Kapitel 23
Die dänische Prinzessin tat so, als wäre ich nicht anwesend. Nicht wissend, wie ich mich verhalten sollte, tat ich es ihr gleich.
Leonora hatte ihre Nase in einem Buch vergraben und schien ganz so, als wäre sie völlig vertieft darin. Ihre regelmäßigen abschätzigen Blicke in meine Richtung bemerkte ich dennoch.
Aus Langeweile ließ ich mir noch eine Tasse Tee einschenken, rührte sie aber nicht an.
Ich starrte Löcher in die Wand, in der Hoffnung, dass Ash bald zurückkehren würde, um mich aus dieser Situation zu retten. Aber er kam nicht.
Das einzige Geräusch, dass im Salon zu hören war, kam von Leonora, wenn sie in gleichen Abständen ihre Seiten umblätterte.
Schließlich kam ich zu dem Entschluss, dass dieses Verhalten albern war. Daher nahm ich meinen ganzen Mut zusammen.
„Ich habe das Gefühl, dass du eine gewisse Abneigung gegen mich hegst", sagte ich zu Ashers Schwester und versuchte dabei so diplomatisch wie möglich zu klingen. Wenn ich beleidigt klang, machte ich mich nur lächerlich.
„Dein Gefühl trügt dich nicht", erwiderte sie, ohne von ihrem Buch aufzusehen.
„Hab ich denn irgendetwas getan, was dich verärgert hat?"
Leonora ließ ein langes und tiefes Seufzen erklingen, bevor sie ihre Lektüre zuklappte und auf den Tisch legte. Dann sah sie mir direkt in die Augen und allein ihr Blick, verriet mir, dass sie dieses Gespräch für völlige Zeitverschwendung hielt.
„Die Frage lautet eher was du nicht getan hast."
Verwirrt runzelte ich die Stirn. Nach einer kurzen Pause, war Leonora so gnädig sich zu erklären.
„Du hast nicht gerade einen guten Ruf, wie dir bekannt sein dürfte. Dein Verhalten in der Öffentlichkeit verstößt so ziemlich gegen jede Verhaltensvorschrift die es gibt. Aufgrund deiner Vorgeschichte frage ich mich ernsthaft, ob du meinen Bruder wirklich liebst, oder ob das nur eine deiner vielen Bettgeschichten ist."
„Ist es nicht", beteuerte ich. „Ich liebe Ash wirklich."
„Vielleicht ist dem so. Aber ich bin mir nicht sicher, ob du über die Konsequenzen dieser Beziehung nachgedacht hast. Asher wird den Thron erben und in ein paar Jahren regierender König von Dänemark sein. Was er dann braucht, ist eine Frau an seiner Seite, die ihn bedingungslos unterstützt und mit ihm die königliche Linie fortsetzt. Du hingegen bekommst allein bei dem Wort Heirat einen Hustenfall. Außerdem hast du dich von dem königlichen Leben zurückgezogen und ich möchte nicht deine persönliche Entscheidungen beurteilen. Aber wenn du eine ernsthafte Beziehung mit Asher führen willst, musst du akzeptieren eine Königin zu werden und genau dieses Leben führen, das du zurückgelassen hast."
Ich biss mir auf die Lippen und wich Leonoras Blick aus. Es war nicht so, dass mir diese Gedanken nie gekommen waren. Aber ich hatte sie immer erfolgreich verdrängt, weil ich die Zeit mit Ash genießen und nicht über die Zukunft nachdenken wollte. Denn die Zukunft machte mir ehrlich gesagt Angst.
„Und da du mich gefragt hast, werde ich auch sehr ehrlich zu dir sein: Ich mag dein Verhalten nicht. Es geht mich nichts an, wie viel du trinkst oder mit wie vielen Männern du Spaß hattest. Aber es geht mich sehr wohl etwas an, wenn dein Verhalten meine Familie betrifft. Und du eignest dich nicht als Königin. Du kennst unser Land und unsere Bürger nicht, schon alleine deswegen kommst du als Frau an der Seite meines Bruders nicht in Frage. Asher verdient etwas Besseres."
Damit war die Unterhaltung wohl für sie beendet, denn sie nahm ihr Buch wieder in die Hand und schenkte mir keine weitere Beachtung.
Wortlos stand ich auf und verließ den Salon. Ich konnte nicht einmal sagen, ob ich wirklich sauer auf Leonora war. Denn sie hatte recht. Ob ich es wahr haben wollte oder nicht, Leonora sagte die Wahrheit.
Ein Leben, gebunden an die Krone wollte ich nicht. Aber genau das würde auf mich zukommen, wenn ich eine Zukunft mit Asher haben wollte.
Doch dies schien noch nie so unerreichbar gewesen zu sein, wie in diesem Moment.
Mit den Tränen kämpfend, versuchte ich einen Raum zu finden, in dem ich ungestört war. Aber im Schloss Amalienborg kannte ich mich nicht besonders gut aus, also irrte ich eine Weile durch die Gänge. Ich kam nicht ein Mal an Bediensteten vorbei, die ich nach einem Badezimmer fragen konnte.
„Ich will damit nur sagen, dass ich sie für keine gute Wahl halte", hörte ich plötzlich Alberts Stimme auf den Flur hallen. Am Ende des Ganges war eine Tür nur angelehnt. Leise schlich ich mich näher. Scheinbar hatte ich ein Talent dafür, Gespräche hinter Türen zu belauschen.
„Du solltest Isabella noch einmal in Betracht ziehen."
„Isabella kommt nicht in Frage", antwortete Asher mit Nachdruck. „Ich weiß sie ist eure Traum-Schwiegertochter, aber außer Freundschaft empfinden wir nichts für einander. Ihr habt mir versprochen eine Heirat aus Liebe zu gewähren, also müsst ihr meine Wahl auch akzeptieren. Außerdem hat niemand gesagt, dass Liv und ich heiraten werden."
„Aber als Thronfolger hast du eine Verpflichtung eine angemessene Frau an deiner Seite zu finden. Du brauchst eine junge Dame, die sich durch den Druck nicht einschüchtern lässt und für dich da ist."
Was ich nicht erfüllte. Auch wenn Albert es nicht sagte, war es genau das, was er damit ausdrücken wollte.
„Paps, es wird noch eine Zeit dauern bis ich den Thron besteigen werde. Ich weiß, irgendwann werde ich heiraten müssen und ich bin auch bereit dazu, diesen Dienst an die Krone zu leisten. Aber nur wenn ich die Frau auch liebe, das war meine Bedingung. Ich liebe Liv und ich werde das bestimmt nicht aufgeben, nur weil du sie für eine unangebrachte Wahl hältst. Über Heirat sprechen wir, wenn es soweit ist."
Ein Stuhl rückte über den Boden und Schritte näherten sich. Panisch sah ich mich nach einem Versteck um, doch in diesem Flur gab es nichts, was mich verbergen würde.
„Deine Uhr tickt!", rief der König seinem Sohn noch hinterher, aber dieser reagierte nicht mehr. Stattdessen schlug er die Tür hinter sich zu und rannte mich beinahe über den Haufen.
„Oh mein Gott, hast du mich erschreckt", keuchte er. „Hast du geweint?", fragte er besorgt nach einem Blick in mein Gesicht.
„Ach nicht so wichtig", tat ich meine geröteten Augen ab.
Diese Reaktionen waren genau der Grund, warum ich die Beziehung geheim halten wollte. Weil alle meinten sich einmischen zu müssen. Jeder hatte eine Meinung und rieb sie einem unter die Nase. Konnte man sich nicht einfach darüber freuen, dass wir glücklich verliebt waren, anstatt gleich Bedingungen aufzustellen?
Asher brachte mich auf sein Zimmer. Erst als er die Tür geschlossen hatte, begann er zu reden.
Es erinnerte mich nur daran, dass wir nun nicht mehr alleine waren. Ich hatte das überwältigende Bedürfnis wieder in unsere behütete Blase zurückzukehren, die wir die vergangene Woche hatten. Hier mischten sich nur alle in unsere Angelegenheiten ein.
„Was ist los, Liebes?", fragte er besorgt. „Wenn es wegen meinem Vater ist, dann vergiss einfach was du gehört hast. Sie werden unsere Beziehung schon akzeptieren."
Ich schnaubte verächtlich. „Ach wirklich?"
„Ich weiß du fühlst dich angegriffen, aber meine Eltern haben mir versprochen sich nicht gravierend in mein Liebesleben einzumischen. Es fällt ihnen offensichtlich schwer, aber es ist meine Entscheidung mit wem ich mein Leben verbringen möchte, also sollten wir die andern Stimmen ignorieren."
„Aber sie haben recht", widersprach ich, heftiger als erwartet. Besonders Leonora. Ihre Worte waren hart gewesen, aber komischerweise war ich nicht verletzt gewesen, denn tief im Inneren wusste ich, dass es genau sowar, wie sie es beschrieben hatte. Asher erzählte ich nichts von diesem Gespräch. Was brachte es schon, wenn ich mich über seine Schwester beschwerte? Ich würde die Geschwister nur gegeneinander aufbringen und das wollte ich nicht.
„Ich bin nun mal einfach nicht die Frau, die an deiner Seite sein sollte."
„Das ist doch Blödsinn. Ich liebe dich. Und du liebst mich und wenn du die Wahrheit gesagt hast, ist das alles was zählt. Es spielt keine Rolle, wenn jemand dich für ungeeignet hält. Du machst mich glücklich und mehr interessiert mich nicht."
„Es spielt sehr wohl eine Rolle", sagte ich sanft. „Du wirst ein Land erben und das ist kein Job für einen alleine. Du brauchst jemanden, der dir gebührend hilft, so wie dein Vater es gesagt hat. Und das bin nicht ich. Ich kenne Dänemarks Bürger nicht, ich kann keine Königin werden."
Betroffen sah Asher mich an. Diese Worte hatten ihn verletzt, das war deutlich zu sehen. Und es verletzte mich, es auszusprechen. „Ich liebe dich. Aber ich habe mir auch ein eigenes Leben in London aufgebaut. Was soll ich denn mit meinen Unternehmen machen? Es wird mir doch sicher nicht erlaubt sein, das weiter zu führen."
„Wieso müssen wir denn jetzt schon darüber reden, was erst in zwanzig Jahren oder so relevant sein wird?", fragte Asher nun etwas angesäuert.
„Ihr alle redet davon, als würden wir beide nächste Woche heiraten. Das tun wir aber nicht. Genauso wenig wird Paps nächste Woche einfach so sterben. Bis ich König werde, dauert es noch ewig. Damals in Indien haben wir uns versprochen es langsam angehen zu lassen. Wieso tun wir das also nicht? Ich möchte einfach nur dieses besondere Etwas zwischen uns genießen und sehen wo es hinführt. Alles was ich möchte ist Zeit mit dir. Ohne darüber nachdenken zu müssen, was in ein paar Jahren sein wird."
Asher sah mich so flehend an, dass ich es nicht über das Herz brachte ihm zu widersprechen. Stattdessen zog ich ihn eine feste Umarmung und schmiegte mich an ihn. „Lassen wir es auf uns zu kommen", murmelte ich an seinen Hals und küsste die Stelle.
Er schlang die Arme so fest um mich, als hätte er Angst er müsste mich für immer loslassen.
Doch überzeugt von seinen Argumenten war ich nicht. Ich wusste ganz genau, dass Asher und ich keine Zukunft haben würden. Je länger wir zusammenblieben, desto schmerzhafter würde es am Ende für uns beide werden. Nichtsdestotrotz liebte ich ihn. Und genau das war der Grund, warum ich nichts sagte, sondern ihn küsste.
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