Your dad
52. Kapitel
„Darf ich dir Olivia vorstellen?", ein fröhliches Lächeln lag auf den Lippen von Amandla, als sie sich über die farbvolle Kleidung strich.
„Sicher", antwortete ich grinsend.
Amandla hatte sich als unglaublich liebenswürdige und gute Person herausgestellt und hatte sie nach dieser sehr kurzen Zeit bereits ins Herz geschlossen. Das Gegenteil würde auch schwer sein.
Wir liefen über einen weiteren Schotterweg. An den Seiten dieses Weges befand sich ein Holzzaun, der alles von einem riesigen Gehege abtrennte.
„Olivia wird sich bestimmt freuen, dich endlich kennenlernen zu dürfen", sie grinste vor sich hin, während ich ihr ahnungslos folgte. Ich hatte keine einzige Idee, wen sie mit Olivia meinen könnte. Aus dem Namen konnte auch man auch so gut, wie gar nichts schließen. Also lief ich Amandla vollkommen unwissend hinterher.
Es dauerte nicht lange und sie befahl mir die Augen zu schließen. Fest drückte ich also meine Augen zusammen und wartete nervös darauf, was mich erwarten würde.
Ich hörte, wie eine Tür quietschte. Amandla meinte, ich solle drei Schritte nach vorne laufen und dann stehen bleiben. Ich tat, was sie mir befahl und blieb nach den abgezählten drei Schritten wieder auf der Stelle stehen.
„Du kannst deine Augen jetzt öffnen", meinte sie schließlich und ich vernahm klar ihr Grinsen.
„Bist du dir da sicher?", fragte ich verunsichert und kniff die Augen weiter angestrengt zu.
„Ja, Grace", antwortete sie sanft.
Vorsichtig begann ich die Augen wieder zu öffnen. Erst einmal blinzelte ich stark, bevor ich um mich blickte. Zuerst entdeckte ich den hohen Zaun aus Draht vor mir. Verwirrt schüttelte ich meinen Kopf und blickte Amandla fragend an.
„Du musst sie rufen", meinte sie und zuckte mit den Schultern.
„Wen?", fragte ich vollkommen unwissend.
Amandla zog eine Augenbraue in die Höhe und schüttelte danach lachend den Kopf. „Olivia", flüsterte sie mir zu, woraufhin ich wissend nickte.
Ich räusperte mich ein Mal, bevor ich zum Rufen ansetzten.
„Olivia", rief ich aus voller Kehle.
Dann waren auch schon harte Schritte zu vernehmen und etwas Schneller werdendes.
Und plötzlich stand Olivia vor mir. Etwas geschockt riss ich die Augen auf. Mit einem Löwen hätte ich nicht gerechnet. Ich war davon ausgegangen, dass es hier keine gefährlichen Raubtiere gab.
Hinter einem Drahtzaun saß ein weiblicher Löwe und musterte mich interessiert. Es sah jedenfalls so aus.
„Das ist Olivia. Olivia, das ist Grace", stellte sie uns, uns gegenseitig vor.
„Dein Vater hat Olivia vor etwa zwei Jahren gefunden. Ihre Mutter wurde von Jägern erschossen und sie war nur wenige Tage alt. Also zog er sie mit der Flasche groß. Doch die drei Versuche der Auswilderung misslangen, da Olivia immer wieder zurückgelaufen kam. Olivia liebt deinen Vater einfach. Du musst die Beiden zusammen ein Mal sehen", Amandla lachte auf und schien in Erinnerungen zu schwelgen, denn sie blickte zum blauen und strahlenden Himmel.
„Aber wir haben die Hoffnung noch nicht aufgegeben, dass Olivia eines Tages wieder wild leben wird", fügte sie noch lächelnd hinzu und blickte auf den Löwen, der mittlerweile am Zaun stand und schnupperte.
Plötzlich unterbrach Amandlas Handy allerdings die Harmonie und sie begann hastig in ihren Taschen danach zu suchen, bis sie es schließlich fand. „Amandla", nahm sie den Anruf an und nahm einige Meter Abstand. Ich musterte weiterhin Olivia. Sie war ein echtes stolzes Tier, was ich an ihrer Haltung erkennen konnte. Am liebsten hätte ich die Hand ausgestreckt und sie gestreichelt, doch ich hatte hier immer noch ein wildes Tier vor mir.
„Grace", Amandla hatte gerade ihr Telefonat beendet und war wieder einige Schritte näher gekommen.
„Ja?", lächelnd sah ich sie an.
„Dein Vater ist da", verkündigte sie die frohe Botschaft, woraufhin ich erstarrte.
„W...Warum ist er schon hier?", stammelte ich vor mich hin und blickte sie aus großen Augen an.
„Ich habe ihn eine Nachricht geschrieben und von einem Notfall erzählt. Wahrscheinlich denkt er, es gab einen Rohrbruch", sie grinste hinterhältig und begann zu lachen. Ich jedoch war nicht imstande auch nur zu lachen. Ich stand unter Schock. Mein gesamter Körper zitterte und ich verspürte einfach nur noch Angst. Angst vor Abweisung. Vielleicht würde er doch einen Charakter, wie meine Mutter haben und mir nicht ins Gesicht sehen wollen. Vielleicht würde doch nicht alles gut werden. Vielleicht.
Doch ich war mir mehr als sicher, dass mein Leben in wenigen Minuten eine 180 Grad Wendung machen würde, die sich geschnitten hatte. Alles würde sich in diesem Moment verändern.
„Bist du bereit deinen Vater zu sehen?", liebevoll blickte die ältere Frau mich an und legte eine Hand auf meiner Schulter ab, um mir ihre Unterstützung zu übermitteln.
„Ich weiß es nicht", antwortete ich ehrlich und schüttelte langsam den Kopf.
Tränen sammelten sich in meinen Augen. „Ich habe Angst", wisperte ich kaum hörbar. Da hatte mich Amandla auch schon an ihren Körper gedrückt und strich beruhigend über meinen Rücken.
„Du brauchst keine Angst haben", flüsterte sie mir zu. Mein Herz schlug vor Aufregung immer schneller. Ich hatte in meinem Leben schon so viele Menschen gehen lassen müssen. Vielleicht würde ich meinen Vater auch gehen lassen müssen, da er mich nicht ausstehen konnte.
„Trockne deine Tränen. Wenn du lächelst, bist du so viel schöner", meinte sie aufmunternd und reichte mir ein Taschentuch. Ich begann mir die Augen zu trocknen.
„Vielleicht...", begann ich gerade zu reden, als mich Amandla auch schon mit einem Zischen unterbrach.
„Grace, Kopf hoch. Alles wird schon gut gehen", sie nickte mir lächelnd zu.
„Und was, wenn nicht?", aus traurigen Augen blickte ich sie an. Was war in meinem Leben, denn je gut gegangen? Die Wahrscheinlichkeit, dass dieses Treffen nicht gut ausgehen würde, war hoch für mich.
„Grace", mahnend blickte sie mich an, worauf ich begann zu kichern.
„Geht doch und jetzt komm. Dein Vater wartet nicht gerne. Er ist wirklich sehr ungeduldig", Amandla lachte und strich sich über die Kleidung.
Wir liefen den Schotterweg zurück. Die Anspannung wurde immer größer für mich. Nervös biss ich die Zähne zusammen und versuchte mir Mut zuzureden, was aber nicht funktionierte. Gerade die letzte Zeit war mit negativen Ereignissen geprägt. Ich hatte einfach solche Angst.
Amandla hatte inzwischen meine Hand genommen und strich noch immer über meinen Rücken.
„Er wird dich lieben, Grace", sie nickte selbstsicher und lächelte breit. Meinte sie das wirklich ernst?
Dann standen wir vor der Hütte. In wenigen Sekunden würde ich die Person treffen, nach der ich mein gesamtes Leben gesucht hatte. Die Person, die an meinen Geburtstagen hätte anwesend sein sollen. Die Person, die mir das Fahrrad fahren hätte beibringen sollen. Die Person, die Harvey verunsichern sollte. Die Person, die mir genommen wurde.
„Grace, bist du bereit?", fragte mich nun Amandla und hatte den Griff der Tür bereits in der Hand.
„Ich hoffe es", antwortete ich leise. Amandla lächelte mir zu. Ihre Augen glänzten.
Dann öffnete sie die Tür und ich blickte geradewegs in die Augen meines Dad's.
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