Kapitel 5

Um weitere unangenehme Begegnungen musste ich mir keine Sorgen machen, da die meisten Mitglieder der Königsfamilie mir aus dem Weg ging. Ich war mir ziemlich sicher, dass das pure Absicht war.

„Du machst einen Ausflug in die Stadt?"

Ich stand in der Eingangshalle von Amalienborg und war bereit für meinen Trip in die Innenstadt.
Asher kam die Treppe zu mir herunter und musterte mich.
„Ich wusste nicht, dass ich Ausgangsverbot habe."

Der Kronprinz von Dänemark schmunzelte. „Hast du auch nicht. Das war eine Frage aus reinem Interesse. Ich hatte gehofft dich begleiten zu dürfen."

Überrascht zog ich die Augenbrauen hoch. „Musst du nicht arbeiten oder so?"
„Nein, heute habe ich nichts Dringendes auf der Agenda."

Da war doch irgendetwas faul. Asher hatte mit Sicherheit genug zu tun und selbst wenn nicht, würde er seinen freien Vormittag doch sicherlich nicht mit mir verbringen.

„Ich werde aber nur an meinen Skizzen arbeiten, das wird sicherlich langweilig für dich."
„Das denke ich nicht. Ich würde mir gerne einmal ansehen, wie du deine Entwürfe machst."

„Na schön." Noch immer misstrauisch gab ich nach. Asher schien erleichtert und gab sofort in Auftrag, dass der Wagen vorgefahren werden sollte. Irgendetwas daran kam mir spanisch vor.

„Oh mein Gott. Du sollt mein Aufpasser spielen, damit ich öffentlich nicht negativ auffalle!"
An seinem ertappten Gesichtsausdruck konnte ich sehen, dass ich direkt ins Schwarze getroffen hatte.

„Bitte sei nicht böse." Flehentlich sah er mich an. „Meine Eltern wollten nur kein Risiko eingehen."
„Und da gehen sie das Risiko ein, dass wir gemeinsam gesehen werden?"

„Ich weiß wie man nicht auffällt." Er sagte es so, als könne ich in diesem Punkt noch etwas von ihm lernen. Idiot. Ich wusste sehr wohl wie man sich in der Öffentlichkeit unauffällig bewegte.

„Tja, ob du es glaubst oder nicht, ich bin eine Meisterin darin in der Menge unterzutauchen." Damit stolzierte ich zu der Limousine und glitt elegant auf den Rücksitz.
Sollte diese Familie eben sehen, dass ich mich von der besten Seite zeigen konnte, wenn ich wollte.

Asher folgte mir in das Innere des Wagens und gab dem Fahrer das Signal loszufahren.
„Wenn du deine Bodyguards dabei hast, fallen wir auf wie bunte Hunde", merkte ich an.

„Keine Sorge. Sie sind in zivil unterwegs und werden in der Menge untergehen. Gleichzeitig bleiben sie aber so nahe, dass sie im Notfall sofort da sein können."

Ich nickte desinteressiert. Schließlich war ich selbst eine Prinzessin und kannte so gut wie jede Möglichkeit eines Bodyguards sich im Hintergrund zu halten.

„Wieso hast du keinenPersonenschutz dabei?", fragte Asher und es klang ehrlich interessiert.
„Nachdem ich mich von meinen royalen Pflichten zurückgezogen hatte, wollte ich auch nicht mehr ständig von einem Schatten begleitet werden. Ich wollte ein normales Leben führen, so gut es eben geht, und dabei selbst entscheiden wann ich wo hingehe."

„Und das wurde ohne Weiteres akzeptiert?"
„Meinem Vater war es nicht gerade recht, aber ich habe schlussendlich meinen Willen durchgesetzt. Außerdem werde ich zu verschieden Anlässen immer noch von einem Bodyguard begleitet."

„Das ist schon mit einem gewissen Risiko verbunden, gerade weil du nicht selten unterwegs ist."

Ich zuckte mit den Schultern. „Ich bin weder Königin, noch Thronfolgerin, sondern eine ganz normale Frau die ein Modelabel führt. Die Meisten interessieren sich nicht für das was ich tue oder wo ich hingehe, weshalb das im Normalfall ohne große Zwischenfälle möglich ist. Außerdem habe ich Emmett erlaubt mein Smartphone zu tracken, damit er jederzeit weiß wo ich bin. Und wenn ich das nicht will, schalte ich es einfach ab."

Asher antwortete darauf nichts mehr. Sein Schweigen deutete ich als Verachtung. Wahrscheinlich hielt er mich nicht nur für eine alkoholsüchtige Schlampe, sondern auch für eine fahrlässige Prinzessin, die sich vor ihren Pflichten drückte.

Obwohl jede Faser meines Körpers sich zu ihm hingezogen fühlte und ich am liebsten seine Hände auf meiner Haut spüren wollte, war ich mir in diesem Moment ziemlich sicher, dass er absolut nichts für mich übrig hatte. Komischerweise stimmte mich das irgendwie traurig.

Ich konnte mir darüber allerdings keine weiteren Gedanken machen, da das Auto in diesem Moment anhielt.

Sobald wir ausgestiegen waren zog Asher sich eine Basecap und Sonnenbrille auf. Er trug völlig normale Klamotten, Jeans und T-Shirt. Wir würden also aussehen wie ganz gewöhnliche Menschen, die durch die Innenstadt bummelten.

„Hoffen wir mal, dass wir nicht zu sehr auffallen." Asher lotste mich Richtung Stadtkern und ich überließ ihm die Führung. Schließlich kannte ich mich inKopenhagen nicht aus. Eigentlich hatte ich mir einen Stadtplan holen wollen, aber da ich nun mit einem Einheimischen unterwegs war, war das wohl überfällig.

„Die Kunst ist, sich so unauffällig wie möglich zu kleiden", sagte ich. „Keine grelle Farben, keine gewagten Muster und Schnitte. Sich wie ein Durchschnittsmensch anzuziehen ist das Geheimnis. Dann beachtet man dich auch nicht."

Asher bedachte mich mit eine anerkennenden Blick. „Du scheinst dich in diesem Bereich auszukennen."

„Ich gehe gerne raus. Als ich noch im Palast gelebt habe, war das Schlimmste für mich eingesperrt zu sein. Ich schlendere gerne spontan durch die Stadt und beobachte die Leute. Mittlerweile ist das gut machbar." Ich lächelte kurz.„Und um auf deine Befürchtung zurück zukommen: Wir haben den Pärchen-Bonus der uns schützt."

„Den Pärchen-Bonus?", fragte Asher so überrascht, dass ich lachen musste.

„Keine Ahnung wieso, aber durch Pärchen in der Öffentlichkeit sind die Menschen eher peinlich berührt. Für sie ist es unangenehm, wenn sie Berührungen oder Küsse beobachten, daher sehen sie eher weg. Da wir also zu zweit unterwegs sind, wird uns kaum jemand beachten, aus Angst Zeuge von unzüchtigen Aktivitäten zu werden."

Asher neben mir prustete amüsiert. „Da haben wir ja Glück gehabt."

Wir suchten uns ein nettes Café aus, das Außentische hatte und bestellten Kaffee. Eigentlich hatte ich Asher gefragt welches Café er empfehlen konnte, aber da er natürlich noch nie für diese Zwecke in der Innenstadt war, wählte ich das Café aus. Es ermöglichte mir einen idealen Blick auf die Fußgängerzone, sodass ich die Menschen beobachten konnte, während ich meine Skizzen entwarf.

„Ich höre eigentlich immer Musik während ich zeichne", sagte ich entschuldigend. Meine Mappe mit den Entwürfen hatte ich bereits ausgepackt und wählte nun meine aktuelle Lieblingsplaylist aus. „Aber ich kann dir einen AirPod geben, wenn du willst."

Asher stimmte zu und ich reichte ihm den Kopfhörer über den Tisch. „Ich muss dich allerdings warnen. Mein Musikgeschmack ist ziemlich chaotisch."
„Das macht mir absolut nichts aus."

„Ich erstelle mir jeden Monat neue Playlists, mit Songs auf die ich Lust habe und die mich inspirieren. Das geht über Queen, The Beatles, Green Day, ABBA, Led Zeppelin bis hin zu Filmmusik und französischer Musik", zählte ich ein paar meiner Lieblingsinterpreten auf. Warum auch immer hatte ich das Gefühl mich zu erklären.

„Du magst französische Musik?", fragte Asher nach. In seiner Stimme lag keine Spur von Belustigung, so als würde es ihn tatsächlich interessieren was für Musik ich hörte.

„Ja Zaz ist mein All-Time-Favourite was französische Musik angeht. Irgendwie fühle ich mich dann besonders inspiriert. Keine Ahnung, ich habe das Gefühl dabei kommen die besten Entwürfe heraus, weil ich mich dann wie eine waschechte Französin fühle, mit unglaublich gutem Modegeschmack, die in Paris in einem kleinen Straßencafé sitzt, einen Kaffee trinkt und ein Croissant isst."

Röte schoss mir ins Gesicht, als ich realisierte wie dämlich das klang. „Tut mir leid, das ist total dumm."
„Nein ist es überhaupt", erwiderte Asher völlig ernst, sodass ich ihm das sogar abkaufte.

„Erzähl mir mehr darüber wie du Skizzen erstellst."
Ich hatte bereits angefangen mit meinem Bleistift ein Kleid zu zeichnen und erzählte währenddessen wie ich vorging.

„Nachdem der Kunde mir seine Vorstellungen und Wünsche übermittelt hat, zeichne ich einfach alles was mir dazu einfällt. Manchmal arbeite ich im Büro, andere Male daheim, wenn mir plötzlich Ideen kommen. Aber oft gehe ich auch einfach raus, so wie heute und setzte mich irgendwo hin. Meine Devise ist: Frische Luft hilft gegen alles." Ich lächelte schief und auch Asher konnte ich damit ein Schmunzeln entlocken.

„Außerdem beobachte ich für mein Leben gerne Menschen. Die Art wie sie sich bewegen, kleiden und reden, lässt mich kreativ werden."

„Ist das nicht irgendwie Diebstahl, wenn du dir andere Outfits ansiehst, um deine eigenen zu entwerfen?" Asher trank einen Schluck Kaffee, worauf ein wenig Milchschaum an seiner Oberlippe hängen blieb. Als er den Schaum ableckte, fing ich beinahe an zu sabbern, so heiß fand ich diese Bewegung. Was seine Zunge wohl mit mir anstellen könnte?

„Inspirieren und nicht kopieren", antworte ich auf seine Frage und lenkte mich somit von meinen seltsamen Gedankengänge ab. „Wenn mir eine Idee durch ein Outfit kommt, ist das immer noch meine Arbeit, solange ich nicht das komplette Design übernehme."

Ich zeigte auf eine Frau, die an uns vorbeilief und dabei telefonierte. „Siehst du die Frau da? Sie trägt zwar Jeans und einen einfachen Kapuzenpullover, aber ihr Gang zeigt mir, dass sie gerne ihren Style variiert. Wenn sie in der richtigen Stimmung ist, kramt sie also auch ein Kleid und hohe Schuhe aus ihrem Schrank."

Beeindruckt sah Asher erst die Frau und dann mich an. „Ich sehe nur eine Frau in einem Kapuzenpullover."

Lächelnd wandte ich mich wieder meinen Entwürfen zu. „Du hast eben auch nicht das geschulte Auge. Nichts für ungut."

„Darf ich mal ein paar deiner Skizzen sehen?"

Nervös biss ich mir auf die Lippen. Ich war extrem perfektionistisch was meine Arbeit anging und mit den meisten Entwürfen in dieser Mappe war ich nicht zufrieden.

„Die sind nicht besonders gut", wich ich daher aus.
„Wenn sie so aussehen wie das was du gerade gezeichnet hast, sind sie fantastisch."

Widerwillig reichte ich ihm also die Mappe über den Tisch, die er gespannt durchblätterte.
„Die sind wirklich toll."

Ich wurde rot. „Ach was, das waren nur spontane Ideen, die ich vermutlich nie umsetzten werde."

Asher schlug die Mappe energisch zu und stütze sich dann mit den Unterarmen auf der Tischplatte ab. Er blickte mir so intensiv in die Augen, dass ich automatisch die Luft anhielt.

„Liv, du bist wahnsinnig talentiert. Und du hast mit deinem eigenen Label was Unglaubliches auf die Beine gestellt, also stell' dein Licht nicht unter den Scheffel."

Ich hauchte ein schüchternes Danke, dann nahm ich meine Mappe zurück um weiter zu arbeiten.

„Wann wurde dir bewusst, dass du eigene Kleidungsstücke designen willst?"
Das war ein Thema, über das ich gerne sprach, daher entspannte ich mich auch merklich.

„Eigentlich schon relativ früh. Da die meiste Aufmerksamkeit auf Willow und ihrer Thronfolge lag, musste ich mich schon immer alleine beschäftigen. Mein Eltern waren damit beschäftigt Willow all ihre Know-Hows beizubringen und naja...ich wurde ein wenig außen vorgelassen. Also streunte ich durch den Palast und landete irgendwann in der Schneiderei. Dort arbeitete Nina, eine wirklich nette Frau, die sich meiner annahm und mir alte Stoffreste zum spielen gab. Irgendwann habe ich damit angefangen mehr schlecht als recht zusammenzunähen, bis mir Nina zeigte wie man eine Nähmaschine bediente." Ich lächelte bei der Erinnerung an diese Zeit.

„Ab da habe ich angefangen Kleider für meine Stofftiere und Puppen zu entwerfen. Mit zwölf hat Nina mir dann eine eigene Nähmaschine geschenkt und als ich merkte wie großen Spaß mir das machte, steckte ich meine Nase in alles was mit Mode zu tun hatte. Da wurde mir klar, dass ich eigene Kollektionen entwerfen wollte."

„Ist dein familiäres Verhältnis der Grund warum du dich aus dem Geschäft zurückgezogen hast?"

„Nicht der einzige, aber ein ausschlaggebender."
„Tut mir leid, das war unhöflich so direkt zu fragen." Asher fuhr sich unruhig durch die Haare, voll offener Scham.

„Das war nicht unhöflich. Etwas direkt vielleicht ja, aber ich bestehe nicht auf die royale Verhaltensweise." Ich lächelte ihm zu, was ihn offensichtlich etwas entspannte.

„Ich habe an Willow gesehen, was die Verpflichtung einen Thron zu übernehmen mit einem machen kann. Sie hat sich ständig allem gefügt und war total verbissen darauf alles richtig zu machen, dass sie beinahe ihre große Liebe für immer verloren hat. Ich finde es einfach nicht richtig jemanden mit so großem Druck zu belasten und das seit der Geburt. Es ist eine wahnsinnige Verantwortung und vielleicht bin ich auch einfach zu feige dazu sie anzunehmen, aber so ein Leben wollte ich einfach nicht. Meine Kinder sollen nicht mit der Bürde aufwachsen ein ganzes Land regieren zu müssen."

„Das verstehe ich", stimmte Asher mir zu. „Es ist nicht gerade einfach als Kronprinz aufzuwachsen und der Verantwortung und dem Druck standzuhalten. Aber ich bin nun mal der Erstgeborene und dem kann ich mich nicht so einfach entziehen. Da hast du es als Jüngere etwas einfacher."

Der etwas bittere Beigeschmack, dass Asher quasi mein Aufpasser war, verflog immer mehr, je länger wir uns unterhielten. Überraschenderweise machte es Spaß mit ihm in einem Café zu sitzen und mich beim arbeiten beobachten zu lassen.

Ab und an, summte ich die Melodie des Liedes mit die gerade lief oder wippte mit dem Kopf zum Takt. Wenn ich hoch sah, erwischte ich Asher meist dabei wie er mich lächelnd beobachtete.

„Danke übrigens, dass du gestern beim Abendessen eingesprungen bist. Das hatte ich nicht erwartet, aber ich weiß es zu schätzen", sagte ich nach einer langen schweigsamen Pause, in der wir beide unseren Gedanken nachgingen.

„Keine Ursache", er lächelte warm. „Aber wieso überrascht dich das so?"

„Du hast auf mir auf meiner After-Show Party deutlich zu verstehen gegeben, dass du mich nicht gerade sympathisch findest. Von wegen unreif und so", sagte ich ehrlich.

Asher kniff die Augenbrauen zusammen, während er mich eingehend musterte. „Nur weil ich vielleicht mit der ein oder anderen Aktion von dir nicht übereinstimme, heißt das nicht, dass ich dich nicht mag, Olivia."

Dass er meinen vollen Name benutze, klang ungewohnt aus seinem Mund, aber machte mir mehr als deutlich, wie ernst er die Sache meinte.

„Das heißt du magst mich?", fragte ich und zwinkerte ihm keck zu.
„Ich bin keinesfalls abgeneigt was dich betrifft", gab Asher zu.

Mein Herz vollführte daraufhin einen Freudentanz.

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