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Seliha
„Wir wollen nur ein paar Informationen", wiederhole ich mich, überkreuze meine Arme vor meiner Brust, während ein weiterer Schrei aus seiner Kehle entflieht.
Das Seil prallt erneut gegen seinen blutigen Oberkörper und seine Muskeln, welche durchgängig angespannt sind, geben von Zeit zu Zeit nach. Wie ein kraftvoller Löwe, welcher immer schwächer wird. Nicht ein einziges Wort hat er mit uns gewechselt, seitdem er in diesem Raum hängt. Ist es so viel verlangt uns Informationen zu überliefern?
„Okay", murmle ich, trete näher an ihn heran, worauf er seinen Kiefer gefährlich aufeinander mahlen lässt und seine Haare ihm nur noch weiter in seine verschwitze Stirn fallen. Dunkelbraune Haare, um genau zu sein.
„Wo sind die Waffen versteckt", frage ich nun die nächste Frage, doch auf eine Antwort hoffe ich schon gar nicht mehr. Er wird nicht reden. Diese Gang ist sein Leben. Seine Familie. Es ist fast genauso wie bei unseren Mafias. Wir würden unser Leben geben, statt uns gegenseitig zu verraten.
Zähneknirschend studiere ich seine Gesichtszüge. Sehe mir jede einzelne Falte, die er mit seinen Augenbrauen wirft, genauer an und starre schließlich auf seine spröden und ebenfalls blutenden Lippen. Doch desto länger ich ihn anschaue, ich ihn versuche zu verstehen, umso ratloser werde ich.
Nickend signalisiere ich Milan erneut auf ihn einzuschlagen. Und nun ist es der grauenhafte Schrei des jungen Mannes, welcher die Stille mit Qualen füllt.
Die Sonne ist schon längst untergegangen und somit auch meine Geduld und Motivation. „Fuck", flüstere ich leise zu mir, streiche mir eine kleine Strähne hinter mein Ohr, welche es nicht in meinen Pferdeschwanz geschafft hat.
Nachdenklich kaue ich auf meiner Unterlippe herum, starre nun auf die kalte, dunkle Steinwand, schlinge meine Arme um meinen Oberkörper und versuche mich auf den Mann zu konzentrieren der seit mehreren Stunden in diesem Raum hängt und es nicht wagt mit uns zu reden.
Doch der Fakt, dass der Mann den ich eigentlich hier gefesselt haben wollte tot ist und das wegen meiner Männer-
Unkontrolliert durchdringe ich die Haut unter meiner Brust mit meinen einzelnen Fingernägeln, spüre wie dieser stechende Schmerz meinen Verstand einnimmt und ich für einen kurzen Moment etwas anderes fühle als diese abgrundtiefe Leere. Der Stoff zerreißt, meine Haut blutet und mein Herz fängt an schneller zu schlagen.
„Fallen lassen", Befehle ich Milan nun, welcher gerade dabei ist noch einmal mit dem Seil auszuholen, drehe mich nun wieder zu unserem Opfer und lasse meine Hände nun von meinem Körper fallen.
Schweigend tut er was ich sage, schaut Fion noch einmal an, bevor er räuspernd zurück tritt. „Er wird heute nicht mehr reden", murmle ich, schaue erst Milan und schließlich unsere Geisel an. Doch das einzige was ich in seinem Gesicht feststelle, ist das fette Grinsen, welches von einem Ohr zum anderen reicht.
Sofort spüre ich wie die Wut, welche sich eben noch in Grenzen gehalten hat, durch meinen ganzen Körper rast. Wie sich jedes einzelne Haar auf meinem Arm aufstellt und der Drang jetzt nach dem Seil zu greifen und ihn doch noch einmal zu schlagen zum greifen nahe scheint. Er wagt es noch zu lachen? Nicht mehr lange.
Mit dominanten Schritten laufe ich zur linken Seite des Raumes, greife nach dem Seil mit dem Fion am linken Arm festgekettet ist, schlinge es um meine Faust und ziehe es abrupt nach unten.
Schmerzhaft zischt er auf, kneift seine Augen schmerzerfüllt zusammen, während seine linke Schulter Stück für Stück nach oben gezogen wird und somit kurz davor ist auszukugeln. Doch er redet nicht. Er bittet mich nicht aufzuhören. Er schreit nicht einmal.
Er lässt es für jeden Preis über sich ergehen.
Für ein paar Sekunden halte ich in dieser Position. Beobachte wie sich sein Brustkorb immer stärke hebt und senkt und seine Kraft immer schneller beginnt sich aufzulösen.
Wie eine verletztes Antilope steht er dort. Wartet sehnsüchtig darauf, dass ich ihn von seinen Schmerzen erlöse. Egal ob durch gehen lassen, oder durch den grausamen und eiskalten Tod.
Schwer schluckend lasse ich die Kette nun los, sehe wie sich seine Füße vom Boden lösen und nun seine Knie dafür sorgen, dass er nicht umkippt. Er hat eine seiner Grenzen erreicht. Für einen kurzen Moment konnte ich zu ihm durchdringen. Konnte seine Schwachstellen erhaschen, bevor seine Willenskraft sie wieder verdecket hat.
„Das reicht für heute", spreche ich zu den Wachen, welche mir durch ein Nicken zu verstehen geben, dass sie mich verstanden haben und nach und nach zur Tür hinausgehen. „Seliha", murmelt Milan nun, stellt sich verwirrt vor mich und schaut zu Fion, welcher versucht weiterhin sein schweres Atmen zu verstecken. „Noch ein paar Sekunden länger und er hätte geredet-" „Ich sagte, das reicht für heute", wiederhole ich mich, starre dem Schwarzhaarigen mahnend in seine dunklen Augen, doch seine Stimme widersetzt sich mir erneut.
„Aber-" „Es geht nicht darum genau jetzt die Informationen aus ihm heraus zu quetschen", zische ich, greife nach seinen schwarzen Klamotten und ziehe ihn näher zu mir, sodass er auch wirklich jedes einzelne Wort mitbekommt, die ich ihm nun klar machen will. „Wir haben Zeit. Und die werden wir nutzen. Er wird uns nämlich nichts bringen wenn er dort nach einem Tag schon fast tot hängt!"
Mit einem kurzen Blick sehe ich zu Fion. „Er soll verstehen wer wir sind. Bis eben waren wir noch eine der gefährlichsten Mafias für ihn, doch jetzt sind wir die gefährlichste Mafia für ihn. Er hat verstanden wo er steht." Zögernd lecke ich mir über meine trockene Lippe, lasse Milans Oberteil los und trete zurück. „Und das werden wir ausnutzen."
Milan antwortet nicht. Er lauscht und versteht. „Bewach ihn", sind meine letzen Worte, bevor ich nun selber auf die Tür zugehe und sie mit einem lauten scheppern hinter mir schließe.
Murmelnd laufe ich eine der Treppen hinunter, versuche erneut in meinem Kopf durchzugehen was ich meinen Vater jeden Moment sagen muss und habe dennoch Angst. Angst vor seiner Reaktion, seiner Stimmung... Ich bin verdammte 20 Jahre alt und habe immer noch Angst vor meinem Vater!
Doch ehe ich an seinem Büro klopfen kann und dem Dämon in die Augen schauen muss, wird mit dir Tür vor der Nase aufgerissen. Und siehe da, mein Dad. Obwohl ich ihn schon seit meiner Kindheit nicht mehr Papa, Dad oder, Vater anspreche. Denn das ist er schon lange nicht mehr für mich.
„Ich wollte gerade zu dir", spreche ich nun, schaue ihm tief in seine Augen während meine Finger anfangen mal wieder den Ring an meinem Finger zu drehen. Mit einer Augenbraue nach oben gezogen, verharrt er in seiner Bewegung und lauscht meinen nächsten Worten. „Jemand unserer Männer hat Mr. Lantin umgebracht", fange ich an zu reden, breche den Blickkontakt ja nicht ab, denn er darf nicht denken das ich schwach wäre.
Doch ein Nicken zeigt mir, dass er anscheinend schon davon wusste. Doch wie? „Paulo hat mir schon alles erzählt." „Paulo?", frage ich verwirrt nach womit sich die Aussage von ihm bestätigt, dass mein Erzeuger in wirklich mit laufen lassen hat. „Er ist soeben gegangen-" „Wer hat ihn umgebracht?", frage ich nun, spüre wie all die Namen der Männer die mit auf der Missionen waren mir durch den Kopf schwirren doch das Gefühl, dass Paulo derjenige war der es getan hat, bleibt vorhanden.
Er war komisch. Er war verwirrt, hat geschrieen im Auto und wurde nervös. Doch das ist alles nur ein Gefühl.
„Es wird dir nicht gefallen schätze ich...", murmelt er und legt seine schrumplige Hand auf meine Schulter, worauf sich diese angewidert verkrampft. Doch Mitleid sehe ich kein Stück in seinem Blick. Es war meine Mission. Mein Auftrag die passenden Männer los zu schicken. Und das ich es nicht geschafft habe, reibt er mir natürlich gerne unter die Nase.
„Milan war derjenige der ihn erschossen hat." Pure Gänsehaut breitet sich auf meinem Körper aus. Milan war es? Nein. Nein, das kann nicht sein. Er ist einer der besten Männer die ich je hatte. Er würde niemals so einen dummen Fehler begehen in dem Wissen, dass wir dadurch keine Information mehr über unsere Bunker bekommen würden. Nein, nein, nein.
„Ich habe dir immer gesagt, dass er nicht so professionell ist, wie du immer dachtest. Und schau nun wohin dich dein Egoismus gebracht hat! Du solltest stattdessen lieber mehr vertrauen in Paulo haben!" Seine laute Stimme füllt die Leere des Hauses und ersetzt den Schmerz in mir durch Wut, bevor Vater mir die Tür zuschlägt und mir keinen weiteren Blick würdigt. Paulo also.
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