~31~

Kageyama

Müde öffnete ich die Tür des Krankenzimmers. Das Gespräch mit Taka ist länger geworden, als erwartet, doch ich hoffe, dass es etwas gebracht hat. Zumindest dürfte Shoyo erst mal aus dem Schneider sein.

Bokuto hatte den Ausweis gefunden. Jetzt werden sie Fingerabdrücke entnehmen und seinen Hintergrund durchleuchten. Shoyo wurde entlassen, alles Weitere würde ich der Polizei überlassen, auch wenn diese mich stets auf dem Laufen halten würde. Es ging langsam wieder Berg auf und das nahm mir schon mal ein großes Gewicht von de Schultern.

>>Du hättest mich informieren sollen, dass du mit Kommissar Taka sprichst.<< Die rau Stimme Iwaizumis ließ mich einen kurzen Moment aufschrecken, allerdings hatte ich mir schon fast gedacht, dass er hier war. Er saß auf einem Stuhl, die Ellenbogen auf seinen Knien gestützt, die Augen dunkel unterlaufen. Er sah völlig fertig aus. >>Ich, oder wenigstens einer deiner Leibgarde, hätte dabei sein müssen.<<

Ich ließ von der Türklinke ab und sah ihn an. >>Du solltest endlich mal schlafen<<, ging ich nicht auf seine Aussage ein und legte den Kopf schief. >>So kann ich dich auch nicht gebrauchen.<< Es war mir klar, warum er keinen Schlaf fand, dennoch war es nicht gut. Auch er brauchte mal Ruhe.

>>Kann ich nicht<<, erwiderte er und sah zur Seite, auf das Bett, welches sich neben ihm befand. Das regelmäßige Piepsen der Geräte waren anstrengend und beruhigend zugleich. Die Werte waren okay, dennoch blieb Alles von Tag zu Tag gleich und das zog einen Stück für Stück runter.

Seufzend nickte ich und lief auf die andere Seite, um mich dort auf einen Stuhl fallen zu lassen. Mein Blick wanderte von dem Bildschirmen über die Geräte zu dem Gesicht meines Vaters, welches mit Schläuchen beinahe bedeckt war. Es war erschreckend den sonst so stolzen und aufrechten König in so einem jämmerlichen Zustand zu sehen. Es machte mir Angst. Ich wollte das nicht. Ich wollte und konnte ihn einfach noch nicht verlieren. Das würde ich mir nie verzeihen.

Es gab noch so vieles, was ich ihm sagen wollte. So vieles, was ich ihm zeigen musste. Ich habe immer so getan, als würde ich ihn hassen, aber das stimmte nicht. Ich wusste, warum er tat, was er tat, auch wenn es mir in den meisten Fällen nicht gefiel, oder ich nicht mit ihm übereinstimmte. Er war mein Vater und ich liebte ihn.

>>Worüber habt ihr geredet?<<, fragte Iwa nach einer Weile des Schweigens und brachte mich so aus meinen Gedanken.

Langsam hob ich den Blick. >>Über Shoyo, größtenteils<<, antwortete ich leise. Meine Glieder fühlten sich schwer wie Blei an und allmählich überkam mich die Müdigkeit. >>Ich musste ihn von seiner Unschuld überzeugen und die Wahrheit sagen.<<

Iwaizumi musterte mich nachdenklich, wobei er langsam die Hände ineinander faltete. Ich war mir nicht sicher, ob er ruhig war, oder zu erschöpft, um großartige Emotionen zu zeigen. >>Und die wäre?<<

Seufzend fuhr ich mir mit den Fingern durch das Haar, ehe ich antwortete. >>Dass er gekommen war, um mit mir zu reden.<< Meine Augen suchten gar nicht nach seinen, da ich den Ausdruck in diesen gar nicht wissen wollte. >>Ich hatte eine Affäre mit ihm.<<

Alles, was ich vernahm, war ein lautes Schnaufen auf der anderen Seite des Bettes. >>Aber das beweist nicht seine Unschuld, lässt es sogar noch verdächtiger aussehen<<, meine der Leibwächter und sah zu mir. Er war tatsächlich nicht sauer.

Ich schüttelte den Kopf. >>So ist es nicht, wäre das mit dem Anschlag nicht gewesen, dann- Na ja, ich hatte überlegt- Ich hätte-<<

>>Verstehe.<<

Ich schluckte und biss mir auf die Unterlippe. Er hatte für mich alles verändert. Das mit Shoyo war mehr gewesen, als nur einfacher Spaß, doch wie es schien, sollte es wohl nicht so sein. Außerdem war ich mir sicher, dass er ohne mich glücklicher werden würde. Das Leben mit mir würde ihm nicht gut tun.

>>Trotzdem war es leichtsinnig von dir<<, musste er mich doch noch rügen. Es klang aber weniger nach einem Schimpfen, als sonst, was mich irgendwie leise lächeln ließ. In diesem Thema wurde er weich. Ob das wohl an meinem Vater lag? Macht er ihn weich?

>>Ich weiß<<, erwiderte ich. >>Es ist alles so kompliziert und ich habe das Gefühl, nur das falsche zu tun. Als bliebe mir keine andere Wahl<<, gestand ich schlucken und sah wieder auf meine Hände, die sich mittlerweile in das Laken krallten.

Es herrschte wieder einen Moment Stille, ehe Iwaizumi sie erneut brach und mich damit überraschte. >>Willst du mir von ihm erzählen?<<

Verblüfft schaute ich hoch und über das Bett hinweg zu ihm. In meiner Brust zog sich etwas zusammen, weshalb ich scher nach Luft japste und ihn einige Sekunden nur gequält ansah. Ein verdächtiges Brennen setzte sich in meine Augen und ließen mich hastig blinzeln. Ich reagierte viel zu emotional, doch Iwa hatte schon sehr früh eine Elternrolle für mich ersetzt, doch das ist durch die Jahre auch wieder verloren gegangen. Und gerade gab er mir einfach ein Gefühl von Geborgenheit, nachdem ich mich schon so lange, so sehr sehnte.

Also fing ich an zu erzählen. Alles. Wie ich mich fühlte, nachdem ich zurück kam, wie zerrissen ich war, wie ich dann Shoyo kennenlernte, wie leicht ich mich bei ihm fühlte, wie glücklich ich war, weshalb ich mir Sorgen um ihn machte und es zwischen uns eigentlich nicht gut gehen konnte, dass ich es wusste und dennoch immer wieder zu ihm wollte. Welche Auswirkungen der Anschlag darauf hatte und wie ich gerade einfach nur die letzten Reste meines Selbst zusammenkratzte, damit ich den Königersatz spielen konnte.

Und irgendwann war ich so erschöpft und übermüdet, dass ich ruhig auf dem Bauch meines Vaters einschlief, ohne es selbst zu merken.

-

>>Also so wie ich es verstanden habe, scheint er ja ein wirklich süßer Kerl zu sein. Ich würde ihn gern kennenlernen, also bekomm' deinen Arsch hoch! Der packt das schon und er schien ja auch gewillt dazu zu sein. Eigentlich glaube ich nur, dass du selbst viel zu viel Angst davor hast und lieber eine glorreiche Ausrede suchst.So habe ich das auch immer gemacht.<<

Eine nervige Stimme, die ununterbrochen quasselte, holte mich langsam aus dem Schlaf zurück und ließ mich wach werden. Wie sollte man sich bei diesem Lärm denn anständig erholen. >>Halt die Klappe, Papa<<, grummelte ich als gegen die Bettdecke und kniff die Augen fest zusammen.

>>Tja, Nahtoderfahrungen ändern die Sichtweise einer Person gewaltig. Haha.<<

Da traf mich die Realisierung wie ein Schlag. >>Papa?!<<, rief ich aus und riss meinen Kopf hoch, nur um in das dämlich grinsende Gesicht meines Vaters zu blicken, der völlig ungerührt blieb. Er sah nicht so aus, als hätte er wochenlang im Koma gelegen! Ich stützte mich auf und blinzelte ihn bloß an.

>>Also wie gesagt, meiner bescheidenen Meinung nach, solltest du keine Zeit verschwenden und ihn dir krallen. Du wirst es sonst hinterher nur bereuen und ich darf mir dein Geheule anhören.<< Er spitzte die Lippen und brummte leise. >>Und darauf kann ich verzichten.<<

Meine Kinnlade klappte runter. >>Du bist wach<<, stellte ich fest.

>>Du bist ja ein Blitzmerker!<<, erwiderte mein Vater belustigt und bekam dieses blöde Grinsen nicht aus seinem Gesicht.

Erst da fiel mir auf, dass ich mich auf seine Beine gestützt hatte und zuckte sofort zurück. >>Oh, Verzeihung! Du solltest noch keine Belastung haben.<< Rasch setzte ich mich zurück auf den Stuhl, der neben dem Bett stand.

Oikawa wank allerdings ab. >>Ach, alles gut! Die spüre ich gar nicht<<, wollte er mich beruhigen, ehe er inne hielt und auf seine Beine sah, die unter der Decke versteckt waren. >>Ich spüre sie nicht mehr<<, wiederholte er und sah mich erschrocken an. >>Vielleicht in es an der Zeit jetzt doch eine Arzt zu holen.<<

Da schwang die Tür auf und Iwaizumi kam herein. Als er denn hellwachen König bemerkte, blieb er abrupt stehen und starrte ihn an. Seine Augen weiteten sich langsam, wobei sich seine Lippen leicht öffneten. >>Tooru<<, hauchte er.

>>Guten Morgen, Iwalein!<<

Kaum waren diese Worte ausgesprochen, stürmte er auf ihn zu und schlang seine Arme um ihn. Er drückte Oikawas Kopf an seine Brust und hielt ihn fest. >>Du bist wieder da<<, flüsterte er erleichtert und schluckte hart. Die Erleichterung stand deutlich in seinen Augen geschrieben, ehe er sie schloss und schwer ausatmete.

Mein Vater lächelte und schielte zu ihm hoch, während er mit einer Hand sachte den stacheligen Kopf streichelte.

Das war dann auch der Moment, in dem ich mich erst mal zurück zog.

-

Die Tests, die mein Vater durchlaufen musste, dauerten Ewig. Natürlich mussten sie prüfen, ob und welche Folge das Koma für ihn hatte, doch ich kam bis zum Abend nicht mehr an ihn heran. Stattdessen musste ich mich um meine restlichen Aufgaben kümmern, doch meine Gedanken schweiften. Ich konnte nicht warten.

Als mich dann Iwaizumi endlich kontaktierte, fuhr ich auf dem direkten Weg zum Krankenhaus. Ich musste wissen, wie es weiter ging und das mussten wir nun mal zeitnahe besprechen.

>>Was ist mit deinen Beinen?<<, war dir erste Frage, die meinen Mund verließ, als ich in dem altbekannten Raum auf dem Stuhl saß und meinem Vater wieder entgegen blickte. Meine Augen huschten von seinem Gesicht zu seinen Beinen, die unter der Decke versteckt waren, und wieder zurück.

Er blinzelte mich an und sah auch auf seinen Schoß. >>Ja, also die-<< Er räusperte sich und blickte mich an. >>Ich werden wohl nie wieder richtig laufen können.<< Ich erkannte an seinem Kehlkopf, dass er hart schluckte. >>Wir haben einiges zu besprechen<<, meinte er leise, wobei seine Stimme deutlich belegt war.

Ich musste ebenfalls schlucken. Das war hart. Dennoch nickte ich und sah ihn an. >>Dann würde ich dir einfach mal den Anfang überlassen.<<

Er nickte langsam und atmete tief durch. Er schaute mir direkt in die Augen, als er das nächste aussprach. >>Ich werde abdanken und mich vom Thron zurück ziehen<<, erklärte er mit fester Stimme.

Ich blinzelte nur perplex und unfähig das Gesagte aufzunehmen. >>Bitte?<<, fragte ich mit einem unsicheren Lachen nach. Das war doch ein Scherz, oder? Das konnte er nicht ernst meinen!

Mein Vater presst bei meinem Gesichtsausdruck, der von Schock gezeichnet war, die Lippen zusammen und schloss seufzend die Augen. >>Ich bin für die nächste Zeit ans Krankenhaus gebunden, muss Tests durchlaufen, in die RH, und... selbst wenn ich wieder draußen bin, bleibe ich ein Krüppel.<<

>>Sag so was nicht.<<

>>Es ist aber wahr<<, widersprach er mir und ich sah, wie sich seine Finger in die Bettdecke krallten. >>Ich werde das Amt als König nicht mehr vernünftig verrichten können und das Volk braucht Stabilität. Sicherheit. Und die kannst du ihnen geben!<

Langsam schüttelte ich den Kopf. Solche Worte aus seinem Mund waren neu und so ungewohnt. Sie machten mir Angst. >>Das kann ich nicht. Ich doch nicht.<<

Er lächelte sanft. >>Doch, das kannst du. Du hast es die letzten Wochen doch auch hinbekommen.<<

Der fette Kloß in meinem Hals hinderte mich daran, zu sprechen. Ich öffnete also nur den Mund und schloss ihn wieder, ehe ich hart schluckte. >> Ich habe alles nur irgendwie bis zu deiner Rückkehr aufrecht herhalten! Ich kann nicht so ein König sein wie du. Ich kann dich nicht ersetzen!<<

>>Das musst du doch auch gar nicht<<, erwiderte er zu meiner Verwunderung und lächelte schief. >>Finde deinen eigenen Weg und werde deine eigene Version. Du kannst das durchsetzen, was du für wichtig und richtig hältst.<<

Meine Augen verengten sich und ich sah den Mann vor mir misstrauisch an. >>Wer bist du und was hast du mit meinem Vater gemacht?<<, wollte ich sofort empört wissen und spitzte die Lippen.

Er lachte herzlich auf und sah mich so warm und mit so viel Liebe an, wie seit Jahren schon nicht mehr, sodass mein Herz ganz schwer wurde. Er war plötzlich so nahbar. >>Ich sagte doch, Nahtoderfahrungen ändern die Denkweise eines Menschens.<<

Ich erwiderte das Lachen zögerlich und fuhr mir durchs Haar. Ich lachte immer mehr, ehe meine Schultern bebten und es sich in ein Schluchzen verwandelte, sodass meine Hand vor meinen Mund halten musste, um es zu dämpfen. Es war einfach zu viel. Es war so viel auf einmal und ich wusste nicht, wie ich damit umgehen sollte. Mein Oberkörper fiel vorne ran aufs Bett, damit ich mich an meinem Vater ausheulen konnte.

Keine Sekunde später spürte ich seine Hand, wie sie durch mein Haar streichelte und versuchte, mich dadurch zu beruhigen. >>Ich will dich zu nichts drängen<<, fing er an uns kraulte mich weiter, >>Ich lege dir nur dein Leben jetzt in deine Hand. Du sollst selbst entscheiden, was du jetzt damit anfangen willst. Entscheide, welche Art von König du sein willst.<<

Schluckend krallte ich mich in sein Bein und schniefte weiter. Was sollte ich denn mit dieser Aussage anfangen! Was für ein König ich sein will? Wollte ich denn einer sein? Konnte ich einer sein? Konnte ich... vielleicht sogar etwas verändern?

>>Ich habe nur eine Bitte<<, fuhr mein Vater doch weiter fort, stoppte die Streicheleinheit aber trotzdem nicht. >>Ich habe alles mitbekommen, was gesagt wurde, als ich im Koma lag. Ich habe dir jedes Mal zu gehört und ich bin der Meinung, dass du diesem Shoyo sagen solltest, was du empfindest.<<

Abrupt spannte ich mich wieder an, als er das aussprach. Mein Herz krampfte sich zusammen, Shoyo...

>>Er macht dich glücklich, oder nicht? Und wie ich es verstanden habe, wäre es ihm selbst wohl egal, Teil der Monarchie zu werden. Scheiß doch mal auf den Fakt und krieg deinen Arsch hoch, nachher bereust du es nur!<<, rügte er mich mit ungewohnter Leidenschaft zurecht.

Verwirrt sah ich also hoch und in die melancholisch glänzenden Augen meines Vaters. Hatten wir gerade hier ernsthaft ein Vater-Sohn-Gespräch? So mit Gefühlen und so?

>>Vertrau mir, ich weiß, wovon ich rede.<<

Ich öffnete meine Lippen, doch schloss sie wieder, da ich nicht wusste, was ich erwidern sollte. Redete er gerade von sich und Iwaizumi? Oder wie durfte ich das verstehen?

Langsam schlich sich doch wieder ein kleines Lächeln auf sein Gesicht, als er mein überfordert dreinblickendes Gesicht sah.

>>Ihr seid kein so hoffnungsloser Fall, wie du dir einzureden versuchst.<<

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Kapitel 31!

Ich komme langsam mit dem Schreiben voran, als erhofft... Aber immerhin komme ich voran.

Ich hoffe natürlich, es hat euch gefallen!

Man liest sich beim nächsten Mal!

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