KAPITEL 16
RUBY
In den folgenden Tagen war Tyson so zurückgezogen und abwesend, wie er es ganz zu Anfang gewesen war.
Von Tag zu Tag bekam ich ihn seltener zu Gesicht, bis ich meine Zeit entweder allein in meinem Zimmer oder mit dem Rest der Rasselbande verbrachte.
Nach drei Wochen war der Alltag eingespielt. Ich wusste, wann die Jungs Schule und Vorlesungen oder Training hatten, ich wusste, was sie am liebsten aßen, welche Allergien sie hatten, wessen Zimmer im oberen Flur, welchem Jungen gehörte, was für Pingeligkeiten ihren Alltag gestalteten und was die üblichen Traditionen im Hause Mallion waren.
Das Leben war leichter geworden, aber es verlangte mir auch einiges ab.
Jetzt, wo die Zeit langsam knapper wurde, war es an der Zeit, dass ich mich näher mit meiner Vergangenheit beschäftigte und ich spürte zunehmend, dass ich dazu noch immer nicht bereit war.
Mich schmerzte alles, was hinter mir lag und in einer düsteren Ecke, zwischen Spinnengeweben und Staub darauf wartete, dass ich es wieder ausgrub.
Mit meiner zunehmenden Einsamkeit, kam auch die Sehnsucht zurück, die Alpträume, die ich ganz zu Anfang gehabt hatte und die unkontrollierten Tränenausbrüche, wann immer mir einfach alles zu viel wurde.
Es waren harte Tage.
Tage, an denen ich mich tagsüber in Gesellschaft der Brüder ablenken konnte, aber an denen ich in meinem Alleinsein schmerzhaft zerbrach.
Tyson zeigte mir seit jenem Vorfall mit Logan die kalte Schulter.
Einerseits spürte ich deswegen einen kleinen Stich in meinem Herzen. Vermehrt aber, war ich einfach nur dankbar für seine Abwesenheit, weil ich ihm dadurch weniger Dinge erklären musste.
Es war schon peinlich gewesen, dass er mich einmal an meinem emotionalen Tiefpunkt erwischt hatte, so schnell sollte sich das nicht wiederholen.
Wenn er glaubte, mir mal wieder seine Stimmungsschwankungen beweisen zu müssen, dann sollte er das unbekümmert tun. Wegen mir konnte er bleiben, wo der Pfeffer wuchs.
So kümmerte er sich um seinen Kram und ich mich um meinen. Vielleicht war das sogar ganz gut so. Mit Sicherheit war es das, denn ich war schon ziemlich tief in dieses Familienleben hineingerutscht und das musste sich ändern.
Meine vermehrte Zuneigung zu diesen Jungs, die mir fast wie meine eigenen Brüder schienen, hin oder her.
Ich durfte nicht an den Punkt gelangen, an dem ich mich nicht mehr von ihnen lösen konnte. Denn der Tag würde kommen, an dem ich das tun musste und das mit so wenig emotionalem Firlefanz wie möglich.
Als ich vor einem knappen halben Jahr in die WG im Horrorhaus gezogen war, hatte ich mir das täglich vorgebetet, wann immer ich ein Wort mit Leander gewechselt hatte.
Es war Monate her gewesen, in denen ich mich mit jemandem meines Alters wahrhaftig unterhalten hatte oder überhaupt für irgendjemanden den Mund geöffnet. Eigentlich hatte ich nicht vorgehabt, mich jemals wieder an einem Gespräch zu beteiligen, aber ganz zu Anfang hatte ich nicht ahnen können, dass das für Leander absolut keine Hürde darstellte. Die meisten Leute verschwanden, sobald man sie lange genug ignorierte. Leander gehörte zu der seltenen Sorte Mensch, die von Ruhe angezogen wurden. Die das Wertvolle und Kostbare in den Menschen sahen, mit denen Schweigen Gold wert war. Das hatte ihn unterbewusst selbst zu einem kostbaren Menschen gemacht. Wann immer ich alleine war und mich einsam fühlte, musste ich an ihn denken. Ich hatte es ihm nie gesagt und es nie wahrhaftig wertgeschätzt, aber vor Wochen noch war seine Nähe wie selbstverständlich dagewesen und hatte Wunden geheilt, die jetzt haltlos bluteten.
Sehnsucht war ein merkwürdiges Gewühl. Ein Gefühl, das in mir Unwohlsein auslöste, aber gegen das ich mich nicht wehren konnte.
Das hatte ich noch nie gekonnt und ich bezweifelte, dass ich es jemals können würde.
Was Leander wohl gerade machte?
Ob Zoey stets so nervte wie sie es immer tat?
Hielt sich Tanja fernerhin nicht an ihren Speiseplan?
Und Miss Jane? War sie wohl sehr froh, mich endlich loszusein?
Es war merkwürdig, an die Leute, die mir vor Wochen noch am ehesten ein Dorn im Auge gewesen waren, denken zu müssen.
Drei Wochen fühlten sich wie eine Ewigkeit an, in der so viel passiert war, dass ich es kaum verarbeiten konnte.
Aber das, was passiert war, war erst der Anfang gewesen. Erst ein kleiner Teil von etwas viel Größerem, von dem ich noch nicht sicher war, ob ich ihm gewachsen war.
In dieser Nacht stürmte es.
Der Regen prasselte in dicken Tropfen gegen die dünnen Fensterscheiben in meinem Zimmer, der Wind pfiff durch die umliegenden Bäume und Büsche und allgemein wütete die Nacht.
In der Ferne zogen dicke Gewitterwolken auf, die vollgefüllt waren mit Dunkelheit und Schwärze und eine seltsame Angst in mir auslösten.
Ich hatte noch nie Furcht vor einem Unwetter empfunden, aber die letzten Tage hatten mich sensibler gemacht.
Als ich am Donnerstag einen Grundriss von der Villa meiner Eltern – meinem ehemaligen Zuhause – gezeichnet und mir Gedanken über einen möglichen Einbruch gemacht hatte, um das Dokument bezüglich der Kontensperrungen aus dem Tresor meiner Eltern zu entnehmen, war ich von Bildern nur so erschlagen worden und hatte nicht weniger als eine undetaillierte, ziemlich hässliche Skizze zustande gebracht. Wann immer ich die Augen zu schließen versuchte, suchten mich Schussgeräusche, Blutstropfen und flackernde Messer heim, die erst verschwanden, wenn mich jemand mit seiner Anwesenheit aus meinen eigenen Gedanken lotste.
Ich fühlte mich wie das schwache und kleine Mädchen, das ich vor fast einem Jahr gewesen war, wann immer die Welt nicht genauer hingesehen hatte. Und ich schämte mich für mich selbst, hasste mich für meine Schwächen, obwohl ich nichts gegen sie unternehmen konnte.
Ich kämpfte gegen meine Dämonen, ich versuchte es wirklich. Aber wann immer ich sie zu überwältigen schien, überwältigten sie am Ende doch wieder mich.
Es war ein blutrünstiger und nicht zu entkommender Teufelskreis.
In meinem Zimmer war es stockdunkel.
Die Tür zum Badezimmer stand offen und aus dem Duschkopf fiel alle paar Sekunden ein Wassertropfen zu Boden und schlug geräuschvoll auf die Fliesen.
Ich konnte für jedes Grusel erregende Geräusch eine Ursache finden, trotzdem lief mir bei jedem neuen Knacksen und Windrauschen ein Schauer über den Rücken und wann immer ich die Augen schloss, rissen sie sich nach Sekunden selbst wieder auf.
Mittlerweile war es tiefste Nacht, das Haus vollkommen im Schlaf getaucht und niemand mehr wach. Der digitale Wecker auf dem Nachtisch neben dem Bett leuchtete in hellgrünen Buchstaben eine höhnische Zahl von halb vier in den Raum hinein und ließ mich frustriert von einer Seite auf die andere robben, ehe ich beim nächsten Knall eines Zweiges, der von Wind und Wetter gegen die Fensterscheibe geschlagen worden war, hektisch aufsprang und mit rasendem Herzen mein Zimmer verließ.
Angespannt hielt ich mich am Knauf meiner Tür fest, während ich für Minuten meinem eigenen Herzen beim lauten Schlagen zuhörte und meine aufkommende Panik wegen nichts und wieder nichts im Keim zu ersticken versuchte.
Ich kann heute nicht zurück da rein, schoss es mir durch den Kopf, während mich in derselben Sekunde ein Schwall von Müdigkeit erfasste und meine Augen wie von selbst zuzufallen drohten.
Ich kann heute Nacht nicht alleine sein, stellte ich fest und seufzte innerlich, während ich einen gewagten Schritt in Richtung des Flurs machte.
Für mich kam nur eine Tür in Frage, die ich in diesem Zustand ohne großes Bedenken passieren konnte.
Es gab nur eine Person, die mir in den letzten Wochen so intensiv ans Herz gewachsen war, das ich ihr fast schon wirklich zu vertrauen schien.
Leise und vorsichtig klopfte ich an Landons Zimmertür und wartete auf ein Zeichen von ihm.
Nach mehrmaligem Klopfen erhielt ich einen murrenden Laut, der wie der Startschuss bei einem Sprint auf mich wirkte und mich in Sekundenschnelle in sein Zimmer huschen ließ. Landons Zimmer lag auf der östlichen Seite des Hauses.
Da der Wind von Westen kam, war sein Reich besser vor der Geräuschkulisse von draußen geschützt, was mich automatisch ein wenig ruhiger werden ließ, während ich auf Zehenspitzen durch das aufgeräumte Studentenzimmer watete und vor seinem Bett anhielt.
Landon lag mit Armen und Beinen weit von sich gestreckt auf dem Bett und schlief leise schnarchend.
Sein Murren musste unterbewusst gekommen sein und es tat mir leid, ihn stören zu müssen, aber ich hielt die Stille in meinem eigenen Zimmer nicht länger aus.
Vorsichtig streckte ich meinen Zeigefinger aus und tippte ihm auf die nackte Haut seiner Schulter, die von dem Tanktop, das er im Schlaf trug, nicht berührt wurde.
Er seufzte leise und rührte sich ansonsten gar nicht.
»Landon?«, flüsterte ich und tippte ein wenig doller auf seinen Körper. Seine Reaktion ließ auf sich warten, aber irgendwann rollte sich sein Körper verschlafen vom Bauch auf den Rücken und schaltete in nächster Sekunde das Licht seines Weckers an.
Müde und verträumt rieb sich Landon über die Augen, gähnte und blinzelte dann einige Sekunden in das helle Licht, ehe er mich wirklich wahrzunehmen schien.
»Ruby?«
Wie vom Blitz getroffen richtete er sich auf und musterte mich besorgt.
»Scheiße! Ist was passiert?«
Ich schüttelte schüchtern mit dem Kopf. Nein, nicht direkt.
»Ich kann nicht schlafen«, gestand ich leise und trat nervös von einem Fuß auf den anderen.
Landon war einen Moment verwirrt, dann schien ihm ein Licht aufzugehen.
»Schlecht geträumt?«
So in etwa.
Vielmehr schlecht gelebt.
Dennoch nickte ich bestätigend.
Landon hob seine Lippen für wenige Millimeter.
»Na dann, komm her«, bot er mir an und hob seine Decke, damit ich darunter schlüpfen konnte.
Mir fiel ein Stein vom Herzen, als er den vorgewärmten Stoff über uns beide legte und mich kommentarlos bei sich aufnahm.
»Möchtest du darüber reden?«, fragte er mich einfühlsam.
»Bitte nicht«, hauchte ich und war dankbar, dass er es zu verstehen schien.
»Okay, aber wenn du jemandem zum Zuhören brauchst, wisse, dass ich jeder Zeit für dich da bin.«
Er löschte das Licht und legte dann schützend einen Arm um meine Schultern.
Ich lächelte in die Dunkelheit.
»Danke, Landon.«
»Nicht dafür. Du kannst immer zu mir kommen«, stellte er klar und ahnte dabei gar nicht, wie er meinen Verstand zur Ruhe kommen ließ.
Die Schatten zogen sich zurück und mein Kopf ergriff den Zug des Schlafes, statt des Schmerzes, der mich endlich ins Jenseits transportieren würde.
»Schlaf gut«, war das Letzte, das ich hörte, bevor mich das Nichts einholte und ich ohne große Umschweife in Landons Armen meinen Frieden fand.
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»Wir müssen reden!«
Mit einem leisen Knall schloss ich seine Bürotür hinter mir und durchquerte den geräumigen Raum, bis ich mich auf einen der Ledersessel vor seinem Schreibtisch niederließ.
»Dafür habe ich keine Zeit«, würgte er mich ab und ließ sich wie immer von nichts mehr interessieren, als seinem Tablet.
Wenn ich ihn nicht besser gekannt hätte, hätte ich ihn für einen dieser Gamer-Boys gehalten, die in ihrem neonroten Kämmerlein irgendwelche Ballerspiele spielten. Dabei war Tyson Mallion das genaue Gegenteil von einem verspielten Kind mit Headset über den Ohren.
Er war ein kalter Geschäftsmann mit einem gewissen Ruf, dem er gnadenlos nachkam.
Ich hatte ihn mit seiner Leidenschaft zu Kunst und Design kennengelernt, aber er war mehr als ein begnadeter Zeichner.
Soweit ich wusste, gehörte seinem Bauunternehmen ein ganzer Glaskasten in Central London und er hatte im Laufe der Jahre diverse Ateliers und Architekturbüros aufgekauft und unter seine Fittiche genommen.
In der High Society Londons war er gern gesehen. Meine Eltern hatten ihn auf diversen Galen und Partys, auf die reiche Leute eben eingeladen waren, kennengelernt und ihn für seine Karriere in so jungen Jahren bewundert.
In den Medien galt er als bescheiden und charismatisch, dazu ziemlich konsequent und intelligent.
All das konnte ich aus eigener Erfahrung bestätigen, wenn ich außen vor ließ, dass er zusätzlich ein ziemlich stimmungsorientiertes und launisches Arschloch war, das sich nicht entscheiden konnte, ob es mich lieber ignorieren oder doch eher küssen wollte.
Fakt war nur, ich war keine dieser Frauen, die am Straßenrand standen und darauf warteten, dass ein Kerl sie mit seinem hübschen Gesicht und seinen Muskeln aufriss.
Ein Mann konnte so hübsch und unwiderstehlich sein, wie er wollte, ich würde mich niemals von ihm hinhalten lassen.
Entweder er war ein Gentleman oder Luft. Das hielt ich von Männern, die mich nicht in dem Maß schätzten, wie ich es verdient hatte.
Ich war eine Lady und ich verdiente es, gut behandelt zu werden. Ich wusste um meine Rechte und das würde ich Tyson zur Not mit schwarzer Tinte auf die Stirn tätowieren.
Er hatte sich mit dem Feuer angelegt und jetzt würde ich ihn niederbrennen, bis er verstanden hatte, dass man mit Rubinia Sullivan keine Spiele spielte.
»Falls du es nicht ahnen kannst, sage ich es dir noch einmal deutlich: Ist mir herzlich egal«, gab ich kühl von mir und setzte mich aufrecht hin.
Die Ruby der letzten Nacht hatte ich zum Fenster hinausgeworfen. Es war an der Zeit, dass die bessere und gefasstere Version meiner Selbst ans Tageslicht trat und zu ihren eigenen Worten hielt.
Ich hatte nicht länger vor, unnötige Zeit zu verschwenden und mich wie ein Ball hin und her schubsen zu lassen.
Tyson und ich waren einen Deal eingegangen und den wollte ich so schnell wie möglich abschließen, um nicht länger von ihm abhängig zu sein oder in seiner Schuld zu stehen.
Dass ich dies momentan tat, triezte mich ungemein, vor allem, weil ich für ihn nichts weiter als ein lustiger Zeitvertreib war und das wollte ich mir wirklich nicht länger bieten lassen.
Vielleicht war er älter und erfahrener, ein gebildeter Geschäftsmann.
Und vielleicht war ich erst siebzehn Jahre und in seinen Augen noch keine vollwertige Person dieser Gesellschaft.
Aber meine Minderjährigkeit war für ihn kein Freifahrtsschein zum Ich-behandle-dich-wie-ein-Kind-das-mir-auf-die-Neven-geht-Land.
Ich würde ihm beweisen, was in mir steckte und wenn er nicht aus den Pötten kam, dann würde ich meine Pläne eben alleine durchziehen.
Was er davon hielt, war mir herzlich egal.
Ich würde meinen Teil des Deals einhalten und ihm das Geld zukommen lassen und dann würde ich mich aus dem Staub machen.
Noch nie war ich so fest entschlossen gewesen.
Tyson atmete angespannt einen Schwall Luft aus.
Er schien wütend.
Das war gut.
Denn ich war auch wütend.
»Ruby, lass mich in Frieden. Ich habe wirklich keine Zeit, mich jetzt auch noch mit dir zu beschäftigen«, würgte er mich wie eine lästige Kakerlake ab, die ihm zu oft das Hosenbein hinaufgelaufen war.
Was fiel ihm bitte ein!?
Ich schnaubte.
Allein, dass er mir das nicht ins Gesicht sagen konnte, war eine absolute Frechheit.
Kurzerhand erhob ich mich und machte schnellen Prozess mit seinem Tablet.
Tyson knurrte bedrohlich, als ich es ihm aus den Händen schnappte. Seine Augen hoben sich und durchlöcherten mich augenblicklich.
»Gib das sofort wieder her!«, donnerte er herrisch und in einem Tonfall, den ich zuvor noch nicht von ihm gehört hatte. Heute saß ein anderer Tyson vor mir. Einer, der ohne Gefühle handelte, auf seine Wirklichkeit und Gegenwart reduziert war, einer, der jedem Anderen mit nur einem Blick Angst einjagte, wenn ich nur jemand anderes wäre.
Glücklicherweise war ich es nicht.
Ich war ich.
Und ich hatte keine Angst vor Tyson Mallion.
Er konnte brüllen und um sich schlagen, mit seinen Eiszapfen Leute abstechen und doch würde ich niemals mehr als Wärme zwischen ihm und mir spüren.
Er konnte mich von sich stoßen und ignorieren, mich anbrüllen und wie Luft behandeln, aber gegen die Spannung zwischen uns war er vollkommen machtlos.
Er würde mir niemals nur ein Haar krümmen.
Selten war ich mir so sicher gewesen.
»Ich meine es ernst, Ruby. Rück mein Tablet wieder raus!«, gab er mir seinen Befehl und kratzte mich damit ... so gar nicht.
Stattdessen breitete sich ein provokantes Grinsen auf meinem Gesicht aus, das mein Blut in Wallungen brachte, als mir eine glorreiche Idee kam.
Ich sah Tyson fest in die Augen, als ich in Zeitlupe mein T-Shirt leicht anhob und sein Objekt der Begierde Zentimeter für Zentimeter darunter verschwinden ließ.
Sein Adamsapfel hüpfte, als das Gerät bis knapp unter meine Brüste gerutscht war und sich merklich unter dem dünnen Stoff über meinem Körper abzeichnete.
Seine grauen Augen hatten einen tiefschwarzen Ton angenommen, in dem sich neben der Wut, Begierde und Lust spiegelten. Seine Augen wanderten meinen Körper auf und ab, nahmen jede Zelle von ihm in Besitz und ich grinste innerlich über meinen Triumph, während sich zeitgleich ein kleiner Teil von mir freute, dass er mir nach gut fünf Tagen endlich wieder seine Aufmerksamkeit zukommen ließ.
Die letzten Stunden waren öde und trist ohne ihn gewesen.
Aber laut würde ich das niemals zugeben.
»Welches Tablet?«, fragte ich, während ich mir auf die Unterlippe biss und meinen Kopf schief legte. Lüstern wanderten Tysons Augen hinauf zu meinen Lippen und saugen sie begierig in sich auf. Er blieb stumm.
Schien verstanden zu haben, dass ich seine Ignoranz nicht länger akzeptieren würde.
Und hier saßen wir nun.
Starrten uns einen Moment lang in die Augen und versuchten den anderen zu unterbinden, bis ich mich entspannt zurücklehnte und seitlich auf den Sessel setzte, um meine Beine über der Armlehne baumeln zu lassen.
Ich hatte gewonnen.
Das wussten wir beide.
»Also, jetzt, wo ich deine Aufmerksamkeit habe ...«, fing ich irgendwann an und begann mit einer Strähne meiner Haare zu spielen, wissend, Tysons Blick lag intensiver wie eh und je auf mir.
»Es wird Zeit, dass ich meinen Plan des Deals einhalte. Wir haben in den letzten Wochen darauf gewartet, dass die Polizei ihre Suche nach mir mindert, aber wir wissen alle, dass das ein Wunschtraum war. Sie werden nicht eher aufgeben, bis sie mich haben. Wir können also ewig warten oder endlich handeln und letzteres ist die einzig realistische Option, wenn man bedenkt, dass ich euch Jungs nicht ewig auf der Pelle sitzen will.
Wie du bereits zu Anfang gesagt hast, befindet sich das gewünschte Dokument zur Freilassung der Konten im Haus meiner Eltern. Da ich es nie zu Gesicht bekommen habe, es aber sehr wichtig sein muss, liegt es nur nahe, dass es gut gesichert im Tresor meines Vaters verwahrt ist.
Über den Einbruch ins Haus habe ich mir schon einige Gedanken gemacht und es könnte heikel werden, sollte aber klappen, wenn wir die nötigen Mittel verwenden, um so wenig Aufmerksamkeit zu erregen, wie nur möglich.«
Ich machte eine kleine Pause und lugte zu Tyson.
Er hatte sich auf seinem Sessel zurückgelehnt und hörte mir aufmerksam zu.
Seine Augen hingen an meinen Lippen.
Mich davon nicht ablenken lassend, fuhr ich fort:
»Es gibt ein paar Stationen, die wir abklappern müssen, ein paar Personen, die mir Gefallen schulden und Dinge überreichen müssen.«
Tyson unterbrach mich sofort.
»Welche Personen?«
Ich befeuchtete meine Lippen.
»Zum einen wäre da die ehemalige Köchin und Haushälterin meiner Eltern. Mit etwas Glück besitzt sie noch einen Ersatzschlüssel für den Kücheneingang zur Villa, der uns unauffällig Eintritt ins Haus verschaffen sollte.
Zum anderen muss ich einem alten Bekannten von mir einen Besuch abstatten. Er wird uns helfen, die Alarmanlage problemlos zu umgehen. Und als letztes wäre da die Person, ohne die wir an keinen der anderen beiden herankommen. Ein alter Freund meines Bruders, der uns helfen wird, die gewünschten Personen ausfindig zu machen, da ich keine Ahnung habe, wo genau sie sich mittlerweile aufhalten«, erklärte ich provisorisch.
Tyson schien nicht sehr überzeugt.
»Woher wissen wir, dass sie uns wirklich helfen und nicht ausliefern? Warum sollten wir ihnen vertrauen können? Gleich drei Personen? Das scheint mir sehr heikel«, gab er seine Bedenken.
Ich war froh, dass mit ihm endlich ein vernünftiges Gespräch zu führen war. So gefiel er mir schon deutlich besser.
»Du kannst ihnen nicht vertrauen. Aber du kannst mir vertrauen, wenn dir das hilft. Ich würde für alle drei, ohne zu zögern, mein Leben aufgeben, schließlich bin ich mit ihnen aufgewachsen. Und sie würden dasselbe tun. Wieder und wieder.«
Er schien nicht weniger beunruhigt, quittierte meine Ansprache aber mit einem widerwilligen Nicken.
»Fein. Und wo treffen wir diesen Freund deines Bruders? Und vor allem, wie?
Die ganze Stadt sucht nach dir.«
Ich nickte wieder. Das wusste ich und auch darüber hatte ich mir längst Gedanken gemacht.
»Ich weiß und deswegen bin ich zu dem weniger leichten Entschluss gekommen, dass es an der Zeit wird, mich an einem Umstyling zu versuchen.«
Bedeutungsvoll hob ich meine Haare hoch und formte meine Finger zu einer Schere.
»Die müssen ab und gefärbt werden«, stellte ich klar und war überrascht, als Tyson ein erschrockenes Nein entwich.
»Du willst deine Haare ändern?«, fragte er und stand beinahe verzweifelt auf.
In meinem Kopf taten sich Fragezeichen auf.
Ähm ... ja?
Mit wenigen Schritten war er bei mir angekommen und kniete sich vor den Sessel.
Seine plötzliche Nähe machte mich unruhig.
Was war denn nun schon wieder los?
Als ich etwas sagen wollte, streckte er die Hand nach meinen Haaren aus und wickelte sich einige Strähnen um den Finger.
Beinahe vorsichtig und andächtig strich er darüber und ließ unbewusst einen Schauer durch meinen Körper laufen, der schon so oft meine Reaktion auf seine Nähe gewesen war.
»Ich mag deine Haare. Sie sind wunderschön«, gestand er mir leise und hob seine Lippen zu einem schmalen Lächeln, als er den Kopf hob und in mein ungläubiges Gesicht sah.
Hatte er mir gerade tatsächlich ein Kompliment gemacht?
Hatte er wirklich behauptet, etwas an mir zu mögen?
Ich glaubte, mich verhört zu haben. Und vor allem glaubte ich, mich bei mir selbst verhört zu haben, als mich urplötzlich ein Gefühl überfiel, das ihn besänftigen wollte.
Bei Gott, was ist denn nur los mit mir?
»Ich mag mein Haar auch, Tyson. Aber es ist die einzige Möglichkeit, um sicherzustellen, dass ich wie ein komplett anderer Mensch aussehe. Denn, mal ehrlich, wie viele Personen auf dieser Erde besitzen denn eine solche rote Haarfarbe? Richtig, vermutlich nur sehr, sehr wenige. Irgendjemand würde mich sofort der Polizei ausliefern. Eine Perücke wäre eine andere Möglichkeit, aber da besteht die Gefahr, dass sie mir vom Kopf fällt und alles für den Eimer ist. Wir haben also nur diese eine Wahl.«
Er brummte, als sei er nicht wirklich einverstanden, was lächerlich war, denn es ging um meinen Körper und meine Entscheidungen. Trotzdem empfand ich seine Reaktion als süß.
»Nun hab dich nicht so. Es sind nur Haare. Die wachsen nach und dieses Färbemittel wäscht sich irgendwann wieder raus.«
Wieder brummte er, ehe er schließlich nickte.
»Weiß ich doch. Und ich weiß auch, dass ich gar kein Recht habe, zu meckern. Es tut mir nur leid, dass du so viel aufgeben musst, für diesen Deal und dieses Leben und deine Sicherheit. Ein Mädchen wie du sollte in ihren siebzehn Jahren andere Dinge erleben und vor allem erleben können und sich nicht um ihr Leben sorgen müssen.«
Sein ehrliches Geständnis zog sich in meinem Innersten wärmend zusammen.
Ein Teil meiner Wut auf ihn entwich und ließ Platz für Dankbarkeit und Gefühle, die sich in diesem Moment an ihn schmiegten.
Ich vergaß eine kurze Zeit, dass er ja eigentlich ein Arschloch war und schmiss mich stattdessen in seine Arme, sodass er das Gleichgewicht verlor und wir zusammen auf den Boden stürzten.
Tyson auf dem Rücken liegend und ich mitten auf ihm drauf.
»Du machst mich sentimental, du Blödmann«, beleidigte ich ihn und fand es unfair, dass mein Körper mit Zuneigung auf ihn reagierte.
Ihm war nicht vergeben und vergessen, aber gerade jetzt wollte ich verdrängen, um glücklich zu sein.
Nach den Tagen der Traurigkeit und Alpträume sehnte ich mich nach einem Lächeln, das mir nur Tyson entlocken konnte.
»Tut mir leid, Prinzessin, aber bei deinen Haaren, die mich an Tomaten erinnern, werde ich selbst sentimental«, entgegnete er keck und ließ mich empört den Mund öffnen.
»Du Arschloch! Nimm das zurück!«, forderte ich und schlug ihm gespielt geschockt auf die Brust, bis ihm ein raues Lachen entfuhr, das den Raum füllte.
»Ich kann nicht. Ich liebe Tomaten!«, widersetzte er sich grinsend und hielt meine Arme fest, als ich ihn wieder schlagen wollte.
Mir stand der Mund offen.
»Ja! Und ich hasse Tomaten. Aber gut, wenn du denkst, dass meine Haare Tomaten ähneln, dann ist es wohl aller höchste Zeit, dass ich sie absäble. Sowas Ekeliges möchte ich schließlich nicht auf dem Kopf haben.«
Sein Lachen erstarb augenblicklich und malte sich stattdessen auf meine Lippen.
»Was hältst du von blau oder blond?«, fragte ich provozierend und lächelte, als er das Gesicht verzog und doch nichts sagte, weil es im Endeffekt meine Entscheidung war.
»Oder wie wäre es, wenn ich sie komplett abrasiere? So wie Logan. Irgendwo habe ich mal gelesen, dass man das generell alle paar Jahre tun sollte«, grübelte ich weiter und quiekte erschrocken auf, als Tyson sich plötzlich über den Boden rollte und die Position änderte, um nun über mir zu liegen.
»Übertreib es nicht, Rubinia«, raunte er. Zeitgleich grinsten wir uns an.
»Wieso? Ich schlage gern über die Stränge!«, gab ich unschuldig von mir und biss mir auf die Unterlippe.
Tyson entwich ein leises Grollen, das sich verflucht sexy anhörte.
»Ich merke es«, grinste er, trotz allem amüsiert, und zwickte mir in die Seite, dass mir abermals ein Lachen entwich. Tyson musterte mich mit funkelnden Augen, dann löste er sich langsam von mir und half mir zurück auf die Beine.
Während ich meine leicht verrutschte Kleidung wieder richtete, trat er näher an mich heran und umfasste mit einem Mal meine Taille, um mich ruckartig an sich zu ziehen.
Verwundert und überwältigt von der Nähe sah ich zu ihm auf und begegnete seinem unwiderstehlichen Grinsen, das Böses im Schilde zu führen schien.
Als ich ihn fragen wollte, was das zu bedeuten hatte, spürte ich urplötzlich seine warmen Finger unter meinem T-Shirt, die über die Haut meines Bauches fuhren und glühende Spuren hinterließen.
Unkontrolliert entwich mir ein Keuchen, so überrascht und neu war diese Berührung und so gut fühlte sie sich an.
Ich konnte mich Tyson nicht entziehen. Er machte mich bewegungsunfähig und zu einer Marionette aus Empfindungen, die sich nach mehr sehnte, kaum das er einmal angefangen hatte.
Sanft und langsam, hauchzart, strich Tyson Kreise über meine dünne Haut, traute sich ein Stückchen höher und dann ein Stückchen tiefer, bis er am Ansatz meiner Hose entlangfuhr und mich leicht zusammenzucken ließ.
Seine Berührungen waren intensiv. Ich wusste nicht, wo oben und unten war.
Mir blieb nichts, als mich an seinen pulsierenden Augen zu orientieren, die keine einzige Sekunde von mir wichen, mich nicht losließen.
»Hat es dir die Sprache verschlagen, Rubinia?«, fragte er leicht schmunzelnd und verschaffte mir mit seiner rauen Stimme eine Gänsehaut, während ich mich zugleich daran erinnerte, wie er mir vor Tagen genau in diesem Raum dieselbe Frage gestellt und mich danach geküsst hatte.
Wir schienen uns an dasselbe zu erinnern. Tysons Pupillen pulsierten im selben Takt seines Herzschlags, trotzdem besaß er eindeutig mehr Kontrolle über die Situation als ich.
So war er es, der sich wie beim letzten Mal zurückzog und Abstand von mir nahm, sich wieder auf seinen Stuhl hinter dem Schreibtisch setzte und mich wie ein versinkendes Schiff einfach stehen ließ.
Seine Augen sahen zu mir und dann zu seinem Tablet, das er mir in all dem Gefühlsrausch entwendet hatte und augenblicklich kehrte meine Wut zurück, als ich bemerkte, dass er das alles absichtlich getan hatte.
Er war ein geschickter und raffinierter Kerl.
Ein gewitztes Biest und mit Sicherheit kein Tölpel.
Einmal mehr rief ich mir in den Kopf, dass ich mich auf böse und gefährliche Art und Weise zu Tyson hingezogen fühlte und gerne in seiner Nähe war, während ich zur selben Zeit wusste, dass das nicht nur dumm und dämlich, sondern auch ein absolutes No-Go war.
Tyson und ich durften einander niemals auf diese Art näher kommen.
Er war ein Arschloch!
Aber verfielen die Mädchen nicht immer den Arschlöchern?
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Leider tun sie das meistens, wenn ich das mal so ungeniert sagen darf.
Aber ist Tyson wirklich ein Arschloch?
Hmm ...🤔
Einen wunderschönen Tag noch!
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