Ich kann nicht beurteilen, wie lange ich an Ort und Stelle stehe, nachdem Elijah gegangen ist. Vielleicht 10 Minuten, vielleicht 30. Ich habe gerade kein Zeitgefühl und blende die Welt um mich herum komplett aus.

Ich brauche seine Umarmung so sehr. Ich brauche seine Nähe und Zuneigung. Ich brauche jemanden, der mich festhält und mich davor schützt, noch weiter zu fallen. Wieso kann er nicht einfach diese Person für mich sein? Wieso... wieso habe ich das kaputt gemacht?

Verzweifelt rutsche ich an der Wand nach unten und ziehe meine Beine an meinen Körper. Wieso ist dieses Leben eigentlich so dermaßen ungerecht? Oder ist es das überhaupt? Vielleicht ist einfach alles meine Schuld. Hätte ich einfach anders gehandelt... Wieso kann ich es nicht einfach jedem Recht machen?

Ich darf jetzt nicht die Nerven verlieren. Ich darf jetzt nicht durchdrehen. Das kann ich mir in meiner neuen Position nicht mehr leisten. Ich muss irgendwie versuchen, weiterzumachen.

Also stehe ich wieder auf und atme tief durch. Ich muss mich beruhigen. Aber wie? Atemübungen? Haben nie geholfen. Meditation? Hat auch nie geholfen.

Vielleicht ist die Idee gar nicht so schlecht, mit der Schulpsychologin zu sprechen. Ich werde sie morgen mal aufsuchen. Aber der Königin bei der Psychologin? Verdammt.

Nachdem ich geduscht habe, gehe ich zum Abendessen in den großen Speisesaal. Auch wenn mir nicht nach Essen zumute ist, will ich irgendwie auf andere Gedanken kommen, bevor es nur noch schlimmer wird.

Als ich den Raum betrete, schauen mich alle an. Alle Augen sind auf mich gerichtet. Die meisten unterbrechen ihre Tätigkeit und starren einfach. Wird das jetzt zur neuen Tagesordnung?

„Hey Bro, alles gut bei dir?", fragt mich Steve wie aus dem Nichts und klopft mir auf die Schulter.

Die anderen weiten ihre Augen und schauen ihn unglaubwürdig an. Mein „behandelt mich alle normal", haben sie anscheinend nicht so ernst genommen.

„Alles bestens", gebe ich kurz zurück und nehme mir etwas zu Essen. Da ich keinen großen Hunger habe, entscheide ich mich einfach für ein paar Früchte und etwas Gemüse.

Gerade als ich an meinem Platz ankomme, steht Godric in der Tür und kommt zu mir gelaufen.
„Eure Majestät", sagt er. „Kommen Sie bitte, der König bekommt etwas anderes zu Essen."

Ich schaue ihn fragend an. „Nein, danke."
Ich setze mich auf den Stuhl und fange einfach an zu Essen, ohne ihm weitere Beachtung zu schenken.

Godric räuspert sich. „Bitte, wir haben etwas anderes für Sie vorbereitet."

Wieder schaue ich ihn an. „Ich habe nein gesagt. Ich entscheide was ich esse."

„Es ist doch nur zu Ihrem Besten. Sie müssen nicht mit den anderen essen."

„Sind Sie irgendwie taub? Muss ich mich wirklich so oft wiederholen?", frage ich genervt. „Lassen Sie mich in Ruhe und verschwinden Sie."

Er nickt und verbeugt sich kurz, bevor er wieder geht. Wieso strapaziert er meine Nerven so, wenn ich sowieso schon nicht gut drauf bin? Und wieso akzeptiert er meine Aussagen nicht?

Steve setzt sich neben mich und grinst mich an.
„Das war ein Statement."

„Ist es denn ehrlich so schwer, mich normal zu behandeln?"

„Für manche schon. Du bist jetzt ihr König."

„Ich weiß", sage ich seufzend. Mir ist der Appetit vergangen.

Jetzt kommen auch noch Violett und Arthur in den Speisesaal geschlendert. Die beiden wirken verliebt. Ekelhaft. Da haben sich ja zwei gefunden.

Zu allem Überfluss, setzt sich Arthur auch noch genau gegenüber von uns.

„Die Krönung war gut, das hast du echt super gemacht."

Ich schaue ihn aus den Augenwinkeln an und sage nichts.

„Ich saß in der zweiten Reihe."

„Hab dich nicht gesehen", sage ich und stehe auf. „Gute Nacht Steve, wir sehen uns morgen."

Ich kann mir so viele falsche Gesichter gerade nicht mehr antun.

Es ist gerade einmal 20 Uhr und ich liege schon im Bett. Aber auf was anderes habe ich gerade einfach keine Lust.

Ich nehme mein Smartphone, gehe in die Galerie und öffnen den Ordner, in dem Bilder von mir und Elijah sind.

Wieso ist Liebeskummer nur so schmerzhaft? Muss ich mir nicht eigentlich Gedanken darüber machen, wie ich mich als König richtig verhalte? Wie ich meine Pflichten mit bestem Gewissen erfülle?

Sofort wird mir speiübel und mein Magen verkrampft sich. Ich presse meine Hand vor den Mund und sprinte ins Badezimmer. Ich schaffe es gerade noch rechtzeitig.

Zwei mal muss ich mich in die Toilette übergeben, bevor es mir besser geht.

Ich muss diesen Geschmack dringend loswerden. Also putze ich meine Zähne mehr als nur gründlich und schleppe mich wieder in mein Bett.

Wie soll ich der wichtigste Monarch Englands sein und ein ganzes Land repräsentieren, wenn ich nicht einmal daran denken kann?

Wenn ich daran denke, wie schlecht es mir nach der Krönung ging...
Ich bin nach der Zeremonie sofort ins Badezimmer gelaufen und habe mich übergeben. So oft hintereinander, bis mir schon meine Speiseröhre weh getan hat.

Seitdem passiert mir das ständig.

Könnte ich doch nur mit Elijah sprechen.

Ich öffne Instagram und suche nach seinem Profil. Ich will unbedingt wissen, wer dieser Theo ist.
Und ich finde ihn tatsächlich sehr schnell unter seinen Followern. Theeeooo, sehr einfallsreicher Name.

Ich durchstöbere sein Profil, kann aber nicht sehr viel über ihn herausfinden. Nach ein paar Minuten weiß ich gerade mal, dass er vorher in Deutschland gewohnt hat, 19 Jahre alt ist und das seine Mutter eine Schriftstellerin ist.

Wahrend ich mir sein Profil anschaue, ploppt eine  Nachricht von Stacy auf meinem Display auf.

Stacy
Hey Blaine, ich hoffe ich störe dich nicht. Bist du noch wach?

Was will sie denn von mir? Meldet sie sich wegen Violett bei mir? Immerhin hat sie letztes Jahr mit ihr herum geknutscht. Im allgemeinen haben sie viel Zeit miteinander verbracht. Die letzten Wochen und Monate, habe ich sie allerdings nicht zusammen gesehen.

Blaine
Du störst mich nicht und ich bin noch wach. Was ist los?

Stacy
Hast du zufällig Zeit zu reden? Es geht unter anderem um Violett.

Ich zögere einen Moment. Eigentlich fühle ich mich gerade nicht gut. Allerdings will ich wissen, was sie mir sagen möchte.

Blaine
Ich habe Zeit. Treffen wir uns im Gemeinschaftsraum?

Stacy
Hm, mir wäre es lieber wenn wir das unter uns besprechen könnten. Wenn dort niemand ist, dann gern.

Blaine
Okay, dann komme ich lieber zu dir? Schreib mir bitte deine Zimmernummer.

Sie schreibt mir, in welchem Zimmer sie ist und nur wenige Minuten später, klopfe ich an ihrer Tür.

„Komm rein", sagt sie leise und geht einen Schritt beiseite.

Sie teilt sich ihr Zimmer mit einer anderen Person. Ich glaube sie heißt Hannah. Ich bin mir aber nicht sicher und anwesend ist sie auch nicht.

„Bis vor Kurzem, war Violett noch in unserer Freundesgruppe", sagt sie. „Aber seit ein paar Wochen, ist sie wirklich komisch. Ich habe natürlich auch mitbekommen, was da bei euch los war und ich wollte... naja ich wollte dir einfach mal alles erzählen was ich so weiß."

„Okay", antworte ich. „Wart ihr zusammen?"

„Nein, sie hat mich verarscht. Sie hat Interesse vorgespielt, um Pluspunkte bei dir zu sammeln."

„Was? Wieso?"

Stacy setzt sich an den Schreibtisch und schaut mich an.

„Sie hat geahnt das da irgendwas ist, zwischen dir und Elijah. Und sie wollte so tun, als hätte sie auch was mit einem Mädchen."

„Nicht dein Ernst?"
Vollkommen entsetzt über diese Dreistigkeit, fang ich an hin und her zu laufen.

„Mein voller Ernst. Das war alles geplant. Ich habe sie und Arthur auch reden hören, dass sie unbedingt mit den in den Palast will. Das war letztes Jahr. Das du sie dann eingeladen hast, hat ihr einiges an Arbeit erspart. Und dann naja, dann hat sie den Moment genutzt und hat ein Foto von euch gemacht."

Fassungslos starre ich sie an. Das alles war geplant. Violett wollte nie wirklich mit mir befreundet sein.

„Sie und Arthur waren schon ein Paar, bevor du an die Schule gekommen bist. Angeblich hatten sie sich getrennt, aber mittlerweile denke ich, dass es nur gespielt war."

„Bestimmt", sage ich. „Arthur wollte den Thron."

Stacy nickt und schaut mich traurig an. „Das tut mir echt leid. Das sie dich so ausgenutzt hat und das, was sie dir und Elijah angetan hat. Ihr macht nichts mehr zusammen oder?"

Ich schüttle den Kopf. „Nein."

Kann ich Stacy vertrauen? Mittlerweile kann ich es nicht mehr einschätzen, wer es ernst mit mir meint und wer nicht.

„Ich war früher wirklich gut mit ihm befreundet. Aber seitdem er letztes Schuljahr gemobbt wurde, hat er sich sehr zurückgezogen und niemanden mehr von hier vertraut. Aber er ist ein wirklich guter Mensch, mit einem großen Herzen."

Fuck, bloß nicht weinen, denke ich mir. Doch dann passiert es auch schon und die erste Träne rollt über mein Gesicht.

—————————————————————————-

Mich würde mal interessieren, wie ihr das alles seht. Am Ende seht ihr auch mal meine Meinung dazu.

Stimmt ihr Blaine zu, mit dem was er sagt? Also das er selbst Schuld daran ist, wie es gerade zwischen ihm und Elijah ist? Hat er das alles selbst zu verantworten? Denkt ihr, man kann das irgendwie verzeihen?

Meine Meinung:
Also ich finde, irgendwo ist es schon Blaines Schuld. Er hat Elijah einfach so stehen lassen (Ende Band 1) und hat sich für den anderen Weg „entschieden". Ich finde, er hat da nur an sich gedacht und auch so gehandelt.
Ich glaube allerdings nicht, dass es ihm egal war, wie Elijah sich fühlt. Ich glaube einfach, er hat in dieser Situation nicht richtig nachgedacht. Seine Familie und seine Position sitzen ihm einfach stark im Nacken, wie man so schön sagt. Und noch dazu, ist er noch sehr „formbar" und lässt sich zu sehr von seiner Familie leiten.
Irgendwie glaube ich aber auch, dass er es nie „gelernt" hat, richtig auf die Gefühle der anderen zu achten. Denn für ihn hieß es sein Leben lang nur, dass man das Königshaus schützen muss.

Ich finde das schwierig und ich glaube wenn man nicht in dieser Situation ist, dann kann man das alles schwer nachvollziehen. Ich würde auf jeden Fall keine Königin sein wollen.

Und ich finde, in Young Royals wird das alles auch sehr gut thematisiert.