Vom Rausschleichen und Fremden in die Arme fallen
Kapitel 1
Meine eigentliche Geschichte beginnt schon lange vor meiner Geburt. Vor ziemlich genau achtundzwanzig Jahren begann eine Liebesgeschichte so voller Drama, Höhen und Tiefen, dass man meinen könnte sie stamme aus dem TV-Programm meiner Großmutter und nicht der Realität. In einem südlichen Teil von Italien traf die zukünftige Königin von England durch eine waghalsige Idee ihren zukünftigen Ehemann. Sie wollte es zwar nicht zugeben, doch die Thronfolgerin hatte Vorurteile, die sie nur ungern ablegen wollte.
Alessandro Cristian Di Lorenzo entsprach dem genauen Gegenteil. Er empfing jeden auf freundlichste Weise, der sich in das kleine Dorf verlaufen hatte, dass er seit seiner Geburt nur ein einziges Mal verlassen hatte. Schon damals liebte er nichts mehr als das Leben auf dem Land mit all seinen Vorteilen. Von Nachteilen wagte er sich damals nicht zu sprechen. Auch wenn er gerne einmal die Länder, die in scheinbar so weiter Ferne lagen, besuchen wollte, konnte er seine Verantwortung noch nicht hinter sich lassen. So eroberte er stets in seinen Träumen weit entfernte Orte, die er eines Tages besuchen wollte.
Eliza hingegen hatte in ihrem ganzen Leben bereits ziemlich genau einhundert Länder bereist. An einem Tag schüttelte sie dem Präsidenten der Vereinigten Staaten die Hand und am nächsten Tag beobachtete sie Delfine in Fidschi. Sie liebte den Planeten Erde mit all sein Phänomen, doch trotzdem war sie nie vollkommen zufrieden. Ihr war immer klar, dass ihr etwas fehlte. Doch sie konnte sich nie erklären, was genau dazu führte, dass sie nicht vollkommen erfüllt war.
Erst als sie nachts aus ihrem Fenster im zweiten Stock kletterte, war sie der Antwort so nah, wie noch nie zuvor. Eliza kannte ihr Ziel zwar noch nicht als sie in dieser Nacht aus dem Fenster kletterte, doch sie wusste, dass das Abenteuer nur auf sie wartete. Vielleicht lag es auch einfach daran, dass sie an diesem Abend Romeo und Julia fertig gelesen hatte und jetzt auf ihre eigene Geschichte wartete, die sie nicht mehr weglegen wollte. Und so rannte sie nicht nur vom Anwesen weg, sondern ganze zwei Kilometer ohne zu stoppen bevor sie Alessandro Cristian Di Lorenzo gerade zu in die Arme fiel.
Alessandro war gerade auf dem Weg zum Strand, als ihm eine Frau in die Arme fiel, als diese gerade ihr Gleichgewicht verlor. Eliza war gerade dabei über eine Mauer zu balancieren, um besser zu sehen, was in der Ferne auf sie zu kam. Da verfing sie sich plötzlich mit ihrem Kleid in einem Busch. Als sie hektisch versuchte sich von dem Ungetüm zu befreien, verlor sie das Gleichgewicht und fiel geradewegs in die Arme von ihrem zukünftigen Ehemann. Erst wusste sie nicht was mit ihr geschah. War das geplant? Wurde sie möglicherweise sogar entführt? Hätte sie sich doch nicht rausschleichen sollen?
Nun wusste niemand, wo sie sich befand. Schnell stellte sie fest, dass das Raus schleichen als Thronfolgerin definitiv nicht zu den Entscheidungen gehörte, die sie als ihre Beste zählte. Ehe sie darüber nachdenken konnte, wie sie sich im Falle einer Entführung wehren sollte, wurde sie von Alessandro sanft auf dem Boden abgesetzt.
Einen Moment musste sie sich dann erst einmal fangen ehe sie dann doch zu stottern begann. Sie nahm noch einen tiefen Atemzug bevor sie ihr bestes Italienisch versuchte zu präsentieren. Eliza kannte die ein oder andere Fremdsprache, so auch italienisch, welches sie vor knapp zwei Monaten angefangen hatte zu lernen. Doch das, was sie sagte, entsprach keineswegs dem, was sie eigentlich von sich geben wollte.
Alessandro blickte sie verwirrt an. Er hatte zwar sofort gemerkt, dass er eine Touristin vor sich hatte, aber er konnte sich nicht ganz erklären, warum eine Touristin zu dieser späten Stunde sich dafür bedankte, dass er den Schinken so schnell fliegt. Auch Eliza bemerkte natürlich die verwirrten Blicke, die von ihm ausgingen und versuchte sich anders auszudrücken.
Doch ihre Versuche machten es noch schlimmer, woraufhin Alessandro sie mit schiefen Blick anblickte und es schließlich selbst mit Englisch versuchte. Er lebte zwar auf dem Dorf, doch die englische Sprache hatte vor ihm nicht Halt gemacht. Eliza stutzte, als der Mann vor ihr sie in einem perfekten Englisch fragte, ob alles okay mit ihr sei.
Für einige Momente zögerte sie sogar, sodass der Mann schon vermutete, dass er eine Russin vor sich hatte. Mit der letzten Russin im Dorf hatte er keine guten Erfahrungen gemacht, denn diese hatte ihn absolut falsch verstanden. So hoffte er natürlich, dass sich diese Erfahrung nicht wiederholte.
Doch dann konnte sich Eliza endlich richtig in ihrer Sprache bedanken, woraufhin Alessandro erleichtert ausatmete. Sie war doch keine Russin. Das erkannte man mehr als deutlich an ihrem britischen Akzent, den er ja schon immer etwas überheblich fand.
Schließlich hielt er ihr selbstbewusst seine Hand entgegen und stellte sich mit einem Lächeln im Gesicht vor. Etwas zögerlich nahm sie seine Hand und fragte sich, ob er wirklich nicht ihren Namen kannte. Eliza war schließlich weltbekannt.
Am Ende waren es genau diese zwei Menschen, die in den nächsten Jahren das bedeutendste Thema in jeder Zeitung sein würden. Ehe man sich versah, heirateten Alessandro und Eliza. Alessandro ließ sein geliebtes Dorf hinter sich, um nicht nur die Welt zu entdecken, sondern auch um seine Eliza bis ans Ende ihrer Tage wortwörtlich in den Wahnsinn zu treiben, seinen Aussagen zufolge. Es dauerte nicht lange und schon erblickte der erste englisch-italienische zukünftige König das Licht der Welt. Carter Cristian Di Lorenzo war ein Engel vom ersten Augenblick an.
Etwas rebellischer war hingegen der nächste Sohn, der nur zwei Jahre später England auf Trab halten sollte. Mason, der meistens Teddy wegen seines Zweitnamens genannt wurde, wurde von der britischen Presse stets Rebell oder Player genannt. Er verbrachte seine Zeit auf royalen Veranstaltungen stets damit genervt die Augen zu verdrehen und sich über das Geschehen lustig zu machen.
Weitere zwei Jahre später – nach Masons Geburt erblickte der dritte Sohn das Licht der Welt. Gabriel war die Hoffnung auf eine Prinzessin, die nicht erfüllt wurde. Immer wieder wurde vor seiner Geburt spekuliert, dass es sich bei ihm um ein Mädchen handeln musste aufgrund der Tatsache, dass meine Mutter bei dieser Schwangerschaft fast ausschließlich in rosa Tönen gesichtet wurde. Vielleicht erhoffte sie sich dadurch endlich eine Tochter zu bekommen und nicht mehr die einzige weibliche Person in dem männlichen Haushalt zu sein, denn sie versuchte zu erziehen.
Doch Gabriel wurde kein Mädchen und so erlosch auch erst einmal die Hoffnung, dass es eine Prinzessin geben würde. Es vergingen weitere zwei Jahre und kein neues Mitglied wurde geboren. Man schloss schon damit ab, dass Gabriel der Jüngste bleiben würde und diese Generation an Thronfolgern kein Mädchen haben werde. Doch dann passierte es doch. Ziemlich genau drei Jahre nachdem Gabe die Welt mit seiner Geburt wortwörtlich erschütterte, erblickte die größte Mediensensation nach der Hochzeit von Eliza und Alessandro und der Geburt des ersten Sohns, das Licht der Welt.
Meine Wenigkeit, welche beinahe das Spiegelbild meiner Mutter wurde, begrüßte die Welt, die sich etwas zu sehr für sie interessierte. Amelie Isabella Di Lorenzo wurde als jüngstes Kind in eine Familie geboren, die sie im Laufe ihres Lebens unzählige Male in den Wahnsinn treiben würde.
So sollte auch der heutige Tag ein ganz besonderer sein. Mein Großvater König Henry vom Vereinigten Königreich Großbritanniens feierte seinen Geburtstag. Dieser Tag wurde nicht nur von der ganzen königlichen Familie zelebriert, sondern von Medien weltweit. Viele Länder galten seit Jahrhunderten nicht mehr als Monarchie, weswegen auf England besondere Aufmerksamkeit fiel mit seiner scheinbar so modernen Königsfamilie. Die Welt blickte auf jeden einzelnen Schritt und schien besonders darauf zu warten, dass ein Fehler die Perfektion erschütterte. Es war eine Welt voller Ansehen, Geld und vermeintlicher Perfektion und es galt als Priorität jedes Mitglied der königlichen Familie diese Welt und deren Werte zu schützen komme was wolle. Genau diese Prinzipien wurden mir, seit ich denken konnte gerade zu ins Fleisch gebrannt. Auch wenn meine Eltern im Gegensatz zu meinem Großvater die Monarchie aus einem deutlich moderneren und zeitgemäßeren Winkel betrachteten, hieß das nicht, dass ich nach meinen eigenen Prinzipien leben konnte. Und so war besonders dieser Samstag einer der Tage, die zur Zerreißprobe werden würde. Jedes Mal aufs Neue sollte sich offenbaren, ob ich der langen Traditionen würdig war, die sich unsere Vorfahren erkämpft hatten oder ob ich doch nur ein Nebenprodukt der perfekten monarchischen Mischung war. Diese Worte waren ganz klar natürlich nicht meine eigene, sondern viel mehr die meines so perfekten Großvaters.
„Amelie, bist du bald fertig? Großvater wird schon warten." Das laute Klopfen an der Tür riss mich aus meinem Gedankengang und ließ mich zusammenzucken. Ich schüttelte meinen Kopf einige Sekunden benommen und gewann wieder an Klarheit dazu. „Ja, Mama. Gib mir eine Minute", bat ich sie schließlich hektisch. Ich wendete mich wieder meinem Spiegelbild zu und überprüfte mein Aussehen, damit auch kein Haar aus der Reihe fiel, was leichter gesagt als getan war. Einige meiner Haare standen mal wieder in die verschiedensten Richtungen ab. Ich schnappte mir noch einmal schnell den Kamm und strich mir durch die blonden Haare. Immer wieder erstaunte mich mein Spiegelbild. Im Gegensatz zu meinen drei Brüdern war ich sowohl von meinen Gesichtszügen, als auch von meiner Haarfarbe das Ebenbild meiner Mutter. Allein meine dunklen Augen und die leicht gebräunte Haut ließen darauf schließen, dass es sich bei meinem Vater um nun mal meinen Vater handelte. Meine Brüder hingegen waren fast alle schon die Zwillinge meines Vaters.
Die Feier war so wie jede Veranstaltung in diesen vier Wänden. Es gab Presse, Schampus und kleine Häppchen, die nicht dazu da waren auch nur eine einzige Person zu sättigen. Ehe man von denen zu viel aß, fand man sich auf einer der vielen Seiten der Klatschpresse wieder mit dem Verdacht einer Schwangerschaft. Ja, sogar ich durfte damals mit fünfzehn Jahren einen solchen Artikel über mich im Internet lesen. Und keine Fünfzehnjährige, die bereits mit ihrem Aussehen zu kämpfen hat in einer solchen Welt, die nur so vor Oberflächlichkeit glänzt, will einen solchen Artikel über sich lesen und die vermeintliche Zukunft in Britanniens Teen Mom. Nein, wirklich keine Fünfzehnjährige liest so etwas gerne.
„Amelie, du siehst bezaubernd aus", begrüßte mich Großvater und nahm meine Hände in seine, um sie festzudrücken. Auf seinen Lippen lag ein zufriedenes Lächeln. Auch wenn er seine merkwürdigen, wahnsinnigen Seiten hatte, war er die Person, die mir früher immer Märchen vorlas und mit mir Kakao auf den weißen Sofas trank. Wir hatten alle unsere schlechten und guten Seiten, wobei bei ihm besonders die Letzteren manchmal etwas zu wenig in Augenschein genommen wurden.
„Danke, Opa", bedankte ich mich mit einem höflichen Lächeln. „Alles Gute zum Geburtstag. Genieß den Tag, solange du noch jung bist", meinte ich grinsend. Ich zwinkerte ihm noch zu, bevor ich mich auf den Weg zum Buffett machte.
Ein Blick über die wirklich große Auswahl ließ meine Augen verdrehen. Wer konnte den Fraß, den es hier gab, gutheißen? Trüffel und Kaviar waren Essen, welches meiner Meinung nach alleinig existiert, um zu präsentieren, wie viel Geld der Gastgeber ausgeben konnte. Von Geschmack war es hier weit entfernt.
„Amelie, warte mal. Ich möchte dir jemanden vorstellen", hielt mich mein Vater schließlich auf, bevor ich in die Küche laufen konnte, um mir etwas Essbares zu suchen. Papà hatte die Angewohnheit sich unbemerkt mit Menschen anzufreunden, die ihm einige Vorteile erspielen konnten, ohne dass er es im Endeffekt beanspruchte oder bemerkte. So war es auch dieses Mal.
„Darf ich mich vorstellen? Mein Name ist Joseph Green", stellte sich der Mann mittleren Alters mit dunkelgrauen Haaren mir vor und schüttelte begeistert meine Hand. „Amelie Isabella", begrüßte ich ihn höflich und schüttelte ebenso seine Hand. Als ich seine Hand wieder losließ, schritt auch mein Papà schon wieder direkt ein. „Mister Green vertritt die Business School von Oxford. Er ist einer der besten seines Werkes", erklärte mir mein Vater begeistert. Sobald mein Vater einmal begeistert war, schwang auch sofort seine italienische Leidenschaft mit ihm hinterher. So war es auch dieses Mal. Ehe ich mich versah, waren die beiden in ein Gespräch verwickelt, sodass ich mich aus dem Staub machen konnte.
Doch dabei auch einer der Pressevertreter schien zu sehen, dass ich dabei war zu verschwinden, weswegen er meinen Namen rief und auch schon begann mir Fragen zu stellen. Bevor ich ihn ansah, biss ich die Zähne zusammen und verdrehte noch die Augen genervt. Warum musste ich mich alldem einfach so einordnen, damit ja nichts aus Reihe und Glied fiel. Genau diese Frage stellte ich mir seit ziemlich genau dreizehn Jahren, als ich diesem Trubel anfing mitzubekommen. Eine Antwort werde ich allerdings vermutlich nie finden. Aber wie sagt man so gut die Hoffnung stirbt zu letzt. Und so werde auch ich auf meine komische Weise einen Weg aus dieser Welt mitten in meine eigene Welt finden. Ich müsste nur noch herausfinden, auf welche Weise genau ich diesen Ausweg finden würde, dann wären die Koffer bestimmt schnell gepackt.
Wie fandet ihr das erste Kapitel? Lasst mir auch gerne eine Votes da. :)
Ich hoffe ihr bleibt bei dem Buch dran. Momentan bin ich kurz vor meinen mündlichen Abiprüfungen, weswegen ich mich nicht aufs Schreiben konzentrieren kann. Aber wenn ich die hinter mir habe, werde ich versuchen täglich zu updaten. Versprochen (:
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