31. Einundreißig

Kaia

"Könnte ich noch ein Glas haben?" , fragte ich das Hausmädchen so leise wie möglich, während es den Esstisch von dreckigem Geschirr befreite, und hob mein leeres Weinglas in die Höhe.
Noch bevor sie danach greife konnte, riss Matthew es mir aus der Hand und verpasste mir einen leichten Tritt gegens Schienbein.
"Du hast genug getrunken, Prinzessin", knurrte er kaum hörbar und warf sicherheitshalber einen Blick auf seine Eltern, die sich noch immer vertieft über meinen Bruder unterhielten, nur aus dem Grund dass ich versuchte ihnen zu erklären, dass er zu beschäftigt war um den Prinzen und mich zu begleiten.
Genervt entnahm ich Matthew wieder mein Glas und ließ den letzten Tropfen Wein meine Kehle hinunterrinnen, in der Hoffnung es würde die selbe Wirkung haben wie ein Shot Schnaps.
Der König und die Königin von England waren davon überzeugt, dass ich die perfekte Schwiegertochter und daher auch Frau für ihren Sohn wäre. Es fiel mir recht einfach den Würgereiz, den der Prinz bei mir verursachte, in Gegenwart seiner Eltern zurückzuhalten, doch je mehr ich ihnen die glückliche Prinzessin vorspielte, desto schwerer wurde es. Und desto mehr Wein brauchte ich.
Als Matthew bemerkte, dass ich vorhatte mich ein wenig beschwipster zu machen, starrte er mich pausenlos mit diesem vernichtenden Blick an, welchen ich fast schon lustig fand.

"Matthew?"
Das zweite Kind der Familie, Aspyn, Matthews jüngere Schwester, verhielt sich den ganzen Abend über so ruhig, dass es völlig fremd für mich war, ihre Stimme zu hören.
Ihr Bruder wandte seine Aufmerksamkeit sofort an sie.

"Kann ich in mein Zimmer? Ich will keinen Nachtisch und bin müde", sagte sie, zog ihre braunen, geflochtenen Zopf zurecht und funkelte Matthew mit ihren braunen Knopfaugen an.
In seinem Gesicht bildete sich ein Lächeln, das ich so noch nicht von ihm kannte. Liebevoll und ehrlich.
"Da musst du Mom und Dad fragen."

Nickend schob das Mädchen ihren Stuhl zurück, erhob sich und ging um den Tisch herum zu ihre Eltern.
Sie war um einiges größer als all die anderen 14 jährigen Mädchen, die ich in den letzten Jahren getroffen hatte, und trug ein langes, violettes Kleid, in dem sie sich sichtlich unwohl fühlte. Doch ich wusste sehr genau, dass man in diesem Alter noch nichts zu sagen hatte als Prinzessin.

Noch während sie sich unterhielten, tippte sie gegen den Arm ihrer Mutter, welche sofort in ihrem Satz inne hielt und ihren Blick über ihre Tochter wandern ließ.
"Aspyn! Wieso sitzt du nicht auf deinem Platz?", fragte sie ihre Tochter wütend, gab ihr jedoch vorerst keine Möglichkeit zu antworten, da sie direkt weiter sprach.
"Das Essen ist noch nicht beendet, also setz dich ohne wiederede wieder."

"Aber Mutter, du weißt, dass meine Anwesenheit keinen Einfluss auf den Aufenthalt der Prinzessin hat."

Als die Königin augenscheinlich bereits anfing vor Wut rot zu werden, zog sie ihren Ehemann zur Hilfe, welcher Aspyn nur einen strengen Blick zuwarf, woraufhin sich das Mädchen wieder zurück zu ihrem Stuhl begab und mit den Gedanken in ihrem Glas Wasser zu versinken schien. Ihr Gesicht wurde von einem erschöpfen Schleier überzogen, wie als würde sie bereits damit vertraut sein, all dies einfach nur über sich ergehen zu lassen.
Da die Konversation zwischen dem Königspaar nie zu enden schien sich der Platz von Aspyn gleich neben Matthew, und gegenüber von mir, befand, strich ich mir mein Haar hinter die Ohren, um es nicht in eines der Gläser baumeln zu lassen, beugte ich meinen Oberkörper sacht über den Tisch und flüsterte ihr laut genug zu: "Wenn es nach mir geht, kannst du gerne in dein Zimmer gehen. Ich finde das Essen hier bestimmt genauso langweilig wie du."

Ihre schmalen Lippen verzogen sich zu einem schüchternen Lächeln und ihre Augen glänzten sogar für einen kurzen Moment belustigt auf.
"Das weiß ich zu schätzen, danke. Nur sehen das meine Eltern wohl anders."

"Glaub mir, wenn ich sage, dass ich dich vollkommen verstehe", versicherte ich ihr schmunzelnd.

"Das bezweifle ich."

"Solltest du aber nicht. Egal ob aus dem heißen Süden oder dem gefrorenen Norden. Bei uns Prinzessinnen ist das Leben überall gleich."

"Ist das so?", fragte sie leise und legte unbewusst den Kopf schief.

"Und wie."

Im Gegensatz zu seinen Eltern, entging Matthew unser Gespräch keinesfalls, was ihn auf nervöse Art und Weise unruhig werden ließ. Seine Ohren verfolgten zwar unser Gespräch, doch mit seinen Augen behielt er nur noch den König und die Königin im Blick.
Wenn ich nicht sofort damit aufhörte mich mit Aspyn zu unterhalten, würde einem von ihnen der Kragen platzen. Das wusste nicht nur Matthew, sondern auch mir und der Prinzessin war dieses Risiko bewusst. Und gerade als das Mädchen vor mir ihren Mund öffnete um ihren nächsten Satz zu beginnen, schlug jemand mit geschlossener Faust gegen den Tisch und ließ und dadurch alle aufschrecken. Ich zog mich aus meiner Position zurück, wohingegen Aspyn verharrte und dem wütenden Blick ihres Vaters begegnete.
"Es reicht! Aspyn Maria Charlotte Elisabeth Henridge. Du bist 14 Jahre alt und hast als Prinzessin von England gefälligst deine Pflichten zu erfüllen. Und dabei dulde ich dieses Verhalten gewiss nicht an meinem Tisch. Raus. Sofort!"

Als Aspyn sich langsam aus ihrer Starre löste und sich von ihrem Sitz erhob, konnte ich garnicht anders als diesem Familien Spektakel nur geschockt zuzusehen. Ronan sprach nur selten in solch einem Ton mit mir, aber erst seitdem er wusste, dass es mich kaum bis garnicht verletzt. Wohingegen ein 14 jähriges Mädchen so etwas bestimmt weniger einfach wegsteckte.
Meine Hände wurden unangenehm kalt, da sich mein ganzes Blut aus ihnen zurück zu ziehen schien und in mein Gesicht stieg. Das hier war mir einfach nur unangenehm, vorallem das die Prinzessin nun all den Zorn des Königs ab bekam, obwohl jeder Person in diesem Raum deutlich bewusst war, dass es eigentlich mich treffen sollte.

Sogar Matthew meldete sich zu Wort, als er seine Schwester einfach nur dabei zusehen konnte, wie sie gedemütigt den Tisch verließ.
"Vater, ich bitte dich."

"Sei still, mein Sohn. Du musstest genauso lernen dich rechtmäßig zu verhalten."

Der Prinz ließ seinen Blick noch kurz über den ganzen Tisch schweben, bevor er seinen Stuhl zurück schob, sich erhob und von uns entfernte, um seine Schwester durch den alten Holzflügel zu folgen.

Ich befand mich in einer Zwickmühle. Den beiden Geschwistern nach zu laufen würde einen unglaublich schlechten Eindruck bei dem englischen Königspaar hinterlassen, mir jedoch die Möglichkeit geben mich aus dieser erdrückenden Situation zu befreien. Da mir die Meinung von Matthews Eltern ehrlichgesagt egal war und ich ohnehin mehr als abgeneigt von der Heirat zwischen mir und ihrem Sohn war, stand ich ebenfalls auf, strich die Falten meines Rockes zurecht und holte tief Luft, um dem Blick meiner zukünftigen Schwiegereltern stand zu halten.
"Ich muss kurz frische Luft schnappen", log ich und ignorierte das verzweifelte Seufzen der Königin, als ich den Saal verließ und hinter mir nur noch die zufallende Tür zu hören war.

Da mir von einem Schlag auf den Anderen nun tatsächlich etwas leichter wurde und es sich um einiges befreiender anfühlte ein paar Mal einfach nur tief durch zu atmen, entdeckte ich am anderen Ende des Korridors die Prinzessin wie sie schluchzend auf den Stufen der gigantischen Wendeltreppe zusammenbrach und in den Armen ihres Bruders nach Halt suchte. Matthew kniete neben ihr auf dem Boden, bot ihr Schutz und Sicherheit, strich mit seinen langen Fingern beruhigend über den bebenden Rücken seiner Schwester und wisperte ihr dabei etwas zu.
Er tat alles was in seiner Macht stand um sie zu trösten und als ich einige Schritte auf sie zu machte, sah mich der Prinz nur warnend an.
"Geh einfach. Bitte. Lass uns alleine."

Unsicher schob ich seine Worte beiseite und näherte mich weiter.
"Es tut mir so Leid. Ich wusste nicht, dass-"

"Kaia. Lass uns alleine."

Er zog Aspyn näher an sich und ließ seine Hand über ihr dunkles Haar gleiten. Sie fing bereits an sich zu beruhigen, ihre Atmung wieder unter Kontrolle zu bekommen.
Und da Matthew's Augen noch immer starr auf mich gerichtet waren, beschloss ich auf seine Bitte einzugehen und die beiden alleine zu lassen. Ich drehte ihnen den Rücken zu und begab mich zu meinem Zimmer, wobei ich noch für mehrere Schritte hören konnte, wie der Prinz weiterhin sein bestes Tat um seine Schwester wieder aufzubauen. Solche Dinge von ihm zu hören waren für meinen Kopf so fremd, dass ich mir nicht sicher sein konnte, ob es vielleicht doch nur Einbildung war.

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written by me (writingxines)

Ist Matthew etwa doch nicht so schrecklich...

Wie denkt ihr über Matthew's Familie?

Was denkt ihr über Matthew als fürsorglicher Bruder?

Wie denkt ihr über die Situation die am Esstisch entstanden sind?

Meinungen zum Buch?

Kritik und andere Anmerkungen sind immer erwünscht!

Danke, dass du dir Zeit für unser Buch genommen hast

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