17 - Die Siedlung im Aufruhr
****** Bei den Tiden ******
Taron stand von seinem Bett auf und streckte sich genüsslich in den warmen Sonnenstrahlen, die durch sein kleines Fenster schienen.
Er hatte fast den ganzen gestrigen Tag an der Oase verbracht, was einerseits zwar schön und entspannend war, aber ihn andererseits mit seinen Gedanken völlig allein ließ. Die Siedlung war seit der Nachricht aus Ashra komplett durch den Wind. Niemand wusste so recht, was sie nun am besten tun sollten. Alle machten sich sorgen, aber es gab manche, wie Iari, die deswegen rumwüteten.
Das Fantom konnte ihre Angst natürlich nachvollziehen. Die Drakonierin war ohne Eltern auf der Straße aufgewachsen und erst bei den Tiden hatte sie ein Zuhause gefunden. Eine richtige Familie. Es machte nur Sinn, diese auch um jeden Preis beschützen zu wollen. Aber Ruby war genauso ein Opfer des Lords, wie alle anderen hier. Taron fand es falsch sie plötzlich rauszuschmeißen.
Jedenfalls hatte er den ganzen Morgen mitanhören müssen, wie Iari versucht hatte die Tiden gegen die Nixe aufzuspielen und gegen Mittag war er dann schon soweit gewesen jemanden verprügeln zu wollen. Deshalb war er zur Oase geflüchtet, um der Sache aus dem Weg zu gehen, bevor er etwas tat, das er auf jeden Fall bereuen würde.
Er ging in das kleine Wohnzimmer, das er mit Finn teilte. Der Strix saß schon am Tisch und knabberte an einem Stück Brot.
„Morgen", grüßte Taron seinen Mitbewohner, dessen runde, orangefarbene Augen sofort zu ihm aufschossen.
„Hey Taron", grüßte dieser zurück, „du bist gestern ziemlich spät wiedergekommen. Ruby war hier und hatte nach dir gefragt."
Überrascht weitete das Fantom seine Augen. Hatte sie ihn gesucht? Aber warum war sie denn dann nicht zur Oase gekommen? Irgendwie machte das nicht sehr viel Sinn.
„Glaubst du, jemand hat ihr von der Nachricht aus Ashra erzählt?" fragte Finn unnatürlich ernst.
Taron seufzte und setzte sich zu ihm an den Tisch. „Kann sein", murmelte er.
Es war schließlich nur eine Frage der Zeit, bis sie davon erfahren würde. Vielleicht sollte Taron mal nach ihr sehen.
Ein Klopfen erklang an der Haustür und ein paar Momente später, kam Satona hindurchspaziert. Die ältere Drakonierin sah bedrückt aus, ihre Stirn faltig und Lippen fest zusammengepresst.
„Satona, hey, was gibt's?" begann Finn mit einem Lächeln, bemerkte dann aber, dass etwas nicht stimmte.
Ihre Augen wanderten kurz durch den Raum, bevor sie sich auf Taron fixierten.
„Ich kann Ruby nirgends finden."
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Wir hatten uns alle vor Malhis Hütte versammelt. Es gab ein riesiges Durcheinander. Die Tiden sprachen alle durcheinander und übereinander drüber. Es war das totale Chaos.
Erst als Malhi seine Hände hob, wurde es ruhiger.
„Haben wir denn auch überall gesucht?" fragte er nochmal. Mittlerweile war uns allerdings allen klar, dass Ruby uns verlassen hatte.
Ich war gleich erstmal zur Oase gelaufen, in der Hoffnung die Nixe dort im Wasser planschen zu sehen. Aber das war eine riesengroße Pleite gewesen. Sie war nirgends aufzufinden.
Malhi erzählte uns, dass sie über die Nachricht aus Ashra Bescheid wusste und, dass sie höchstwahrscheinlich dorthin zurückgegangen ist.
„Aber wie überhaupt?" schmiss Lenny in die Runde, „Sie war doch ohnmächtig, als wir sie hergebracht haben."
Er hatte recht. Allein würde sie niemals zurückfinden. Sie würde sich in der Wüste verlaufen.
„Wir müssen sie suchen gehen", warf Taron ein, woraufhin einige genervt den Kopf schüttelten. Das Fantom ließ jedoch nicht locker. „Wenn wir sie da draußen allein lassen, wird sie sterben, bevor sie die Stadt erreicht. Wir müssen-"
„Müssen wir nich'!" unterbrach ihn eine weibliche Stimme. Ein Kopf mit zwei schwarzen Hörnern drängelte sich bis nach ganz vorne.
„Die is' schon längst beim Lord angekommen", fuhr die Person fort, während sie zu Malhi aufsah.
„Woher willst du das wissen, Iari?" hakte der Boss nach.
„...Weil ich sie dorthin gebracht hab'."
In Tarons Kopf drehte sich alles. Hatte er die Drakonierin richtig verstanden? Sie hatte Ruby zurück zu Thyfen gebracht? Er wollte am liebsten schreien. Er wollte Iari anbrüllen, wie sie sowas nur machen konnte. Wie sie die hilflose Nixe zurück an diesen grässlichen Ort bringen konnte. Er wollte schreien, doch er konnte nicht. Taron brachte keinen einzigen Ton zustande.
„Warum würdest du das machen, ohne es mir zu sagen?" fragte Malhi entsetzt. Er hatte wohl auch nicht mit sowas gerechnet.
„Sie kam mit der Bitte zu mir, sie zurückzubringen – hat mich förmlich angefleht, die Kleine...
Du wolltest ja nichts unternehmen", unterstellte sie dem Naja und sah dann zu Taron rüber, „und du, mit deinem Beschützerkomplex, hättest sie niemals gehen lassen. Aber jetz' reden wir hier mal Klartext. Die Nixe kann nich' bei uns bleiben! Solange Thyfen nach ihr suchen lässt, stellt sie eine Gefahr für uns dar. Es is' für alle beteiligten besser, wenn sie in Ashra bleibt."
„Aber wir können Ruby doch nich' beim Lord lassen", warf Finn ein.
Iari antwortete, als wäre es selbstverständlich. „Wir reden hier von einer Nixe. Ein super seltenes magisches Wesen. Der Lord wird sie nich' umbringen."
„Und das soll es okay machen?" erwiderte Taron kalt und zog dabei alle Aufmerksamkeit auf sich. Er hatte genug gehört. „Weil er sie nich' umbringen wird, können wir sie ruhig dalassen. Is' das dein Ernst?"
Iaris Augen weiteten sich von dem Eis in seiner Stimme. Ihm war klar, dass niemand der hier Anwesenden ihn je so sprechen gehört hatte, aber unter diesen Umständen konnte er nicht anders. Die Einstellung der anderen schmerzte mehr, als die Narbe über seiner Brust. Und die hätte ihn beinahe umgebracht.
„Nur weil Thyfen seine Gegner lieber tötet, heißt das nich', dass er nichts anderes tun kann. Von Manipulation bis hin zu gnadenloser Folter, ihm is' alles zuzutrauen... Und glaubt mir, manches davon is' sehr viel schlimmer als der Tod."
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