Kapitel 9

Die nächsten Tage waren davon geprägt die Presse klein zu halten und irgendwie einen Draht zwischen Silas und Gideon zu spannen, jedoch scheiterte jeder meiner Versuche.

Aber wenigstens hatte sich die Lage in der Firma etwas beruhigt, nachdem die erste Welle von Aufregung langsam versiegte.

Langsam, aber besser. Das reichte aus.

Olivia vermisste ich jeden Tag mehr, allein der Telefonterror, den sie früher abgefangen hat, machte mich wahnsinnig.

Ich war noch nie chaotisch gewesen, jedoch blickte ich selbst nicht mehr bei den ganzen Terminen durch, die auf mich warteten.

Wie hatte das Olivia die letzten zwei Jahre nur so gut meistern können?

Ich seufzte frustriert auf und nippte an meinem Milchkaffee. So als hätte Ethan mein Gebet gehört, kam er breit lächelnd in mein Büro herein.

,,Guten Morgen, Schwesterchen", trällerte er. Im Arm hielt er eine dunkelrote Mappe, während er in den Raum trat.

Dicht gefolgt von einem jungen Mann, den ich bisher noch nie gesehen hatte.

Seine braunen Augen sahen sich im Raum umher, während ich ihn musterte.

Er trug eine graue Anzugshose, welche mit dunkleren Fäden durchzogen war, sodass Kästchen auf dem Stoff entstanden, und darauf ein einfaches weißes Hemd.

Mein Handy klingelte und ich griff danach, nur um mir ein Augendrehen zu unterdrücken. Elijah.

Seit unserem Treffen war nun vier Tage vergangen, in denen ich mich nicht gemeldet habe. Ich wollte diese Entscheidung nicht bereuen wollen, weswegen ich so viel Abstand wie möglich zwischen uns brachte.

,,Ethan, ich habe wirklich keine Zeit", erklärte ich sachlich und sah meinen Bruder abwartend an.

Was wollte er hier?

Mein Blick glitt wieder zu dem Unbekannten, der seine rechte Hand locker in seiner Hosentasche steckte und sich weiter mein Büro ansah.

Was war er? Innenarchitekt, der mir gleich Vorwürfe machte, dass das blau meiner Sofakissen nicht zu der blauen Wandfarbe meiner rechten Wand passte?

,,Es geht ganz schnell. Ich möchte dir Fynn vorstellen", Ethan räusperte sich.

,,Ich meine natürlich Mr. Montgomery. Er hat sich auf die Stelle für den freien Assistenzposten beworben."

Ich zog meine Augenbrauen hoch und sah meinen Bruder an, der sich freute wie ein Schneekönig.

Welche Drogen dielte der Typ, dass mein Bruder wirkte wie ein lebendiges Glücksbärchen?

,,Sehr erfreut", ergriff Mr Montgomery das Wort und trat an meinem Schreibtisch, um mir seine Hand hinzuhalten.

Das erste Mal lagen seine Augen auf mir. Ich erwiderte den Blick und musste schlucken.

In seinen Augen lag ein komischer Ausdruck, den ich nicht so recht deuten konnte, als ich jedoch die Hand ergriff, verschwand dieser gänzlich. Fast dachte ich, ich hätte ihn mir nur eingebildet.

,,Die Freude liegt auf meiner Seite. Ich bin Phia Royal", erklärte ich und ließ seine Hand wieder los.

Der Blick des Fremden lag die ganze Zeit auf mir, als hätte er plötzlich vergessen, wie interessant mein Büro am Anfang doch gewesen war.

,,Mr Montgomery ist perfekt für die Stelle. Ich brauche nur noch dein Okay", fuhr Ethan fort und reichte mir die Bewerbungsmappe von Mr. Montgomery.

,,Ethan, ich habe dir doch eben schon erklärt, dass du mich Fynn nennen kannst", warf dieser ein und lächelte meinen Bruder an.

Ich überflog kurz seine Unterlagen, während sich die beiden unterhielten. Na die verstanden sich ja prächtig.

,,Habt ihr zwei auch darüber geredet, wie lange Mr Montgomery auf Probe hier arbeiten wird? Ich kann schlecht irgendjemanden dahergelaufen - tut mir leid, falls das hart klingt - einfach einstellen, so wie du es machen würdest, Ethan", meinte ich und klappte die viel zu perfekte Mappe zu.

Ich kannte viele von diesen nahe zu ,,perfekten" Menschen, entweder sie waren todlangweilig oder sie verbargen etwas.

Niemand war gänzlich perfekt.

Eine Tatsache, die ich in den letzten Tagen mehr als nur deutlich zu spüren bekam.

,,Vernünftig, Miss Royal. Wir haben uns auf zwei Wochen geeinigt. Danach können sie ihre Entscheidung treffen", klärte mich Fynn auf und ich nickte langsam.

Bevor ich mich erhob und meine hellbraune Stoffhose glatt strich.

,,Dann werde ich ihnen ihr Büro zeigen, in welchen sie die nächsten zwei Wochen arbeiten werden", entgegnete ich und lief an den beiden vorbei und griff nach der Türklinge, bevor ich mich nochmals umdrehte.

,,Ich glaube du hast besseres zutun, als meinem Assistenten auf Probe hinterher zulaufen", ich sah Ethan mit hochgezogenen Brauen an.

Ethan hatte ein exzellenten Menschenverstand, deshalb wollte ich ihm nichts unterstellen, aber ich war einfach so überarbeitet, dass ich wirklich keinen Fehler machen wollte, geschweige denn einen schlechten Assistenten.

Ich öffnete das etwas kleinere Büro neben meinem und trat herein.

,,Das ist ihr Büro. Natürlich können sie es so einrichten wie sie möchten, vorausgesetzt sie bekommen eine Festanstellung", erklärte ich als Mr Montgomery neben mich trat.

Er war etwa einen Kopf größer als ich und sein After Shave trat mir in die Nase. Wiedermals schluckte ich und erinnerte mich, dass ich hier auf der Arbeit war.

,,Das Büro hat meiner ehemaligen Assistentin gehört", fügte ich hinzu, während er sich etwas in dem Raum umsah.

Ohne es verhindern zu können, scannte ich ihn abermals ab. Seine dunkelbraunen Haare waren an den Seiten kurz, während sie oben in leichten Locken auf seine Stirn fielen.

,,Was ist mit ihr passiert? Ist sie weg gerannt, weil sie sie auch so kühl behandelt haben?", fragte er unverblümt und warf mir ein charmantes Lächeln über die Schulter zu. Ich verschränkte die Arme vor der Brust.

,,Sie wurde befördert. Aber falls ihnen meine Umgangsform nicht passt, würde ich ihnen raten das nächstes Mal ihre Laufschuhe einzupacken", konterte ich und meine Mundwinkel hoben sich etwas, während wir uns direkt in die Augen sahen.

,,Oh, Miss Royal, sie werden noch überrascht sein, was für ein guter Assistent ich sein kann", entgegnete er mir, bevor er den Augenkontakt unterbrach und zu dem hellbraunen Schreibtisch lief, um mit seinen langen Fingern darüber zu streichen.

,,Das werden wir noch sehen, Mr Montgomery, vielleicht können sie in zwei Wochen jemand anderen um ihren Finger wickeln. Für mich brauchen sie etwas mehr als nur nette Worte und Charme", waren meine letzten Worte, bevor ich das Büro verließ, um zurück in mein eigenes zu gehen.

Ich warf meine blonden Haare über die Schulter und trat kurz an das riesige Fenster hinter meinen Schreibtisch, um über das Gelände von Royal Industrie zu schauen.

Ein Vermächtnis, was vor unseren Füßen lag.

So viel Potential und so viel Verantwortung.

Was wir daraus machten, würden die nächsten Wochen zeigen. Verderben und Erfolg. So nahe wie noch nie.

Was haltet ihr von Fynn? Was denkt ihr?

Vergiss das ☆ nicht, wenn dir das Kapitel gefallen hat^^

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