2 - Lord Des Südens

"Und jetzt, eine besondere Seltenheit. Die Hauptattraktion der diesjährigen Auktion! "

Ruby beobachtete, wie der blonde Metamorph theatralisch zu der Menge sprach. Mit einer kleinen Handbewegung winkte er sie schließlich zu sich. Die ältere Frau schubste sie aus dem Zelt raus, woraufhin der Nixe nichts anderes übrig blieb, als nach vorn zur Menge zu laufen.

"Eine Nixe!"

Die Lords staunten über die hübsche Blondine. Aus der Menge erhob sich wildes Geflüster. Ein paar klatschten überrascht in die Hände, andere Pfiffen interessiert.

Das Gebot um die junge Nixe begann. Rubys Blick wanderte über die Menge, von einem Lord zum anderen. Mit der Zeit fingen ihre Finger an vor Nervosität zu schwitzen und sie streifte sie an dem Stoff ihres weißen Kleides ab.
Die Auktion verlief ziemlich schnell, einer hob die Hand, woraufhin schon zwei andere gleich höher boten.
Irgendwann hatten die meisten Lords allerdings genug geboten.

Ruby sah den Lord mit dem bisher höchsten Gebot an. Er war jung, wahrscheinlich nur ein paar Jahre älter als sie, mit bronzefarbener Haut und kurzen, dunkelbraunen Haaren.
Ein weiterer Moment verging, indem die Menge mucksmäuschenstill blieb. Und dann klatschte der blonde Mann neben ihr in die Hände. Die Auktion war vorbei. Ruby war erneut verkauft worden.

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Ruby saß unwohl in der Kutsche, versuchte aber stark sich nichts anmerken zu lassen. Ihre Gedanken kreisten wild umher. Das Leben außerhalb ihrer Heimat schien mehr chaotisch zu sein als fröhlich. In Laothea hatte sie zwar auch kein besonders schönes Leben gehabt, aber wenigstens hatte sie Delody gehabt. Hier war sie ganz allein.

Was würde nun mit ihr passieren? Was hatte der Lord mit ihr vor? Und wie viel schlimmer konnte ihr Leben überhaupt noch werden?

Der Lord, der sie bei der Auktion erworben hatte, saß ihr direkt gegenüber und beobachtete sie mit haselnussbraunen Augen, die vor Neugier regelrecht funkelten.

"Ich muss sagen", begann er irgendwann, "ich hab' in meinem Leben schon viele Orte besucht, aber eine Nixe ist mir noch nie begegnet."

Ruby sah stur aus dem Fenster, fühlte sich aber dennoch verpflichtet ihm zu antworten.

"Wir bleiben lieber unter uns."

"Und genau das macht dich so interessant. Wieso hast du die anderen Nixen verlassen und wie bist du zu dieser schmierigen Auktion gekommen?"

Es überraschte Ruby, dass er die Auktion als schmierig beschrieb, obwohl er selbst Teil davon gewesen war. Sie seufzte und sah endlich von der grünen Landschaft zum Lord.

"Ich wurde verkauft... Zwei Mal."

Das interessierte Lächeln, das er auf den Lippen trug, formte sich nun zu einem traurigen.

"Tut mir leid. Du musst eine ganz schön schwere Zeit hinter dir haben. Aber keine Sorge, ich werde von nun an gut auf dich acht geben."

Ruby musterte ihn intensiv. Konnte sie ihm trauen? Sollte sie ihm glauben?
Nach allem, was sie bisher erlebt hatte, war sie unsicher, ob er nicht wie die anderen sein würde. Doch je länger sie ihn ansah, desto mehr hatte sie das Gefühl, als wäre sie mehr für ihn als ein Einkaufsstück. Er schien sich wirklich für sie zu interessieren. Und nicht so wie der Naja damals in Laothea, nicht in einer körperlichen Weise. Dieser Lord schien keine schlechte Person zu sein.

"Ich... ich bin sehr weit gereist", sagte sie schließlich mit einem schüchternen Lächeln, "allerdings nich' annähernd so gemütlich, wie in dieser Kutsche."

"Du bist den ganzen Weg gelaufen?", fragte er, "Deine Füße müssen ja schrecklich weh tun."

Er beugte sich vor und griff nach Rubys Füßen. Seine Hände berührten die nackte Haut an ihrem Knöchel und sofort lief ihr Gesicht rot an.

"Du... bist Barfuß", stellte er mit Entsetzen fest. Sein Gesichtsausdruck wäre fast lachhaft gewesen, wenn Ruby nicht so verlegen gewesen wäre.

"Ja", antwortete sie schließlich, "wir Nixen sind lieber Barfuß. Es is' leichter zum Schwimmen. So müssen wir nich' ewig Schuhe an- und ausziehen."

Dank den Schwimmhäuten an ihren Händen und Füßen, konnte sie sich sehr leicht im Wasser fortbewegen. Das war auch einer der Gründe warum die Nixen ihre Stadt mitten auf einem See aufgebaut hatten. Sie lebten regelrecht im Wasser.

Ruby spreizte Ihre Zehen auseinander, damit er die dünnen Schwimmhäute dazwischen besser sehen konnte.

Der Lord schien einen Moment in Gedanken versunken zu sein. Dann bemerkte er jedoch, dass er immer noch Rubys Fuß in den Händen hielt und ließ schnell seine Hände fallen.

"Das macht irgendwie Sinn. Allerdings solltest du dich jetz' langsam dran gewöhnen welche zu tragen. In meiner Heimat kannst du nich' ohne Schuhe rumlaufen."

"Wieso nich'?"

"Tja, ich wohne in einer Wüstenstadt. Die Landschaft dort besteht hauptsächlich aus Sand und Steinen. Und mit der Sonne, die den ganzen Tag auf uns runter knallt, erhitzt sich der Boden. Ohne Schuhe würdest du dir also die Füße verbrennen."

Ruby sah ihn neugierig an. "Bitte, Lord, erzähl mir mehr darüber."

Ein kleines Kichern entwich ihm. "Du musst mich nich' mit 'Lord' ansprechen. Nenn' mich einfach Thyfen."

Er wartete auf ein Nicken der Nixe und begann dann zu erzählen.

"Da wo ich herkomme, gibt es nicht besonders viel. Meine Heimatsstadt, Ashra, liegt mitten in einer Steinwüste. Die nächste richtige Stadt is' einen Drei-Tagesmarsch von uns entfernt."

Er erzählte ihr von der lebhaften Stadt, den verschiedenen Leuten und Sippen.

"Dann leben dort alle Sippen zusammen?", fragte Ruby erstaunt.

Thyfen nickte lächelnd. "Ja. Es sind zwar nich' alle Sippen vertreten, aber die Stadt is' ein bunt gemischter Haufen."

"Das is' aufregend. Ich hab' mein ganzes Leben lang nur unter Nixen gewohnt. Es is' bestimmt spannend all diese verschiedenen Leute um sich zu haben."

"Allerdings. Ich bin mir sicher, dass es dir dort gefallen wird."

Zufrieden sah Ruby wieder aus dem Fenster und beobachtete, wie die Landschaft an ihr vorbeizog. Sie war überrascht gewesen, wie einfach es war sich mit Thyfen zu unterhalten. Und nach allem, was er ihr erzählt hatte, konnte sie es kaum erwarten endlich anzukommen.

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