seinem Gesicht wechselte zu völligem Verblüffen, als ihr Gegenüber sie erblickte und für einen kurzen Moment schienen ihm wirklich die Worte zu fehlen. Anscheinend hatte er nicht mehr damit gerechnet sie noch einmal wieder zu sehen. „Suke...", brachte er abhackt hervor, nachdem er sich ein wenig gefasst hatte und lehnte sich nun lässig in den Türrahmen „Was verschafft mir denn die Ehre?", fragte Nils und bemühte sich offenbar so herablassend wie nur möglich dabei zu klingen, was Suki jedoch keineswegs juckte.

„Hier... Ich brauch es nicht", erwiderte sie knapp und drückte ihm das glattgestrichene Ticket in die Hand, welches er ihr ein paar Stunden zuvor zusammengeknüllt vor die Füße geworfen hatte, drehte sich auf dem Absatz um und marschierte zurück zu ihrem Zimmer, ohne seinem verblüfften Blick auch nur das kleinste Fünkchen Beachtung zu schenken.

„Ey, warte mal!", rief ihr ihr ehemaliger Kameramann hinterher, aber sie blieb weder stehen, noch drehte sie sich um. Bevor sie jedoch nach dem Türknauf greifen konnte, hatte er sie eingeholt, ohne dass sie überhaupt bemerkt hatte, dass er ihr gefolgt war und hatte sie am Handgelenk gepackt, hinderte sie am Weitergehen. „Jetzt bleib doch mal stehen!"

Langsam neigte sie den Kopf etwas zu ihm und funkelte ihn wütend an.

„Wenn du nicht auf der Stelle deine Pfoten von mir nimmst...", knurrte sie und es zeigte Wirkung. Auf der Stelle ließ er sie los und hob abwehrend die Hände.

„Jetzt mach aber mal halblang, Suki...", versuchte er sie zu beschwichtigen und schlug einen versöhnlicheren Ton an, „Was...", er stockte, weil sie ihn noch immer mit diesem furchteinflößenden Blick musterte, der keinen Zweifel daran ließ, dass es für ihn kein gutes Ende nehmen würde, sollte er es noch einmal wagen, sie anzurühren. Er schluckte schwer und schaute zu Boden, konnte ihrem Blick nicht länger standhalten.. 'Was für ein jämmerlicher Waschlappen...'dachte sie nur.

„Was meinst du mit, du brauchst das Ticket nicht?", brachte er nun endlich heraus, wagte aber noch immer nicht, sie anzusehen.

„Was ist daran so schwer zu verstehen?", entgegnete sie kalt. „Es ist, wie ich gesagt habe. Ich brauche es nicht mehr." Mit einem Schulterzucken wollte sie sich schon von ihm abwenden, hielt aber inne, als er nochmals das Wort an sie richtete.

„Aber warum?", völliges Unverständnis sprach aus seinen Augen „Hat es was mit dem komischen Typen zu tun, den du aufgerissen hast? Herr Gott Suki..." doch bevor er weitersprechen konnte, war sie ihm schon über den Mund gefahren.

„Das geht dich doch nun wirklich nichts mehr an!"

Enttäuschung sprach aus seinem Blick, als er einen Schritt zurück machte „Wie kannst du so etwas sagen? Nach allem was wir hatten... ich dachte, das wär was Besonderes..."

Vollkommen verdaddert riss Suki die grauen Augen auf. „Was wir hatten?", fragte sie ungläubig, konnte nicht begreifen, was er da gerade gesagt hatte „Bist du immer noch blau? Wir hatten nie irgendetwas!"

„Dich hab ich von euch beiden immer am liebsten gemocht...", fuhr Nils fort, ohne auf ihren Einwurf einzugehen.

„Jetzt mach aber mal nen Punkt! Du warst wie lange unser Kameramann? Zwei Wochen?", platzte es aus der Rothaarigen heraus. Das konnte doch nun wirklich nicht sein Ernst sein. Sie konnte einfach nicht glauben, in welche Richtung sich dieses Gespräch entwickelt hatte und sie hatte auch keine Lust, weiter darüber mit ihm zu diskutieren. Sie atmete tief durch, straffte die Schultern und legte eine Hand auf den Knauf. „Mach's gut, Nils." Damit ließ sie ihn stehen und verschwand in ihrem Zimmer. Entnervt knallte sie die Tür ins Schloss, lies sich seufzend mit dem Rücken dagegen fallen und schloss für einen Moment die Augen, um sich zu sammeln, ehe sie sich ihren Blick verwundert durch den leeren Raum schweifen ließ.

Für einen Augenblick des Schreckens beschleunigte sich ihr Herzschlag. Der Stapel mit Herrenkleidung, der ordentlich auf dem Bett gelegen hatte, bevor sie zu Nils aufgebrochen war, lag nicht mehr an seinem Platz und plötzlich hörte sie ein Rascheln aus dem Bad. Er war also nicht wieder getürmt.

'Wie auch? Du hättest ihn im Flur sehen müssen, du dusselige Kuh!' rief sie sich schnell in Gedanken zur Vernunft.

Suki legte die Handflächen an die Tür und stemmte sich von dem dunklen Holz weg, machte einige leise Schritte hin zur Zimmermitte. Dabei lauschte sie weiter aufmerksam auf die Geräusche aus dem angrenzenden kleinen Raum.

„Thomas...?", richtete sie schließlich das Wort an ihn.

Keine Antwort... Vielleicht war sie zu leise gewesen. Sie wollte gerade nochmals nach ihm rufen, da ertönte seine Stimme gedämpft hinter der Tür „Einen Moment!"

Ihr Blick fiel auf ihr Telefon, welches auf dem Bett neben der Tasche lag und unweigerlich musste sie an Wina denken. Sie konnte es ihrer Besten einfach nicht weiter verschweigen. Außerdem kam sie allein kein Stück weiter. Mit Wina hatte sie eine Verbündete, mit der sie darüber beratschlagen konnte, was sie als nächstes tun sollte.

Sie stand vor dem Bett, das Smartphone in der Hand, als sie aus ihren Überlegungen wieder auftauchte. Hatte offenbar völlig gedankenverloren danach gegriffen.

Und nun wählte sie automatisch Winas Nummer aus der Anrufliste aus und drückte ohne zu Zögern auf 'Verbindung herstellen'.

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