20 - Fallendes Urteil

Ruby fiel mehrere Schritte zurück. Sobald sie über die Schwelle des Bunkers nach draußen gestolpert war, drehte die Nixe sich um und rannte.

Wenige Momente später fand sie sich keuchend in ihrem Zimmer wieder. Ruby schaffte noch ein paar wackelige Schritte, doch fiel letztlich am Fuße des großen Bettes zu Boden. Stützend lehnte sie sich seitlich dagegen und versuchte vergeblich tiefe Atemzüge zu nehmen.

Ihr Kopf fiel schlaff auf die weiche Matratze und sie ließ ihre brennenden Augen zufallen. Die Nixe versuchte ihre Gedanken zu ordnen.

Taron sollte der verräterische beste Freund des Lords gewesen sein? Irgendetwas konnte da nicht stimmen. Ruby konnte sich einfach nicht vorstellen, dass der Mann, mit dem sie sich so schnell angefreundet hatte, zu so etwas fähig war.

Andererseits, was wusste sie schon wirklich über ihn? Oder über die Tiden? Einfach so wurde sie in diese fremde Welt geworfen und jetzt sollte sie entscheiden, welche Seite im Recht war?

Dieser hinterhältige, boshafte Kerl, den Thyfen beschrieben hatte... Es passte einfach nicht zu dem warmherzigen Fantom, welches sie kennengelernt hatte.

...

Oder, war es möglich, dass die Tiden ihr nur etwas vorgespielt hatten? Schließlich waren sie gesuchte Verbrecher.

Unmöglich... oder?

Ruby wusste nicht, wie lange sie dort gesessen hatte und in mit ihren wirren Gedanken beschäftigt gewesen war. Es war noch Nacht, also konnte noch nicht viel Zeit vergangen sein. Das silberne Mondlicht schien hell durch die großen Fenster des Schlafzimmers und obwohl in ihrem Herz noch eine Höllenunruhe herrschte, hatte sich Rubys Kopf merklich beruhigt.

Seufzend stand sie vom kühlen Boden auf und ließ sich aufs Bett fallen. Sie ließ ihre Gedanken zu dem Moment schweifen, in dem Thyfen ihr von seiner Vergangenheit erzählt hatte. Er war nicht viel ins Detail gegangen, doch er hatte mehr als deutlich gemacht, wie sein bester Freund hinter seinem Rücken gegen ihn gearbeitet hat. Und Taron hatte ihm im Bunker weder widersprochen, noch versucht sich zu rechtfertigen.

Taron...

Ruby erfühlte ihren Schwimmanzug, der noch immer auf dem Bett lag. Wie gern wäre sie darin in der Oase geschwommen, oder hätte einfach mit Taron am Ufer gesessen und geredet. Vielleicht hätten sie auch endlich mal gemeinsam ins Wasser springen können.

Während ihre Gedanken kreisten erschienen Bilder vor Rubys geistigen Auge. Bilder von Taron, nachts an der Oase. Bilder von der enormen Narbe auf seinem Oberkörper.

„Unsere kleine Familie besteht aus Außenseitern. Leute, die es in ihrem Leben nich' leicht hatten und, die durch den Lord großes Leid erfahren haben."

Malhis Worte hallten in ihrem Kopf wider.

Wäre es möglich, dass Tarons Verrat an Thyfen etwas mit dieser Narbe zu tun hatte? Jetzt, wo sie darüber nachdachte... Das Fantom hatte noch nie auch nur ein einziges Wort über Thyfen verloren. Er hatte Ruby nach ihrer Meinung gefragt, aber nie von sich erzählt und dabei sollte er den jungen Lord doch am besten kennen.

Schnaufend setzte die Nixe sich auf. Sie sollte Tarons Bestrafung beeinflussen? Aber sie kannte doch noch nicht einmal die ganze Geschichte! Genau, Ruby hatte überhaupt keinen Schimmer, warum Taron so gehandelt hatte – was er sich gedacht hatte.

Sie musste sich wohl oder übel nochmal zu dem Bunker begeben und sich mit ihm unterhalten. Aber wie sollte sie das anstellen? Thyfen würde es ihr niemals erlauben, ihn allein aufzusuchen. Und sie musste unbedingt unter vier Augen mit ihm sprechen. Hoffentlich würde er sich ihr dann öffnen.




Währenddessen im Bunker

Thyfen gab einen schweren Seufzer von sich.

„Das hat sie schwerer getroffen, als ich erwartet hatte. Vielleicht war es ein Fehler sie herzubringen."

Das Fantom ließ sein Kinn auf seine Brust fallen, woraufhin der junge Lord eine Augenbraue hob.

„Bist du enttäuscht? Was, hattest du gedacht sie würde sich auf deine Seite stellen? Nach allem was du getan hast? Oder hast du das schon vergessen?"

Langsam hob Taron wieder seinen Kopf und starrte seinen ehemaligen Freund gequält an.

„Ich weiß genau, was ich getan habe", antwortete er mit einem Knurren, „und du weißt auch genau warum."

Der Lord ignorierte jedoch seine Anspielung und lief zur offenen Tür des Bunkers, wo er einen seiner Handlanger herrief. Eine in Schatten gehüllte Person kam hineingelaufen und ging vor Taron auf die Knie. Thyfen blieb in der Türschwelle stehen und betrachtete das Fantom mit humorlosen Augen.

„Ich weiß, ich hatte Ruby gebeten mir mit dem Urteil zu helfen, aber ich denke du solltest sie nicht noch mehr stressen."

Mit diesen Worten drehte er sich um und ließ Taron mit dem Fremden allein. Sein Herz pochte wild gegen seinen Brustkorb. Einen Augenblick lang fragte er sich noch, was mit ihm geschehen würde. Welches Urteil hatte der Lord für ihn gefällt?

Dann senkteder Handlanger seine Kapuze und zwei spitze Zähne blitzten im Mondlicht auf.

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