Kapitel 7

Die nächsten Wochen war ich zunehmend schlecht gelaunt. Dad erlaubte mir immerhin noch meine Termine selbst zu organisieren, solange er sah, dass ich genügend Treffen pro Woche hatte.

Meine vier nächsten Treffen waren unspektakulär. Peter Anderson, Arthur Duncan, Lucas White und David Turner waren allesamt Adelsmitglieder mit beeindruckendem Familienstammbaum, der mich relativ wenig interessierte, aber alle vier es für nötig hielten mich darüber aufzuklären. Weiter erzählten sie von den unzähligen wohltätigen Aktivitäten, denen sie und ihre Familien nachgingen, sowie über hervorragende Abschlüsse an Elite Universitäten, wenn sie welche hatten.

David Turner hatte eine so nervtötende Stimme und außerdem ein unausstehliches Eau de Toilette gewählt, dass ich ihn kurzer Hand in meine Nie-Wieder-Spalte verbannte. Peter, Arthur und Lucas hatte ich unter Vielleicht eingeordnet. Sie waren zwar Langweiler, aber man konnte sie im Notfall ertragen.

Der krönende Höhepunkt war das Treffen mit Tom Derrington. Das Bild in seinem Steckbrief zeigte einen attraktiven jungen Mann, er war studiert und interessierte sich für Wirtschaft. Allgemein machte sein Steckbrief einen ordentlichen Eindruck und vielleicht würden wir ja Gemeinsamkeiten finden. Ich ließ ihn also kontaktieren und schon zwei Tage später stand er charmant lächelnd in der Eingangshalle. Für dieses Treffen hatte ich ein luftiges schwarzes Kleid gewählt und meine langen braunen Haare offen gelassen.

„Wie schön, dass Sie so schnell kommen konnten, Tom", begrüßte ich ihn freundlich.
„Ich habe alles stehen und liegen lassen", scherzte er und verbeugte sich angemessen. „Sie sehen umwerfend aus." Sein Blick glitt langsam über mich und ich hatte das Gefühl er blieb einen Moment zu lange an meiner Oberweite hängen. Ich ignorierte es, schließlich war ich es gewohnt, dass Männer mich musterten.

„Ich habe eine kleine Weinprobe vorbereiten lassen. Wenn Sie mir bitte folgen würden."
Gemeinsam begaben wir uns in den Speisesaal, wo bereits mehrere Bedienstete auf uns warteten. Obst, Käse und Baquette waren hergerichtet und verschieden Weinflaschen bereitgestellt worden.

Journalisten baten um Bilder und wir posierten mit gefüllten Weingläsern. Tom legte für ein Bild den Arm um mich, der für meinen Geschmack ein wenig zu nahe an meinem Hintern lag. Er tat so, als würde er ihn aus Versehen berühren, als er den Arm wegzog. Die Presse war zufrieden und entfernten sich, während uns verschieden Weine gereicht wurden, die wir probierten.

„Dieser hier ist ausgezeichnet." Genießerisch ließ ich mir einen Schluck Rotwein auf der Zunge vergehen. „Ich wüsste auch etwas was mir schmecken würde", meinte Tom und ließ seinen Blick schon wieder anzüglich über meinen Körper wandern. Himmel, entweder war ihm der Wein bereits zu Kopf gestiegen, oder er war wirklich so ein perverses Arschloch. Als er dann noch über den Tisch griff, um sich ein Käsespieß zu nehmen und dabei zufällig meine Brust streifte, war der Spaß für mich vorbei.

Ich ließ ihn von Emmett hochkant herauswerfen.
„Ach kommen Sie schon!", rief Tom belustigt. „Sie in meinem Bett würden ein sexy Bild abgeben!"
Da ich zu sehr damit beschäftigt war meinen Mageninhalt da zu belassen wo er war, antwortete ich ihm nicht mehr.

Emmett erkundigte sich besorgt nach meinem Wohlergehen. „Ich hätte dem Mistkerl eine reinhauen sollen", brummt er wütend, was mich zum Schmunzeln brachte. „Lieber nicht, aber danke. Sorge lieber dafür, dass ich dieses perverse Arschloch nie wieder sehen muss und er keinen einzigen Schritt mehr auf dieses Grundstück macht."
„Es tut mir so leid", sagte Emmett bedrückt. „Mir hätte irgendetwas auffallen müssen, als ich ihn überprüft habe."

Schwach winkte ich ab. „Schon gut. Seinen Charakter konntest du schlecht überprüfen." Dann verzog ich mich auf mein Zimmer, um ein Bad zu nehmen. Ich hatte das Gefühl, ich musste seine ekligen Berührungen von meiner Haut schrubben.

Nach diesem Erlebnis sank meine Laune immer mehr in den Keller, sodass ich alle um mich herum nur noch anschnauzte. Ich schob meine launische Verstimmung zum größten Teil auf meine Periode, die sich in den nächsten Tagen melden würde und vor der ich meistens ziemlich mies gelaunt war. Hormone eben.

Aber in den letzten Tagen wurde mir auch immer mehr bewusst, wie sehr mir meine Mutter fehlte. Ihr Verlust war mein ständiger Begleiter, aber ich könnte weinen bei dem Gedanken ihr nicht von meinen Problemen erzählen zu können. Was würde ich dafür geben mich mit ihr auf mein Sofa zu kuscheln und ihr von den Auseinandersetzung mit meinem Vater zu erzählen und sie um Rat zu fragen. Sie würde sicherlich wissen, wie ich herausfinden könnte welcher Mann am besten für ein Leben an meiner Seite geeignet ist.

An dem Tag, an dem ich Graham Lane treffen sollte, wusste ich nicht, ob ich lieber weinen oder schreien wollte. Lucy tänzelte in meiner Suite herum und plapperte die ganze Zeit davon, wie attraktiv sie Graham fand und was ich doch für ein Glück hätte, diese tollen Männer kennenlernen zu dürfen. Nicht zu vergessen wie romantisch das doch alles war.

„Du gehst mir auf die Nerven mit deinem Gerede. Geh und lies ein Buch, das ist der einzige Ort an dem du romantische Liebe findest", fuhr ich sie an. Ihre Unterlippe begann zu zittern, aber sie drehte sich auf der Stelle um und verließ mein Zimmer. Seufzend rieb ich mir über die Nasenwurzel. Das lief ja prima.

Da ich Lucy weggeschickt hatte, verzichtete ich auf ihre Hilfe beim Ankleiden. Diesmal trug ich einen eleganten schwarzen Hosenanzug und meine liebsten High-Heels. Selbstverständlich waren auch die schwarz. Manchmal überlegte ich, ob ich es nicht ein wenig mit meiner schwarzen Garderobe übertrieb. Schließlich hatte ich seit fast einem Jahr nichts farbenfrohes mehr getragen. Allein der Gedanke keine Trauer mehr zu tragen, fühlte sich so an, als würde ich Mum verraten. Ich hatte Angst sie immer mehr zu vergessen, wenn ich meine Trauer nicht zeigte.

Wenig begeistert lief ich hinunter in die Eingangshalle, in der Graham auf mich wartete, wie Emmett mir mitgeteilt hatte. Er sagte nichts, aber ich war mir ziemlich sicher, dass er Lucy weinend aus meinem Zimmer hatte gehen sehen. Ich war ihm dankbar, dass er nichts sagte, sonst würde ich mein Wut möglicherweise noch an ihm auslassen.

„Graham, tut mir Leid, dass Sie warten mussten." Mit einem aufgesetzten Lächeln trat ich zu meinem Gast. „Eure königliche Hoheit", er verbeugte sich, dann zauberte er eine einzelne Rose hinter seinem Rücken vor. „Eine Schönheit für eine Schönheit." Diese kleine Geste und das sanfte, freundliche Lächeln auf seinen Lippen, trieb mir die Tränen in die Augen.

„Oh entschuldigen Sie bitte, ich wollte Sie damit nicht zum Weinen bringen." Hilflos sah er sich um, wusste nicht wohin mit seinen Händen oder der Rose darin. „Nein, schon gut", ich lachte leicht auf und rieb mir so unauffällig wie möglich die Tränen weg. „Ich...heute war einfach nicht mein Tag, oder besser gesagt es ist nicht meine Woche. Diese nette Geste hat mich sehr gerührt." Vorsichtig nahm ich ihm die Schönheit aus der Hand und roch genussvoll daran.

„Gut, um ehrlich zu sein, ich weiß nicht wie man mit weinenden Frauen umzugehen hat", scherzte Graham. „Aber wenn es Ihnen heute nicht gut geht, können wir unser Treffen auch verschieben."
Kurzzeitig war ich überrascht, aber positiv. Welcher von diesen arroganten Männern hätte vorgeschlagen das Treffen zu verschieben, nur weil ich gereizt war? Sie hätten das Date egoistisch durchgezogen.

„Wissen Sie was? Ich glaube Sie haben meinen Tag schon um einiges besser gemacht. Nur leider habe ich nicht wirklich etwas vorbereitet." Verlegen strich ich mir eine Haarsträhne aus dem Kopf. Eigentlich hatte ich damit gerechnet ihn schon ziemlich bald nach Hause zu schicken, weil ich davon ausgegangen war, er wäre wie all die anderen Kandidaten die ich kennengelernt habe.

„Das macht nichts. Ich brauche keine verrückten Aktivitäten, wenn es für Sie in Ordnung ist, können wir einfach in ihrer Gartenanlage spazieren gehen."
Er wollte spazieren gehen! Ich konnte einfach nicht verhindern, dass mein Lächeln ein Stück breiter und echter wurde, als er das vorschlug. Wie oft hatte ich von einem romantischen Spaziergang geträumt?
„Das würde ich sehr gerne!" Einer Angestellten übergab ich die Rose, mit dem Auftrag sie in einer Vase auf mein Zimmer zu bringen, dann hakte ich mich bei Graham unter und führte ihn nach draußen in den Garten.

Warme Frühlingsluft empfing uns und ich genoss die ersten warmen Sonnenstrahlen auf der Haut, sowie das fröhliche Vogelgezwitscher. „Was ist passiert, dass Ihr Tag so mies läuft?", begann Graham das Gespräch, sobald wir gemächlich die Wege entlang schlendern.
„Bitte sag doch Wilhelmina." Ich war selbst überrascht, dass ich so schnell über die Förmlichkeiten hinwegging. „Und ich weiß nicht, ob ich schon darüber sprechen möchte", wich ich der Frage aus.

„Wir kennen uns ja auch nicht so lange. Tut mir leid, wenn ich zu aufdringlich war."
„Nein, gar nicht", versicherte ich ihm. „Also was machst du, wenn du nicht gerade mit Kronprinzessinnen spazieren gehst?"

Graham nahm den Themenwechsel an, ohne sich zu beschweren. „Ich stehe kurz vor meinem Abschluss in Politikwissenschaften in Oxford."
„Politikwissenschaften? Dann kennst du dich also aus, mit dem was wir hier so machen?"
„Ich denke schon", schmunzelte er.

Für mich war es ein weiterer positiver Aspekt. Wenn Graham sich in Politik auskannte, hatten wir nicht nur ein gemeinsames Gesprächsthema, sondern es wäre gleichzeitig ein entscheidender Vorteil für das Amt eines Prinzgemahls.

„Endlich treffe ich mal Jemanden, der sich wenigstens etwas für Politik interessiert. Die meisten Männer finden es ätzend, wenn ich über Politik rede."
„Vermutlich weil viele es einfach für zu kompliziert halten und sich nicht wirklich damit beschäftigen", vermutete Graham. „Aber ich wollte eigentlich schon immer in diese Richtung gehen."

„Mein Vater wollte auch schon immer, dass ich diese Richtung einschlage."
„Ach wirklich?" Graham sah mich belustigt an, dann brachen wir in Gelächter aus.

Mein Blick fiel nach hinten zu Emmett, der uns, mit gebührendem Abstand, immer noch folgte. Ich gab ihm ein Zeichen, dass er zurückbleiben können, worauf er stehen blieb und mit ausdrucksloser Miene den Garten überblickte. Ganz sicher war ich mir nicht, aber ich meinte ein leichtes Stirnrunzeln gesehen zu haben.

„Tja", ich wandte mich wieder meiner attraktiven Begleitung zu und verdrängte Emmett aus meinen Gedanken. „So läuft das nun einmal, wenn man in diese Familie hineingeboren wird."
„Ich finde, du machst deine Sache gut." Graham wandte den Kopf, um mich anzulächeln. „Danke. Das Volk würde dir in diesem Punkt nicht zustimmen."

Wir erreichten eine kleine Steinbank und Graham blieb davor stehen. „Das Volk sieht aber auch nur das, was es sehen will."
Schulterzuckend ließ ich mich auf der Bank nieder. und Graham tat es mir nach. „Manche vielleicht schon. Das ändert aber nichts an der Tatsache, dass ich zu den unbeliebtesten Mitglieder der Königsfamilie zähle."

„Also geht es dir nur darum bei den Bürgern Englands beliebt zu sein?" Prüfend blickte er mir direkt in die Augen. „Nein, so habe ich das nicht gemeint", ruderte ich zurück. „Tatsache ist aber, dass der größte Teil nicht davon überzeugt ist, dass ich dieser Aufgabe gewachsen bin. Geschweige denn, dass ich zu steif wirke."

„Die Leute reden doch immer. Ja du bist die nächste Königin von England, aber ob die Leute dich mögen oder nicht ist ihre Sache. Hauptsache ist doch, du weißt wer du bist, wenn die Kameras aus sind. Und ganz ehrlich", Graham zwinkerte mir kurz zu, „Sie können nichts daran ändern, dass du die rechtmäßige Thronfolgerin bist."

„Hat dir schon einmal jemand gesagt, dass du sehr weise bist?" Graham lachte schallend, was mich auch zum Lächeln brachte. Sein Lachen kam aus tiefsten Herzen und war echt, es war so gut wie unmöglich nicht zu lachen, wenn er es tat. „Ich gebe mein Bestes."

Graham Lane war genau die Ablenkung, die ich an diesem Tag brauchte. Er brachte mich zum Lachen und ich verschwendete keine weiteren Gedanken an meinen Vater, die Verpflichtungen oder die arrangierte Ehe die mir bevorstand. Und auch an Emmett, der sich immer wieder in meine Gedanken schlich, dachte ich in diesen Stunden nicht. Stattdessen hatte mir Graham von seiner Familie erzählt, die aus seinen Eltern und seinem älteren Bruder bestand, davon dass er mit Herzblut Polo spielte und am Wochenende in den Süden fuhr, um auf der Segelyacht seiner Familie die Weiten des Meers zu genießen.

Die Sonne ging bereits unter, als wir uns voneinander verabschiedeten. „Solltest du mal wieder Ablenkung suchen, bist du herzlich auf die Yacht eingeladen. Salzwasser und scheinbare Freiheit wirken Wunder."
„Danke Graham, ich weiß das sehr zu schätzen. Du hast diesen Tag überraschenderweise wirklich erträglicher gemacht."

Ich lächelte ihn ehrlich an, dann umarmte ich ihn zum Abschied. „Und ich wäre dir sehr verbunden, wenn nicht an die Presse gelangt, dass ich geweint habe. Oder all die anderen Dinge, die ich dir erzählt habe."
„Von mir erfährt niemand etwas."
Komischerweise glaubte ich ihm das.

*****

Na, erinnert sich noch jemand an Graham?

Ich muss euch leider schon einmal vorwarnen, dass ich demnächst möglicherweise nicht mehr regelmäßig updaten kann, was sehr schade wäre. Aber momentan wollen sie uns im Wechsel immer eine Woche im Präsenzuntrericht haben und eine Woche im Online-Unterricht. Und da einige wichtige Klausuren auf mich zu kommen, weiß ich noch nicht wie viel ich schreiben kann. Momentan habe ich noch ein bisschen was in Reserve, wir sitzen also noch nicht ganz auf dem Trockenen.

Natürlich möchte ich euch regelmäßig mit Stoff versorgen, einfach weil mir Willows Geschichte so ans Herz gewachsen ist, dass ich sie mit euch teilen möchte. Aber warten wir's ab!

Ich wünsche euch eine schöne Woche, bis nächsten Sonntag!

Debbie xx

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