~16~
Kenma
Meine Beine trugen mich zurück. Sie taten weh, fühlten sich eigentlich schwach, aber dennoch liefen sie. Sie erfüllte wie automatisch ihren Job und brachten mich weg. Weg von dem Ort. Der, der mir einst immer ein Grinsend auf die Lippen gezaubert hatte. Jetzt aber überschatte das Bild von Kuroo und Tsukishima all die schönen Erinnerungen.
Ich fröstelte. Es war, als würde mich eine unfassbare Kälte umfangen und einfrieren. Sie ließ mich taub werden und doch tat es weh. Mein Inneres brannte regelrecht vor Schmerz. Er saß tief in meiner Brust und loderte dort, zerstörte mein kleines Herz.
Ich durchquerte den Rosengarten und steuerte direkt das Angestelltengebäude an.
Das war doch der Grund, weswegen ich Abstand gehalten habe. Ich bin nie emotionale Beziehungen dieser Art eingegangen. Genau deswegen! Um mein Herz zu beschützen! Um nie wieder solchen Schmerz zu fühlen!
Ich hatte doch aufgepasst! Hatte ich! Oder?
Meine Schritte verlangsamten sich, ich anfing, darüber nachzudenken. Wann waren unsere Treffen über mehr hinaus gegangen? Wann hatte ich angefangen, über Nacht zu bleiben? Und wann zum Frühstück? Wann war es ein Filmabend und ein nächtliches Gespräch geworden? Wann begann es damit, dass meine Sachen bei ihm lagen? Wann hatte ich meine eigene Zahnbürste bekommen?
Je mehr ich darüber nachdachte, desto mehr fiel mir ein, dass meine sorgfältig konstruierte Grenze weit überschritten. Und das schon viel zu lange.
Ich hatte es gar nicht gemerkt. Es war wie ein schleichender Prozess, aber Tetsurou hatte sich langsam in mein Leben geschnurrt und es sich dort gemütlich gemacht. Er war zu einem Teil geworden. Und nicht nur irgendein Teil. Nein, er war der wichtigste darin geworden.
Und ich... ich hatte es kaputt gemacht.
Ich nahm das Brennen in meinen Augen nur langsam wahr. Wasser sammelte sich darin und ließen meine Sicht verschwimmen, doch ich wollte nicht weinen.
Nein! Er hat es kaputt gemacht!
Er musste dich mit dem Gefühlskram ankommen! Es war schön, so wie es war! Es hätte so bleiben können! Es hätte keine Veränderung geben brauchen! Muss man immer alles aussprechen?! Alles etikettieren?!
Plötzliche Wut keimte in mir auf und wollte sich wie eine rote dunkle Wolke in mir ausbreiten. Ich spürte es, es zitterte bis in meine Fingerspitzen, doch auch das wollte ich nicht. Ich lasse ihn nicht gewinnen!
Er wird in mir keine emotionale Reaktion hervorrufen!
Langsam schloss ich also meine Lider und atmete tief durch. Ich musste mich beruhigen. Ich musste runter kommen. Noch ein tiefe Atemzug und ich öffnete sie wieder.
Mittlerweile stand ich vor der Tür des Gebäudes. Der Weg war mir gar nicht so lang vorgekommen und doch fühlten sich die letzten Sekunden wie Stunden an. Mein Blick war starr auf die Tür gerichtet.
Doch so gefasst, wie ich jetzt wieder war, streckte ich die Hand auf, nur um festzustellen, dass diese noch zitterte. Ich starrte sie an und mahlte mit dem Kiefer. Scheiß drauf!
Rasch griff ich nach der Klinge, drückte sie gewaltsam runter und riss die Tür auf, um hinein zu stampfen. Mit einem lauten Knall fiel sie hinter mir ins Schloss und ließ meinen besten Freund, der beim Gläser abspülen war, zusammen zucken.
Shoyo schaut zu mir und lächelte mich an. >>Hey, Kenma!<<, begrüßte er mich, ehe das Lächeln auf seinen Lippen erstarb. Er musterte mich besorgt. >>Alles okay?<<
Scheiße! Sah man mir das so sehr an?
Ich setzte wieder meine übliche, unberührte Miene auf und lief zur Theke. >>Ja<<, erwiderte ihn und strich mir eine blonde Haarsträhne, die aus einem Zopf gefallen war, aus dem Gesicht, um sie hinter mein Ohr zu schieben.
Von außen gab ich mich gefasst und ging an meine Arbeit. Routinierte nahm ich ein Glas nach dem anderen und wusch es in der zweiten Spüle wieder sauber. Meine Ärmel waren hochgekrempelt und mein Blick fest auf mein Tun gerichtet.
Doch innerlich tobte ein Sturm in mir. So sehr ich es auch versuchte, ich konnte es nicht unterdrücken. Die Gefühle brodelte in mir und waren wie heiße Lava, die in meiner Brust vor sich her quoll. Und es wuchs von Sekunde zu Sekunde.
Ich versuchte, mich zu konzentrieren und mich mit meiner Arbeit abzulenken, doch dafür war es zu still. Der sonst lebhafte und laute Shoyo sagte dann wenn er mal sollte auch keinen Ton! Meine Gedanken flogen umher, drehten sich nur um Tetsurou und die letzten Geschehnisse.
Ich bemerkte gar nicht, wie meine Bewegungen schneller wurden und ich das Glas immer aggressiver sauber rubbelte. Meine Zähne knirschten übereinander und auf meiner Stirn bildeten sich immer tiefere Falten.
Shoyos Blick keine drei Schritte neben mir nahm ich auch nicht war. Die gerunzelten Augenbrauen und die prüfenden Augen, die Besorgnis widerspiegelten.
Und das platze es aus mir heraus. >>Dieses verdammte Arschloch!<<, schrie ich und donnerte dabei das Glas, welches ich in der Hand hielt mit all meiner Kraft auf die Kante der Theke, sodass es in hunderte kleiner Teile zersplitterte.
Es klirrte laut, ehe es wieder still war und man nur mein angestrengtes, keuchendes Atmen hörte. Ich stand nur da, zitterte leicht vor Wut, vor Frust, vor Schmerz. Ich konnte es nicht genau sagen.
Mein bester Freund und Arbeitskollege stand erschrocken und verschreckt neben mir. Seine braunen Augen blinzelten und waren vor Schreck geweitet. Er hatte mich noch nie so aus der Fassung erlebt. Solche Ausbrüche waren auch für mich überhaupt nicht üblich. Jedenfalls waren sie nicht so intensiv und offensichtlich.
>>Kenma?<<, fragte er vorsichtig und streckte seine Hand nach mir aus, hielt aber inne, als wäre ich ein Reh, welches er nicht verschrecken wollte.
Meine Hände zitterte und ich hatte sie leicht zu Fäusten gekrümmt. >>Arschloch! Wichser!<<, schrie ich meine Wut raus und ließ einfach mal alles ausbrechen. Es tat erschreckend gut. Es war irgendwie befreiend. Die salzigen Tränen liefen bereits aus meinen Augen und über meine Wange, doch das war mich egal. Die Trauer wollte raus.
Shoyo schaute mir nur mit großen an und wusste wohl nicht, was er machen sollte. Vielleicht merkte er auch nur, dass ich es gerade brauchte?
Nachdem ich mich erleichtert hatte, spürte ich auf einmal, wie die Trägheit meine Glieder ergriff. >>Blödmann<<, kam es jetzt nur noch wispernd aus meinem Mund. Eine salzige Träne kullerte dabei über meine Lippe und hinterließ dessen Geschmack dort.
Langsam kam mein bester Freund auf mich zu, erst ein zögerlicher Schritt und dann lagen auch schon seine Arme um meinen Schultern und zogen mich an sich. Seine Hand streichelte beruhigend über meinen Rücken, während er mich einfach hielt. Er gab mir genau den Halt, den ich jetzt brauchte.
Schluchzend krallte ich mich in ihn und vergrub mein nasses Gesicht in seinem Nacken. Ich schüttelte mich und war ganz schwach. Ich erlaubte es mir, mich ganz an ihn anzulehnen und diesen Schutz und die Nähe anzunehmen. Es war schließlich Shoyo. Auf sein strahlendes Lächeln konnte ich mich verlassen.
Es verging wieder einige Zeit, in der ich einfach nur dort stand und ihn an weinte. Ich genoss das Streicheln und das Gefühl mich einfach fallen zu lassen, ehe er die Frage stellte, die genau auf den Punkt traf.
>>Es ist wegen Kuroo, oder?<<
Und wumps! Ich landete wieder auf dem harten Boden der Realität und musste mich dem Stellen, dem ich doch gerade so schön entfliehen konnte.
Ich löste mich und wich seinem Blick aus, wobei ich den nassen Fleck auf seiner Schulter bemerkte, der wohl von meinem Geheul stammte. Meine Lippen und meine Zähne waren zusammen gepresst, da ich darauf jetzt nichts erwidern wollte. Er wusste die Antwort ja eh schon.
Shoyo schaute mich nur an, ich konnte seine Augen förmlich auf mir spüren, wie sich mich abtasteten, auch wenn ich es ignorierte. Plötzlich griff er aber nach meiner Hand und drehte sie so, dass die Innenfläche nach oben zeigte. >>Komm, wir verarzten dich erst mal<<, meinte er und zog mich sanft, aber bestimmt, hinter sich her.
Überrascht sah ich zu meinem Handgelenk, welches Shoyos kleine Finger umschlossen, dann auf meine Hand, in der ein nicht unbedingt kleiner Glassplitter steckte. Blut floss an einer Seite herunter. Einige Tropfen hatten sich auch schon auf dem Boden gebildet.
Ich hatte es gar nicht bemerkt. Ich muss wohl so mit meinem Nerven woanders gewesen sein, dass ich den Schnitt nicht gespürt hatte. Er jetzt setzte der Schmerz langsam ein und zog sich durch meine ganze Hand.
Mein bester Freund brachte mich zu einem Stuhl und setzte mich dort hin. Meine verletzte Hand legte er sanft auf die Tischplatte vor mir, ehe er auf die andere Seite des Raumes ging, um dort den Erste-Hilfe-Kasten zu holen. Er kam wieder.
>>Wie gut, dass ich ich der Oberschule ein Jahr diesen Erste-Hilfe-Kurs gemacht habe<<, meinte er grinsen und öffnete den Kasten, wo er alles raus fischte, was er brauchte, um mir ein guter Freund zu sein, und mir zu helfen.
Ich blieb stumm und schaute ihm nur dabei zu, wie er die Wunde desinfizierte. Es brannte, weshalb ich auf zischte, zuckte aber nicht weg und ließ es über mich ergehen. Dann zog er die Scherbe heraus und legte sie auf ein Tuch, ehe er nochmal desinfizierte.
>>Ein Glück war es nicht tief, andernfalls hätten wir zum Arzt gemusst<<, sagte er und irgendwie klang er so, als würde er mit einem Kleinkind reden. >>Bei der Hand ist nicht zu Spaßen, da laufen so viele Nerven lang, da kann ganz schnell Mist passieren.<< Seine Augen fanden meine und warteten darauf, dass ich verstand.
Ich nickte nur schweigend und beobachtete ihn weiter, wie er die Wunde vom größten Teil Blut befreite. Meine Zähne malträtierten meine Unterlippe, denn zum ersten Mal hatte ich das Bedürfnis, mich mitzuteilen. Also öffnete ich den Mund und holte tief Luft, ehe ich zum Sprechen ansetzte.
>>Du hattest Recht, Shoyo. Es ist wegen Kuroo.<<
Also erzählte ich ihm alles. Wie ich ihn das erste Mal getroffen hatte, wie sich unsere Sex-Beziehung entwickelte, wie ich das erste Mal länger geblieben bin, wie wir Wii gespielt haben, wie ich Wochenenden bei ihm verbracht hatte, wie er zu meinem Alltag wurde. Aber auch von dem Streit vor einigen Tagen und das, was ich wenige Minuten zuvor gesehen hatte.
Er hörte sich alles schweigend an und nickte immer wieder.
Als ich fertig war, war mein Mund ganz trocken und ich musste erst mal das Glas Wasser trinken, welches Shoyo uns während der Erzählung jeweils hingestellt hatte.
>>Also kurz gefasst, du hast dich verliebt.<<
Mein Gesicht schlief ein. Ja, soweit war ich jetzt auch schon.
>>Und du hast es verkackt.<<
Bei den Worten verengte ich meine Augen. >>Was für ich? Der vögelt doch den nächsten besten Blonden!<<, fauchte ich und verschränkte die Arme vor der Brust. Eingeschnappt sah ich weg.
>>Aber du ha-<<
>>Ich habe gar nichts!<<, erwiderte ich und reckte meine Nase in die Höhe, als ich aufstand. Ich schnappte mir unsere Gläser und brachte sie zur Spüle, um sie abzuwaschen und wieder zurück zustellen.
Ich hörte Shoyo hinter mir Luft holen, damit er zum Sprechen ansetzten konnte, doch es folgte einige Sekunden nichts. >>Wie du meinst<<, war dann doch alles, was er von sich gab.
>>Willst du nicht doch aber lieber nach Hause gehen? Du warst ziemlich fertig vorhin<<, startete er nochmal irgendeinen Versuch.
Ich wedelte mit einer Hand in der Luft und wiegelte es so ab. >>Vergiss es! Dann hat er ja gewonnen!<<, rief ich empört aus und wirbelte zu ihm herum. >>Der soll ja nicht denken, dass mich das getroffen hat!<<
Mein bester Freunde schaute mich dennoch zweifelnd an. Mein Entschloss stand aber fest. Ich lasse mich von dem Kerl nicht klein kriegen!
Da schwang die Tür auf und der Boss stand in der Tür. >>Was macht ihr denn hier? Kaffeekränzchen?<<, fragte er, die übliche Zigarette zwischen seinen Lippen herum tanzen. >>Ich braue euch draußen! Los, an die Arbeit!<<
Als wir das hörten, fackelte wir beide nicht lange und verkrümelten uns wieder an unsere Arbeit.
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Kapitel 16!
Tut mir leid, dass es erst jetzt kommt!
Ich hoffe, ihr seid alle gut ins neue Jahr gerutscht!
Das war jetzt ganz schön viel KuroKen, aber jetzt kommt wieder das Hauptship und im Vordergrund steht wieder KageHina! Dennoch ist bei KuroKen ja noch ein Bisschen was offen...
Ich hoffe, es hat euch gefallen!
Wir lesen und beim nächsten Mal!
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