~23~

Kuroo

Ich war müde.

Meine Glieder fühlten sich schwer an und auch meine Augen taten bereits weh. Ich hatte in letzter Zeit nicht viel Schlaf bekommen, da ich mich in meine Arbeit geflüchtet hatte, um die Sache mit Kenma aus meinem Kopf zu bekommen. Deswegen hatte ich auch seit fünf Tagen nicht mehr in meiner Wohnung geschlafen.

Aber noch schlimmer waren die Ereignisse von heute. Allein beim Gedanken daran zog sich alles in mir zusammen. Es war ein Attentat gewesen, ganz deutlich. Zwei präzise Schüsse, danach kam nichts mehr. Bisher haben wir noch keine Hinweise, aber der Ort, an dem sie sich aufhielten, als sie angriffen, wurde bereits von der Spurensicherung durchsucht.

Eigentlich wollte ich nicht nach Hause. Ich würde lieber im Krankenhaus bleiben, um sicher zu gehen, dass alle es schafften und das nichts weiteres passierte. Aber ich war müde, und dass trübte langsam meinen gesamten Körper. Außerdem hatte Iwaizumi Recht und etwas schlaf und Erholung würde mit gut tun. Momentan konnte ich wirklich nichts tun.

Ich schnappte mir den Wohnungsschlüssel aus der Innentasche meine Jacketts und legte meine Hand an die Klinke, ehe ich inne hielt. Die Tür war nicht abgeschlossen, jedenfalls nicht richtig. Dabei überprüfte ich es immer zweimal, wenn ich das Haus verließ.

Misstrauisch steckte ich dennoch den Schlüssel hinein und drehte ihn einmal um. Langsam zog ich ihn wieder zurück und fasste wieder in mein Jackett, damit ich den Griff meiner Smith&Wesson umfassen konnte.

Vorsichtig stupste ich die Tür mit meiner Fußspitze auf, ehe ich meine Waffe zog und sie in den Flur richtete, um wen-auch-immer in seine Schranken und für den Einbruch zurecht zu weisen. Mein Blick war ernst, doch als ich erkannte, er sich da in meine Wohnung geschlichen hatte, hielt ich inne.

>>Kenma?<<

Kenma blinzelte mich einige Male an. Er hatte einen Löffel im Mund und einen riesigen Eisbecher in der Hand, wobei sein Gesicht mit rosa Erdbeereisflecken beklebt war. Mein schwarzer Oversize-Hoddie bedeckte ihn bis zu seinen Knien.

>>Du bist hier!<<, schluchzte er plötzlich auf und rannte auf mich zu. Dabei ließ er das Eis einfach fallen und wischte sein Gesicht an meinem weißen Hemd ab. >>Hast du eine Ahnung welche Sorgen ich mir deinetwegen gemacht habe?!<< Es klang nach einer Anschuldigung.

Völlig überrumpelt schaute ich auf ihn runter, wobei meine Arme noch etwas unbeholfen in der Luft hingen. Ich hatte ihn seit Wochen nicht gesehen, geschweige denn gesprochen. Deswegen hatte ich mich auch so in die Arbeit gestürzt, denn wenn ich alleine war, dachte ich zu viel über ihn nach. Ich vermisste ihn.

Ich vermisste es, neben ihm aufzuwachen, sein vom Schlaf zerknautschtes Gesicht und die verwirrten Haare. Wie er seine Nase kräuselte, wenn er nicht wusste, ob er etwas mögen sollte oder nicht. Die gefaltete Stirn, wenn ich mal wieder einen schlechten Witz riss, den er nicht witzig finden wollte, es aber doch tat. Er wollte es nur nie zeigen.

Ich liebte es, wenn er sich doch mal kuschelbedürftig gab und an meine Brust legte. Oder er zwischen meinen Beinen lag, während er seine Videospiele spielte. Oder sein Blick, wenn er Hunger hatte und wollte, dass ich was mache.

Es gab so viele Kleinigkeiten.

Das klang so, als wären wir zusammen gewesen. Ware wir aber nie.

Ich biss die Zähne zusammen und mein Kiefer mahlte. Ich könnte ihn jetzt umarmen, aber dann? Dann drehte wir uns doch eh nur wieder im Kreis und ich würde wieder verletzt werden.

>>Kenma, du machst meinen Anzug dreckig<<, brummte ich, da er sein eisverschmiertes Gesicht an mir rieb.

Es kam nur ein leises Murren von ihm. Er machte keine Anstalten, mich los zu lassen.

Also drückte ich ihn von mir und lief an ihm vorbei. >>Was willst du hier und wie bist du überhaupt in meine Wohnung gekommen?<<, fragte ich distanziert und zog mein Jackett aus. Ich hatte ihm den Rücken zugewandt, um ihn nicht ansehen zu müssen.

>>Ich habe mir Sorgen gemacht!<<, rief er hinter mir aus, da er mir scheinbar hinterher gestampft war. Ich hörte ein Schniefen. >>Außerdem hatte ich noch deinen Zweitschlüssel, durch den ich rein kommen konnte.<<

Stimmt ja. Das war damals gelogen gewesen. Meinen eigentlichen Zweitschlüssel hatte Bokuto. Kenma hatte ich nur einen Anschaffen lassen, da ich ihn öfter um mich hatte haben wollen, aber da ich es nicht zu offensichtlich und aufdringlich machen wollte, hatte ich ihm eine Lüge aufgetischt.

>>Und jetzt?<<, fragte ich und versuchte, seine Worte nicht zu nahe an mich heran zu lassen. Sie sorgten für ein wohliges Gefühl, aber ich sollte mich nicht wieder in eine irrsinnige Hoffnung stürzen.

>>Hörst du mir nicht zu?<<, fragte Kenma verständnislos und obwohl ich ihn nicht sah, wusste ich genau, wie er seine Wangen gerade niedlich aufplusterte, um eingeschnappt zu wirken. >>Ich habe mir Sorgen gemacht!<<

>>Aber mir geht es gut, wie du siehst, also kannst du jetzt gehen<<, brummte ich und schmiss das Jackett auf die Sofalehne, ehe ich mich an meiner Krawatte zu schaffen machte und zum Kühlschrank ging.

Kenma stand immer noch an derselben Stelle, aus der er mich auch in der Küche sehen können müsste.

Erst herrschte Stillte, so lange, dass ich mir in der Zeit ein Glas nehmen und mir Wasser einschenken konnte, um meinen brennenden Durst zu stillen. Dann hörte ich nackte Füße auf dem Parkett in meine Richtung tapsen.

>>Was soll das?<<, wollte er von meinem Rücken wissen.

Ich spannte diesen etwas an und stellte das Glas mit einem Klirren wieder auf die Theke. >>Du konntest doch nie schnell genug von mir weg kommen<<, zischte ich nun spitze und mahlte mit dem Kiefer, da der Gedanke immer noch so sehr schmerzt wie vor Wochen.

Der Blonde klang ungewöhnlich unsicher, dennoch eingeschnappt. >>Wir hatten halt eine reine Sexbeziehung, das hatten wir von Anfang an so ausgemacht!<<, verteidigte er sich also.

Ich schnaubte und drehte mich zu ihm um. >>Es ging weit über reinen Sex hinaus, und das weißt genauso gut wie ich!<< Mein Blick wurde finsterer.

>>Du wusstest aber ebenso, dass ich nicht mehr als Sex von dir wollte!<<

Autsch! Das tat weh.

Ein Schnitt entstand zum wiederholten Male wegen Kenma in meiner Brust. >>Gut! Den bekommst du jetzt aber nicht, also kannst du abhauen!<< Mein Brüllen war lauter als beabsichtigt, aber der Kleine ließ meine Selbstbeherrschung bröckeln.

Kenma ballte seine kleinen Hände zu Fäusten und presste die Lippen fest zu einer schmalen Linie zusammen. >>Nein!<<, keifte er zurück.

Ich knurrte wütend. >>Warum denn nicht?!<<

>>Weil ich dich liebe!<<

Diese Worte ließen mich erstarre und ich hielt inne. Meine Brust zog sich bei diesen Worten zusammen, ehe sich ein warmes Gefühl ausbreiten wollte, doch ich unterdrückte es. So einfach ging das nicht.

>>Und ich weiß, dass ich es verpasst habe, im richtigen Moment zu sagen. Und dass ich immer der war, der die Gefühle aus unserer Beziehung streichen wollte<<, platzen die Sätze einfach so aus ihm heraus. Es schien, als würde er mal wirklich einiges los werden wollen, aber statt es vernünftig zu tun, klatschte alles auf einmal raus.

Mein Inneres konnte sich dabei nicht entscheiden, was es wirklich fühlen wollte. Es rumorte in mir drinnen.

>>Aber dann musstest du dich ja wie ein Arschloch aufführen und mit dieser Brillenschlange schlafen!<<, fuhr er mich weiter an, diesmal mit deutlichem Vorwurf in der Stimme.

Das ließ mich wiederum auch um schlagen und ich stellte mich wieder richtig hin, wobei ich ihm mit finsterem Blick entgegen sah. >>Ich bin das Arschloch?<<, fragte ich aufgebracht. >>Du hast doch alles, was zwischen uns war, in den Wind geschossen! Mir stand es frei, mit jedem zu schlafen, den ich will!<<

Kenma funkelte zurück. >>Na und!? Das war doch nur deine kleinkindische Rache!<<

Ich schnaubte. >>Selbst wenn, du meintest doch, du empfindest eh nichts für mich, also konnte es dir doch egal sein!<<, schleuderte ich zurück.

Kenma ballte seine kleinen Händchen zu Fäusten und plusterte sich auf. >>Du hast mir ganz mit Absicht das Gefühl geben wollen, dass ich ersetzbar und wertlos bin! Ich habe es in deinem Blick gesehen, das war genau das, was du bezwecken wolltest!<<, schrie er laut. Schmerz lag in seinen goldenen Augen, der mir plötzlich den Wind aus den Segeln nahm.

Ich öffnete meine Lippe, ehe ich sie aufeinander presste und Weg sah. Meine Hand lag in meinem Nacken und massierte diesen verlegen. >>Das... stimmt<<, gestand ich leise und beschämt. Das war tatsächlich meine Intention gewesen. Ich hatte Kenma genauso sehr verletzen wollen, wie er es bei mir getan hatte. Ich hatte ihm zeigen wollen, dass es mir egal war, um meinen Schmerz zu überspielen. Ich hatte mit eingeredet, dass würde mir helfen, Rache zu nehmen, wäre legitim, dabei habe ich mich total unreif aufgeführt, auch wenn ich eigentlich der Ältere von uns beiden war.

Ein lautes Schlucken kam von dem Kleineren. >>Aber jetzt liebe ich dich, also ist es doch nicht mehr relevant?<<, es klang eher nach einer Frage, außerdem schmeckten die Worte irgendwie bitter.

Mein Blick hob sich langsam wieder. >>Du liebst mich jetzt?<< Ich wiederholte es nur zur Sicherheit, da dieser Satz einfach nicht wirklich toll klang.

Kenma nickte, ehe er den Kopf schüttelte, und dann wieder nickte. >>Ja. Nein. Jain. Ich habe es nur erst jetzt zugeben können.<< Er schluckte wieder.

>>So einfach ist das aber nicht, Kenma<<, meinte ich leise und schaute ihn lange an.

>>Nicht?<< Seine Stimme klang so unsicher, wie ich sie noch nie erlebt hatte. Seine Augen waren groß und er wirkte das erste Mal, wie ein kleines Baby Kätzchen.

Langsam schüttelte ich den Kopf, wobei ich mich streckte und weiter meinen Hinterkopf kratzte. >>Du möchtest keine Beziehungen und das hätte ich respektieren und sie dir nicht aufzwingen sollen.<< Ich fühlte mich schon die ganze Zeit schlecht deswegen. Ich hatte in der ganzen Thematik immer nur an mich gedacht gehabt und nicht mal versucht, Kenmas Grund nachzuvollziehen.

>>Beziehungen gehen immer schief, das hat mir mein Vater immer wieder zeigen können<<, nuschelte er und schaute bedrückt auf den Boden, sodass seine blonden Haarsträhnen sein Gesicht ganz verdeckten.

Der nächste Atemzug fiel mir schwer, doch ich nickte verstehend. Nicht jeder fand sein Glück darin und das war okay. Jeder sollte sein Leben leben, wie er wollte. Außerdem war Kenma noch deutlich jünger, da wollte man nicht unbedingt feste Bindungen eingehen.

>>Aber ich will dich nicht verlieren!<<, rief er plötzlich aus und packte mein Handgelenk. >>Ich will dich bei mir haben! Und ich will mir all deine schlechten Witze, oder Anmachsprüche anhören! Mich jeden Tag darüber aufregen, wie nervig du doch bist und als meine lebendige Heizung nutzen!<<

Ich glaube, so gefühlvolle Worte hatte ich noch nie aus seinem Mund kommen hören. Er öffnete sich mir und verbarg sich mal nicht. Meine Augen weiteten sich bei der Erkenntnis, wobei sich mein Mund öffneten. >>Meine Witze sind nicht schlecht! Und meine Anmachsprüche erst recht nicht! Damit habe ich schon dutzende Leute rumbekommen!<<, motzte ich eingeschnappt. Pfff!

Kenma blinzelte einige Male, ehe sein Blick sich auf meine Brust richtete. >>Nee, das hast du nur deinen Muskeln zu verdanken<<, erwiderte er müde und pikste in meinen Bauch. >>Ja, es muss definitiv daran gelegen haben. Deine Persönlichkeit taugt dafür nicht.<<

>>Entschuldige!<<, empörte ich mich weiter.

Ein sanftes, winzig kleines Lächeln legte sich auf Kenmas Lippen, wobei er wieder zu mir hoch sah. >>Aber ich will es versuchen, auch wenn ich keine Ahnung von dem Kram habe.<<

Ich konnte nicht anders, als das Lächeln zu erwidern. Langsam legte ich meine Hände auf seine Hüften und zog ihn sanft zu mir heran, ehe ich mich langsam runter beugte. >>Und da bist du dir auch ganz sicher?<<, fragte ich sicherheitshalber nochmal nach.

Kenma nickte und legte den Kopf in den Nacken. >>Ich möchte es aber langsam angehen, Stück für Stück, sonst wirst du mir zu anstrengend<<, meinte er freundlich wie immer.

Mein lächeln wuchs zu einem Grinsen. >>Dann fangen wir einfach damit an, das erste Mal auf ein offizielles Date zu gehen<<, schlug ich vor und kam mit meinem Gesicht immer näher zu seinem.

Er kräuselte seine Nase und schob die Lippen vor. >>Klingt kitschig<<, beschwerte er sich jetzt schon, was mich wiederum zum Lachen brachte.

>>Da musst du jetzt durch, war deine Entscheidung.<<

Und bevor er noch Einwände erheben konnte, hatte ich schon seine Lippen in einen leidenschaftlichen Kuss verwickelt, und erstickte somit jeglichen Kommentar.

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23!

So, da haben wir unser KuroKen wieder!
Denkt ihr, dass ist ihr Ende, wie sie es verdienen?

Ich hoffe, euch hat das Kapitel gefallen!

Man liest sich beim nächsten Mal wieder!

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