4 - Instrumental
Ein paar Tage vergingen, in denen Ruby versuchte sich im Anwesen zurechtzufinden und etwas einzuleben.
Tagsüber war sie viel im Garten gewesen und hatte sich - als ihr zu heiß wurde - in die Bibliothek zurückgezogen. Sie hatte es sich ebenfalls zur Angewohnheit gemacht, abends, vor dem Schlafengehen, ein wenig zu singen.
Doch heute war endlich der Tag, an dem Thyfen ihr Ashra zeigen würde. Ruby würde endlich die Wüstenstadt sehen und ihre Straßen erkunden können.
Gleich nach dem Frühstück begleitete Thyfen die Nixe runter in die Stadt und brachte sie auf den mit Leben gefüllten Markt. Ruby lief mit großen, neugierigen Augen von einem Stand zum anderen und sah sich die verschiedenen Waren an. Es gab alles - von Klamotten, über Spielzeuge, bis hin zu Lebensmitteln und Gewürzen.
Thyfen hielt sich stets dicht hinter ihr und verbrachte seine Zeit entweder damit die junge Schönheit zu beobachten oder die interessierten, lüsternden Blicke der Stadtbewohner von ihr abzuwenden.
Letztendlich war es schon Nachmittag, als sie wieder beim Anwesen ankamen. Thyfen entlud alle gekauften Objekte in Rubys Zimmer, bevor er sich entschuldigte.
"Ich hatte eine tolle Zeit heute", sagte Ruby und bedankte sich bei dem Metamorph. Dieser schüttelte nur lächelnd den Kopf.
"Die hatte ich auch. Doch jetzt ruft wirklich die Arbeit nach mir. Wir sehen uns beim Abendessen?"
Ruby nickte glücklich, woraufhin Thyfen sich umdrehte und aus dem Zimmer verschwand.
Seufzend sah die Nixe zu all ihren neuen Sachen. Nach und nach nahm sie die bunten, seidig glänzenden Klamotten aus dem großen Einkaufskorb und hing sie sorgfältig in ihren Kleiderschrank. Sie stoppte bei einem bestimmten Kleidungsstück. Es war ein schlichtes, langes Kleid, das genau den gleichen dunklen Blauton besaß, wie ihre Augen. Aber das war nicht der Grund warum es ihr auf dem Markt sofort ins Auge gesprungen war. Denn anstatt darin ihre Augenfarbe zu sehen, sah Ruby das tiefe Wasser des Sees, an dem sie aufgewachsen war.
Sie entschied sich dieses Kleid zum Abendessen anzuziehen. Fröhlich schlüpfte sie hinein und lief die Treppen hinunter ins Esszimmer, wo Thyfen schon auf sie wartete. Doch sie stoppte abrupt in der Türschwelle, als sie sah, was sie dort noch erwartete.
In einer Ecke des Raums standen eine Hand voll Leute mit Instrumenten.
Aber was Ruby wirklich nervös machte, war, dass sie noch auf jemanden zu warten schienen.
Sofort wurde sie unsicher und es schossen tausend Fragen in ihren Kopf. Hatte Thyfen sie etwa singen gehört? Was, wenn er sie bitten würde für ihn zu singen? Was sollte sie dann nur tun?
Sie konnte ihm doch nicht die Wahrheit sagen... Auf keinen Fall konnte sie ihm sagen, dass sie eine Sirene war. Dass er sich in acht nehmen sollte, jedes Mal wenn Ruby den Mund öffnete.
Sie wollte nicht, dass er sich vor ihr fürchtete, wie es die Nixen in Laothea getan hatten.
"Ruby", rief Thyfen erfreut, als er sie in der Tür stehen sah, "da bist du ja. Komm her!"
Die Nixe folgte seinem Wunsch und zerrte ihre Augen von den Musikern weg.
"Ich dachte, ein bisschen Musik zum Essen wäre schön", meinte er.
Ruby hätte fast erleichtert aufgeatmet, wäre da nicht dieses verdammte 'außerdem', was seinen Lippen noch entflohen war.
"... Weißt du, ich hab' dich die letzten Abende singen gehört. Und es war wunderschön."
Doch Ruby konnte das Kompliment in ihrer Panik nicht wahrnehmen. Sie schluckte nervös den Kloß in ihrem Hals herunter.
Bitte, Thyfen, frag mich bitte nicht, ob ich für dich singe!
Leider hielt Rubys Glück sich wieder einmal in Grenzen.
"... Deshalb dachte ich mir, dass dir vielleicht etwas Musik, begleitend zu deiner Stimme, gefallen würde."
Rubys zitternde Hände ergriffen nervös den seidigen Stoff ihres Kleides. Ihr Blick schweifte kurz nochmal zu den Musikern am anderen Ende des Raums und dann wieder zu Thyfen, der sie erwartungsvoll ansah.
Schlussendlich traute Ruby sich nicht ihre Stimme zu verwenden und schüttelte nur mit dem Kopf.
Sie sah Überraschung in Thyfens haselnussbraunen Augen und gleich danach Verwirrung. Stirnrunzelnd sah er zu ihr runter.
"Ich versteh' nich'. Möchtest du keine Musik? Oder möchtest du nich' singen?"
Ruby öffnete mehrmals den Mund, bevor sie endlich den Mut fasste etwas zu sagen.
"Ich- Ich kann nich' für dich singen... Tut mir leid."
Thyfens Augen wurden blitzartig kälter. Und es war plötzlich, als schaute Ruby in die Augen eines Anderen.
Doch das dauerte nur einen Augenblick. Dann fand sie nur noch einen enttäuschten Gesichtsausdruck vor, der ihr aufs Herz drückte.
Doch egal, was Thyfen sagen oder tun würde, Ruby konnte ihm den Wunsch nicht erfüllen. Es ging einfach nicht. Unmöglich.
"Okay," meinte Thyfen, mit einem gezwungenen Lächeln auf den Lippen. "Vielleicht ein andern Mal. Dann bleibt es heute instrumental."
Der junge Lord gab den Musikern ein Zeichen, damit sie anfingen zu spielen. Dann zog er netterweise Rubys Stuhl hervor, woraufhin sie sich dankend hinsetzte.
Die zwei blieben während des Essens still. Sie lauschten lediglich den Musikern, wie sie, im Einklang miteinander, ihre Instrumente spielten.
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