Kapitel 22

Meine Finger umklammerten das eiserne Geländer unserer Galerie, während mein Blick auf die dunkle Eingangstür gerichtet war. Mein Atem ging ruhig, als die Tür aufschwang und mein Vater eintrat begleitet von zwei Polizeibeamten.

Er trug wie gewöhnlich einen maßgeschneiderten Anzug, so dass man auf den ersten Blick denken könnte, dass er gerade von der Arbeit kam...wären da nicht die Handschellen um seine Handgelenke.

Bilder von den Abend seiner Verhaftung kämpften sich an die Oberfläche meiner Erinnerungen, aber ich ließ mir nichts anmerken. Zumindest hoffte ich es, dass man es mir nicht ansah.

Neben mir spürte ich die Präsenz meiner Brüder, Ethan und Landon. Wie zwei Felsen in der Brandung standen sie neben mir und beobachteten ebenfalls das Schauspiel, was sich unter uns abspielte.

Die Beamten schlossen die Haustür hinter sich, bevor einer von beiden eine elektronische Fußfessel an den rechten Knöchel meines Vaters anbrachte und der andere die Handschellen löste. ,,Wenn man darüber nachdenkt, dass Gideon dafür fast eine Million Kaution gezahlt hat", erwiderte Silas, welcher an der Wand zur Treppe mit verschränkten Armen lehnte, so als wollte er nicht dazu gehören.

Landon warf seinem Bruder einen Blick zu, der jeden weiteren Kommentar unterband. Schließlich war es gerade kein guter Zeitpunkt irgendetwas zu kritisieren. Ein Piepen ertönte aus dem Eingangsbereich und symbolisierte, dass die Fußfessel in Takt war.

,,Bei dem ersten Zentimeter, denn er unsere Grundstücksgrenze verlässt, fängt dieses Ding an laut zu Piepsen und sondert Stromstöße aus...das ist barbarisch", erklärte Ethan leise, sodass nur ich es hörte, während er sich etwas weiter auf das Geländer lehnte.

,,Ich könnte versuchen, das Ding zu haken", schlug Silas just in diesem Moment vor, als die Beamten das Haus verließen.

,,Das wirst du nicht tuen", ertönte die dunkle Stimme meines Vaters, wobei ein schmales Lächeln an seinen Mundwinkel zupfte.

Eine Gänsehaut bildete sich auf meiner Haut und ich fühlte mich wie gelähmt.

Da stand er. Mein Vater, von dem ich nicht geglaubt hatte, dass er zeitnah wieder hier stehen würde. Aber trotz aller Zweifel, stand er hier.

***

,,Es ist ein verdammt komisches Gefühl", meine Ethan, während wir aus meinem Zimmer beobachteten, wie Dad mit Gideon im Garten Runden lief.

Dad hielt es im Haus nicht aus, weswegen schon seit Stunden im Garten um unseren Teich herum lief. Anfangs allein, nun mit Gideon, wobei es uns verboten war mit zu laufen.

,,Meint ihr, sie schlagen sich gleich die Köpfe ein?", hinterfragte Silas, welcher auf meinem Stuhl vor meinem Schminktisch saß.

,,Nicht jedes Problem, kann mit Gewalt gelöst werden", kommentierte Landon die Aussage seines Zwillings und verdrehte die Augen, während er selbst nicht ruhig stehen konnte.

,,Also ich für meinen Teil wäre extrem sauer, wenn Gideon mich ins Gefängnis gebracht hätte", verteidigte sich Silas schulterzuckend, bevor er anfing meine Schminksachen zu inspizieren.

,,Ich glaube die Beiden sind das kleinere Problem...Grandpa kommt heute auch", warf Ethan ein, der seine Augen nicht von den Beiden im Garten lassen konnte.

Genau in diesem Moment klingelte es an der Haustüre.

,,Wenn man vom Teufel spricht...", sagte ich und drehte mich um.

,,Fünfzig Dollar, dass in maximal einer Stunde die Hölle auf Erden ausbricht", rief Silas fast schon euphorisch.

Landon seufzte und wollte gerade mal wieder Silas zusammenstauchen, als ihm Ethan ins Wort fiel: ,,Siebzig Dollar, dass es schon nach einer halben Stunde passiert."

Landon warf nur seine Arme in die Luft, als wären alle verrückt geworden und lief eilig aus meinem Zimmer, um Grandpa zu begrüßen, was ich ihm gleich tat.

Grandpa war ein kleiner Mann, dem man sein Alter von fast siebzig Jahren deutlich ansah...natürlich sollte man dies nicht kommentieren.

Seine weißen Haare waren nur noch ein Hauch dessen, was sie einmal waren, weshalb er sie streng nach hinten gekämmt hatte.

Er trug eine graue Anzughose mit einem weißen Hemd und darüber einen grau-dunkelroten Pullunder.

,,Ihr habt mich ganz schön warten lassen. So viel Zeit bleibt mir nicht mehr", waren seine ersten Worte, als Landon ihm die Tür auf machte, bevor er einen Schritt zurück trat, damit der alte Herr eintreten konnte.

,,Wir freuen uns auch dich zu sehen, Grandpa", sagte ich, was ihn schmunzeln ließ.

,,Das hoffe ich für euch. Sonst sieht euer Erbe beträchtlich gering aus", konterte er, bevor er mich in die Arme schloss und mir einen Kuss auf die Wange hauchte.

,,Du siehst müde aus", fügte er sanft hinzu, während er mir über die Wange strich. Als Antwort schluckte ich nur und versuchte ein Lächeln aufzusetzen.

Danach schloss er Landon in die Arme und klopfte ihn beherzt auf den Rücken, bevor er Landons lange blonden Haare kommentierte, ob dies immer noch ,,in" sei.

Daraufhin stampften meine anderen Brüder die Treppe herunter und begrüßte Grandpa, wobei dieser von seinen Enkeln umringt wurde, was ihn fühlen ließ wie ein ,,Hobbit". Zitat.

***

Meine nackten Füße tabsten über den kalten Flur. Ich wusste nicht, was mich antrieb, aber irgendeine innere Macht zog mich zu meinem Atelier, welches ich seit Wochen nicht betreten hatte.

Der Flur lag schweigend vor mir, da es schon mitten in der Nacht war und wir uns schon seit einigen Stunden auf unsere Zimmer verzogen hatten. Weder Silas und Ethan haben die Wette gewonnen, was beide zutiefst erschütterte.

Meine Finger umklammerten die Türklinke und ich atmete tief ein, so als würde hinter dieser Tür ein Monster warten, was sich gerade genüsslich über die Lippen leckte.

Ich drückte die Klinke langsam herunter und trat in den dunklen Raum, der nur durch das Mondlicht beleuchtet war. Staubpartikel schwebten durch die Luft und sahen durch die Streifen, die das Mondlicht in das Zimmer warfen aus wie winzige Schneeflocken. Ein Gefühl von Ruhe breitete sich in meinem Inneren aus, während ich langsam ausatmete.

Alles stand noch genauso da, wie ich es vor Wochen zurück gelassen hatte. Bemalte, zum Teil auch noch ganz leere, Leinwände lehnten an den Wänden. In der Mitte wartete eine Staffelei auf mich, in welcher noch das letzte Bild gespannt war. So als würde sie flüstern, Willkommen zurück, trat ich ehrfürchtig auf sie zu. Neben ihr stand ein Tischchen mit Farben und Pinseln, die ich zu letzt benutzt hatte. Ein Träne schlich sich über meine Wange, als ich einfach nur den Augenblick genoss.

Das leise Vibrieren meines Handys zerriss den Moment, da ich jedoch so darin gefangen war, nahm ich den Anruf an, ohne zu lesen, wer mich überhaupt versuchte zu erreichen.

,,Hey", ertönte eine dunkle Stimme aus dem Telefon und ich zuckte kurz zusammen.

,,Fynn?", fragte ich leicht perplex und setzte mich auf den Boden meines Ateliers.

,,Hast du mich vermisst, Phia?", hinterfragte er und ich konnte sein Lächeln aus der Stimme erahnen. Ich verdrehte die Augen.

,,Natürlich, Tag und Nacht denke ich dich. Wie soll ich nur die freien Tage ohne dich überleben?", spielte ich sein Spiel mit und tat so als wäre ich überdramatisch.

Ein raues Lachen ertönte, bevor er weiter sprach: ,,Das dachte ich mir."

,,Okay. Was gibt's? Oder hattest du wirklich die leise Hoffnung, dass du dich in die Träume deiner Chefin schleichen könntest?" Ich legte mich auf den Rücken und starrte gegen die weiße Decke des Raumes.

,,Auch ein interessanter Grund anzurufen, hab ich es denn schon einmal geschafft?", stellte er die Frage, die ein Kribbeln auf meiner Haut auslöste.

,,Jetzt werd nicht unverschämt. Jetzt spuck's aus, wieso rufst du an?", drängte ich weiter.

,,Ich hab gesehen, dass du so spät noch online warst und wollte hinterfragen wie es heute gelaufen ist. Du meintest ja, dass dein Dad heute heimkommt...",erklärte er und ohne viel darüber nach zudenken, erzählte ich es ihm. Die Wahrheit, keine Verschönigung.

Erzählte ihm von dem komischen Gefühl, Dad mit Handschellen zu sehen, woran ich mich nie gewöhnen werde und wie wir Gid und Dad im Garten beobachtet haben. Schließlich auch von dem Abendessen berichtete ich Fynn, dass es für einen kurzen Moment Normalitätscharakter besaß.

,,Was machst du grade?", fragte er leise, während ich immer schläfriger wurde. ,,Ich liege auf dem Boden meines Ateliers", antwortete ich unverblümt, was ihn kichern ließ.

,,Damit hab ich nicht gerechnet, bin ich ehrlich", entschuldigte er sich für sein Lachen. ,,Du musst es mir irgendwann einmal zeigen...deine Zeichnungen, meine ich."

,,Das geht über die Beziehung drüber, die ich normalerweise mit meinen Angestellten pflege", kommentierte ich und schloss kurz die Augen, da meine Lider immer schwerer wurden.

,,Normalerweise küsst sich der Assistent und die Chefin auch nicht", warf er ein

,,Hm...da hab ich wohl von Anfang an versagt", murmelte ich leise.

,,Nein, hast du nicht...du versagst nicht,Phia"


Vergiss das ☆ nicht, wenn es dir gefallen hat.

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