Twenty-five.
Ruckartig setze ich mich auf, lege meine Hand auf mein rasendes Herz.
Ich versuche möglichst leise zu atmen, um auch jedes noch so kleine Geräusch wahrnehmen zu können, um so heraus finden zu können, was mich so unsanft aus dem Schlaf gerissen hat.
Es ist still, einzig und allein hört man den Wind pfeifen. Erst jetzt fällt mir auf, dass der Platz neben mir leer ist, also stehe ich auf und werfe mir einen Bademantel über. Die Arme um mich geschlungen, damit mir wärmer wird, verlasse ich das Schlafzimmer. Bereits im Flur erkenne ich wie Harry auf dem wackligen Hocker sitzt und geradeaus, aus dem Fenster sieht. Er scheint mich nicht zu bemerken, als ich langsam auf ihn zu gehe. Der zuvor nur dunkle Schatten seines Körpers, wird mit jedem Meter den ich mich nähere, deutlicher, bis ich ihn schlussendlich, durch das sanfte Licht der Laternen vorm Haus, im Detail erkennen kann.
Seine sonst so stramme Körperhaltung ist eingefallen, seine Gesichtszüge sind müde und erschöpft. Dunkle Augenringe und tiefe Falten auf der Stirn, lassen ihn noch besorgter wirken, als sonst.
"Ich wollte dich nicht wecken, Rosemary." Erschrocken zucke ich kurz zusammen, habe ich doch nicht damit gerechnet, dass er mich bemerkt hat. Nun gehe ich schneller auf ihn zu, überbrücke die letzten Meter zwischen uns. Ich winke ab, sage es nicht seine Schuld sei und ich sowieso nicht mehr müde wäre, was natürlich mehr als gelogen ist.
Wie so oft, antwortet er nicht, weshalb ich frage was denn los sei. Vorsichtig umfasse ich seine Hand, lasse diese jedoch sofort wieder los, als ich etwas feuchtes in seiner Handfläche spüre.
Erst nachdem ich mir meine Hand instinktiv am Bademantel abgerieben habe, kommt mir in den Sinn, dass das vermutlich kein Wasser oder Schweiß ist. Schnell fasse ich ihn am Handgelenk, begutachte die aufgeschnittene Haut aus der das Dickflüssige herausquellt. In dem wenigen Licht, sieht die Linie die seinen unterarm herunter läuft, beinahe schwarz aus.
Harry scheint das alles wenig zu interessieren, nur knapp gibt er bekannt, er hätte sich geschnitten, als er eine Tasse fallen gelassen hat.
Vermutlich ist es auch das gewesen, was mich aus dem Schlaf gerissen hat.
"Komm, wir verarzten dich erstmal." Sein Handgelenk umfassend ziehe ich ihn hinter mir her ins Bad, wo ich ihn auf den Badewannen rand drücke und das Licht anmache. In den Schränken suche ich nach Verbandszeug, bis ich auf einen kleinen Korb stoße in dem eine angefangene Rolle liegt und ein paar fast leere Salben. Kurz durchkrame ich alles, verschaffe mir einen groben Überblick was mir alles zur Verfügung steht.
"Es ist nur ein Kratzer." Noch immer wirkt der Brünette etwas abwesend, worauf auch seine wenige Gegenwehr hindeutet, als ich die Wunde auswasche und desinfiziere. Eigentlich habe ich damit gerechnet, dass er viel zu stolz wäre, sich wegen eines Kratzers, wie er es nennt, verarzten zu lassen und doch lässt er alles mehr oder weniger freiwillig über sich ergehen.
Das meiste Blut weggewaschen, erkennt man erst wie tief der Schnitt tatsächlich ist. Ich hoffe, es wurden keine Nerven oder so etwas getroffen, doch befürchte ich, dass die Wunde genäht werden muss, was ich ihm auch augenblicklich sage.
Seinen Kopf von links nach rechts schüttelnd, beginnt er aufzustehen und zu versuchen sich aus meinem Griff zu lösen, doch drücke ich ihn bestimmt wieder zurück an seinen Platz.A
"Na gut, ich werde dich vermutlich nicht ins Krankenhaus bekommen, verstanden. Dann will ich es aber wenigstens noch verbinden, damit es nicht entzündet. Dass du nicht direkt zu mir gekommen bist, das muss fürchterlich weh tun." Als Antwort bekomme ich lediglich ein Schulter zucken und ein unzufriedenes Brummen, als ich eine Mullbinde, auf welche ich zuvor Salbe getan habe, auf die klaffende Wunde lege. Den Verband wickel ich extra dick um seine Hand.
Ich stehe aus meiner gehockten Position auf, um alles wieder an seinen rechten Platz zu legen.
Das getan setzte ich mich neben den Mann, für den ich alles aufgegeben habe. "Sprich mit mir, Harold. Irgendwas belastet dich doch. Wieso bist du noch wach?"
Es dauert einige Sekunden, bis er sein Gesicht zu mir wendet. Seine Lippen kräuseln sich, als wolle er etwas sagen, presst sie dann doch auf einander. Aufmunternd streiche ich ihm über den Oberschenkel, versichere ihm, dass er mit mir über alles reden kann.
Seufzend blickt er auf den Boden zwischen seinen nackten Füßen. " Ich kann schlecht schlafen. Jede Nacht verfolgen mich diese Bilder, dann bleibe ich lieber wach."
"Du hast Alpträume?" Besorgt ziehe ich meine Augenbrauen zusammen, höre mit meiner Handbewegung aber nicht auf. Ein humorloses Lachen verlässt seinen Rachen, gefolgt von einem weiteren Kopfschütteln. "Wenn es bloß Träume wären.. Es ist die Realität, Rose. Es ist kein alberner Traum, von dem man weiß, dass er immer nur ein Hirngespinst bleiben wird. Es ist das, was mich neun Jahre lang Tag ein Tag aus verfolgt hat. Hast du schon einmal eine Leiche gesehen?"
Leicht nicke ich, drücke die Haut unter meiner Hand sanft. Die Bilder von der Beerdigung meines Opas kommen mir ins Gedächtnis. Ich war noch ein kleines Mädchen, als ich zum ersten Mal gesehen habe wie ein Toter in einem Sarg aussieht.
"Und hast du schon einmal gesehen, wie sich die Augen eines Mannes verdrehen, wenn ihn deine Kugel trifft? Wie entsetzt dich sein leerer Blick trifft, als er zu Boden sinkt? Wie er verzweifelt versucht, seine Eingeweide mit seinen Händen drinnen zu halten?"
Entsetzt versuche ich den Kloß in meinem Hals herunter zu schlucken, lege meinen Arm um Harry. Solch eine Szenerie übertrifft meine Vorstellungskraft. Was für Schuldgefühle ihn verfolgen müssen, möchte ich nicht wissen. Nimmt man an, dass er wahrscheinlich nicht nur einen getötet hat, muss eine unglaubliche Last auf ihn liegen. Und doch hat er meinen Respekt.
Nach alle dem, was er durchlebt hat, plagt ihn das Schuldgefühl einen Feind getötet zu haben, nicht die Qualen die er selber Jahre lang erlebt hat.
"Du hattest keine Wahl, Harry." Es sind Worte die er vermutlich schon tausend Mal gehört hat, vielleicht auch versucht hat sich selber ein zu reden. Ich weiß, dass er sie nicht ernst nehmen wird, doch scheinen sie mir das einzig Richtige zu sein.
"Sag das nicht." Rau bricht seine Stimme am Ende ab, schmerzerfüllt löst er sich aus meinem Griff und steht auf. "Sag das nicht, man hat immer eine Wahl. Ich hätte mich verweigern können, ich hätte nicht zu einem Massenmörder werden müssen." So schnell es ihm mit seinem Bein möglich ist, stürmt er aus dem Bad, lässt mich überrumpelt sitzen.
Ich erachte es als besser, ihm jetzt nicht zu folgen und ihm seinen Freiraum zu bieten. Alles was ich sage, wäre jetzt wahrscheinlich eh das Falsche. Ich weiß nicht was er erlebt hat, kann es mir nicht einmal vorstellen. Ich habe keine Ahnung von dem, wo er durch musste, von dem was er getan und gesehen hat. Doch will ich nicht, dass er diese Last für immer mit sich tragen muss. Nicht alleine.
Ich werde alles mir mögliche tun um ihm tragen zu helfen, versuchen ihn aus seinem Loch zu ziehen. So wie Dean es damals bei mir getan hat.
Dean. Das schlechte Gewissen, welches ich in all der Aufregung verdrängt habe, kommt wieder auf. Er hat so viel für mich getan und ich lasse ihn alleine mit zwei Kindern, um so meine erste Nacht bei einem Gefühls verkrüppelten Veteranen zu verbringen.
Bei dem übereilten Aufbruch habe ich mir keine Gedanken gemacht, wie ich das mit Samuel und Joanne regeln kann. Ich möchte nicht ohne sie leben, ich will sie um mich herum haben. Doch kann ich nicht auch sie noch Dean nehmen, das wäre nicht fair.
Können wir ihnen wirklich zu muten, sich zwischen einem von uns entscheiden zu müssen oder wöchentlich zu wechseln?
Wenn mich solch starke Zweifel bereits nach einer Nacht übermannen, wie soll es denn dann weiter gehen?
Die Zeit der Überarbeitung ist vorbei, was bedeutet, dass es wieder regelmäßiger Updates geben wird!
Würde mich über ein paar Kommentare und Votes freuen <3
Ein verspätetes Frohes Weihnachten wünsche ich euch und euren Liebsten!!! <3
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