Kapitel 3

Ich befolgte Arthurs Schritte genau.

Bis auf die Sonnenbrille, die behielt ich bei dem ganzen Blitzlichtgewitter auf.

Energisch schritt ich über den ausgelegten roten Teppich.

Mein Ziel, eine hochgewachsene Frau, am Eingang von St. Lenox.

Zu St. Lenox an sich konnte man viel sagen, doch mir viel nur ein Wort ein.

Eindrucksvoll.

Das Mädchen- und Jungenpensionat war in einem riesigen dunklen Sandsteingebäude untergebracht.

Ein bisschen erinnerte es mich an das Palais meiner Tante Carly.

Große Fenster zierten die Front des Bauwerks, von außen dunkel von innen hell.

Hoffte ich zumindest.

Eine breite Treppe markierte den Eingang, welcher aus einer beachtlich großen Flügeltür bestand.

Nun war es an der Zeit die

„Guten Tag.", ich knickste kurz vor der Frau, von welcher ich vermutete, dass sie die Pensionatsleiterin war.

„Ihnen auch, ich bin die Rektorin von St. Lenox. Ich heiße dich herzlichst willkommen.", ihre Stimme klang weich, doch ich lies mich von dieser Freundlichkeit nicht täuschen.

Immerhin war sie eine Freundin meiner Mutter, sie hatte es faustdick hinter den Ohren.

„Von meinen Eltern.", ich reichte ihr die zwei Briefe und das Päckchen.

Constance lächelte wissend, „Komm erstmal mit rein, die Willkommenszeremonie beginnt in wenigen Minuten."

Ich lächelte den Fotografen noch einmal zu, dann wurde hinter der Rektorin und mir die Flügeltür geschlossen.

„St. Lenox wurde im 16. Jahrhundert gegründet. Zuerst war es nur eine Lehranstalt für Blaublütige, über die Jahre wurde es zur Benimmanstalt für junge Adelige. Hier in Lenox bevorzugen wir Diskretion und Gleichberechtigung, weswegen die Herkunft unserer Schüler geheim gehalten wird. Ich bitte Sie deswegen sich auf eines ihrer vielen Vornamen zu beschränken und den Titel ganz weg zulassen.", mit einem kurzen Seitenblick in meine Richtung versicherte sich Constance, dass ich alles verstand.

Um dies zu bestätigen nickte ich kurz, doch da konzentrierte sie sich auch schon auf den Weg vor uns.

„Es gibt ein paar wichtige Regeln in St. Lenox, welche du unbedingt befolgen solltest. Vorab aber zu deiner, nun jetzigen, Wohnsituation. Du wirst dir ein Zimmer mit einer gleichaltrigen Schülerin teilen, diese dir nach der Zeremonie auch das Schulgelände zeigen wird.

Das Zimmer beinhaltet grobgesagt zwei Betten, zwei Schreibtische und einen Kleiderschrank. Das angrenzende Bad teilt ihr euch mit zwei weiteren Mitschülerinnen.

Insgesamt möchte ich dich darauf hinweisen, dass du hier nicht im Luxus wohnst. Deine Vergangenheit ist uns egal, hier in Lenox wird jeder gleich behandelt."

„Ja, Miss.", antwortete ich, um wenigstens irgendetwas zu diesem Gespräch beizutragen.

„Da wären wir auch schon bei den Regeln.", fuhr Constance fort, „Hier gilt zwar keine einheitliche Kleidungsordnung, trotzdem werdet ihr Mädchen aufgefordert einen Rock und eine Bluse zutragen, die Jungen hingegen eine Hose und ein Hemd. Die Gestaltung ist euch überlassen. Ebenfalls gibt es feste Essenszeiten. Frühstück findet von 5:30 Uhr bis 7:30 Uhr statt, Mittag von 11:30 Uhr bis 12:00 Uhr, das Abendessen wird von 18.00 Uhr bis 20:00 Uhr serviert. Wenn du am späten Abend noch Hunger hast, findest du in unserer Cafeteria Sandwiches und Saft.

Alle Malzeiten werden in den Schlafgebäuden serviert, das heißt Jungs und Mädchen getrennt. Nur zum Abendsnack müsstest du ins Schulgebäude."

„Okay.", ich versuchte all die vielen Informationen zu speichern.

„Zum Thema Jungen und Mädchen. Offiziell gilt getrennter Unterricht, es gibt jedoch ein paar Fächer, wie zum Beispiel Tanzen, welche ihr gemeinsam absolviert.

Auch bei den Schlafplätzen gilt im St. Lenox Geschlechtertrennung, es gibt ein Mädchenpensionat und ein Jungenpensionat. Sollte es zu Vorkommnissen zwischen den beiden Geschlechtern geben, erwartet dich eine Ermahnung, eine Abmahnung und letztendlich der Rauswurf."

„Sie sind ja ganzschön streng.", murmelte ich.

Die Adleraugen der Rektorin durchbohrten mich, „Zu recht. Ihr seid hier, um den Anstand und die Manieren einer Dame zu erlernen und nicht um kopflos herum zu turteln."

„Ja, Miss.", erwiderte ich beschämt.

Diese Frau war noch einschüchternder, als am Anfang vermutet.

„Dies waren die wichtigsten Regeln, im Schnellformat. Im Laufe der Woche wirst du noch eine etwas detailliertere Fassung erhalten. Nun zum Schulgebäude an sich."

Fasziniert starrte ich sie an, meine neue Pensionatsleiterin hatte anscheinend viel Ausdauer.

„Das Schulgelände beinhaltet das Schulgebäude selbst, mit Fachräumen für Chemie, Physik und Biologie. Wir haben ebenfalls einen internen Ballsaal und eine externe Turnhalle. Es gibt wie schon erwähnt ein Jungen- und ein Mädchenpensionat, dazu jeweils eine separate Schwimmhalle im Untergeschoss.

Unser Gebiet enthält einen Wald mit angrenzendem See, ein kleines Gestüt zum Erlernen der Reitkunst, einen Gemüsegarten, weitläufige Obstwiesen und eine Felsenbühne, welche wir gerade ansteuern."

Ich nickte und nickte und nickte, wahrscheinlich bekam die Frau neben mir, dass aber gar nicht mit.

„Das war es fürs erste.", seufzte Constance, als wöllte sie noch viel mehr erzählen.

Wie passend, dass sie jetzt gerade fertig wurde, denn wir näherten uns der Felsenbühne.

Lange Tribünen waren in den Fels eingelassen, welcher aus dem Boden hervor ragte.

Unter im lag eine gerade, mit Holz ausgelegte, Fläche.

Die Bühne.

Meine neue Rektorin führte mich an den Rand der Bühne zu ein Dutzend weiteren neuen Schülern.

„Die neue Klassenstufe wurde gestern schon begrüßt, weswegen heute nur noch ihr Älteren übrig seid.", erklärte mir Constance.

Nachdem sich die Pensionatsleiterin verabschiedet hatte, wurde das Licht gedimmt.

Wir wurden Einzeln auf die Bühne gerufen und den St. Lenox Schülern präsentiert.

Aber nie wurde auch nur ein Name genannt.

Ich bekam einen großen Blumenstrauß, ein Buch mit der Geschichte von St. Lenox, eine Schärpe mit dem Logo der Schule und Socken.

Ja, Socken.

Anscheinend nervte es die Leitung von Lenox enorm, dass die Schüler keine einheitlichen Socken trugen.

Jetzt hatte ich ja einen Vorrat.

Zum Abschluss der Feierlichkeiten wurde eine großartige Feuershow veranstaltet.

Während ich, zurückgezogen in einer dunklen Ecke, das Feuerwerk bestaunte merkte ich gar nicht wie ein Junge neben mich trat.

„Gigantisch oder?", flüsterte er zu meiner linken.

Ich konnte nur nicken.

„Ich bin übrigens Eden.", der Junge lächelte mich freundlich an.

Jetzt erst erkannte ich ihn, „Du bist auch neu an der Schule oder?! Du müsstest in meiner Klassenstufe sein."

„Jap. Dieses Jahr neu dazu gestoßen, wie du."

Ich grinste, „Genau. Ich bin Lilia."

Er zwinkerte mir zu, „Hübscher Name, ich hoffe wir sehen uns bald wieder. Leider muss ich schon wieder los, mein neuer Mitbewohner ruft. Ich glaube er soll mir die Schule zeigen."

Ich winkte ihm zum Abschied.

Langsam leerte sich die Fläche, bis nur noch ich und paar ältere Schüler übrig blieben.

Sollte mich nicht auch meine Zimmernachbarin abholen?

In der Angst irgendetwas falsch gemacht zu haben, lief ich auf die kleine Schülergruppe zu.

Sie unterhielten sich leise.

„Entschuldigung, ich bin neu am Lenox."

Der Junge, welcher gerade gesprochen hatte, hielt schlagartig inne.

Langsam wanderte sein Blick von seinen Freunden zu mir.

„Na und? Wen interessiert's?", knurrte er genervt.

Unsicher fing ich an auf meiner Unterlippe zu kauen, während ich gleichzeitig rot wurde.

„Key!", mahnend zog ein anderer, etwas älterer Junge eine Augenbraue hoch, bevor er mich entschuldigend anlächelte, „Was möchtest du wissen?"

„Ähh, die Neuen werden eigentlich von ihren Mitbewohnern abgeholt oder?" fragte ich zögernd, während ich vorsichtig zwischen den fünf Jungengesichtern hin und her schielte.

Vier der fünf Jungen nickten, während der vermeintliche Key genervt die Augen verdrehte.

Sofort setzte die Röte wieder ein, was ihn nur noch mehr anstachelte verächtlich zu schnauben.

„Ja, so ist es. Wahrscheinlich ist das Mädchen was du suchst, die da hinten."

„Danke.", ich lächelte dem freundlichen Jungen dankend zu und drehte mich um.

Tatsächlich stand dort ein Mädchen in meinem Alter, welches sich suchend umsah.

Sie hatte schulterlange goldblond gelockte Haare und trug ein wunderschönes smaragdgrünes Kleid.

Als das Mädchen mich entdeckte, kam sie auf mich zu gerannt.

„Du musst Lilia sein. Es tut mir unendlich leid, dass ich zu spät bin, aber ...", ihr Satz blieb in der Luft hängen, als sie die Blicke der Jungs bemerkte.

Durch ein abfälliges Zischen tat sie ihre Ablehnung kund.

Mit einer schnellen Bewegung zog sie mich von ihnen weg, dabei bemerkte sie nicht mal mein kurzes Zusammenzucken.

„Hast du etwa mit denen geredet?", fragte das Mädchen ungläubig.

„Ähm, ja.", antwortet ich verwirrt.

„Gar nicht gut.", murmelte sie. Meine neue Zimmernachbarin zeigte auf den Jungen, welchen ich vorhin bei seinem Gespräch unterbrochen hatte, „Das ist Kylian. Lass dich nicht von seinem Aussehen täuschen, er ist ein Arschloch."

Man sah ihr an, dass sie aus Erfahrung sprach.

„Die Hälfe der Mädchen auf Lenox stehen auf ihn. Er hat sie alle abgewiesen. Unverständlicherweise ist er trotzdem noch der beliebteste Junge der Schule. Sein Charakter ist übel ... kalt, besserwisserisch, undurchdringlich."

„Aber er hat doch Freunde?!", fragte ich vorsichtig und spielte damit auf die vier Jungs neben ihn an.

Meine Mitbewohnerin lachte auf, „Natürlich hat er Freunde. Er hängt aber nur mit denjenigen ab, mit denen er wirklich abhängen will. Pass bei Kylian einfach auf!"

Ich zuckte mit den Schultern, „Er schien mir schon irgendwie unfreundlich."

Das Mädchen lächelte traurig, „Bei ihm ist nichts wie es scheint."

Um vom Thema abzulenken, fragte ich sie nach ihrem Namen.

Dies zeigte Wirkung, erfreut lächelte sie, „Ich heiße Thalia."

Ich streckte ihr grinsend die Hand entgegen, „Schön dich kennen zu lernen, Thalia."


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