Kapitel 18
Die Idee für einen Herbstball kam von mir. Dad war einverstanden und da die Gartenparty ein Erfolg war, sollte ich auch diesen Tag organisieren.
Es war als hätte ich Blut geleckt, denn mich in kreative Vorbereitungen zu stürzen, gehörte momentan zu meinen Lieblingsbeschäftigungen. Hauptsächlich, weil es die schwerwiegenden Dinge in den Hintergrund rückte, mit denen ich mich eigentlich beschäftigen sollte.
So verdrängte ich den Gedanken anEmmett, zu dem ich mich immer mehr hingezogen fühlte, obwohl ich es nicht sollte. Keiner von uns hatte die Sache zwischen uns jemals benannt, doch auf irgendeine Art und Weise führten wir eine Beziehung. Ich war glücklich damit und wollte nicht darüber nachdenken was passieren würde, wenn ich es beenden musste. Denn dieser Tag würde unweigerlich kommen.
„Mit roten Blumen wäre ich vorsichtig." Unter anderem traf ich mich mit einer Floristin, um passenden Blumenschmuck auszuwählen. „Rot steht für Leidenschaft und Gefühle, je dunkler die Farbe, desto intensiver die Gefühle. Zwar wird dieser Ball mit einer romantischen Intension kombiniert, aber diese Farbe könnte möglicherweise falsche Signale senden. Und kombinieren sie niemals rote Blumen mit einer einzelnen weiße, damit erklären sie den Krieg. Das wäre in ihrem beruflichen Umfeld ziemlich heikel."
„Oh wow", überwältigt lachte ich auf. „Mir war nicht klar, wie viel man mit Blumen und Farben ausdrücken kann."
Ich wurde mit einem milden Lächeln bedacht. „Es ist eine Sprachefür sich. Man kann damit auch eine Menge falsch machen, also sollte man lieber darüber nachdenken, bevor man Blumen verschenkt. Viele machen den Fehler gelbe Nelken zu verschenken, weil gelb eine fröhliche Farbe ist. Gelbe Nelken stehen allerdings für Abneigung."
Wir einigten uns schließlich auf orange Dahlien und Gladiolen, da orange Wärme, Optimismus und Energie ausdrückte. Somit hatten wir auch einen Bezug zu dem Herbstthema, wodurch der ganze Ballsaal in orange, braun, gelb und rot erstrahlen würde. Die Blumensträuße würden trotzdem mit einigen hellroten Rosen Akzente erhalten, da Liebe dennoch ein zentrales Thema sein würde. Wir achteten allerdings auf die richtige Dosierung.
Mit den Köchen sprach ich lange und ausführlich das Menü ab. Ich probierte mich durch unzählige Vorspeisen, Hauptgerichte und Desserts. Die kleinen, fluffigen Törtchen die mir gereicht wurden waren himmlisch und ließen mich beinahe aufstöhnen.
Die Leiterin des Dekorationsteams wollte mit mir das Stoffbuch durchgehen, die wir für die Vorhänge und Tischdecken benutzen würde. „Ich habe das Buch ihrer Schwester gegeben", ließ sie mich gestresst wissen, als sich sie danach fragte. „Sie wird es noch haben, ich habe es noch nicht zurück erhalten."
„Warum hat meine Schwester die Stoffauswahl?", wollte ich überrascht wissen. Ich bekam allerdings nur ein Schulterzucken, dann rauschte die Frau von der Dekoration ab, um ihren Helferinnen Anweisungen entgegen zu brüllen. „Die kleineren Sträuße sind für die Getränkebar, hört mir denn hier niemand zu?"
Es war wohl besser sie nicht weiter zu stören, also machte ich mich auf den Weg zu Olivias Zimmer.
„Olivia?", ich klopfte mehrmals an ihre Tür, doch niemand reagierte. Da ich weder Lust noch Zeit hatte später wieder zukommen, da ich die Stoffauswahl am besten schon gestern getroffen hätte, trat ich einfach ein.
Ich sah das Buch auch sofort auf ihrem Bett liegen und wollte es mir eigentlich nur schnell holen, als mein Blick durch ihr Zimmer schweifte. Es war unglaublich ordentlich, was ich nicht von ihr erwartet hätte. Aber mehr überraschte mich die Nähmaschine auf dem Schreibtisch, die Stoffbahnen, die daneben lagen und die lebensgroße Ankleidepuppe, die ein atemberaubendes Kleid trug.
Vorsichtig ging ich näher, um über den weichen Stoff zu fahren. Das Kleid war bordeauxrot, lag bis zu der Hüfte eng an und fiel dann in seichten Wellen bis zum Boden. Außerdem hatte es einen wahnsinnig tollen Rückenausschnitt und eine Art Oberteil aus Spitze.
„Was machst du in meinem Zimmer?" Ertappt sprang ich einen Schritt zurück, als die wütenden Stimme meiner Schwester erklang. Mit verschränkten Armen stand sie im Türrahmen. Seit der Auseinandersetzung im Garten waren wir uns erfolgreich aus dem Weg gegangen.
Ich wusste nur von Emmett, dass der Partyabend auf ihrer Seite zwar sehr berauschend war und sie danach stockbesoffen und kaum zurechnungsfähig war, es für ihn aber nicht weiter dramatisch war. Er wurde zum Glück kaum beachtet.
„Ich wollte das Stoffbuch holen für die Dekoration. Hast du dieses Kleid etwa selbst gemacht?" Mit großen Augen zeigte ich hinter mich.
Olivia stieß sich vom Türrahmen ab und zuckte unbeteiligt mit denSchultern. „Ja."
„Das ist wunderschön! Ich wusste gar nicht, dass du so etwas kannst."
„Du interessierst dich auch nicht wirklich für mein Leben."
Betroffen biss ich mir bei Olivias gnadenlosen Worte auf die Lippen. Aber sie hatte Recht. Die meiste Zeit drehte ich mich um meine eigenen Probleme. Olivia war da nur ein nerviges Anhängsel.
Ich wusste nicht was ich sagen sollte und traute mich kaum sie anzusehen. Meine Schwester ging zum Bett nahm sich das Stoffbuch und drückte es mir in die Hand.
„Ich habe zwei Stoffe markiert die ich passend fände. Der eine für die Vorhänge, der andere für die Tischdecken. Vielleicht hilft das bei der Entscheidung. Wenn du mich jetzt entschuldigst, ich muss noch einiges erledigen."
Schweigend nickte ich, dann verließ ich das Zimmer das Stoffbuchfest an meinen Oberkörper gedrückt.
Am großen Tag kam Lucy atemlos mit meinem Kleid in das Zimmer gerauscht. „Die Schneiderinnen sind gerade erst fertig geworden, aber es sieht umwerfend aus!"
Breit grinsend legte sie vorsichtig die Kleiderhülle ab und nahm ein Traum aus dunkelgrün heraus.
Etwas unsicher betrachtete ich mich später im Spiegel, als ich indas Kleid geschlüpft war. Es war ungewohnt mich in einer anderen Farbe als schwarz zu sehen. Obwohl die Farbe nicht hell war, hatte ich Bedenken diesen Schritt zu gehen.
Die offizielle Zeit der Trauer war schon lange vorbei und was ich anzog, brachte meine Mum nicht zurück. Auch wenn es sich anfühlte, als würde ich mich immer weiter von ihr entfernen.
„Sie wäre sehr stolz auf dich", sagte Lucy leise hinter mir, mit einem leichten Lächeln auf den Lippen.
Tränen traten mir in die Augen, die ich tapfer weg blinzelte. „Danke."
Der Ballsaal hatte sich in einen Herbstball verwandelt. Alles war perfekt aufeinander abgestimmt. Von den Vorhängen, über die Dekoration, die Blumengestecke und die Art wie das Besteck angeordnet war. Stolz erfüllte mich, als ich sah was ich in den letzten Tagen auf die Beine gestellt hatte.
Eine große Tafel war gedeckt worden, aus Lautsprechern erklangen leise Töne und eine Tanzfläche war für später errichtet worden. Unsere Gäste Austin, Theodore, James und Graham, sowie dessen Eltern waren bereits da. Ich hielt eine kleine Ansprache, in der ich mich für ihr Kommen bedankten. Dann ließen wir uns alle nieder und unsere Bediensteten begann damit, die Vorspeise aufzutragen.
Überall wurden Gespräche angefangen und ich war froh darüber, damit keine angespannte Stimmung entstand.
„Du hast hier etwas Tolles auf die Beine gestellt." Ein Lob aus Dads Mund zu hören, war fast so überraschend wie kein Regenwetter in England. Ich stand gerade etwas abseits, um das Geschehen in Ruhe überblicken zu können.
„Danke. Es hat Spaß gemacht."
„Du kannst stolz auf dich sein." Er lächelte kurz, dann ging er zu James' Eltern, um sie in ein Gespräch zu verwickeln.
„Darf ich Ihre königliche Hoheit um den ersten Tanz bitten?" Graham hielt mir die Hand hin und lächelte charmant.
„Sehr gerne." Er führte mich auf die Tanzfläche und das war der Moment, in dem ich mich zur Abwechslung begann zu amüsieren.
Ausgelassen tanzte ich abwechselnd mit ihm und den anderen drei. Zu fünft hatten wir Spaß, ohne dass es ihn einen Konkurrenzkampf ausartete. Meine vier Kandidaten respektierten und akzeptierten sich, worüber ich mehr als glücklich war. Noch mehr Konflikte konnte ich im Moment wirklich nicht ertragen.
Irgendwann zwischendrin kam mir der Gedanke, dass ich zwar einen von ihnen heiraten, aber mit den anderen befreundet bleiben würde. Jeder von ihnen war mir auf eine Weise wichtig geworden, die ich nicht erwartet hatte. Und die Gewissheit, dass alle vier mich in der Zukunft unterstützen würden, war beruhigend.
Mit einem zufriedenen Lächeln schlenderte ich spät in der Nacht auf mein Zimmer, gefolgt von meinem Bodyguard, der den ganzen Abend im Dienst gewesen war.
Emmett folgte mir in mein Zimmer, obwohl ich erwartet hatte, dass er mir an der Tür eine gute Nacht wünschen würde.
„Gewährst du mir diesen Tanz?"
„Was?" Überrascht sah ich ihn an. „Hier?"
„Ich musste den ganzen Abend zusehen, wie du mit anderen Männern tanzt ohne auch nur in deine Nähe kommen zu dürfen. Ich möchte wenigstens ein Mal mit dir tanzen."
Es war dunkel in meinem Zimmer und der Mond schien hell durch meine Balkontür, als ich mich an ihn schmiegte und wir uns langsam hin und her bewegten. Mein Kopf legte ich an seiner Brust ab und atmete tief seinen Geruch ein. Ich schloss die Augen und konzentrierte mich auf seinen regelmäßigen Herzschlag. Währenddessen musste ich an Lucys Worte denken, die mir zu Beginn des Castings versichert hatte, irgendwann würde ich mit meinem Traummann im Mondschein tanzen.
Gleichzeitig zog sich mein Herz schmerzhaft zusammen, weil ich das hier niemals haben konnte. Also klammerte ich mich an verborgene Momente wie diesen, um mich später daran erinnern zu können wie es sich anfühlte verliebt zu sein.
Ich hob den Kopf, um Emmett zu einem Kuss zu mir herunter zu ziehen. Seine Lippen auf meinen fühlten sich so richtig an. Leise seufzte ich. „Ich wünschte es könnte immer so sein", murmelte ich, als ich meine Stirn an seine lehnte. Vorsichtig strich Emmett mir über die Wange. „Das könnte es", erwiderte er genauso leise. „Du kannst Dinge ändern, das weißt du."
„Das ist nicht so einfach und das weißt du auch." Ich wollte nicht in diesem Moment mit ihm darüber streiten, dass das Gesetz besagte, er wäre nicht gut genug für eine Prinzessin. Nur weil er als bürgerlich galt.
„Also spielst du dieses Spiel weiter und heiratest einen von diesen adeligen Männern, während ich als dein Bodyguard zusehen muss? Oder betrügst du dann deinen Zukünftigen und kommst für eine vereinzelte Nacht zu mir zurück?"
„Das ist nicht fair Emmett." Ich löste mich von ihm, um ihn in die Augen sehen zu können.
„Nicht fair? Es ist auch nicht fair, dass du mich behandelst als würde ich dir etwas bedeuten, aber du mir trotzdem sehr deutlich zu verstehen gibst, dass wir niemals eine Chance haben werden. Das ist nicht fair, Willow. Es tut nur unnötig weh."
Ungewollt traten mir Tränen in die Augen. „Emmett du bedeutest mir sehr viel. Mehr als ein Mann mir jemals bedeutet hat. Aber ich bin verpflichtet jemand zu heiraten, der adeliger Abstammung ist." Schmerzhaft schloss ich die Augen.
Es war nicht leicht ihm so deutlich sagen zu müssen, dass seine Herkunft und sein Gehalt ihn in Augen des Gesetzes minderwertig machten. Ich sah ihm an, wie sehr ihn das verletzte.
„Als zukünftige Königin von England habe ich Verpflichtungen die ich einhalten muss. Gerade wegen den Spannungen im Volk, kann ich mir jetzt keinen Fehler leisten."
Bitter lachte Emmett auf. „Einen Fehler."
Beschämt biss ich mir auf die Lippe. Verdammt. „So habe ich dasnicht gemeint", versuchte ich zurück zu rudern. „Aber etwas Unerwartetes, könnte das Fass zum Überlaufen bringen."
Emmett sah mir so direkt in die Augen, dass mir ein Schauer über den Rücken lief. „Vielleicht bedeute ich dir etwas. Aber offenkundig nicht genug, damit du über deinen Schatten springst." Er drehte sich um, vergrub die Hände in den Hosentaschen und ging zu Tür.
„Emmett, bitte."
Seufzend drehte er sich zu mir um. „Ich werde dich nicht dazu zwingen eine Entscheidung zu treffen. Aber du sollst wissen, dass ich garantiert nicht zusehen werde, wie du einen anderen Mann heiratest."
Als er sich diesmal umdrehte, hielt ich ihn nicht auf.
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