Kapitel 23
Mein Körper schmerzte, da ich die ganze Nacht auf dem harten Boden meines Ateliers gelegen hatte, aber ich fühlte mich so wach wie lange nicht mehr. Wieso auch immer, hatte mich das Gespräch mit Fynn beflügelt, vielleicht auf eine Art die es nicht sollte. Diesen Gedanken verwarf ich sofort wieder, als ich meinen lockeren Dutt richtete und nochmals eine Runde um die Kücheninsel drehte, um zuschauen, ob auch alles für das Dinner heute Abend vorbereitet war.
,,Phia, was tust du hier?", fragte Ethan skeptisch, wobei er die Arme verschränkte und mich musterte. Dabei erschien ein schmales Lächeln auf den Lippen. Er trug einen weiten Pulli einer Footballmanschaft, die anscheinend heute spielte und dazu eine schwarze Jogginghose, da er den Vormittag über im Anwesen bleiben würde.
,,Nach was sieht es denn aus?", hinterfragte ich und hob das Handtuch, welches über dem rohen Truthahn lag. Dies hatte ich nun schon zum dritten Mal gemacht...nur so nebenbei. ,,Du schiebst doch jetzt keine Panik an Thanksgiving?", hörte ich die amüsierte Stimme von Olivia, die sich neben meinen Bruder stellte. Sie trug eine lockere gestreifte Bluse, welche sie vorne etwas in ihre dunkle Stoffhose gesteckt hatte.
,,Es muss perfekt sein", murmelte ich und Olivia lachte, bevor sie ein paar Schritte auf mich zu kam und ihre Hände auf meine Schultern legte, was mich an meinen wahllosen Hin und Herlaufen hinderte. ,,Wir werden schon aufpassen, dass sie sich nicht zerfleischen, versprochen", meinte sie fürsorglich und lächelte mich breit an.
,,Und du solltest dich langsam auf das Firmengelände machen, um Essen zu verteilen", erklärte sie, als sie mich langsam aber bestimmt in Richtung Tür schob. ,,Und ganz neben bei Fynn anschmachten", fügte sie hinzu, was ihr einen anerkennenden Blick von Ethan bescherte. ,,Also ich würde das definitiv lieber tun, als Royal Senior und Royal Junior vom Streiten abzuhalten", bestätigte mein Bruder, was ich mit einem Augenrollen kommentierte.
***
Auf dem Royal-Industrie Gelände hatten wir einige dunkelblaue Pavillons aufgestellt, wo wir zum einen mehrere Theken aufgebaut hatten, an welchem man sich einen warmen Eintopf, frisches Brot und Tee abholen konnte. In weiteren Pavillons standen Tische und Bänke mit Decken, an welche man sich setzen konnte und essen konnte. So hatten wir es jedes Jahr gehandhabt, was bisher auch immer gut besucht war.
Wir boten alle einen Ort zum Zusammenkommen. Allen, die sich entweder kein Essen leisten konnte oder an Thanksgiving allein geblieben wären. Das war die liebste Tradition, die dank meinem Bruder Landon ins Leben gerufen wurde.
Zudem erfüllte es mich mit Stolz, ihn hier zwischen den ganzen Menschen zusehen, wie er Schüsseln verteilte und mit einem breiten Lächeln Small-Talk führte. Es erfüllte ihn, etwas an die Menschen zu geben, die nicht so privilegiert waren wie wir...der Welt und der Gesellschaft etwas zurück zugeben, was aus tiefsten Herzen kam.
Während andere reiche Familien Spenden tätigte oder halbherzig Organisationen unterstützte, um ihren Ruf zu steigern, tat Landon das aus tiefster Überzeugung und ohne etwas zurück zu verlangen.
,,Es müsste mehr Landons auf der Welt geben", kommentierte Fynn meinen Blick, als er neben mich hinter die Theke trat und ebenfalls zu Landon sah. ,,Das stimmt. Es würde die Welt zu einem besseren Ort machen", stimmte ich ihm zu, bevor ich mich von meinem Bruder loslöste und meinen Assistenten ansah.
,,Gibt es irgendein Problem bei euch?", fragte ich und nickte zu der Theke, welche für den Abwasch aufgebaut war, wo Fynn eingeteilt wurde. Ich selbst war dafür eingeteilt Wasser zu kochen, für Tee oder Kaffee auszuschenken.
,,Nein. Es war nur gerade sehr ruhig, deswegen dachte ich, ich schau mal bei den anderen Stationen vorbei", erklärte er und schob die Ärmel seines weißen Pullis hoch. Darüber trug er eine dunkelblaue Schürze, die wir alle trugen.
,,Wie nett von dir", fügte ich ironisch hinzu, was Fynn mit einem Lächeln kommentierte. Dabei bildete sich wieder das eine Grübchen, was immer nur dann erschien, wenn er wirklich von Herzen lächelte und es nicht nur vorspielte.
Für einen kurzen Moment verweilten meine Augen auf seinen Lippen, was mich daran erinnern ließ, wie sie sich auf meinen angefühlt hatten. Sofort zog begann es in meinem Bauch zu kribbeln, was mich Schlucken ließ. Ich war verloren.
,,Ey, Fynn. Hast du Lust mit beim Football mitzuspielen?", fragte Landon, als er zu uns rüber kam. Dabei er strich sich Strähnen seines blonden Haares aus dem Gesicht. Zwischen seinem Oberarm und seinem Oberkörper klemmte ein Foodball.
,,Klar gern...aber ich verspreche nicht, dass ich ein guter Verlierer bin", erklärte er, was Landon zum Schmunzeln brachte. ,,Du wirst doch nicht die Kinder zum Weinen bringen wollen", erwiderte dieser, während Fynn seine Schürze über den Kopf streifte und über eine Bank legte.
,,Ich mache keine Ausnahmen", konterte er belustigt und lief hinter Landon zu der Wiese, wo wir ein improvisiertes Footballfeld errichtet hatten. Darauf hatten sich Kinder und Jugendliche versammelt, die schon ganz heiß darauf waren, mit Fynn und Landon endlich anzufangen zu spielen.
Schnell hatten sich zwei Teams gebildet und sie begannen über die Wiese zu rennen. Kinderlachen erfüllte den Platz und für einen kurzen Moment genoss ich diese Idylle.
Während ich weiter damit beschäftigt war, warme Getränke zu verteilen, schielte ich immer wieder rüber zu den Jungs. Fynns Pulli war zum Teil mehr grün und braun als weiß, was mich zum Schmunzeln brachte.
,,Es tut mir so leid, was ihrer Familie passiert ist", erwiderte eine ältere Dame, als ich ihr eine dampfende Tasse Tee reichte. Ich zuckte leicht zusammen, weshalb mich die Dame mitleidig ansah. ,,Wir wissen zu schätzen, was sie für uns jedes Jahr machen, Sie und ihre Familie. Ich habe nicht das Recht über ihren Vater zu urteilen, aber wem solche netten Geschöpfe geschenkt wurden, der kann kein schlechtes Gemüt haben", fügte sie hinzu und griff mir ihrer Hand nach meiner, um sie kurz zu drücken.
Ohne es zu Verbergen, schossen mir Tränen in die Augen. Diese Worte bedeuteten mir so viel, besonders weil die Öffentlichkeit eine Hetzjagd auf meine Familie und meinen Vater veranstaltete...aber anscheinend gab es auch Menschen, die an seine Unschuld glaubten. ,,Dankeschön", hauchte ich, da meine Stimme versagte, was die Frau zu einem herzlichen Lächeln brachte. Sie drehte sich um und setzte sich wieder an einen Tisch.
Ich versuchte gegen den Kloß anzukämpfen, der sich in meinem Hals gebildet hatte, aber ich konnte nicht. Aus diesem Grund, sagte ich kurz Bescheid, dass ich etwas Bewegung brauchte und verschwand aus dem Pavillon. Ich stellte mich an den Rand des Spielfeldes, um auf andere Gedanken zu kommen.
,,Phia! Setz dich doch zu mir", rief mir Lou, Landons Freundin zu und klopfte neben sich auf die Bank, die sie her getragen hatte. Um ihre Schulter lag eine Decke, von welcher ich, als ich mich neben sie setzte, ebenfalls ein Stück abbekam.
Anfänglich führten wir ganz normalen Smalltalk, während wir das Spiel beobachteten. Fynns Pulli war übersät mit Grasflecken, was ihn aber nicht sonderlich störte. Schließlich war er derjenige, der von einer Horde jubelnder Kinder umgeschmissen wurde, da mit sie ihm den Foodball abnehmen konnten.
Dabei lag ein breites Lächeln auf seinen Lippen, als mehrere kleine Hände nach dem Ball griffen. Seine dunklen Locken waren zerzaust und seine Wangen etwas gerötet. Tief in meinem Inneren berührte dieser Anblick etwas. Was hätte Fynn sonst an Thanksgiving getan? Hätte er alleine in seiner Wohnung gesessen ohne es zu zelebrieren? Oder wäre er zum Umzug gegangen, um wenigstens alleine etwas zu unternehmen?
Hier war er so glücklich und ausgeglichen, was mich selbst lächeln ließ. So als würde seine Stimmung auf mich überschwappen. Ich konnte gar nicht anders, wenn ich ihn so sah, wie er mit den Kindern über das Gras jagte, wobei er jedoch nicht hundert Prozent gab. Also hatte er ja doch ein Herz für Kinder, was nicht gänzlich für den Sieg schlug.
,,Landons Mannschaft liegt anscheinend vorn", kommentierte Lou das Spielgeschehen, was mir aus meinen Gedanken riss. ,,Oh...so genau hab ich die Punkte gar nicht im Blick", erklärte ich ehrlich. Lou hob ihre Kaffeetasse an ihre Lippen und nippte daran. Dabei viel mir ein Ring an ihrem Ringfinger auf, was mich kurz inne halten ließ.
Es war ein zarter goldener Ring mit einem Diamanten. Mein Mund wurde Staub trocken, da ich den Ring kannte. Es war Mums Ring, an Lous Hand. ,,Ihr habt euch verlobt", sprach ich meine Gedanken aus, jedoch klangen meine Worte tonlos, was Lou vermutlich als eine Art Schock interpretierte.
Sie begann förmlich zu strahlen, als sie ein hohen Fiepen von sich gab. ,,Ja!", fiebte sie und stellte ihre Tasse neben sich ab. Ihre Augen funkelten vor Freude. Ich holte tief Luft und setzte ein Lächeln auf. ,,Ich freue mich so für euch!", hörte ich mich sagen und schloss sie in die Arme.
Ich freute mich wirklich für sie, aber wieso auch immer warf es mich etwas aus der Bahn, dass sie Mums Ring trug. Ich weiß auch nicht wieso, eigentlich verband ich rein gar nichts mit dem Ring...schließlich hatte ich ihn länger im Schmuckkästchen liegen sehen als an Mums Hand. Aber ein kleiner Gedanke hatte sich bei mir eingenistet, dass ich ihn irgendwann tragen würde...ich weiß es war wirklich nicht üblich, aber, ach ich weiß auch nicht.
,,Aber behalt es bitte für dich! Landon wollte es heute Abend beim Dinner verkünden", sagte sie, als sie sich aus meiner Umarmung löste und auf ihre Hand sah. ,,Er hat mich letzte Woche gefragt...oh mein Gott, Phia, ich kann es gar nicht glauben", fügte sie freudig hinzu, was mich sofort schlecht fühlen ließ, dass ich kurz so reagiert hatte, wie ich reagierte...das war falsch. Lou hatte es mehr als verdient ihn zu tragen.
,,Ich auch nicht. Um ehrlich zu sein, hätte ich damit erst in eins, zwei Jahren gerechnet", warf ich ein, da ich wusste, dass Landon eigentlich noch gar nicht sesshaft werden wollte. Aber vielleicht hatten sich seine, jetzt ihre, Pläne geändert.
,,Naja, nach fünf Jahren Beziehung wird es doch endlich Mal Zeit", sagte sie und lächelte mich breit an, bevor ihr Blick zu Landon schweifte, der gerade versuchte einen Teenager zu blocken. Ich erwiderte ihr Lächeln und sah ebenfalls wieder zum Spielfeld.
Vergiss das ☆ nicht, wenn es dir gefallen hat.
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