Kapitel 20
„Dein Handy hört nicht mehr auf zu klingeln."
Ich kam gerade aus dem Badezimmer, als Susan mich auf mein klingelndes Smartphone hinwies, das auf dem Wohnzimmertisch lag. Es zeigte fünf Nachrichten und vierzehn verpasste Anrufe allesamt von Emmett an.
Wo bist du?
15:02
Ich mache mir Sorgen!
15:03
Melde dich sofort, wenn du das liest.
15:04
Ohne Personenschutz, bist du nun von allen guten Geistern verlassen?
15:09
RUF MICH AN!!
15:12
Oh verdammt. Brandon war wohl eingeknickt. Etwas widerwillig wählte ich Emmetts Nummer, bevor er noch den ganzen Palast in Aufruhr versetzte. Es klingelte kaum drei Mal, da nahm er auch schon ab.
„Wo zum Teufel bist du?", herrschte er mich sofort, ohne jegliche Begrüßung an.
„Ich bin an einem sicheren Ort, du brauchst dir keine Sorgen um mich zu machen."
Meine Versuche ihn zu beruhigen, waren relativ wirkungslos. „Das ist kein Spaß Willow, du könntest ernsthaft in Gefahr sein. Ich bin auf dem Weg zu deinem Vater."
„Nein!" Ich schrie schon beinahe in das Telefon, sodass Susan besorgt aufsah. „Bitte, geh nicht zu meinem Vater, ich flehe dich an."
Am anderen Ende der Leitung hörte ich Emmett seufzen. „Na schön, aber nur wenn du dich sofort auf den Rückweg machst. Solltest du in einer Stunde nicht hier aufgetaucht sein, werde ich den König informieren."
„Scheint als wäre dein Besuch nicht ganz legal gewesen", stellte Susan fest, als ich mein Smartphone wegsteckte. Ertappt lächelte ich. „Eigentlich sind mir momentan Ausflüge, die nicht dem Wohl der Krone dienen, untersagt. Schon gar nicht ohne jeglichen Personenschutz."
Emmett lief unruhig in meinem Zimmer auf und ab, als ich nach Hause kam. Erleichtert seufzte er auf.
„Es tut mir Leid, Emmett. Wirklich", begann ich sofort, bevor er irgendetwas sagen konnte. „Aber du hättest dir nicht so viele Sorgen machen müssen. Mir hätte nichts passieren können."
„Das ist nicht lustig Willow. Ich bin davon ausgegangen, dass du die Sache ernst genug nimmst, um nicht so etwas Dummes durchzuziehen. Ganz zu schweigen davon, wen du alles mit ins Verderben gestürzt hättest. Wäre ich zum König gegangen, hätte Brandon seinen Job verloren. Und ich vermutlich auch. Hast du daran auch gedacht?"
Beschämt biss ich mir auf die Lippen. Das war mir selbstverständlich nicht in den Sinn gekommen.
„Ich musste hier einfach mal raus. Wieder klare Gedanken fassen und alles von einem anderen Blickwinkel betrachten. Das war wichtig für mich."
Mein Bodyguard schüttelte nur fassungslos den Kopf. „Nur für's Protokoll", sagte Emmett, als er zur Tür ging. „Ein weiteres Mal decke ich dich nicht."
Das anstehende Polospiel verursachte eine euphorische Stimmung auf dem ganzen Gelände. Ich war in Begleitung mehrerer Bodyguards und das ganze Sicherheitsteam hatte Tage damit verbracht, die Gästeliste zu überprüfen und bei jedem einzelnen Anwesenden, selbst den Stallburschen, einen gründlichen Backround-Check durchgeführt. Es war lächerlich, dass ich zu solchen Anlässen gehen durfte, aber es mir untersagt war eine Bekannte zu Besuchen.
Sich bei der Mutter des Bodyguards das Herz auszuschütten trug nichts dazu bei, die Thronfolge zu sichern. Grahams Polospiel zu besuchen scheinbar schon.
Abgesehen davon, waren alle Besucher Mitglieder der High-Society und somit stolze Unterstützer des Königshaus. Ein Angriff auf die Kronprinzessin wurde Prozentual gering eingeschätzt.
„Wilhelmina, ich freue mich, dass du kommen konntest." Mit einem strahlenden Lächeln, nahm Graham mich in Empfang. In den weißen Reithosen und dem Poloshirt, wirkte er sogar noch attraktiver als sonst.
„Vielen Dank für die Einladung." Ich schenkte ihm ebenfalls ein Lächeln. „Ich bin nur etwas besorgt darüber, wer mir die Regeln des Spiels erklärt, wenn du selbst auf dem Platz bist."
Graham grinste. „Dafür ist gesorgt. Meine Familie hat dir mit Freuden ein Platz in ihrer Lounge reserviert."
Der Gedanke die nächsten Stunden von Grahams Eltern und seinem Bruder in die Mangel genommen zu werden, machte mich ein wenig nervös. Aber ich hatte sie bei unserem Herbstball bereits kennengelernt und sie hatten einen sympathischen Eindruck gemacht.
Die Lounge der Lanes war ein hübscher Pavillion am Rande des Spielfeldes, von denen es einige gab. Sie waren alle abgegrenzt, sodass jede Familie für sich alleine war. Jeder Pavillion hatte mehrere Stühle und Tische, so wie eine eigene Bedienstete, die für die Getränke zuständig war.
Mit einer Hand auf meinen Rücken, führte Graham mich um das Spielfeld herum und öffnete die Absperrung, die aus robustem rotemTau bestand.
„Wilhelmina, wie schön!", Grahams Mutter kam strahlend auf mich zu und gab mir links und rechts zwei Küsschen auf die Wange. „Wir haben uns so gefreut, als Graham uns erzählte, dass Sie die Einladung angenommen haben."
„Ich habe mich auch sehr über die Einladung gefreut."
„Dürfen wie Ihnen etwas zu trinken anbieten?"
Ich konnte kaum reagieren, da hielt ich auch schon ein Glas mitChampagner in der Hand.
„Ich lasse euch dann alleine, das Spiel beginnt gleich."
„Wir kommen schon zurecht, Schätzchen." Jillian scheuchte ihren Sohn mit einer liebevollen Handbewegung davon. „Wenn du deinen Vater und Bruder siehst, schick sie her. Die beiden können sich auch später noch die Pferde anschauen, die zum Verkauf stehen."
„Es ist immer das Gleiche mit diesen Männern", sagte sie an mich gewandt. „Ständig kaufen Sie irgendwelche neuen Pferde, nie können sie den Hals voll bekommen." Sie lachte amüsiert und nippte an ihrem Cocktail.
Kurz vor Spielbeginn gesellten sich auch Grahams Vater und Bruder zu uns. Während die Männer über das Potenzial der Pferde fachsimpelten, redete Jillian ununterbrochen auf mich ein.
Entweder redete sie von den Spielregeln oder erzählte mir den neusten Klatsch über die Spieler, wer mit wem gerade etwas hatte und so weiter. Natürlich ließ sie es sich nicht entgehen, ihren Sohn anzupreisen. Jillian verhielt sich zwar nett, aber ich vermutete, dass sie bereits mehrere Cocktails intus hatte.
„Graham ist so ein gescheiter Junge", seufzte sie irgendwann. „Wir sind ja alle so froh, dass sein Interesse der Politik gilt. Wenn er sich richtig anstellt, kann er es bis weit nach obenschaffen." Sie zwinkerte mir zu. Ich lächelte höflich, fand es aber etwas anmaßend. Jillian versuchte offensichtlich meine Entscheidung zu beeinflussen.
Wenn man so reich war wie die Lanes wares natürlich von noch größerem Vorteil, wenn eines der Kinder in das Königshaus einheiratete. Das würde ihnen die höchste Stellung in der High-Society verschaffen, direkt unter meiner Familie.
„Wenn er nicht gerade im Stall oder auf unsere Yacht ist, steckt er seine Nase ständig in irgendwelche politischen Bücher. Gerade erst, hat er wieder eine ganze Sammlung verschluckt, über die Landesoberhäupter aus dem Osten."
„Es ist schön, wenn junge Menschen heutzutage noch Interesse ander Politik haben", versuchte ich mich einzubringen. „Den meisten ist es nur noch wichtig wie viele Follower sie in den sozialen Medien haben."
„Du sagst es, du sagst es!"
Während der Pause ergriff ich die Möglichkeit auf die Toilette zuflüchten, um mich wenigstens für ein paar Minuten vor Jillian zu verstecken.
Ich war froh, als das Spiel vorbei war und Graham mich von seiner Mutter wegholte, um ihn in den Stall zu begleiten.
Seine Mannschaft hatte gewonnen und so war Graham überaus gut gelaunt.
„Ich hoffe es hat dir gefallen und meine Mutter hat dir nicht die ganze Zeit ein Ohr abgekaut."
„Naja, meine Ohren haben schon ein wenig gelitten, aber ich habe es überlebt."
Eine Angestellte nahm Graham sein Pferd ab, um es zu versorgen. Graham zeigte mir in der Zeit das Gestüt, das der Familie eines guten Freundes gehörte.
Wir verbrachten den restlichen Nachmittag zusammen, den ich sehr genoss. Die Besitzer des Gestüts hatten ein großes Picknick nach dem Spiel organisiert, sodass zwar weiterhin viel Trubel auf dem Gelände war, aber ich auch herzlich aufgenommen wurde.
Graham musste mich vielen Müttern seiner Mannschaftskollegen vorstellen, die ganz begeistert davon waren meine Bekanntschaft zu machen. So wie es schien, war Graham ein sehr begehrter Jungeselle, der wohl auch den älteren Damen den Kopf verdreht hatte. Beinahe jede Dame, die mir vorgestllt wurde, schwärmte über sein gutes Aussehen und die Charme.
Zwischen all den Gesprächen fanden wir einige ruhige Minuten für uns, in denen Graham kaum damit aufhörte mir Komplimente zu machen.
„Graham ist ein aufgeblasener Idiot."
Emmett begleitete mich nach unserer Rückkehr in den Palast in mein Zimmer. Den ganzen Tag war sein Gesicht eine einzige steinerne Maske gewesen, aber jetzt hatte er genervt seine Augenbrauen zusammengezogen.
„Wie bitte?"
„Also ehrlich, die ganzen Komplimente die er dir hinterhergeworfen hatte, waren ziemlich übertrieben."
„Ich fand es eigentlich ganz nett", rechtfertigte ich mich. Mit einem erleichternden Seufzen befreite ich mich von meinen High-Heels. Meine Füße taten mir schon seit Stunden weh.
„Das kannst du doch nicht ernst meinen", brummte Emmett empört. Er hatte seine Krawatte bereits ein wenig gelockert und zog jetzt sein Jackett aus.
„Doch und ich meine es auch ziemlich ernst, wenn ich dir jetzt sage, dass du dich nicht zu Graham oder den anderen zu äußern hast."
Emmett zog seine Augenbrauen ungläubig nach oben. „Führen wir jetzt schon wieder die Diskussion über meine Zuständigkeitsbereiche?"
„Offensichtlich ja." Ich begann damit meinen Schmuck abzunehmen. Der Tag war lange und anstrengend gewesen und ich sehnte mich nach meinem Bett. „Ich habe es satt, dass du dich zu diesen Männer nimmer so negativ äußern musst. Einen von ihnen werde ich heiraten und deine abschätzigen Kommentare nerven. Also entweder du hältst zukünftig deinen Mund, oder wir müssen deine Versetzung beantragen."
Entrüstet schnaubte er.
„Entschuldige bitte dass ich nicht gerne dabei zu sehe, wie die Frau die ich liebe, sich mit anderen Männern trifft!"
Ich ließ meine Armen sinken und sah Emmett mit großen Augen an. Wie festgewachsen stand ich vor meinem Spiegel.
Er hatte die Worte ausgesprochen, aber sie so vor den Latz geknallt zu bekommen, nahm ihnen die Beudeutung.
Ich war unfähig zu antworten oder mich auch nur zu bewegen.
„Alles klar", murmelte Emmett und drehte sich zur Tür.
„Nein Emmett warte." Endlich hatte ich meine Stimme wiedergefunden, aber er schüttelte nur den Kopf.
„Ich befehle es dir!", rief ich mit meiner autoritärsten Stimme. Doch das war offensichtlich die falsche Herangehensweise, denn daraufhin explodierte er endgültig. Seine Hand lag schon auf derTürklinke, die er aber dann zurückzog, um mit erhobenen Zeigefinger auf mich zuzukommen.
„Von mir aus kommandiere deine Zofen herum und bring' sie zum Weinen, aber ich habe es satt wie eine Marionette von dir hin und hergeschoben zu werden. Also steck' dir deine Befehle sonst wo hin! Du glaubst vielleicht etwas Besonderes zu sein, aber ohne dein Krönchen auf dem Kopf bist du auch nur ein Niemand wie wir alle. Und weißt du was? Irgendwann wirst du aufwachen und bemerken, dass du keine Menschen mehr um dich herum hast, denen du etwas bedeutest, weil du alle mit deiner Herrschsucht vergrault hast."
Emmett knallte die Tür hinter sich ins Schloss, was mich zusammenzucken ließ. Erst da bemerkte ich die heißen Tränen, die mir über die Wangen liefen. Doch heute wischte ich sie mir nicht aus dem Gesicht und ich hob auch nicht kämpferisch mein Kinn. Ich ließ die Tränen so lange laufen, bis ich hämmernde Kopfschmerzen hatte und mein Kissen ganz durchweicht war.
*****
Es tut mir unglaublich leid, dass ihr so lange auf ein neues Kapitel warten musstet! Aber meine stressige Klausurenphase ist nun vorbei und somit habe ich endlich wieder Zeit zum Schreiben, ich habe es ziemlich vermisst.
Ich hoffe ein paar von euch sind noch dabei. Wie immer freue ich mich über ein Like oder ein Kommentar!
Debbie
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