Kapitel 11

Regen trommelte aggressiv gegen die großen Scheiben des Anwesens, während ich durch das Haus wanderte, ohne wirklich zu wissen, was ich treiben sollte.

Normalerweise war Montagabend immer mit Elijah verplant gewesen, weswegen ich es gar nicht mehr gewöhnt war hier die Zeit tot zuschlagen.

Ich hätte die Zeit zum Malen nutzen können, aber irgendwie habe ich seitdem Dad verhaftet wurde, mein kleines Atelier nicht mehr betreten.

So als hätte ich Angst, was mich dahinter erwarten könnte, ein verlorener Traum.

Meine Schritte führten mich in das Erdgeschoss, in den Flur, der zum Keller und zur Küche führte...und zu Dads Büro.

Die helle Tür war nur angelehnt und ich schluckte.

Die Putzfrau musste vergessen haben sie wieder zuschließen.

Ich könnte einfach die Klinke greifen und die Tür zuziehen, jedoch tat ich genau das Gegenteil.

Als würde eine stille Einladung in der Luft hängen, die mich immer weiter in das dunkle Arbeitszimmer meines Vaters führte.

Ich machte das Licht an und sah mich um, aber ich kannte jeden Winkel.

Der Raum war in dunklen Holz eingerichtet und hier und da spiegelte sich das royale Blau wieder, was zu unserem Markenzeichen wurde.

Der Bürostuhl hinter dem massiven Schreibtisch war dunkelblau, sowie der Teppich vor dem Kamin zu meiner rechten Seite.

Was erwartete ich hier? Ein Hinweis, den alle übersehen hatten?

Ich war töricht, aber irgendwie wollte ich den Raum auch nicht verlassen.

Das Arbeitszimmer meines Vaters hat schon immer Faszination in mir ausgelöst, schon als kleines Kind habe ich hier gestanden und zu meinem Vater aufgesehen, wie er dort hinter dem Schreibtisch gesessen hatte. Macht und Ehrgeiz, das waren die Dinge, die dieser Raum verkörperte.

Ich trat um den Schreibtisch herum und strich über den edlen Stoff des Bürostuhles.

,,Du bist kein Mörder", flüsterte ich in die Stille des Raumes und griff nach der zweiten Schublade.

Ich öffnete sie und traf auf Bürozeug, nichts sonderlich spannendes. Die Sachen legte ich achtlos auf den Boden neben mir und befühlte den Schubkastenboden. Ich spürte die kleine Kerbe und hob den dünnen Boden hoch.

Dad hatte hier früher immer Süßigkeiten versteckt, die er mir immer gereicht hatte, wenn ich mich in sein Arbeitszimmer geschlichen habe.

Ein gähnendes Nichts. Hatte ich wirklich etwas erwartet?

Ich seufzte frustriert und griff nach dem silbernen Bonbonpapier, um es aus der Schublade zunehmen.

Es stammte von den leckeren Karamellbonbons, die damals zu meinen Lieblingen gezählt hatten.

Wenn Dad etwas von mir wissen wollte, konnte er mich damit bestechen.

Sehr zum Leidwesen von Silas, der durch mich jedes Mal verraten wurde und Dad somit all seine Streiche erfuhr. Das hier war eine reine Sackgasse.

,,Was machst du da?", ertönte die Stimme von Landon und ich schreckt hoch. Er stand im Türrahmen und musterte mich skeptisch. Schnell räumte ich das Zeug aus der Schublade wieder ein und stand auf.

,,Nutzlosen Ideen hinterher jagen", erklärte ich meinem Bruder und knallte die Schublade etwas zu fest zu.

Landons Blick bekam eine mitleidigen Ausdruck, während ich nur resigniert die Schultern zuckte. Es hatte doch alles keinen Sinn mehr.

,,Wie war das Mittag mit Gideon?", hinterfragte Landon beläufig, bevorner sich auf das dunkelblaue Sofa setzte, was den größten Teil des Wohnzimmers einnahm.

Ich verzog mein Gesicht, da diese Frage wieder die Bilder von der blonden Frau auf Gideon hervorrief.

,,Er war anderweitig beschäftigt", gab ich hinzu und nahm einen großen Schluck Weißwein aus meinem Glas.

DEN brauchte ich jetzt wirklich. Landon zog eine Augenbraue hoch und musterte mich wieder, während er ebenfalls ein Schluck Wein nahm.

,,Details bitte", kommentierte er, worauf ich seufzte.

,,Du wolltest Details. Also leb damit", beendete ich meine Erzählung und leerte mein Weinglas.

Nun sah auch Landon sichtlich verstört aus. Seine Mundwinkel sind bei jedem meiner Sätze ein Stück tiefer gesunken.

Eigentlich ganz lustig anzusehen, wenn es nicht gerade solch verstörende Themen wären.

,,Ich wusste gar nicht, dass Gideon auf Ältere steht...", meinte Landon und nippte immer noch etwas benommen an seinem Glas.

Mein Blick wanderte zu der Glasfront, hinter welcher gerade gefühlt die Welt unterging.

Ein Blitz erhellte den Himmel, bevor alles wieder in Dunkelheit gestoßen wurde. Sogar das Wetter war deprimierend.

,,Landon, die Frau ist älter als Mum...also keine Ahnung, was er da für Komplexe schiebt", warf ich ein und schaute kurz zu der Wand, welche überfüllt war mit Bildern von der Familie.

Bilder von Schuleinführungen, Urlauben und Abschlüssen. Doch eine Person fehlte auf allen Bildern. Mum.

Sie war kurz nach meinem dritten Geburtstag an Brustkrebs gestorben.

Ich kann mich kaum an sie erinnern und trotzdem vermisse ich sie, auch wenn ich sie nur von Bildern kenne.

,,Wer schiebt Komplexe?", hörte ich Ethan fragen, als er zu uns ins Wohnzimmer trat.

Er trug seine Sportklamotten, da er vermutlich gerade aus dem Gym kam.

,,Du bist noch schlimmer als die Stasi", entgegnete ich ihm und Ethan lächelte mich nur breit an. Bevor er seine Sporttasche achtlos auf den Boden fallenließ, um sich dann über die Sofalehne zu schwingen und sich zwischen mir und Landon zu positionieren.

,,Also? Ich erwarte den neusten Klatsch und Tratsch", er sah zwischen mir und Landon hin und her, während wir uns nur perplexe Blicke zuwarfen.

Ethan war einfach unschlagbar.

Gegen elf Uhr ging ich hoch in mein Zimmer, schließlich musste ich morgen wieder früh raus und meine Augenringe sollten nicht noch dunkler werden, als sie so schon waren.

Die letzten Tage zerrten nicht nur an meiner mentalen Gesundheit, sondern auch an meinem Aussehen.

Ich fühlte mich nicht nur so, als würde ich nur noch existieren, sondern so sah ich auch aus. Unter den Schichten meines Make-Ups verbarg sich blasse Haut und dunkle Ringe unter meinen Augen.

Ich schloss kurz die Augen und atmete tief ein. Irgendwann würde es wieder bergauf gehen.

Ich entsperrte mein Handy, als ich meine Bettdecke zurückschlug.

Dutzende Anrufe von Gideon, welche ich gewissenhaft ignoriert hatte. Dazu kam eine Email von Fynn, der mir schon mal die To-Dos für morgen mitgeteilt hatte und eins, zwei Nachrichten von Olivia.

Ich wollte gerade unter meine Decke schlüpfen, als mir etwas glitzerndes neben meinem Schminktisch auffiel. Das silberne Bonbonpapier.

Ich musste es eben einfach eingesteckt haben, als Landon ins Büro kam.

Meine Finger griffen danach und wollten es gerade schon achtlos in den Müll schmeißen, als mir etwas auffiel.

Ein Name, mit schwarzer Tinte auf das Papier gekritzelt.

Nur ich kannte das Fach...zumindest glaube ich das, vielleicht kannten es auch meine Brüder, aber wieso sollten sie dort ein Name hinschreiben. Dad. Ich strich zittrig das Papier glatt.

Frederik Geller.

Noch nie von ihm gehört. Aber wenn Dad sich die Mühe machte, diesen Namen in das Fach zulegen, dann war er nicht unbedeutend.

Nur jemand der wusste, wofür das Fach war, hätte dieses Bonbonpapier gefunden...geschweige denn für mehr als nur Müll gehalten. Frederik Geller.

Nochmals ging ich im Kopf durch, ob ich diesen Namen nicht doch schon einmal gehört hatte...aber Fehlanzeige.

Vielleicht sollte ich morgen Fynn damit beauftragen die Archive zu durchforsten.

Ich musste einfach nach jedem Strohhalm greifen, der mir geboten wurde. Es konnte doch nicht alles in einer Sackgasse enden...

Vergiss das ☆ nicht, wenn dir das Kapitel gefallen hat^^

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