Kapitel 17

Als ich meine Augen aufschlug, brauchte ich kurz, um mir klar zu werden, wo ich überhaupt war.

Der gestrige Abend fühlte sich an, als wäre er nicht geschehen. Als wäre es nur ein verschwommener Traum, der immer mehr verblasste, wenn ich versuchte mich an ihn zu erinnern.

Meine Augen waren leicht geschwollen, vom Weinen, als ich langsam nach meinem Handy griff, was auf Elijahs Nachtisch lag.

Er hatte schon vor Stunden die Wohnung verlassen, da er zur Arbeit musste, aber es war nichts Neues, dass ich hier alleine zurück blieb.

Genau dieser Gedanke, fühlte sich ekelhaft auf meiner Zunge an, so als hätte ich etwas gegessen, was ich sofort wieder bereute, weil es zu bitter war.

Ich zog die Decke noch ein Stück höher und strich mir mit der flachen Hand über das Gesicht. Mehr Zeit blieb mir auch nicht, bis es heftig an die Haustür klopfte.

Mein Körper zuckte zusammen und ich atmete langsamer. Elijah erwartete doch kein weiteren Besuch? Das hätte er nicht zugelassen oder hätte es zumindest gesagt. Hatte er seinen Schlüssel liegen gelassen?

,,Phia, ich weiß, dass du hier drin bist", fluchte derjenige vor der Tür und ich entspannte mich sofort. Ich tapste mit meinen nackten Füßen über den kalten Holzboden und öffnete meinem Bruder.

,,Ethan", begrüßte ich ihn, bevor er an mir vorbei in die Wohnung stürmte.

Er trug einen dunkelgrünen Pullover über einer einfachen Jeans, so als wäre er heute gar nicht an der Arbeit gewesen. Seine blonden Haare steckten unter einer verkehrt aufgesetzten Cap.

,,Weißt du, da hat man einmal frei und dann bekomm ich einen Anruf von deinem Assistenten, dass du dich krank gemeldet hast?", redete Ethan einfach drauf los und sah mich irritiert an, bevor er die Arme vor der Brust verschränkte.

,,Das ist doch eigentlich nicht deine Art! Ich weiß, dass du weder gestern daheim warst noch dass du dir irgendeine mysteriöse Krankheit zugezogen hast." Ich schluckte und schloss die Haustür hinter mir.

Ich konnte mir denken, wie dieses Bild wirkte.

Schließlich stand ich hier vor meinem Bruder in einem ausgewaschenen T-Shirt meines Ex-Dozenten und vermutlich wirkte ich so als hätte ich die ganze Nacht nicht geschlafen.

,,Das ist doch nicht deine Art, Phia", fügte er etwas weicher hinzu und lehnte sich gegen das durchgesessene Sofa, was als Raumteiler zwischen Küche und Schlafzimmer diente.

,,Woher wusstest du, dass ich hier bin?", lenkte ich vom Thema ab und zupfte an dem T-Shirt herum, was mir gerade einmal bis zur Mitte meiner Oberschenkel reichte.

Ethan wusste nicht, wo ich gestern war und eigentlich hatte ich nicht vor es ihm zu erzählen. Ich wollte weder sein Mitleid noch ihm den Anschein machen, dass er Dad auch besuchen musste.

,,Naja, logisches Denken. Da du nicht daheim warst, blieben nicht viele Orte, an denen du stecken könntest", erklärte er mir, während er seinen Blick durch die kleine Einzimmerwohnung schweifen ließ.

Ethan war der Einzige, der wusste, dass Elijah existierte und auch der Einzige, der wusste, wo Elijahs Wohnung war.

Sein Blick richtete sich auf mich und seine Gesichtszüge wurden wieder weich. ,,Ich wollte dich nicht so anpflaumen, aber ich mach mir eben einfach nur Gedanken um dich...du bist eben meine kleine Schwester", meinte er und lächelte mich an, was mich ebenfalls zum Schmunzeln brachte.

Ethan hätte die ganze Stadt umgedreht, um herauszufinden wo ich steckte, nur um festzustellen, dass es mir gut ging. Und dafür war ich ihm so dankbar.

***

,,So und was machen wir nun an unserem freien Tag?", hinterfragte Ethan, als wir von der Tiefgarage hoch in unser Anwesen liefen.

,,Eigentlich müsste ich mit Olivia telefonieren, sie hat heute das Interview bei Tristan Grey", erklärte ich, was Ethan nur zum Schnauben brachte.

,,Du musst dringend lernen, wie man richtig krank macht, Phia. Du musst noch so viel lernen", entgegnete mir mein Bruder fast schon enttäuscht, während er Kopf schüttelnd die Treppe hoch lief und auf unserer Etage verschwand.

Mein Weg führte mich in da Arbeitszimmer meines Vaters, was sich vor mir erstreckte, als hätte ich es nicht verlassen.

Sofort strömten mir die Bilder von gestern in meine Gedanken, die ich jedoch einfach wieder zurück drängte.

Nicht jetzt. Nicht schon wieder. Mein Vater war unschuldig. Und das würde ich beweisen.

Ich lief auf seinen Schreibtisch zu und griff nach dem dunkelblauen Terminkalender, auf welchem das goldene Firmenlogo eingeprägt war.

Natürlich waren wir alle auf einen digitalen Terminkalender umgestiegen.

Wir besaßen sogar einen, der mit der ganzen Familie synchronisiert war. Aber Dad war einfach jemand von der alten Schule.

Er hatte schwer dagegen protestiert auf seinen Papier Kalender zu verzichten und hatte sich nur schwer getan mit den ganzen Apps zurecht kommen. Aber genau das, kam mir gerade zu gute.

Ich blätterte in dem Kalender zu dem heutigen Datum und fand, wie erwartet keinen Termin.

Sondern einen Namen. Christian McAllen war mit der sauberen Schrift meines Vaters auf den Zeilen geschrieben.

Ich blätterte nochmals durch das Buch, in der Hoffnung noch weitere Informationen zu finden, jedoch fand ich nichts weiter. Ein weiterer Name...okay, damit konnte ich umgehen.

Da mein Vater wirklich alles akribisch aufhob und sortierte, wurde ich ziemlich schnell bei den Visitenkarten fündig, die mein Vater in einer dunklen Box in seinem Schreibtisch lagerte.

Privatdetektiv C. McAllen stand in schwarzen Lettern auf der cremefarbenen Karte.

Wofür brauchte mein Vater einen Privatdetektiv...und besonders wen hatte er beschatten lassen? Callum McKeanzie eventuell?

Wusste dieser Mann, wer der Mörder war?

Ich atmete tief durch, um meine Hysterie herunter zu schlucken, da ich diesen Gedanken sofort anzweifelte, als er in meinen Sinn kam. Wäre es so, wäre mein Vater jetzt nicht im Gefängnis.

Meine Finger tippten die Handynummer ein, die auf der Rückseite der Karte standen.

Nach drei Pieptönen ertönte auf der anderen Seite eine ruhige und tiefe Stimme.

,,McAllen. Womit kann ich ihnen behilflich sein?", fragte diese und mein Herz hüpfte einen Schlag höher.

,,Mein Name ist Phia Royal. Ich glaube mein Vater Nikolaj Royal war bei ihnen ein Klient", begann ich sachlich und drehte den Kugelschreiber, der farblich zum Terminkalender passte, zwischen meinen Fingern.

,,Ihre Lieblingsbonbon waren in der Kindheit die Weingummis mit Fruchtfüllung oder?", hinterfragte der Mann, was mich kurz verwirrte.
Was sollte denn diese Frage nun wieder?

,,Nein. Die Karamellbonbons", antwortete ich immer noch etwas perplex, aber Wahrheitsgetreu.

,,Tut mir leid, Miss Royal, dass ich diese Frage gestellt habe, aber ihr Vater hat mich vorgewarnt, dass es vielleicht Andere versuchen könnten, mich zu kontaktieren", erklärte Mr McAllen.

Mein Vater arbeitete nur mir Profis, die nicht bei jedem kleinen Fünkchen Skandal zur Presse liefen.

Er vertraute grundsätzlich niemanden, außer der eigenen Familie...aber anscheinend war nicht mal mehr diese vertrauenswürdig in seinen Augen. 

,,Das verstehe ich. Aber könnten sie mir jetzt verraten, was mein Vater von ihnen wollte?"

,,Nicht am Telefon...wer weiß, wer mithört. Kommen sie am Freitag in mein Büro, da kann ich es ihnen persönlich zeigen", entgegnete mir der Mann und ich machte mit ihm einen genauen Termin aus.

Vielleicht konnte ich damit endlich etwas Licht ins Dunkle bringen...endlich etwas näher dieser ganzen Sache kommen.

Nachdem ich das Gespräch mit Mr McAllen beendet hatte, rief ich sofort Olivia an, die heute das wichtige Interview für die Zeitung von Tristan Grey hielt.

Wenn dieses gut laufen würde, würde es zumindest für die Firma einen kleinen Lichtblick geben.

Wir mussten Stärke zeigen. Auch wenn wir sie innerlich vielleicht nicht hatten.


Was denkt ihr, welche Informationen hat Christian McAllen für Phia?

Vergesst das ☆ nicht, wenn es euch gefallen hat ^^

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