Twenty-one.
"Also entweder verschrotten wir es und kaufen uns ein neues oder wir stecken wie viel in die Reparatur?" Verzweifelt huschen meine blauen Augen zwischen Dean und Harry hin und her, welcher sich mittlerweile wieder seinen Blaumann über gezogen hat.
"Nur um alles wieder zum Laufen zu bekommen werden das vermutlich zwei tausend. Dann würde ich aber noch dazu raten einige andere Teile zu ersetzen, das ist alles nicht mehr im besten Zustand." Das Handtuch mit dem er sich die Hände abgeputzt hat, schmeißt der Größere unachtsam zur Seite. Abwartend sieht er uns an. Ratlos fährt sich mein Mann über sein Gesicht, Verzweiflung spricht aus seinen Augen. "Ich brauche ein Auto um zur Arbeit zu kommen, aber wir können uns kein neues leisten. Wie lange würde die Reparatur denn ungefähr dauern?" Harrys Antwort darauf ist ernüchternd. Bis zu zwei Wochen könne das ganze dauern, Lieferverzögerungen noch nicht mit einberechnet.
"Kannst du da nichts machen Harry? Bitte, Dean kann doch nicht eine Woche lang nicht zur Arbeit und mit dem Bus ist die Strecke nicht machbar." Flehend greife ich nach seiner Hand, welche er aber schnell zurück zieht, seine Augen blicken mich kalt an. "Ich kann euch nicht bevorzugen und andere Kunden länger warten lassen. Anderen geht es genauso, das ist nicht mein Problem." Enttäuschung spiegelt sich auf meinem Gesicht wider, als ich mich wieder zwei Schritte von ihm entferne. Seufzend schüttelt mein Gegenüber den Kopf, scheint nicht wirklich glücklich mit der Situation. "Aber vielleicht könnt ihr eins der alten Autos vom Hof haben für die Zeit. Für eine kleine Ablöse sollte das kein Problem sein. Bobby wird schon nichts dagegen haben." "Wirklich?" "Ich denke ja." Ich springe ihm strahlend um den Hals und küsse dankend seine Wange, was jedoch weder Dean noch Harry wirklich zu gefallen scheint. Die wütenden Blicke ignoriere ich, will ich doch niemanden etwas böses.
"Danke Harry. Wir klären dann morgen alles mit den Kosten, in Ordnung? Es ist spät und ich denke wir alle wollen ein wenig Schlaf." Dean schließt seine Hand um meine und verlässt nach einer kurzen Verabschiedung die Werkstatt.
Schlecht gelaunt steigen wir in ein Taxi um zurück zum Hotel zu kommen. In letzter Zeit bricht alles auf einmal, wie ein Kartenhaus, über uns zusammen.
Noch nie zuvor habe ich so sehr das Gefühl gehabt mein Leben nicht mehr unter Kontrolle zu haben. Ich fühle mich so hilflos und nutzlos wie noch nie zuvor. Egal was ich tue, es scheint aussichtslos. Ein Kreislauf aus Hiobsbotschaften, der trotz all meiner Gebete, meines Hoffens und Flehens nicht enden will. Ich habe das Gefühl nie wieder aus diesem immer tiefer werdenden Loch zu kommen, alles und jeden um mich herum zu verlieren und völlig allein zu sein, obwohl doch so viele Menschen um mich herum sind. Dieses Gefühl nimmt mich vollkommen ein. Liegt auf meiner Brust, wie ein tonnenschwerer Stein, nimmt mir so all meine Luft. Doch dieses Gefühl ist mir nicht fremd. Die Erinnerungen an die bisher schlimmste Zeit meines Lebens, hatte ich lange erfolgreich verdrängt, doch nun wird alles wieder aufgewühlt. Dieses Gefühl der Übelkeit, der Verzweiflung erinnert mich nur zu gut an damals. Stück für Stück setzen sich die einzelnen Bilder wieder zusammen.
Ich, wie ich weinend auf dem Boden saß. All meine Hoffnung verloren. Alles Ziel- und Aussichtslos. Es scheint sich alles zu wiederholen. Vielleicht ist es mein Schicksal unglücklich zu sein. Und vielleicht sollte ich mich diesem hingeben.
09. Mai 1957
Die Hoffnung, dass er wieder kommen würde, ist mit diesem einen Brief verloren. Alles was mich die letzte Zeit noch am Atmen gelassen hat, war dieser Funken Hoffnung. Es ist das Letzte was mir noch die Kraft gegeben hat mich jeden morgen aus dem Bett zu bemühen, auch wenn es manchmal nur für den Gang zum Briefkasten war. Doch an diesem Tag wünsche ich mir nichts sehnlicher als niemals aufgestanden zu sein. Niemals den Briefkasten geöffnet zu haben und niemals in größter Freude und Aufregung diesen Brief geöffnet zu haben. Nur wenige Worte entschieden darüber ob es der schönste oder schlimmste Tag in meinem noch kurzen Leben sein würde und leider ist letzteres der Fall gewesen. Auf einmal ist alles um mich herum unwichtig, alles ist so unklar durch den Schleier aus Tränen. Bis auf diese wenigen Worte. >> Harry Edward Styles nach einem Überfall verschollen. << >> Das Land, die Regierung und seine Kameraden danken für seine Dienste. <<
Noch nie zuvor haben zwei Sätze mir so viel genommen. Er ist mein Verlobter, die Liebe meines Lebens. In Worte zu fassen was er bedeutet, ist nicht möglich. Das Rasen in das er mein Herz versetzt wenn seine smaragdgrünen Augen mich anfunkeln, das heiße Kribbeln auf meiner Haut wenn er dort mit seinen langen Finger drüber fährt, das Kitzeln an meiner Wange, wenn seine braunen Locken sie streichen. Das pure Glück, wenn sein raues Lachen den Raum erfüllt. Er ist einfach alles was ich hatte und jetzt soll er gefallen sein? Mein Harry soll im Krieg gefallen sein? Er? Harry? Es macht keinen Sinn. Es ist so sinnlos. Wieso sollte er gestorben sein. Er ist doch kein General oder Politiker, er ist doch kein besonders schwacher Mann, den die Feinde nur zu gerne verspeisen würden. Er ist doch einfach nur Harry. Wieso sollte jemand meinen Harry töten? Er hat doch nie jemanden etwas getan. Im Gegenteil.
Harry ist der liebevollste und gutherzigste Mensch auf der großen ganzen Welt, wieso sollte jemand so etwas tun. Es ist unmöglich. Er ist noch viel zu jung. Viel zu gut. Viel zu unbedeutend. Alles ist so sinnlos. Egal wie ich das Blatt in meinen Händen drehe, die Wörter umstelle oder meine Augen schließe. All das macht kein Sinn und doch ist es nur die logischste Konsequenz, ich habe mich nicht verlesen. All das wirkt wie in einem Alptraum und doch ist es das realste was ich je erlebt habe. Das Zittern meiner Hände, die unendlichen Tränen die meinen Körper verlassen, aber keine Erleichterung bringen wollen. Das Gefühl von Übelkeit und Schwindel.
Es ist zu irreal um ausgedacht zu sein. Kein Mensch auf der Welt, nicht der mit den kühnsten Fantasien oder schlimmsten Horrorvorstellungen, könnte sich so etwas nur ausdenken. Es muss real sein. Es soll nicht. Ich kneife mich in den Arm bis die Haut zwischen meinen Fingern rot wird. Der Schmerz scheint nicht existent zu sein, im Gegensatz zu dem in meinem Herzen und doch ist er stark genug um mich zum los lassen zu bewegen. Ich fühle mich taub, gelähmt und leer und doch erfüllt mich die tiefste Trauer, der Drang herum zu wüten und zu schreien fesselt mich an meinen Platz.
Es ist so unlogisch, alles ist so sinnlos. So etwas passiert nicht Menschen wie mir, nicht Menschen wie Harry. So etwas passiert Männern die Helden sein wollen und Familien deren Sohn zu schwach ist. So etwas passiert Müttern und Schwestern, meinen Nachbarn und Freunden. Aber so etwas passiert doch nicht mir.
Verzweifelt blicke ich aus dem Autofenster, Tränen fließen stumm meine Wange hinab, erhitzen die Haut unter sich. Was im Moment passiert möchte ich nicht wahr haben. Ich kann es nicht wahr haben. Es ist unmöglich für mich zu begreifen, wie ein weiteres Mal alles was ich habe zu Asche zerfällt. Es scheint als würde Gott mir geben was man sich nur wünschen kann, nur um es mir im nächsten Moment wieder zu entreißen. Er spielt ein grausames Spiel mit mir, dessen Regeln ich nicht verstehe. Vielleicht aber bin ich auch Teil einer Wette zwischen Gott und Teufel, in deren Händen mein Leben wie ein Ball herumgeworfen wird. Vielleicht bin ich ja wie Hiob? Will Gott nur meinen Glauben auf die Probe stellen und möchte Satan nur seinen Spaß mit mir haben? Ist mein Leben nichts weiter als der Bestandteil einer sinnlosen Wette? Denn so scheint es. Mir wird gegeben um wieder zu nehmen. Es ist so unlogisch, alles ist so sinnlos.
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