Kapitel 2

„Ihr Auftritt heute Morgen war toll, Eure königliche Hoheit", sagte Lucy lächelnd, während sie mir die Haare bürstete.

Den restlichen Tag hatte ich heute größtenteils in meinem Arbeitszimmer verbracht, da Dad mir einiges an Arbeit für die nächste Sitzung mit unseren Beratern gegeben hatte. Also hatte ich mich durch trockene Artikel gequält und als Resultat rasende Kopfschmerzen.

Nach dem Abendessen hatte ich mich auf mein Zimmer verzogen und mir ein heißes Bad gegönnt. Jetzt saß ich in meinem Pyjama und Morgenmantel auf einem der Sessel im Wohnbereich und genoss die sanften Bewegungen, die Lucy mit der Haarbürste ausübte.

„Mhm", brummte ich eher unzufrieden und schloss die Augen. „Es war viel zu steif. Man hat mir das Ganze überhaupt nicht abgekauft." Mehrmals hatte ich mir diese lästige Aufnahme angesehen und fand sie von Mal zu Mal schlimmer.

Kurz darauf war das Internet explodiert. Die Nachricht über die „Royale Bachelorette" (ich hasste diesen Ausdruck), verbreitete sich wie ein Lauffeuer. Viele verstrahlte Menschen, konnten es kaum abwarten, andere wiederum hatten nur unschöne Kommentare übrig.

„Ach was", winkte Lucy ab. „Sie haben sich dieses Video zu oft angeschaut und fokussieren sich nur auf die Fehler, die Sie in ihren Augen gemacht haben. Aber der Großteil des Landes ist ganz aus dem Häuschen. Immerhin dürfen sie hautnah miterleben, wie ihre zukünftige Königin sich verliebt."

„Wenn die verstrahlte Wahrheit alles ist, was sie wollen", seufzte ich und Lucy lachte. „Sie sehen das alles so schrecklich ernst. Und wer weiß...", sie grinste schelmisch. „Vielleicht ist ihr Traumprinz ja doch unter diesen Männern. Die große Liebe kommt immer dann, wenn man sie am wenigsten erwartet."

Ich belächelte sie nur, widersprach aber nicht. Lucy war gerade einmal neunzehn Jahre alt und träumte wie viele Mädchen von der wahren Liebe. Aber ich hatte mittlerweile aufgeben ihr erklären zu wollen, dass es so etwas wie die wahre Liebe für mich nicht gab.

Ich schickte Lucy schließlich weg, damit sie einen ruhigen Abend genießen konnte. Wenn sie noch länger von der wahren Liebe reden würde, würde ich wahrscheinlich das Abendessen in die Kloschüssel befördern. An der Tür hörte ich, wie sie mit jemandem zusammenstieß.

„Hoppla", klang ihre helle Stimme zu mir. „Soll ich dich ankündigen, Emmett?" Bevor ich seine Antwort hörte, rief ich: „Ist schon gut Lucy, er kann herein kommen!"

Emmett trat in den Wohnbereich. Er trug bereits kein Jackett mehr, sondern nur noch das weiße Hemd, das in seiner schwarze Anzugshose steckte. Die Krawatte hatte er sich schon aufgebunden, sie baumelte lose um seinen Hals und die ersten Knöpfe seines Hemdes waren geöffnet.

Wie attraktiv er doch ist, schoss es mir durch den Kopf, doch peinlich berührt über diesen Gedanken, verbannte ich ihn weit in die hintere Ecke meines Gehirns.

„Ich dachte du hast schon Feierabend?"
„Habe ich auch, aber Seine Majestät hat mich gebeten dir das hier", er wedelte mit einer dicken Mappe, „unbedingt heute Abend noch vorbeizubringen."

Er legte sie auf dem Wohnzimmertisch ab und etwas verwundert stand ich auf, um mir den Inhalt anzusehen. Doch als mir ein Foto eines breit grinsenden jungen Mannes entgegensprang, stöhnte ich frustriert auf und ließ mich zurück auf den Sessel fallen.

Es waren die Steckbriefe der zwanzig Männer, die ich in den nächsten Monaten kennenlernen sollte. Ich legte mir einen Arm über die Augen und gab ein jämmerliches Geräusch von mir. Emmett lachte leise.

„Wir haben bei allen gründliche Background Checks durchgeführt, du solltest also nichts zu befürchten haben. Und sollte uns doch einer durch die Lappen gegangen sein, das Sicherheitsaufgebot bei deinen Dates wird groß sein." 

„Das sind keine Dates", nuschelte ich in meine Armbeuge. „Eher so etwas wie eine Auktion."

Erneut lachte Emmett leise. „So schlimm werden diese Männer nicht sein. Ich hab mich ausführlich mit ihnen beschäftigt und es scheinen wirklich einige Nette darunter zu sein."

Ich nahm den Arm herunter und sah ihn empört an. Mein Gesicht brachte ihn erst recht zum Lachen. „Entschuldige mal! Fang du bloß nicht auch noch an dich in dieses Schlamassel einzumischen."

Trotzdem konnte ich mir ein kleines Lachen nicht verkneifen. Erschöpft rieb ich mir über die Augen. „Danke, dass du dir soviel Mühe gemacht hast, die potentiellen Anwärter zu überprüfen. Das hat sicher lange gedauert." 

„Halb so wild", tat Emmett es schulterzuckend ab. „Deine Sicherheit ist wichtig." Ich zog eine Augenbraue hoch. „Meine Sicherheit liegt dir nur am Herzen, weil du sonst deinen Job sofort wieder verlieren würdest, den du seit exakt einem Tag hast."

Er tat so als würde er nachdenken und tippte sich mit dem Zeigefinger gegen die Lippe. „Das stimmt natürlich. Mein Job ist mir um einiges lieber." Ich verdrehte lächelnd die Augen.

Wie leicht es mir doch fiel mit ihm Konversation zu führen. Doch sobald ich diesen Gedanke auch nur ansatzweise zu Ende geführt hatte, meldete sich meine pragmatische und verantwortungsbewusste Seite zurück.

Ich kannte diesen Emmett nicht und zahlreiche Erfahrungen hatten mich gelehrt, vorsichtig zu sein wem ich vertraute. Schließlich war ich Kronprinzessin von England, ich würde die nächste Königin werden und in diesem Zuge hatte ich gewisse Verpflichtungen.

„Kannst du fechten?", fragte ich urplötzlich und der abrupte Themenwechsel ließ ihn verwirrt die Stirn runzeln. „Ich habe es schon einige Male ausprobiert, aber besonders oft habe ich es noch nicht gemacht", antwortete er, offensichtlich äußerst verunsichert.

„Schön, das wird reichen. Bei Gelegenheit wirst du dich gegen mich behaupten müssen." Es war ihm an zu sehen, dass er nicht so recht wusste, ob er sich freuen, oder doch lieber Respekt vor meiner Ankündigung haben sollte. Wollten wir doch mal sehen, ob seine Kampfkünste tatsächlich so gut waren.

„Touché!" Triumphierend zog ich den Schutzhelm vom Kopf und strich mir mit dem Handrücken über meine verschwitze Stirn. „Eins zu Null für mich!"

Auch Emmett zog sich den Helm über den Kopf und griff nach seiner Wasserflasche, die am Rand stand. Gierig trank er sie bis zur Hälfte aus.

„Nicht schlecht", musste er sich eingestehen. „Ich hätte nicht erwartet, dass eine Prinzessin so gut fechten kann."
„Wahrscheinlich bist du einfach nur so schlecht, dass es so aussieht als wäre ich gut."

Er lachte. „Nein im Ernst. Wer hat dir das beigebracht?"
„Mein ehemaliger Bodyguard. Er war für mich zuständig seit ich denken kann, aber ist jetzt leider in Rente gegangen. Ich brauchte einfach etwas, bei dem ich Dampf ablassen kann. Also hat er mir ein paar Vorschläge gemacht und fechten hat mir am besten gefallen."
Ich zuckte mit den Schultern. „Seit dem musste er regelmäßig mit mir kämpfen."

Emmett musterte mich eingehend. „Das ist wirklich beeindruckend."

„Weil meine Therapie nicht darin besteht meine Make-Up Sammlung zu sortieren?", fragte ich spöttisch.

„Sei doch ehrlich, wenn man den Begriff Prinzessin hört, denkt man an glamouröse Kleider und Unmengen an Zofen, die einem ein Milchbad einlassen. Kaum einem kommt in den Sinn, dass sie fechten könnte."

Leise seufzte ich. „Aber wer macht sich schon die Mühe hinter die Fassade zu schauen?" Emmett wollte etwas entgegnen, aber er ließ es bleiben. Stattdessen schlug er eine Revanche vor. Ich schob die Unterhaltung in die hinterste Ecke meines Gehirns und lächelte herausfordernd.

„Bist du für eine zweite Niederlage bereit?" Gerade wollten wir unsere Helme wieder aufsetzten, als die Tür des Trainingsraumes aufging und Matthew, der Kammerdiener meines Vaters, im Türrahmen erschien.

„Eure königliche Hoheit", er verbeugte sich schnell. „Seine Majestät erwartet Sie in seinem Arbeitszimmer."

Genervt stöhnte ich auf. „Sagen Sie ihm ich komme sofort." Als er gegangen war, um meine Nachricht zu überbringen wandte ich mich wieder meinem Bodyguard zu. „Die Revanche müssen wir auf ein anderes Mal verschieben. Wir haben zu arbeiten."



*****

Willow und Emmett lernen sich also langsam kennen... Wie steht ihr zu den Entwicklungen? Und wie findet ihr Willow bis jetzt? Könnt ihr euch schon ein wenig in sie hineinversetzten, oder seht ihr sie als distanzierte Prinzessin? Lasst es mich doch wissen, ich freue mich über euer Feedback.

Liebe Grüße x

Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top