Kapitel 1
Mit einem leisen Klicken, schloss ich die Kette um meinen Hals. Sie war schlicht, bestand lediglich aus zwei ineinander verhakten Ringen und war aus echtem Silber. Obwohl sie geradezu unspektakulär wirkte, so hatte sie doch einen unbezahlbaren Wert für mich. Es war das letzte Geschenk meiner Mutter, bevor sie starb. „So sind wir immer verbunden, wie diese Ringe, auch wenn ich nicht mehr da bin."
Ich schluckte den Kloß in meinem Hals hinunter und betrachtete prüfend mein Aussehen in dem Spiegel. Ja das würde gehen. Das schwarze Kleid hatte lange Ärmel und ging mir fast bis zu den Knien. Die Ärmel waren aus feiner Spitze, der Rest war schlicht gehalten. Es strahlte Distanziertheit und Stärke aus, genau das was ich heute verkörpern wollte.
Leise klopfte es an der Tür und Lucy, meine Zofe trat, nach einem kurzen „Herein" meinerseits, in mein Zimmer. „Eure königliche Hoheit, Mr Reeves wartet draußen mit ihrem neuen Bodyguard."
„Bitte Sie herein." Ich wandte mich von meinem Spiegel ab und setzte ein professionelles Lächeln auf. Mein vorheriger Bodyguard hatte gekündigt, aber unser Sicherheitsbeauftragter Mr Reeves hatte mir versichert, einen ausgezeichneten Ersatz gefunden zu haben. Mit ihm im Schlepptau betrat er mein Zimmer.
„Guten Morgen Eure königliche Hoheit." Wie üblich hatte er eine schwarze Mappe in der Hand, aber meine Aufmerksamkeit galt eher dem jungen Mann hinter ihm. Er war groß, gut gebaut, dunkelblond und strahlte Ruhe aus.
„ Guten Morgen Jacob."
„Wenn ich Ihnen ihren neuen Bodyguard vorstellen darf, das ist Emmett O'Connor. Emmett, das ist Ihre königliche Hoheit, Kronprinzessin Wilhelmina Colleen Henstridge."
„Eure Hoheit", er verbeugte sich knapp und ich schenkte ihm ein freundliches, aber distanziertes Lächeln.
„Seine Majestät erwartet Sie nun unten zum Frühstück. Sollte es Probleme oder Beschwerden geben, wenden Sie sich bitte an mich", erklärte Jacob und klappte die Mappe geräuschvoll zu.
„Vielen Dank, Jacob. Ich weiß Ihre Bemühungen zu schätzen."
Unser Sicherheitsbeauftragter verabschiedete sich und wünschte uns einen angenehmen Tag, bevor er auf dem Gang verschwand.
Ich bedeutete Emmett mir zu folgen und er lief formgerecht zwei Schritte hinter mir.
„Jacob hat mich darüberaufgeklärt, dass das Ihre erste Stelle als Bodyguard ist. Ich nehme an er hat Sie mit allen Formalitäten unterrichtet?", fragte ich während wir die vielen Gänge entlang liefen, die uns nach unten zum Speisesaal führten.
„Ja, das hat er." Seine Stimme klang rau, aber ausgesprochen warm und angenehm.
„Gut, dann hoffe ich, muss ich keine Beschwerde gegen Sie einreichen."
„Ich werde mein Bestes geben Sie zufrieden zu stellen, eure Hoheit." Ich verkniff mir ein Grinsen, da er mit der formellen Anrede scheinbar noch nicht vertraut war.
„Wenn wir unter uns sind, dürfen Sie mich mit meinem Vornamen ansprechen und duzen", ich sah es nicht ein in meinen eigenen vier Wänden ständig mit Titel angesprochen zu werden, von Personal, das jeden Tag viel Zeit mit mir verbrachte. „Aber in der Öffentlichkeit, oder wenn andere Familienmitglieder und so weiter dabei sind, sprechen Sie mich bitte formell an. In meinem Fall wäre es Eure königliche Hoheit, da ich die Kronprinzessin bin. Meine Schwester Olivia wird lediglich mit Eure Hoheit angesprochen."
„Bitte verzeihen Sie, Eure königliche Hoheit, ich..."
„Schon gut", unterbrach ich sein Stammeln und warf ihm einen Blick über die Schulter zu. Sie sind ja noch neu."
Man öffnete mir die Tür zu unserem Speisesaal und ich bedankte mich leise, bevor ich eintrat.
Dad und meine jüngere Zwillingsschwester Olivia waren bereits da. „Guten Morgen", grüßte ich, bevor ich mich auf meinen Platz links von Dad, der am Kopfende saß, niederließ. Olivia saß rechts von mir. Automatisch glitt mein Blick auf den leeren Platz gegenüber von mir, wo normalerweise Mum sitzen würde. Erneut wollte mich Hilflosigkeit, den Tag ohne sie meistern zu müssen, erdrücken, doch ich riss mich zusammen.
„Guten Morgen Wilhelmina", Dad faltete seine Zeitung zusammen und legte sie ordentlich neben sich. „Direkt nach dem Frühstück wirst du die Ansprache halten", klärte er mich auf, als wüsste ich nicht wie mein Terminplan aussah. Ich nickte zustimmend. „Ja, selbstverständlich."
Überhaupt nichts war selbstverständlich. In weniger als einer Stunde, sollte ich mich live vor eine Kamera setzen und ganz Großbritannien verkünden, dass ich öffentlich einen Mann suchen würde, dessen Verlobung ich bereits Ende des Jahres verkünden würde. Mir würde also die ganze Welt zusehen, wie ich mich mit Männern traf und so tat, als würde ich mich verlieben, nur um dann eine arrangierte Ehe einzugehen. Nicht zu vergessen, dass mein Vater meine Wahl abzusegnen hatte.
Fantastisch.
„Vielleicht solltest du dich davor noch umziehen", warf Dad ein und musterte mich kritisch. „Du trägst jetzt lange genug schwarz."
Perplex blieb mir die Gabel in der Luft hängen, doch ich überspielte es schnell. Ich konnte nicht verstehen, wie schnell Dad und Olivia mit Mums Tod abgeschlossen hatten. Aber hatte ich nicht das Recht auch ein Jahr später noch zu trauern? Ich hatte einen geliebten Menschen verloren, was war also falsch daran diese Trauer auch nach außen hin zuzeigen?
„Sehe ich genauso", meldete sich Olivia zu Wort. „Schwarz macht dich langweilig."
Ich sah an dem grässlichen pinken Minikleid hinab, das meine Schwester trug. „Vielleicht solltest du dich weniger freizügig anziehen", gab ich zurück. Dad sagte scharf meinen Namen, was mich zum Schweigen brachte. „Keine Streitereien am Frühstückstisch", sagte er bestimmt. Damit sagte für den Rest des Frühstücks niemand mehr etwas.
Obwohl Olivia und ich Zwillinge waren, so waren wir doch grundverschieden. Mir hatte man von Geburt an eingetrichtert, dass ich eine wichtige Aufgabe zu übernehmen hatte. Eines Tages würde ich Königin von England sein und auf dieses Amt hatte ich vorbereitet zu werden. Deshalb war ich wohl um einiges verantwortungsbewusster und versuchte es allen um mich herum Recht zu machen.
Olivia hingegen hatte man Einiges durchgehen lassen und sie lebte ihr Leben in einem wilden Rausch. Mehrmals die Woche kam sie stockbesoffen nach Hause, ihre Garderobe konnte nicht kurz genug sein und oft genug nahm sie irgendwelche Männer mit in ihr Zimmer. So gut wie jede Woche veröffentlichte die Presse einen unvorteilhaften Schnappschuss von ihr und feierte es offensichtlich, dass „Prinzessin Olivia weitaus nicht so verkrampft sei wie ihre Schwester Kronprinzessin Wilhelmina".
Dass ich bei dem Volk offensichtlich so unbeliebt war, war Dad schon lange ein Dorn im Auge. Es kam ihm daher sehr gelegen, dass ich verpflichtet war zuheiraten und er meinte wenn man dem Volk „romantischen Unfug", wie er es nannte, präsentierte, würden sie bald Gefallen an mir finden. Kurz gesagt, wenn ich ihnen eine Liebesgeschichte vorspielen würde, würde sich alles von alleine regeln.
Ich hielt das für Schwachsinn, aber für meine Meinung interessierte sich sowieso niemand. Letzte Woche war ich zweiundzwanzig geworden und laut unsere Tradition hätte ich bereits seit einem Jahr verheiratet sein sollen. Aber als Mum gestorben war, hatte ich darum gebeten, diese Verpflichtung um ein Jahr zu verzögern. Es hatte weder meinem Vater noch dem Parlament gefallen, aber sie hatten zugestimmt. Doch seit einer Woche war meine Schonfrist, zu meinem Leidwesen, abgelaufen.
Den Gedanken, dass ich mich eines Tages märchenhaft verlieben würde, hatte ich schon lange aufgegeben. Meine Hochzeit würde arrangiert sein, damit hatte ich mich abgefunden. Aber eine Auswahl Männer präsentiert zu bekommen,die ich vor laufender Kamera kennenlernen sollte, widersträubte mir noch mehr.
Nach dem Frühstück verschwand Olivia um ihrem Körper eine Generalüberholung zu gönnen, wie sie es formulierte und Dad bugsierte mich ohne Umschweife in mein Arbeitszimmer. Das Kamerateam hatte schon alles aufgebaut und ich musste mich nur noch hinter meinen Schreibtisch aus dunklem Holz setzen.
Die Rede lag ausgedruckte auf dem Tisch, genau wie der versiegelte Umschlag, den ich während der Aufnahme öffnen sollte, um die Namen der auserwählten Männer vorzulesen.
„Halte dich einfach an das Konzept, das ist keine Sache von fünf Minuten. Und vergeige es nicht, das ist wichtig."
Vielen Dank für diese ermunternden Worte, Dad, seufzte ich in Gedanken.
„Wir sind live in 30 Sekunden", sagte Einer des Kamerateams. Ich setzte mich ordentlich hin und machte mich bereit. Mein Blick suchte Emmett, der mit dem Bodyguard meines Vater neben der Tür stand. Als sich unsere Blicke streiften, zwinkerte er mir zu. Komischerweise ermutigte mich das irgendwie.
„Guten Morgen, Großbritannien", sagte ich freundlich, als das Licht neben der Kamera grün wurde. „Ich spreche an diesem Morgen live zu Ihnen, um eine wichtige Ankündigung zu machen. Wie Sie alle wissen, habe ich letzte Woche meinen zweiundzwanzigsten Geburtstag gefeiert. Als Ihre zukünftige Königin, ist es mir ein Anliegen, dieses Amt mit einem Mann an meiner Seite anzutreten. Das letzte Jahr war für uns alles chwer, deswegen haben mein Vater und ich beschlossen, meine Verlobung um ein Jahr zu verschieben. Wir haben zwanzig reizende britische junge Männer ausgewählt, die ich in den kommenden Wochen und Monaten kennenlernen werde. Natürlich wollen wir Sie mit Film- und Bildmaterial an diesen Veränderungen teilhaben lassen, sodass auch Sie diesen romantischen Prozess verfolgen können."
Ich verlas die Liste mit Teilnehmern und konnte keinen einzigen Namen davon behalten. Es waren hauptsächlich adelige oder sehr wohlhabende Männer, die von einer Heirat mit mir nur profitieren würden.
„Ich freue mich sehr darauf schon nächste Woche den ersten potentiellen Mann kennenzulernen und ich hoffe Sie freuen sich mit mir."
Ich lächelte strahlend in die Kamera, doch sobald diese wieder rot blinkte, zerfiel das aufgesetzte Lächeln in meinem Gesicht.
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Herzlich Willkommen, ihr lieben Leser!
Schön, dass ihr den Weg zu "Royal Love" gefunden habt, und Willow auf ihrer Reise begleiten wollt. Ich hoffe ihr seid bereits neugierig, welche Hürden die junge Kronprinzessin überwinden muss und bleibt dran!
Anmerkungen und Kritik sind immer gerne gesehen.
Liebe Grüße x
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