Kapitel 22
Es roch nach Kaffee und gebratenen Eiern, als ich die Augen öffnete. Ich lag alleine im Bett und musste mich erst einmal orientieren, wo ich überhaupt war. Aber als die Erinnerungen an gestern Abend wieder kamen, begann ich zu lächeln.
Ich unterzog mich im Bad einer kurzen Katzenwäsche, dann ging ich nach unten in die Küche. Ash stand tatsächlich am Herd.
„Ich dachte du kannst nicht kochen", sagte ich, als ich die Arme von hinten um seinen Oberkörper schlang.
„Kann ich auch nicht. Aber ich dachte Eier und Speck anbraten kann ja wohl nicht so schwer sein. Und die Bohnen aus der Dose habe ich einfach aufgewärmt."
„Du machst englisches Frühstück für mich?", fragte ich gerührt.
„Immerhin bin ich mit einer waschechten Britin zusammen." Grinsend beugte er sich für einen langen Kuss zu mir herunter.
„Guten Morgen", murmelte er an meine Lippen. „Guten Morgen", hauchte ich zurück.
Ich würzte die Bohnen etwas nach, während Ash den Tisch deckte und Kaffee einschenkte.
„Hey, Ash?"
„Mhm?"
„Ich wollte mich bei dir bedanken."
„Wofür?" Er stellte die Kanne mit Kaffee zurück auf die Theke und sah mich aufmerksam an.
„Dafür, dass du mir das Gefühl gibst besonders zu sein."
Ash trat vor mich und hob sanft mein Kinn an, sodass ich ihn ansehen musste.
„Du bist besonders, Olivia Sophie Henstridge."
„Ich meine ja nur. Die meisten Männer waren eher auf ihre eigenen Bedürfnisse ausgerichtet, wenn ich mit ihnen geschlafen habe. Aber mit dir war es anders. Da habe ich mich gut behandelt und geborgen gefühlt."
Ich senkte den Blick, weil ich ihm bei diesen Worten nicht in die Augen sehen konnte. Es kam mir peinlich vor, so etwas zuzugeben.
„Ich liebe dich Liv. Und ich könnte niemals absichtlich etwas tun was dich verletzt."
Ich schlang meine Arme um seinen Hals und küsste ihn. „Ich liebe dich auch."
Lächelnd lehnte ich meinen Kopf an seine Brust. Es endlich auszusprechen, fühlte sich besser an als erwartet.
Nach einem ausgiebigen Frühstück beschlossen wir eine kleine Wanderung zu machen. In dem Ferienhaus fanden wir noch Broschüren für Wanderwege und suchten uns einen Rundweg aus, der laut den Angaben nicht besonders anstrengend sein sollte.
Da es ein bewölkter Tag im Februar war, begegneten wir kaum einer Menschenseele.
„Übrigens hat Emmett mich angerufen", gestand Asher nachdem wir sicher schon eine Stunde unterwegs waren.
Ich brummte verärgert. „Was wollte er?"
„Er hat gefragt, ob ich weiß wo du bist."
„Ich hoffe du hast nichts gesagt."
„Liv, Emmett war ehrlich besorgt um dich. Du hast einfach dein Handy ausgeschaltet und bist verschwunden, ohne jemandem Bescheid zu geben."
„Ich wüsste nicht, dass ich ständig Rechenschaft über meine Aktivitäten ablegen muss." Genervt blieb ich stehen, um einen Schluck Wasser zu trinken. „Eigentlich war ich ziemlich deutlich, dass ich keinen Kontakt mehr zu meiner Familie möchte. Deswegen braucht er sich auch gar nicht so aufregen."
„Emmett meint es doch nur gut mit dir. Deswegen habe ich ihm auch gesagt, dass du bei mir in Dänemark bist und er sich keine Sorgen machen braucht."
Ich verdrehte die Augen. „Er war bei dem Gespräch das ich belauscht habe dabei. Wenn er es wirklich gut mit mir meinen würde, hätte er sich für mich eingesetzt."
„Nur weil er bei dem Gespräch dabei war, bedeutet das noch lange nicht, dass er mit deiner Schwester einer Meinung ist. Und so wie du mir die Sache geschildert hast, hat er überhaupt nichts zur Unterhaltung beigetragen."
„Ich habe auch nicht das ganze Gespräch gehört." Wütend stapfte ich an Asher vorbei.
„Liv", seufzte dieser. „Emmett will einfach nur, dass Willow und du euch vertragt. Und kannst du es ihm übel nehmen, dass er will, dass du in Sicherheit bist? Er liebt dich wie eine Schwester."
„Können wir das Thema einfach lassen?", fragte ich. „Ich bin hier hergekommen um nicht über meine Familie nachdenken zu müssen, sondern um die Zeit mit dir zu genießen."
Asher lächelte versöhnlich. „Wie du willst. Aber ich wollte dir nicht verheimlichen, dass ich mit Emmett geredet habe."
„Und das finde ich sehr nobel von dir", grinste ich und zog ihn an der Hand näher zu mir, um ihn erneut zu küssen.
Ich war süchtig nach seinen Küssen. „Aber für die nächsten Tage, will ich von meiner Familie nichts mehr hören."
*
Der Kurzurlaub tat mir unglaublich gut. Nach allem was passiert war, konnte ich so richtig auftanken. Asher und ich nutzen die Zeit um auszuschlafen, wir gingen spazieren, oder spielten die alten Brettspiele, die wir in der Kommode fanden. Wir genossen die Zweisamkeit und ließen keine Möglichkeit aus, Zärtlichkeiten auszutauschen.
Es wurde zu unserem Ritual, abends aneinander gekuschelt und in Decken gehüllt, den Sonnenuntergang zu beobachten.
Wir erschufen unsere eigene kleine Blase. Es gab nur uns beide und das fühlte ich so gut an. Ich wollte nicht daran denken, was ich mit meinem Unternehmen machen sollte, das ganz offensichtlich nicht gut lief. Und schon gar nicht wollte ich daran denken, dass unsere Beziehung dann vorerst nur noch aus Telefonaten bestand.
All diese Gedanken vergrub ich ganz tief in den letzten Ecken meines Gehirns.
Die Woche Urlaub nutzen wir nicht nur dazu uns gegenseitig, sondern auch unsere Körper besser kennenzulernen. Wir liebten uns, wann immer uns danach war. Egal ob sanft und ausdauernd, oder mit mehr Begierde. Ich gab mich Asher hin und er sich mir. Es war ein Einklang zwischen geben und nehmen und das fühlte sich so gut und richtig an.
Das was ich zuvor mit anderen Männern hatte schien mir lächerlich im Gegensatz zu dem, was ich mit Asher hatte.
Ich liebte diesen Mann. Je länger wir unsere Zweisamkeit genossen, desto mehr verliebte ich mich in ihn.
An unserem letzten Tag lief ich beschwingt die Treppen nach unten. Asher kam gerade von draußen durch die Terrassentür.
„Bereit für unseren morgendlichen Spaziergang?", fragte ich gut gelaunt.
Aber an seinem Gesichtsausdruck stellte ich schnell fest, dass unser Spaziergang an diesem Morgen ausfallen würde.
„Wir müssen sofort zurückfahren." Mit düsterer Miene legte Asher sein Smartphone auf den Küchentisch.
„Was? Wieso? Wir wollten doch erst heute Abend fahren?"
„Ich habe gerade mit Paps telefoniert und er verlangt uns auf der Stelle im Palast."
„Moment mal. Uns?"
Nun wurde sein Gesichtsausdruck verlegen. „Naja eventuell ist mir da was rausgerutscht was uns beide betrifft."
Vorwurfsvoll stemmte ich die Hände in die Hüfte. „Ash! Echt jetzt? Wir wollten das doch für uns behalten."
„Ich weiß, ich weiß." Reumütig zog er mich an den Hüften zu sich. „Ich weiß auch nicht wie das passiert ist, aber es ist mir einfach so rausgerutscht und jetzt sind alle ganz aus dem Häuschen, dass wir in einer Beziehung sind."
„Positiv oder negativ aus dem Häuschen?"
„Ich denke, es ist beides dabei."
Ich schnalzte mit der Zunge. Natürlich war das keine komplizierte Frage, wer von Ashers Familie dem Ganzen negativ gegenüberstand.
„Und was will deine Familie jetzt von mir? Muss ich vielleicht einen Vertrag unterschreiben, dass ich dir dein Geld nicht wegnehme, wenn wir uns trennen?", scherzte ich.
„Nein, du sollst nur unterzeichnen, dass du damit einverstanden bist, dass die gesamte dänische Garde dich jagen und in den Kerker sperren lässt, wenn du mich sitzen lässt."
Ich streckte ihm empört die Zunge heraus. „Wer sagt denn, dass ich dich sitzen lassen werde? Denkt denn niemand daran, dass du mich genauso gut an den Zehen im Schlosshof aufhängen könntest, wenn du meiner überdrüssig wirst?"
Ash grinste verschmitzt. „Achso. Du meinst, wenn du dich gegen all meine Nebenfrauen auflehnst, weil du es nicht erträgst nicht die einzige Frau in meinem Leben zu sein?"
„Genau. Deswegen werde ich auch versuchen dich zu stürzen und den Kerker zu werfen. Ich kann mir bildlich vorstellen wie du an den Zehen im Schlosshof hängst."
„So wie es aussieht enden wir wohl beide aufgeknüpft im Schlosshof."
Kichernd schlang ich meine Arme um ihn und verschloss unsere Lippen zu einem sanften Kuss.
„Also weswegen wollen mich deine Eltern sehen?"
„Keine Ahnung, vermutlich wollen sie nur wissen wie ernst wir es meinen und ob wir an die Presse gehen wollen. Willst du an die Presse gehen?"
„Nicht wirklich. Eigentlich will ich auch nicht, dass meine Familie davon weiß. Da deine jetzt wohl zwangsläufig eingeweiht sind, wäre es mir eigentlich ganz recht, wenn es dabei bleibt."
*
Gegen Mittag kamen wir im Schloss Amalienborg an.
Asher begrüßte einen Butler und überreichte ihm den Autoschlüssel. „Bringen Sie unser Gepäck bitte auf mein Zimmer."
„Sehr wohl, Eure königliche Hoheit." Mit einer Verbeugung entfernte sich der Butler von uns.
Asher nahm meine Hand in seine und drückte diese mit einem Lächeln. Er wollte mir damit Mut zusprechen.
„Wie kann es sein, dass ich nichts davon mitbekommen habe, dass zwischen euch etwas läuft?" Maddys aufgeregte Stimme war das erste, was wir hörten, als wir die Eingangshalle Hand in Hand betraten.
Maddy fiel erst ihrem Bruder um den Hals, dann mir.
„Vermutlich weil du einfach nicht die richtigen Sensoren für so etwas hast, Schwesterherz", schmunzelte Asher.
„Ich finde euch süß zusammen", ließ sie uns noch wissen, bevor sie uns in den Salon zog.
Asher restliche Familie erwartete uns dort bereits. Victoria begrüßte mich mit einer freundlichen Umarmung, Albert nickte mir zu und von Leonora erntete ich nur feindselige Blicke. Was auch immer ich getan hatte, sie konnte mich ganz offensichtlich nicht leiden.
„Schön, dass du ebenfalls gekommen bist, Olivia. Du kannst selbstverständlich hier übernachten und erst morgen früh nach Hause reisen. Ganz wie du möchtest."
„Vielen Dank, Victoria."
Die Königin wies uns an, uns auf den Sofas niederzulassen und prompt wurde Tee serviert.
„Ich muss ja sagen, wir waren etwas überrascht, als wir von eurer Beziehung erfahren haben, aber wir freuen uns natürlich über euer Glück." Victoria rührte ein Stück Zucker in ihren Tee und nippte dann vorsichtig daran.
Ich war mir nicht ganz sicher, ob das für alle Familienmitglieder galt.
„Dennoch müssen wir natürlich einige Dinge besprechen", schaltete sich nun auch Albert ein. „Gerade was die Presse angeht."
„Wir würden unsere Beziehung gerne weiterhin geheim halten", sagte ich so selbstbewusst wie möglich. Vor Albert hatte ich einen gewissen Respekt, denn er strahlte eine derartige Autorität aus, durch die ich Gänsehaut bekam.
„Meine Familie weiß von mir und Asher auch noch nichts. Ihr habt dies eher durch Versehen erfahren und ich möchte die Zahl der Eingeweihten nicht vergrößern."
Überrascht sah mich Victoria an. „Deine Familie soll nichts davon erfahren?"
Ich schüttelte den Kopf. „Nicht wenn es sich nicht vermeiden lässt."
„Wir möchten somit auch mögliche Komplikation mit den Königshäusern vermeiden", sagte nun auch Asher.
„Wieso denn Komplikationen?", fragte Albert und man merkte ihm an, dass ihm die ganze Angelegenheit so gar nicht passte. „Wir haben mit England exzellente Beziehung und eine Heirat zwischen Königshäusern hat den politischen Verbindungen bisher noch nie geschadet."
Bei dem Wort Heirat verschluckte ich mich an meinem Tee und verfiel in einen Hustenanfall.
Asher, der neben mir saß, grinste mich belustigt an.
„Ja vor hundert Jahren, Liebling", sagte Victoria mit einem leichten vorwurfsvollen Ton in der Stimme. „Im einundzwanzigsten Jahrhundert sollte niemand mehr gezwungen werden, aufgrund von politischen Beziehungen zu heiraten. Außerdem versetzt du Olivia mit deinem Gerede über Heirat in totale Panik." Victoria zwinkerte mir zu.
„Nun, wenn diese Beziehung nicht auf ernsten Absichten beruht, verstehe ich nicht, warum sie überhaupt geführt wird." Alberts strenger Blick ließ mich automatisch tiefer in den Polstern versinken.
„Wir haben ernste Absichten, Paps. Aber wir sind erst ein paar Monate ein Paar, wir haben noch nicht vor zu heiraten."
Der Blick den Asher für diese Aussage von seinem Vater kassierte, zeigte deutlich wie wenig Albert davon hielt.
„Jetzt setzte die beiden doch nicht so unter Druck", seufzte Victoria und wandte sich schließlich mir zu. „Wir wollten nur wissen, wie ihr in der Öffentlichkeit mit eurer Beziehung umgehen wollt, damit wir uns auch entsprechend verhalten können. Wenn ihr damit noch nicht an die Presse gehen möchtet, ist das völlig in Ordnung."
Dankbar lächelte ich die König an.
„Ich möchte unter vier Augen mit dir sprechen, mein Sohn." Albert erhob sich und Asher tat es ihm gleich. Besorgt sah ich meinen Freund an, doch er lächelte mir nur beschwichtigend zu.
„Ich begleite die beiden wohl besser, bevor sie sich an die Gurgel gehen." Victoria lachte, aber es klang nicht so unbeschwert wie es wirken sollte.
Kaum war auch die Königin gegangen, verschwand auch Maddy mit der Begründung noch mit Freundinnen verabredet zu sein.
Ehe ich mich versah, blieb ich mit Leonora alleine im Salon zurück.
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