Thirty-two.

Mir ist alles andere als wohl dabei, als Harry und ich uns auf den Weg zu seinem alten Schulfreund Daniel machen.

Es ist nicht, dass ich Daniel nicht mag. Nein im Gegenteil. Auch wenn ich ihn lange nicht gesehen habe und auch damals nicht so viel mit ihm zu tun hatte, ist er mir als ein lieber Kerl in Erinnerung geblieben.

Jedoch ist unser, oder eher Harrys Plan nicht schon zwielichtig genug, nein jetzt müssen wir auch Daniel da noch mit rein ziehen.

Wenn ihm wegen uns irgendwas zustoßen sollte, könnte ich mir das niemals verzeihen.
Mein Freund scheint meine Besorgnis zu spüren und legt einen Arm um meine Hüfte.

„Mach dich nicht so verrückt, Rose. Mein Plan ist wasserdicht, da kann gar nichts schief gehen.“

Ein selbstzufriedenes Lächeln legt sie auf die Lippen des Brünetten. Ein Lächeln, dass ich schon lange nicht gesehen habe und welches mein Herz schneller schlagen lässt. Er ist stolz auf sich endlich wieder nützlich zu sein und diesen Stolz will ich ihm auf keinen Fall nehmen.

Trotzdem verschwinden meine Zweifel nicht wirklich.
Ein bierbäuchiger, halbglatziger Mann öffnet uns die Tür.

Die Mundwinkel weit nach oben gezogen zieht er Harry in eine Umarmung und schlägt ihm auf die Schulter. Bei mir begnügt sich Daniel mit einer sanfteren Begrüßung, bevor er uns herein bittet.

Unsicher sehe ich mich in dem dunklen Flur um. An den Wänden hängen viele Bilder. Immer wieder zwei Kinder und ein Hund. Zwischendurch der junge Daniel mit ein paar Soldatenkameraden.

Harry hat mir erzählt, dass seine Frau Teresa vor einigen Jahren an Krebs verstorben ist und er sich wohl nie wirklich davon erholt hat. Ich denke, dass dies auch der Grund ist, wieso kein Bild von ihr vorzufinden ist.

Still folgen wir ihm ins Wohnzimmer, welches nicht weniger bedrückend wirkt. Dunkle Möbel, zugezogene Vorhänge und die purste Unordnung in den vollgestellten Regalen. Zwischen vertrockneten Pflanzen, verstaubten Bilderrahmen und Auszeichnungen stehen ein paar vergilbte , dicke Bücher. Jura.

Nur um nicht unhöflich zu sein lasse ich mich auf einem der Sessel nieder. Sitze allerdings so weit vorne am Rand wie möglich um mit meinen nackten Schenkeln nicht in Kontakt mit dem dreckigen Stoff zu kommen.
Noch immer strahlt Daniel über das ganze Gesicht, als er uns Kaffee eingießt.

Er scheint nur selten Besuch zu bekommen, wieso sonst sollte er sich so über welchen freuen.

„Also, wie kann ich euch zwei Turteltauben helfen?“

Wie immer wortkarg, legt Harry einfach die dünne Mappe auf den Tisch, so dass Daniel sie ergreifen kann. Dieser überfliegt den Text , bevor er zwischen mir und dem Brünetten, welcher seine Verwirrung sofort zu erkennen scheint, hin und her blickt.

„Er soll bluten.“

Ich schlucke kurz bei Harrys Wortwahl, mische mich aber nicht ein, da Daniel sofort zu verstehen scheint.

„Ich kann euch zwar nichts versprechen, schließlich bin ich kein Studierter, aber ich werde mein Bestes geben. Gebt mir zwei Stunden.“

Mich bedankend stehe ich auf. Mit Harry im Schlepptau  verlasse ich das Haus, vor welchem ich stehen bleibe.

„Meinst du wirklich, dass es funktionieren wird? Ich meine, Dean ist Anwalt“ , gebe ich meine Zweifel bekannt.

Doch mein Freund scheint zuversichtlich und beteuert mich, dass Daniel schon immer ein Talent für solche Dinge hatte. Mehr als auf seine Urteilsfähigkeit zu setzen, bleibt mir jetzt wohl nicht übrig.

Um uns die Zeit zu vertreiben überrede ich Harry zu einem Spaziergang in den Park, auf welchen er sich nur mürrisch einlässt.

Ich genieße den Wind in meinem Haar und die Herbstsonne auf meiner Haut. Uns wird nicht mehr allzu lange bleiben, bis der Winter einbricht.
Zufrieden lehne ich mich in Harrys Seite, lege eine Hand auf meinen wachsenden Bauch.

„Wenn unser Plan klappen sollte, werde ich mir einen Job suchen. Vielleicht in einer Bäckerei, wie ich es immer wollte.“
Der Größere zieht verwirrt seine Augenbrauen zusammen als ich zu ihm hoch blicke, sieht jedoch weiterhin gerade aus.

„Wieso?“

„Naja, dein Gehalt reicht ja gerade Mal für uns Beide. Mit zwei, beziehungsweise bald drei Kindern, werden wir mehr Geld brauchen.“ Verständnisvoll nickt er, küsst mich auf den Kopf.

„Du hast nichts dagegen?“

Etwas überrascht bleibe ich stehen. Ich hatte damit gerechnet, dass dieses Thema noch zu tausenden Streits führen würde.

„Natürlich nicht. Das hatte ich nie, Rose, das weißt du doch.“

Ich nicke. Natürlich hat er Recht. Harry war es, der mich immer in meinen Träumen unterstützt hat. Damals, als wir noch verlobt waren, da wollte ich immer ein eigenes kleines Café aufmachen mit selbstgebackenen Kuchen. Dafür hat er Sonderschichten geschoben und so viel gespart wie nur möglich.

Beinahe hätte ich das schon wieder vergessen. Nach so vielen Jahren als Hausfrau und Mutter, nach so vielen Versuchen Dean zu überzeugen Arbeiten zu gehen, ist mir dieser Wunsch nach Selbstständigkeit verloren gegangen.

Es soll nicht so klingen, als hätte Dean mich zu Hause eingesperrt und als hätte er mir Böses gewollt. Er wollte stets das Beste für mich. Seiner Ansicht nach, war es doch entspannender für mich den Haushalt zu machen, vor allem da er sowieso genug verdiente. Anfangs hatten wir noch diskutiert, doch als Joanne auf die Welt kam habe ich es aufgegeben.

Mit zwei Kindern hatte ich genug zu tun und hätte auch nicht mehr gewusst woher ich die Zeit und Kraft holen sollte, neben Mutter und Hausfrau sein, auch noch arbeiten zu gehen.

Doch jetzt wo Harry mir die Möglichkeit wieder gibt, bin ich aufgeregter als je zuvor. Dieses Mal werde ich mir diesen Wunsch wirklich erfüllen.

Einmal durch den Park und die Zeit ist bereits verflogen.  Wir haben nicht viel geredet. Jeder hing so seinen eigenen Gedanken hinter her und trotz allem, kann ich mir nichts Schöneres vorstellen meine Zeit so zu verbringen. Allein Harry an meiner Seite zu haben erfüllt mich mit Glück.

Daniel hatte hinter uns nicht abgeschlossen, weshalb wir einfach eintreten können. Wieder machen wir uns auf den Weg ins Wohnzimmer, wo wir den Bierbäuchigen fleißig hinter einer Schreibmaschine entdecken.

Scheinbar schreibt er gerade die letzten Sätze, denn nach wenigen Sekunden springt er strahlend auf und hält ein paar Blätter in der Hand.

Ohne uns großartig zu beachten heftet er alles wieder ein, um es dann Harry in die Hand zu drücken.

„Also wenn das nicht funktioniert, dann weiß ich auch nicht  mehr weiter.“

Dankend umarme ich Daniel, verspreche ihm, dass wir ihn mal zum Essen einladen werden. Dieser nimmt das Angebot überglücklich an, meint aber auch, dass es nicht nötig wäre und er das gerne gemacht hätte.

Nachdem auch Harry sich verabschiedet und bedankt hat, verlassen wir das Gebäude und machen uns auf den Weg in die Kanzlei.

Bevor wir Deans Büro betreten, setze ich noch ein möglichst bedrücktes Gesicht auf.

Der Anwalt schaut von den unzähligen Akten vor sich auf, als wir auf ihn zu kommen und die Mappe auf den Tisch legen.

„Ich unterschreibe.“ Gebe ich bekannt, gebe mir dabei Mühe nicht zu zufrieden zu wirken.

Ein siegessicheres Lächeln umspielt seine Lippen während er einen Stift heraus holt und ihn mir in die Hand drückt.

Nachdem ich meinen Namen, welchen ich noch zurück zu Evens ändern lassen möchte, auf die letzte Seite gesetzt habe, tut er es mir gleich.

„Ich bin wirklich froh, dass du zur Besinnung gekommen bist, Rosemary.“

Ich nicke wortlos, muss mir ein Grinsen wiederkneifen und greife nach Harrys Hand.
Kurz huscht Deans Blick dorthin, bevor er wieder in unsere Gesichter sieht. „Noch was?“

„Ich hätte gerne eine Kopie von dem Vertrag.“

Etwas überrascht darüber, gibt er mir eine weitere Mappe, wo wir wieder unterschreiben.

Ohne noch Weiteres zu sagen, verlasse ich mit Harry die Kanzlei, um ihm auf dem Bürgersteig freudestrahlend um den Hals zu fallen.

Meine Zweifel sind fast vollständig erloschen. Hoffnung und Zuversicht haben ihren Platz eingenommen.

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