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[Jungkook]

Um das Gespräch der beiden nicht zu stören, tippte ich Taehyung leicht an, als ich sprechen wollte, und wartete, bis er mir seine Aufmerksamkeit mit einem herzlichen Lächeln schenkte, dass ihn strahlen ließ, heller als die Sonne.

„Ich muss dich was fragen", sagte ich ganz leise, aus Angst jemand hier würde unser Gespräch mithören, was ziemlich schwer war, wenn man bemerkte, wie laut es hier aufgrund der Musik und der redenden Menschen war. Dennoch hielt ich meinen Ton stets unten. „Wer ist der Mann neben deiner Schwester?"

Taehyung drehte sich für einen kurzen Augenblick um und schaute rüber zu Jimin, der neben seiner Schwester saß, als würde er nicht wissen, dass er dort war. Sobald er sich wieder zu mir drehte, trug er noch immer dasselbe herzliche Lächeln, das mir ein warmes Gefühl in der Brust gab. „Das ist mein älterer Cousin. Nachdem seine Eltern verstorben sind, haben meine Eltern ihn aufgenommen. Auch er wohnt bei uns im Palast und wir sind seit klein auf miteinander aufgewachsen, weshalb wir uns mehr wie Brüder fühlen", sagte der Braunhaarige. Ich nickte nur leicht und widmete mich wieder meinem Essen.

In mir herrschte nun wirkliche Verwirrung, denn mit dem was Jimin gesagt hatte, ergab das, was Taehyung sagte, alles keinen Sinn und mit dem was Taehyung gesagt hatte, ergab das, was Jimin sagte, ebenfalls alles keinen Sinn. Was war nun richtig?

„Meine Mutter möchte gerne mit dir sprechen Jungkook", hörte ich Taehyung zu mir sagen. Es dauerte eine Weile, bis ich seine Worte realisiert und mich zu ihm drehte, denn ich war aufgrund meiner Verwirrung tief in Gedanken. „Hier kann sie das auch machen, sie präferiert es aber, wenn wir gemeinsam einen Spaziergang antreten, bevor die Krönung stattfindet."

Auch wenn ich mich ein wenig vor dieser Frau fürchtete, weil sie so viel Macht hatte, dass ich im Vergleich zu ihr wie eine Ameise wirkte, nickte ich und zwang mir ein Lächeln auf. Taehyung griff einfach nach meiner Hand und zog mich von seinem Sitz hoch und ging mit mir los, wie ich dann später sah, folgte nach kurzer Zeit auch seine Mutter.

Der noch Prinz ließ meine Hand die ganze Zeit über nicht los, nicht einmal, als seine Mutter lächeln neben uns ging. Dies bewies mir schonmal, dass sie davon wusste, dass er Homosexuell war und auch, dass sie von mir von ihm gehört hatte. War also Taehyung derjenige, der in dem Falle Jimin nicht log?

„Ich habe schon so einige von dir gehört Jungkook", sagte die Frau nach einiger Zeit und blieb vor uns stehen. Wir standen im Palast an einem der Fenster und hatten somit freien Ausblick über die Stadtmauer hinaus auf das Land. „Es freut mich wirklich sehr, dich endlich mal in Wirklichkeit vor mir zu sehen, ich war schon ganz ungeduldig, obwohl ich gestern erst von dir gehört habe!"

Ich beugte mich vor und achtete steht's dabei, dass ich mich auch ganz nach vorne beugte, auf den Boden schauend. Ein leises Lachen der beiden war wahrzunehmen, was ich nicht verstand, aber ich blieb lieber gebeugt, bevor ich noch einen Fehler machte. „Auch mich freut es Euch kennenzulernen!", antwortete ich der Frau.

„Ach! Sprich informell mit mir, schließ wirst du bald mein Schwiegersohn sein", sagte sie und legte ihre Hand auf meine Schulter. Ich nahm dies als Zeichen wahr, dass ich mich endlich wieder aufrecht hinstellen konnte, denn so langsam empfand ich auch einen Schmerz im unteren Bereich meines Rückens.

„Ich weiß Euren Namen aber nicht", murmelt ich leise vor mich hin und senkte meinen Blick dabei beschämt wieder Richtung Boden. So löste ich ein weiteres Mal ein Lachen bei den beiden aus, dieses Mal verstand ich aber, dass sie lachten, weil meine Handlungen für sie lustig zu sein schienen. Ob das etwas gutes war, wusste ich nicht, jedoch hinterfragte ich dies auch nicht weiter.

„Du. Sprich mit mit Du an, damit hätte ich kein Problem, weil du aber meinen Namen wissen möchtest, kann ich ihn dir natürlich gerne sagen. Kim Chae Young", erwiderte die schwarzhaarige Frau und lächelte mich dabei an. Man sah ihr an, dass sie die Mutter Taehyungs war, denn sobald sie lächelte, glich ihr Gesicht seinem. Beide hatten dieses herzliche Lächeln, was einen selbst zum lächeln brachte, sodass ich meine Mundwinkel nicht länger kontrollieren konnte und ebenfalls leicht lächelte.

Chae Young nahm dies scheinbar als ein Zeichen auf dafür, mich zu umarmen. Sie legte ihre Arme sanft um meinen zierlichen Körper, wobei sie mich aber nicht zu fest drückte. Dennoch fühlte ich mich wohl in ihren Armen, denn ihre Umarmung erinnerte mich an die meiner Mutter, jedes Mal wenn ich von einem harten Arbeitstag auf dem Feld wieder Nachhause kam. Es machte mich traurig zu wissen, dass das nie wieder der Fall sein wird, weil sie nicht mehr lebte, aber jetzt durfte ich mir meine Trauer nicht anmerken lassen, sonst würde das komisch rüberkommen. Und der erste Eindruck ist immer der wichtigste.

Und ich konnte von mir selbst sagen, dass ich es wirklich gut machte. Ich unterhielt mich mit Taehyungs Mutter über alles mögliche, Themen nur von ihr ausgehend und meistens über ihn. Sie erzählte mir von seiner Kindheit und von Dingen, die er damals machte, als er ein kleines Kind war, wie zum Beispiel nackt mit einem Joghurt in seiner Hand auf dem Sofa einzuschlafen oder Tauben im Innenhof zu jagen. Natürlich gefiel es Taehyung eher weniger, dass sie mir seine peinlichen Geschichten erzählte, aber ehrlich gesagt fand ich größtes Interesse daran, denn es machte mich glücklich davon zu hören. Wenn ich schon keine schöne Kindheit gehabt hatte, sollte dieses wenigstens der Mann gehabt haben, mit dem ich mein restliches Leben verbringen würde.

„Erzähl mir etwas von dir! Bitte erzähl mir von deiner Mutter", sagte Chae Young, ohne dabei zu wissen, dass dies ein empfindliches Thema war. Dennoch ging ich ihrer Bitte nach und erzählt von der Frau, die mir das Leben schenkte.

„Meinte Mutter hatte scheinbar schon immer ein ziemlich schönes Leben gehabt, bis sie meinen Vater kennengelernt hatte. Sie erzählte uns Kindern immer von ihrer Familie und ihren Schwester, welche wir aber nie kennenlernen konnten. Sie war eine viel arbeitende Frau, kümmerte sich um viele Kinder und ihren Mann und obwohl sie alle ihre Kinder bis auf mich verlor und unter starker Gewalt meines Vaters lebte, trug sie stets ein Lächeln auf den Lippen. Ich war der jüngste der Familie, daher hatte ich es nie wirklich leicht, für mich blieb nämlich immer nur der Rest im Topf, ich bekam die alte Kleidung meiner Brüder und war in den Augen meines Vaters nie wichtig, außer er wollte mich schlagen, dann war ich wieder gut genug. Auch wenn ich viel arbeitete, hatte und habe ich bis heute nicht den Körper eines Mannes und mein Vater sagte immer, dass sei das Pech, dass ich mit meiner Geburt mitbrachte, denn ich war nicht wirklich sein Kind. Meine Mutter wurde Opfer eines sexuellen Übergriffes, als sie Äpfel verkaufen wollte auf dem Markt und aus diesem Übergriff entstand ich, was bedeutet, dass ich ein uneheliches Kind bin und der Mann, den ich Vater nenne, nicht wirklich mein Vater ist. Auch wenn meine Mutter jeglichen Grund hatte, um mich zu hassen, tat sie das nicht. Sie gab mir ihr Essen, damit ich nicht nur die Reste hatte, machte mir heimlich neue Kleidung und beschützte mich vor den Wutausbrüchen meines Vaters. Sie sang mich in den Schlaf und gab mir immer die Liebe, die mir mein ganzes Leben lang niemand sonst gab. Als ich verschwand, weil ich selbst ein Opfer eines sexuellen Übergriffes wurde, aus dem Taehyung mich glücklicherweise rettete, verletzte ich sie damit sehr stark. Ich verschwand für zwei Tage, was aber genug Zeit war, um ihr ihr Herz vollständig zu brechen, sodass auch ich in ihren Augen nur noch ein Kind war, das Pech mit sich brachte, sodass sie meinen Vater nicht aufhielt, als er sich an mir erging, an dem Tage, an dem ich den Palast wieder verlassen musste. Auch wenn sie mich hätte retten können, gab ich ihr nicht die Schuld dafür und ich gebe auch Taehyung nicht die Schuld, denn ich war allein daran Schuld. Ich hatte ihm einen Grund genannt mich zurückzuschicken und das tat er, ich konnte schließlich nicht ahnen, was der Mann bei mir Zuhause tun wollte. Das letzte was meine Mutter in meiner Anwesenheit tat war, dass sie auf meinen Vater hörte, damit er mich problemlos schänden konnte, dennoch bin ich ihr nicht wütend. Auch wenn sie heute nicht mehr hier ist und ihr Leben auf grausamste Weise beim Opferfest verlor, habe ich noch immer das Gefühl, sie sei an meiner Seite und wische meine Tränen weg, denn die Liebe die ich für meine Mutter empfinde ist unendlich, wie die Sterne am Nachthimmel."

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Frohes Neues an euch alle! 💜

Auf ein weiteres Jahr mit euch :3

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