Kapitel 11

Während ich versuchte mich nicht wieder in ein Wasserfall zu verwandeln, hatte Emmett das Kommando übernommen.

Er dirigierte mich fürsorglich in mein Zimmer und beauftragte die erstbeste Zofe die uns über den Weg lief damit, mir sofort Tee aufzukochen. Zusätzlich ließ er nach Lucy schicken, die völlig außer Atem in mein Zimmer gestürmt kam.

„Was ist passiert?", keuchte sie. „Es hieß es ist dringend, da bin ich durch den ganzen Palast gerannt. Ist alles in Ordnung bei dir?" Besorgt wurde ich von ihr gemustert.

„Es gab ein unschönes Aufeinandertreffen mit den Paparazzi", klärte Emmett sie knapp auf. „Würdest du ihr ein Bad mit Lavendelblüten einlassen? Danach soll sie sich ins Bett legen."

Eifrig verschwand Lucy im Badezimmer. Wieso wusste mein Bodyguard, dass ich gerne Lavendel in meinem Badewasser hatte?

„Geht es wieder?", fragte mich Emmett und auch er musterte mich besorgt.
„Ich will einfach nur noch ins Bett", murmelte ich schwach.
„Lucy wird sich darum kümmern. Ich sehe dann später noch einmal nach dir."

Meine Zofe verhielt sich toll. Sie half mir in die Wanne, brachte mir den Tee herein und begann unaufgefordert damit meine Haare mit Shampoo zu bearbeiten, da sie genau wusste wie sehr ich das mochte.

Danach legte sie mir meinen Pyjama zurecht und föhnte meine nassen Strähnen trocken, bevor sie mich ins Bett verfrachtete. Kein einziges Mal stellte sie eine Frage und dafür war ich ihr sehr dankbar.

Obwohl ich mir nichts sehnlicheres wünschte, als in einen traumlosen Schlaf zu fallen, war mein Körper noch viel zu wach um überhaupt daran zu denken. Deshalb lag ich wach und starrte an die Wand, bis es an der Tür klopfte.

Emmett trat zu mir ans Bett und lächelte vorsichtig. Mittlerweile trug er Jogginghose und T-Shirt, da sein Dienst bereits vorbei war. Mir fiel auf, dass ich ihn noch nie in Alltagsklamotten gesehen hatte und musste mir eingestehen, dass er sogar in einer einfachen Jogginghose unverschämt gut aussah.

„Hast du meinem Vater Bericht erstattet?"
„Ja und er war nicht begeistert. Ich habe ihm gesagt, dass du dich von dem Schock erholen wirst und ihr morgen über die Angelegenheit sprecht."

Ich verzog das Gesicht bei der Vorstellung ein weiteres Donnerwetter über mich ergehen lassen zu müssen.
„Danke."
„Keine Ursache, das ist immerhin mein Job." Emmett wandte sich zum Gehen, doch ich hielt ihn auf.

„Warte, Emmett. Kannst du hier bleiben? Zumindest bis ich eingeschlafen bin?"
Ich konnte ihm ansehen, wie sehr er mit sich rang. „Ich glaube das ist keine gute Idee", erwiderte er schließlich zögerlich.

„Bitte. Wenn du da bist fühle ich mich sicher."

Er seufzte, dann streifte er sich die Schuhe von den Füßen und setzte sich neben mich auf die Matratze. Mit dem Rücken lehnte er sich an das Gestell, während ich mein Kopf auf seinem Schoß ablegte. Seine Finger fanden den Weg in meine Haare und fuhren bedächtig durch die braunen Strähnen.

„Mum war diejenige, die die Familie zusammen gehalten hat", sagte ich schließlich in die Stille hinein. Einen Moment lang wartete ich ab, doch Emmetts Schweigen forderte mich auf weiter zusprechen, wenn ich dazu bereit war.

„Und seit sie nicht mehr da ist, habe ich das Gefühl wir drei brechen auseinander. Wir leben alle nur nebeneinanderher. Olivia macht ihr eigenes Ding indem sie gegen alles was mit der königlichen Sitte zu tun hat, rebelliert. Dad spricht nicht mehr von Mum und tut so, als ob sie gar nicht existiert hätte. Alles was für ihn zählt ist England und das Volk."

„Dich hat der Verlust sehr getroffen", stellte Emmett leise fest.
„Sie war meine beste Freundin. Olivia und ich sind zwar Zwillinge, sehen aber weder gleich aus, noch haben wir ähnliche Charakterzüge. Wir sind grundverschieden in allen möglichen Aspekten, deswegen kann ich mich auch kaum daran erinnern, wann wir das letzte Mal etwas zusammen gemacht haben. Daher war Mum die Einzige die ich hatte. Sie war die beste Mutter und eine unglaubliche Königin. Ich werde ihr niemals gerecht werden."

„Du solltest nicht versuchen so wie deine Mutter zu werden. Solange du du selbst bist, bekommt England mit dir die schönste und talentierteste Königin."

Ich war froh, dass mein Gesicht nicht ihm zugewandt war, denn bei seinen Worten schoss mir die Röte ins Gesicht.
„Ach hör doch auf", nuschelte ich. Emmetts Körper erbebte unter mir, als dieser lachte.

Es tat gut mit jemandem zu reden, der mir nicht die ganze Zeit zurechtwies. Emmett hörte mir zu. Seit langem hatte ich mich nicht mehr so befreit gefühlt, als ich mir endlich meine Trauer von der Seele reden konnte.

Der Wutausbruch meines Vaters blieb am nächsten Morgen überraschenderweise aus. Vielleicht weil er eine Nacht Zeit hatte herunterzukommen. Dad hatte nur resigniert geseufzt. „Du solltest dich öffentlich entschuldigen und dann stellen wird diesem Reporter einen Scheck aus, damit er den Schaden ersetzen kann", war alles was er dazu sagte.

Entweder er hielt meine Fähigkeit mich in der Öffentlichkeit zu präsentieren nun für völlig verloren, oder er war nachsichtig mit mir, weil es Mums Todestag gewesen war. Vielleicht konnte er ja sogar ein bisschen nachvollziehen wie ich mich gefühlt hatte.

Unser Kamerateam wurde also noch am selben Tag zusammengetrommelt, ein Scheck vorbereitet und eine Rede für mich geschrieben. Ich sollte lediglich tiefe Reue zeigen und mich für meinen Fehltritt entschuldigen, ohne dabei groß auf eine Erklärung einzugehen. Dad war Ausnahmsweise mit dem Verlesen meiner Rede zufrieden, dann war das Thema vom Tisch.

Einzig und allein Olivia zog mich weiterhin damit auf. Ich hätte ihr damit für paar Tage alle Schlagzeilen geklaut. „Meine Party- und Männergeschichten können mit deinem Wutausbruch nicht mithalten." Sie war aber auch die Einzige, die das lustig fand.

Obwohl ich Zeit zum Fechten fand, lenkte mich der Sport nicht wirklich ab. In meinem Kopf rasten die Gedanken nur so durcheinander. Schuldgefühle, weil ich handgreiflich geworden war, vermischten sich mit Heiratsfragen und politischen Angelegenheiten.

So fand ich mich schließlich erschöpft auf dem Sofa liegend wieder, als meine Tür aufgerissen wurde und Emmett voller Tatendrang herein marschierte.

„Du wirst mich über das Wochenende begleiten", platze er ohne Vorwarnung heraus. Ächzend setzte ich mich auf und musterte ihn kritisch.

„Was?" Meine Gegenfrage war offensichtlich ziemlich einfallslos, aber für mehr Gedankengänge war ich momentan nicht im Stande.

„Ich habe das Wochenende frei und werde nach Hause fahren und du kannst mich begleiten. Natürlich nur wenn du das auch willst. Aber ich dachte, es würde dir helfen den Kopf frei zu bekommen."

„Mein Vater wird mich niemals einfach so wegfahren lassen. Er findet sicherlich noch Zusatzaufgaben für mich, damit ich nicht in Langeweile verfalle. Also vergiss es." Ich ließ mich wiederzurückfallen und schloss die Augen. Vielleicht könnte ich noch ein wenig vor mich hin dösen, bevor es Abendessen gab.

„Ich habe schon mit deinem Vater gesprochen und er ist einverstanden."
Überrascht riss ich die Augen wieder auf. „Was?", fragte ich schon wieder ziemlich dümmlich.

„Wir haben uns vorhin unterhalten und ich habe seiner Majestät erklärt, dass dich der Vorfall auf dem Friedhof sehr aufgewühlt hat. Es würde dir sicherlich gut tun zwei Tage abzuschalten, damit du dir über einige Dinge klar werden kannst. Ich habe ihm hoch und heilig versprochen, die Unterkunft wäre sicher und dafür gebürgt, dass dir nichts passiert", klärte Emmett mich auf.

„Und dann hat er einfach so zugestimmt, dass ich in Kurzurlaubfahren darf?"
„Nicht ganz. Der entscheidende Punkt war, dass du nach demWochenende deine Vorauswahl triffst."

„Bist du verrückt?" Fassungslos sah ich ihn an. „Du kannst nicht einfach für mich entscheiden, wann ich die Auswahl eingrenze. Ich kriege schon genug Druck von meinem Vater, dann musst du dich ganz sicherlich nicht auch noch einmischen!"

„So war das doch auch gar nicht gemeint Willow", sagte er besänftigend.
„Nur musst du, meines Wissens nach, diese Entscheidung sowieso in den nächsten Tagen treffen. Ich wollte dir nur etwas Gutes tun und so hat sich dein Vater nun einmal überzeugen lassen. Es liegt aber natürlich bei dir, ob du mitkommen willst."

Ich musste mir leider eingestehen, dass Emmett Recht hatte. In den kommenden Tagen würde ich die Auswahl der Männer auf fünf eingrenzen müssen und alle zwanzig offiziell darüber informieren. Die Entscheidung lag mir schwer im Magen und zumindest für zwei Tage auf andere Gedanken zu kommen, war eine tolle Aussicht. Abgesehen davon, dass ein Wochenende mit Emmett zu verbringen sehr verlockend klang.

Lucy half mir die nötigsten Utensilien zusammenzupacken, sodass Emmett und ich tatsächlich kurze Zeit später in seinem Auto saßen und eine kleine Ortschaft außerhalb Londons ansteuerten. Das Radio spielte im Hintergrund leise Musik, ansonsten war es die Fahrt über ruhig.

Als Emmett schließlich vor einem gemütlich aussehenden Cottage anhielt, stand die Sonne schon etwas tiefer am Himmel.

Kaum war der Motor abgestellt, ging auch schon die Haustür auf und eine Frau trat strahlend nach draußen, die ich ungefähr auf Mitte fünfzig schätzte. Ihr folgte ein Golden Retriever, der bei unsere Ankunft freudig kläffte und mit dem Schwanz wedelte.

Erst da realisierte ich, was hier eigentlich vor sich ging. „Du bringst mich zu deiner Mutter?", fragte ich ziemlich geschockt. „Ich dachte wir fahren zu dir nach Hause?"
„Das ist mein Zuhause", antwortete Emmett schlicht.
„Du wohnst noch bei deiner Mutter?"

Emmett schnallte sich ab und lachte amüsiert. „Die meiste Zeit wohne ich im Palast und für die wenigen Wochenende, die ich nach Hause fahre, lohnt es sich nicht eine eigene Wohnung zu bezahlen. Außerdem wohnst du streng genommen auch noch zu Hause."

Mir klappte die Kinnlade herunter und ich wollte erneut protestieren, aber er hatte mir mit diesem Argument den Wind aus den Segeln genommen. Und bevor ich Emmett davon abhalten konnte mich bei seiner Mutter einzuquartieren, war er auch schon ausgestiegen. Mit großen Schritten ging er auf seine Mutter zu, um sie herzlich im seine Arme zu schließen.

Perplex blieb ich noch einige Sekunden sitzen. Ich konnte doch nicht einfach Emmetts Mutter kennenlernen. Wie kam denn das an? Würde sie nicht denken, wir hätten eine Beziehung?

Etwas zögerlich stieg ich schließlich doch aus, bevor es noch peinlich wurde. Allerdings hielt ich erst einmal Sicherheitsabstand und beobachtete den herzlichen Umgang der beiden. Auch der Hund wurde von Emmett liebevoll hinter den Ohren gekrault.

Typisch die Mutter wurde Emmett zuerst gründlich von ihr gemustert und stirnrunzelnd zuppelte die blonde Frau an seiner Kleidung herum. „Du bekommst dort aber schon genug zu essen,oder?", hörte ich sie sagen und musste unweigerlich schmunzeln.

„Ach herrje, wie unhöflich", rief seine Mutter schließlich aus und kam auf mich zu. Ich wollte ihr freundlich die Hand geben, doch Mrs O'Connor zog mich in eine feste Umarmung. „Oh", stieß ich überrascht aus und erwiderte ihre Umarmung etwas verzögert.

„Entschuldige bitte, manchmal bin ich wohl etwas zu aufdringlich", sie lachte vergnügt. „Es freut mich nur so sehr dich kennenzulernen, Willow. Emmett erzählt so viel von dir."

„Mum, Sie wird normalerweise nicht so genannt", warf Emmett ein und sah sie eindringlich an.

„Nein schon gut." Lächelnd winkte ich ab und hoffte, dass man mir nicht angemerkt hatte, wie ich mich versteifte, als sie meinen Spitznamen genutzt hatte. Aber irgendwie klang es aus ihrem Mund richtig. Und ich konnte mir vorstellen, dass Emmett daheim nur von Willow erzählte und nicht von Prinzessin Wilhelmina. Schließlich war das hier seine Mutter.

„Es freut mich auch Sie kennenzulernen, Mrs O'Connor. Wenn das auch etwas überraschend kam." Den letzten Satz unterstrich ich mit einer gewissen Schärfe und funkelte Emmett dabei an, doch dieser lachte nur.

„Bitte sag doch Susan zu mir, in diesem Haus legen wir keinen Wert auf Förmlichkeiten. Offensichtlich, du musst ja völlig überwältigt worden sein. Wenn ich lieber knicksen soll, dann sag das."

Lachend schob sie mich ins Haus und spätestens ab da, waren alle meine Zweifel was Emmetts Mutter angingen verflogen. Susan war mit Abstand die freundlichste Person der ich je begegnet war. Sie nahm mich auf wie eine Tochter und gab mir nicht eine Sekunde das Gefühl zu stören.

Während Emmett unsere Taschen aus dem Wagen holte, bewunderte ich die Inneneinrichtung. Von außen hatte das Cottage schon sehr einladend gewirkt und innen war es noch heimeliger. Überall an denWänden hingen Fotos von Urlauben und weiteren schönen Momentaufnahmen und durch das Küchenfenster konnte ich sogar einenGarten ausmachen. Susan hatte wirklich ein Händchen für Dekoration.

„Schau dir bloß nicht zu genau die Familienfotos an", witzelte Emmett, als er wieder hereinkam. „Komm mit, ich zeig dir lieber dein Zimmer."

„Ich werde mir dieses Wochenende alle deine Kinderfotos anschauen, die ich finden kann. Und dann werde ich dich auf Lebzeiten damit aufziehen, darauf kannst du wetten."
Ich folgte ihm die Treppe nach oben, wo er mich in ein kleines, aber feines Gästezimmer führte.

„Am Ende des Flurs links findest du das Badezimmer. Das Zimmer dir direkt gegenüber gehört meiner Mum und mein Zimmer liegt neben deinem. Wenn du irgendetwas brauchst, melde dich bitte."

„Hättest du mir denn nicht sagen können, dass wir zu deiner Mutter fahren? Dann hätte ich mich wenigstens darauf vorbereiten können", flüsterte ich vorwurfsvoll.

„Hast du ein Problem damit?"
„Nein, aber was soll sie denn jetzt denken?" Ich warf ihm einen Blick zu, der ihm hoffentlich klar machte, was genau ich meinte.

Emmett lächelte leicht. „Sie denkt, dass du mal eine Auszeit von deinen königlichen Pflichten brauchst. Meine Mutter ist kein Klatschweib, das jedem dahergelaufenen Pärchen eine Affäre andichtet. Also mach dir keinen Kopf."

Ich brummte.
„Es gibt doch auch nichts was sie denken könnte oder?", hakte er nach.
„Nein, natürlich nicht." Meine Antwort kam viel zu überhastet und irgendwie glaubte ich mir selbst nicht.

*****

Danke, dass ihr so geduldig gewartet habt, meine Mathearbeit lief prima. Extra für euch gibt's in diesem Kapitel ganz viel Willett und das geht auch noch ein bisschen so weiter.  Meinungen zu Susan?
Wenn's euch gefallen hat, freue ich mich über ein Like oder Kommentar!

Debbie

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