Kapitel 1

„Miss, das Frühstück ist angerichtet.", eine Zofe knickste kurz vor mir.

„Danke.", ich nickte ihr zu.

Sie knickste noch einmal und verschwand dann schnell wieder.

Ich seufzte tief, schon lange hatte ich keine eigenen Zofen mehr.

Das hieß, ich musste ich alleine anziehen.

Wie bedauerlich, wenn man bedenkt was ich in der Zeit alles machen könnte.

Letztendlich raffte ich mich trotzdem auf, um ein lockeres Morgenkleid überzuziehen.

Dabei drehte ich mich betont langsam vom Spiegel weg, welcher gegenüber meines Ankleideraumes stand.

Seit der damaligen Nacht ertrug ich meinen Körper nicht mehr, der Anblick lies mich jedes Mal wieder würgen.

Noch immer fühlte ich seine Hände auf meiner Haut.

Selbst das tägliche Waschen hatte es nicht besser gemacht, Nichts machte es besser.

Kurz nach dieser Nacht, hatten mir die Ärzte erklärt, dass ich von ihm unter Drogen gesetzt wurde.

Daher der Nebel vor meinen Augen und die Lähmung meines Körpers.

So meinten zumindest die Ärzte.

Einen Lichtblick gab es wenigstens, er wurde nach dieser Nacht sofort verhaftet.

Trotz der großen Menge an Leuten, hatte es die Österreichische Königsfamilie jedoch geschafft die Aktion ihres Sohnes geheim zu halten.

Nichts gelangt an die Öffentlichkeit, im Gegenzug wird er lebenslänglich eingesperrt.

Das war Deal zwischen meinem Vater und dem König.

Sie hatten versucht es vor mir geheim zu halten, doch ich hatte es irgendwann herausgefunden.

Vater war ziemlich wütend auf Mutter, als sie es ausgeplappert hatte.

Zu verstehen wenn man bedenkt, dass er mich nur schützen will.

Trotzdem konnte ich nicht glauben, dass er lebenslänglich sitzen sollte, immerhin war er der Thronfolger.

Irgendwann würden sie ihn entlassen.

Egal was er mir angetan hatte, die Angst blieb.

Jeden Moment sah ich ihn die Tür aufreißen, sein unschuldiges Gesicht vor Wut und Begierde verzogen.

Erneut fing ich an zu zittern.

Eigentlich hätte ich mich jetzt zu einer Kugel zusammen gerollt und Richtung Wand gestarrt, sowie das ganze letzte Jahr, doch ein zaghaftes Klopfen zerstörte meinen Plan.

Sofort stand ich aufrecht, nicht auszudenken wenn meine Mutter vor der Tür stände.

Vor ein paar Tagen, war ihr der Kragen geplatzt.

Sie hatte mich angeschrien aufzustehen, als ich jedoch nicht reagierte, rastet sie völlig aus.

So hatte ich meine Mutter noch nie erlebt.

Mein Vater war am späten Abend zu mir gekommen und hatte mich angefleht wieder 'normal' zu werden.

Er sah so zerstört aus, ich musste einfach meine eigenen Probleme beiseiteschieben und aufstehen.

Für ihn.

Zwar blieb ich seitdem immer noch oft auf meinem Zimmer, doch wir frühstückten gemeinsam.

Meine Mutter war damit nicht glücklich, doch für mich ist es ein Anfang.

Wieder klopfte es leise.

Schnell zupfte ich mein Kleid zurecht, ehe ich, „Herein.", rief.

Die Zofe von gerade eben trat wieder ins Zimmer, „Ihre Eltern warten, Miss."

„Natürlich.", ich folgte ihr.

Ich konnte meine Mutter bildlich vor mir sehen, wie sie im großen Speisesaal nervös auf und ab ging.

Sie zitterte jeden Tag aufs Neue, ob ich erscheinen würde.

Während wir gemeinsam durch die vielen Gänge liefen, wanderte mein Blick immer wieder über meine unzähligen Vorfahren.

Zwar war meine Mutter keine so berühmte Adelige, trotz dessen hatte sie viele berühmte Verwandte.

Mein Vater natürlich ebenfalls, doch davon ging man aus, immerhin stammt er aus dem Herzogtum Sachsen.

Schon als kleines Kind hatten mich die vielen Gesichter fasziniert.

Es gab zum Beispiel den dunklen Kaiser Josef, die junge Baroness Victoria und den hübschen Fürst Christian.

In meinen jungen Jahren saß ich oft, nach einem Streit mit meiner Mutter, vor den vielen Gemälden und malte mir in meiner kindlichen Naivität Geschichten zu den einzelnen Personen aus.

Letztendlich hatte mein Vater mir irgendwann erzählt, dass nur ein Achtel meiner Verwandten überhaupt über vierzig Jahre wurden.

Da war die Illusion futsch.

„Miss, wir müssen wirklich weiter. Ihre Mutter wird sonst noch wütend."

Überrascht sah ich auf, ich hatte nicht gemerkt, dass ich stehen geblieben war.

Als ich nun aufblickte, sah ich die Zofe nervös an ihrer Uniform herum zupfen.

„Ist schon gut, es wäre nicht ich Schuld."

Sie nickte zwar gehorsam, trotzdem sah ich ihre Unzufriedenheit.

Anscheinend hatte es meine Mutter geschafft, nicht nur ihre Familie sondern auch noch die Angestellten zu dominieren.

Ich nickte ihr versucht beruhigend zu, „Keine Sorge, ich werde den restlichen Weg alleine schaffen."

Erleichtert knickste die Zofe.

Wie hieß sie eigentlich?

Meine Mutter feuerte Tag ein Tag aus Angestellte, ich war froh überhaupt noch bekannte Gesichter zusehen.

Wie zum Beispiel unseren Butler Arthur, welcher mich vor der dem Esszimmer erwartete.

„Guten Morgen, Lady Lilia.", er zwinkerte mir verschwörerisch zu.

Er kannte meine Mutter genauso gut, um zu wissen wie sie sein konnte.

„Guten Morgen, Arthur.", ich grinste zurück.

Schon immer war er einer meiner liebsten Bediensteter, was wahrscheinlich daran lag, dass er schon seit Ewigkeiten meiner Familie diente.

Er war immer da, wenn man ihn brauchte, egal wann.

Trotz Arthurs 60 Jahren, war er top fit und immer noch der engste Berater meines Vaters.

Ein Grund, ihn nur noch mehr zu mögen.

„Wie geht es meinem Vater?", ich schielte vorsichtig zu der großen Tür vor uns.

„Jetzt oder insgesamt?", fragte Arthur scheinheilig.

Beschwichtigend hob ich die Hände, „Wenn ich in dreißig Minuten nicht wieder da bin, holen Sie bitte Mrs. Clark."

Trotz seines ausdruckslosen Gesichtes, konnte ich in seinen Augen den Schalk erkennen.

Ohne ein weiteres Wort zu mir, öffnete er die Flügeltür.

„Maria Lilia Sophie Luis Constance, Baroness von Sachsen.", rief er in den weitläufigen Raum.

Bei meinem Erstnamen zuckte ich zusammen, nach der Nacht hatte ich allen verboten ihn jemals wieder zu verwenden.

Weil meine Mutter aber eben meine Mutter war, bestand sie wenigstens bei der vormahlen Anrede auf meinen ganzen Namen.

Ich warf Arthur einen genervten Blick zu, welcher aber nur scheinheilig mit den Schultern zuckte.

Als er die Türen schloss, musste ich mich wohl oder übel umdrehen.

„Schätzchen, da bist du ja!", rief meine Mutter von der großen Tafel.

Ich seufzte tief, „Guten Morgen, Mutter."

„Lilia meine Sonne, lass dich anschauen.", mein Vater erhob sich von seinem Platz am Anfang der Tafel.

Lächelnd lief ich auf ihn zu, seit der Nacht behandelte er mich nur noch mehr wie sein Ein und Alles.

Er machte mir Komplimente, versuchte mich zu schonen und mich abzulenken.

Mein Vater war auch der Einzige, welcher mich berühren durfte.

Warmherzig schloss er mich in seine Arme, „Wie hast du geschlafen, Lilia?"

Ich zuckte mit den Schultern, „Wie immer."

Augenblicklich schob der Herzog von Sachsen mich von sich, „Immer noch der gleiche Traum?"

Er blickte mir sorgenvoll in die Augen.

Ich wollte ihn nicht traurig sehen, also winkte ich schnell ab, „Jap, aber ich komm klar."

Mein Vater musste nicht unbedingt wissen, dass ich jede Nacht schweiß gebadet aufwachte, mein Gesicht zu einem stummen Schrei verzogen.

Er strich mir vorsichtig über die Wange, „Warum nimmst du nicht die Tabletten, die dir die Ärzte verschrieben haben?"

„Es geht schon.", murmelte ich.

Vater schien zwar nicht ganz überzeugt, lies mich aber wortlos platznehmen.

Meine Mutter schnappte sich derweilen die kleine Glocke neben sich und läutete nach dem Küchenchef.

Ein paar Minuten später erschien dieser auch schon.

„Lady Lilia hätte gerne ein Spiegelei."

„Ach, hätte ich das?", brummte ich missmutig.

„Ja.", zischte meine Mutter scharf.

Nachdem der Mann wieder verschwunden war, dreht sich die Herzogin von Sachsen wütend zu mir um.

„Es geht so nicht weiter Lilia, du kannst mir nicht vor den Angestellten wiedersprechen. Meine Autorität wird dadurch in Frage gestellt."

„Niemand stellt hier deine Autorität in Frage, Nathalie.", brummte mein Vater.

„Wir haben darüber gesprochen, Jonathan. Du warst einverstanden.", zischte meine Mutter unter zusammen gebissenen Zähnen.

Alarmiert blickte ich zwischen den beiden hin und her, „Mit was warst du einverstanden, Papa?"

„Ist nicht so wichtig, Schatz.", erwiderte dieser unbehaglich.

„Natürlich ist es wichtig!", fluchte meine Mutter, „Deine Tochter hat keine Manieren. Die ganze Sache ist nun schon fast ein Jahr her und du machst keine Anstalten die jetzige Situation zu ändern. Lilia fehlt die altersgerechte Erziehung, dass Miteinander mit Gleichaltrigen. Ihr Gouvernante kann sie nicht ewig erziehen und wir erst recht nicht. Ich habe es an Lilias 16. Geburtstag angesprochen und nun spreche ich es wieder an. Lilia muss nach Lenox."

„Was soll das heißen?", panisch blickte ich zu Papa.

Vater seufzte resigniert, „Deine Mutter meint damit, dass du ab morgen ein Mädchenpensionat besuchen wirst."

Entsetzt sprang ich auf, nicht sehr Ladylike musste ich zugeben.

Ich musste weg hier, doch ehe ich wirklich wegrennen konnte, wurde die Flügeltür geöffnet.

„Mrs. Clark."

Meine Gouvernante trat ein.

„Sie kommen gerade rechtzeitig. Packen Sie bitte Lilias Kleidung ein, ich habe ihnen eine Liste zusammengestellt.", begrüßte meine Mutter Mrs. Clark.

„Aber Nathalie, das muss doch nicht jetzt sein.", versuchte mein Vater sie davon abzuhalten.

„Doch Jonathan, es muss jetzt sein. Lilia wird uns morgen verlassen, da möchte ich alles vorbereitet haben."

Tränen stiegen in mir auf, „Papa, bitte.", flehte ich.

Als er mich anblickte wusste ich, dass er nichts ändern konnte.

Da war es auch um meine Fassung geschehen, blind vor Tränen stürmte ich aus dem Saal.

„Lilia, Schatz, bleib stehen.", rief mir mein Vater verzweifelt hinterher.

Ich drehte mich nicht um, nun gab es kein Lilia, Schatz mehr.

Ich würde ein Mädchenpensionat besuchen. Ob ich wollte oder nicht.

Es war beschlossene Sache.

Daran konnte kein Lilia, Schatz etwas ändern.

Wenn meine Mutter sich etwas in den Kopf gesetzt hatte, dann dieses Internat.

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