Kapitel 21

Es war gespenstisch still in meiner Wohnung, als ich am nächsten Morgen aufwachte.

Einige Sonnenstrahlen fanden ihren Weg durch die Jalousien und ich kniff schmerzhaft die Augen zusammen.

Die Erinnerungen an gestern Abend kamen schlagartig zurück, kaum war ich richtig wach. Stöhnend vergrub ich mich unter meiner Decke und wollte am liebsten nie wieder in meinem ganzen Leben jemanden unter die Augen treten.

Ich hatte Ash den Abschaum meiner Persönlichkeit quasi auf den Silbertablett präsentiert. Und ihn vollgekotzt. Wenn er nach dieser Aktion immer noch etwas mit mir zu tun haben wollte, musste eindeutig etwas an seinem Einschätzungsvermögen falsch sein.

Weil meine Blase unangenehm drückte, quälte ich mich schließlich aus dem Bett in mein Badezimmer. Dort empfing mich ein frischer blumiger Duft, der nur von einem Raumspray stammen konnte. Hatte Ash etwa mein Badezimmer geputzt?

Die Spuren meiner nächtlichen Kotzeskapaden waren jedenfalls verschwunden und auch mein Wohnzimmer war aufgeräumt und die Spirituosen entfernt.

Mein schlechtes Gewissen verdreifachte sich augenblicklich.

Als wäre meine Show gestern nicht schon peinlich genug gewesen, hatte Ash auch noch hinter mir aufgeräumt, während ich schlief.

Auf meiner Kücheninsel fand ich eine Nachricht von Ash.

Ich musste zurück nach Kopenhagen, tut mir leid. Ich habe Frühstück für dich besorgt. Melde dich, wenn du aufgewacht bist.  Ash x

Seufzend inspizierte ich die Tüte vom Bäcker, die daneben lag. Während ich an einem Croissant knabberte, kochte ich mir eine Tasse Tee.

Nach dem Tag gestern fühlte ich mich unangenehm leer. Es fühlte sich an, als wäre kein einziges Fünkchen Emotionen in meinem Körper mehr geblieben. Alles schien mit den Tränen oder meinem Erbrochenen heraus gespült worden zu sein.

An den Streit mit Willow dachte ich kaum noch. Dass Asher mich so abstoßend und völlig am Boden gesehen hatte, schien mir viel schlimmer. Ich war zäh und eine Kämpfernatur. Ich nahm nicht gerne Hilfe an. Wie es mir wirklich ging, hatte ich stets tief in mir vergraben, nach außen hin zeigte ich nur das was ich wollte. Gestern war mir das nicht gelungen. Ich machte mir Gedanken darüber was Asher nun von mir dachte. War er angewidert?

Ich beschloss mich im Büro krank zu melden. Heute hatte ich einfach nicht die Kraft etwas Produktives zu leisten. Lesly klärte mich darüber auf, dass wir sowieso kaum zu tun hatten, da das Geschäft nach dem Skandal noch nicht wirklich lief. Daher gab ich kurzer Hand einfach allen Mitarbeitern frei. Was sollten sie sich auch im Büro langweilen, wenn sie keine Aufträge hatten?

Ich lümmelte mich schließlich auf mein Sofa und beschloss den Tag entspannt mit Netflix zu verbringen. Das würde mich zumindest auf andere Gedanken bringen.

Etwas widerwillig schrieb ich auch Asher eine Nachricht, in der ich mich für das Frühstück bedankte und ihn wissen ließ, dass ich aufgestanden war, mir aber frei genommen hatte.

Es kam keine Antwort. Aber irgendwie war mir das auch lieber.

Gegen Mittag, als ich gerade in einem Modemagazin blätterte, erhielt ich eine Antwort von Asher. Er hatte mir ein Foto geschickt auf dem ein Holzhaus an einem See zu sehen war. Eine Terrasse mit Blick auf das Wasser und gemütlich aussehenden Sitzmöbel erweckte in mir den Wunsch mich dort mit einer Tasse Tee und einer Decke zu verkriechen.

Was meinst du?

Hatte Asher unter das Bild geschrieben.

Sieht nett aus

Antwortete ich, aber ich verstand nicht, was genau er von mir wollte.

Das Ferienhaus gehört meiner Familie. Eine Woche. Nur du und ich. Was sagst du?

Wie jetzt? Diese Woche?

Warum nicht?

Du könntest noch heute in einen Flieger nach Kopenhagen steigen und heute Abend säßen wir schon zusammen vor dem Kamin.

Eine Auszeit tut dir vielleicht gut.

Ein Lächeln stahl sich auf mein Gesicht. Warum eigentlich nicht? Im Büro lief es nicht gut, es wäre also kein Problem eine Woche zu fehlen. Um neue Kollektionen konnte ich mich auch später kümmern. Außerdem klingt Abstand von London einfach nur unfassbar verlockend.

Worauf warten wir noch?

Ich buchte Last-Minute einen Flug. Absichtlich wählte ich dabei einen Linienflug und verzichtete auf den Privatjet. So würde nur meine Familie mitbekommen wo ich war und das wollte ich unbedingt vermeiden.

Nachdem ich mit Asher ausgemacht hatte, dass er mich inkognito vom Flughafen abholen würde, notierte ich mir alle wichtigen Infos auf meinem Zettel und schaltete mein Smartphone aus.

Emmett überwachte sonst meinen Aufenthaltsort und da ich noch sauer auf ihn war, wollte ich jeglichen Überwachungsaktionen aus dem Weg gehen. Mit Sicherheit würde er ausrasten, wenn er bemerkte, dass ich von der Bildfläche verschwunden war, aber das war mir egal.

In Rekordzeit packte ich die nötigsten Sachen in einen Koffer, zog eine Perücke über, um während dem Flug nicht erkannt zu werden und rief mir ein Taxi, das mich zum Flughafen brachte.

Keine drei Stunde später landeten wir auf dänischem Boden.

Es war aufregend sozusagen undercover zu reisen. Ich fühlte mich beinahe wie eine Geheimagentin.

Asher hatte mir gesagt, er würde im Parkhaus auf Deck 3 parken und im Wagen auf mich warten. Wir wollten vermeiden aufzufallen und mir gefiel die Heimlichtuerei.

„Brünett hätte ich dich fast nicht erkannt", begrüßte Ash mich, als ich zu ihm in das Auto stieg. Er hatte sich als Vorsichtsmaßnahme eine Baseball Cap tief in die Stirn gezogen.

Ash lehnte sich rüber zu mir, um mich zur Begrüßung zu küssen. Dann startete er den Motor und lenkte den Wagen aus der Parklücke.

„Hast du einfach so eine Woche freibekommen?", fragte ich. Ash zuckte lässig mit den Schultern.

„Ich habe meiner Familie gesagt, dass ich eine kleine Auszeit in unserem Ferienhaus nehme. Ich habe sie vor vollendete Tatsachen gestellt, anstatt um Erlaubnis zu bitten. Außerdem bin ich sechsundzwanzig. Ich muss meine Eltern nicht um Erlaubnis bitten."

„Aber begeistert waren sie sicher nicht."

„Gott nein", lachte Ash. „Vermutlich bin ich enterbt wenn ich nach Hause komme."

Ich beobachte ihn von der Seite. Er trug Jeans und Hoodie, was etwas ungewöhnlich war, da ich ihn meistens nur formell in Anzug gesehen hatte. Aber der Casual-Look stand ihm verdammt gut. Während er konzentriert auf dieStraße blickte, hatten sich seine Lippen zu einem leichten Lächeln verzogen. Ich konnte dem Drang einfach nicht widerstehen durch seine dunkelblonden Haare zu fahren. Er sah so entspannt aus, ganz anders als sonst.

Ashs Lächeln wurde breiter.

Wir fuhren eine ganze Weile bis wir zum Ferienhaus gelangten. Das Gelände war eingezäunt und man musste einen Code eingeben, damit sich das Tor öffnete.

„Willkommen in unserem bescheidenen Heim", sagte Ash, nachdem er in der Garage geparkt hatten. Wir nahmen unser Gepäck und dann führte er mich zur Eingangstür.

Das Haus war komplett aus Holz, war aber innen dennoch sehr modern eingerichtet. Ich war sofort verliebt in die Atmosphäre, die hier herrschte. Begeistert lief ich zu der Terrassentür und trat nach draußen. Tief atmete ich ein. Der Geruch von Seewasser und Gras lag in der Luft. Vögel zwitscherten fröhlich in den Baumkronen und das Rauschen von sanften Wellen war zu hören.

Das Ferienhaus lag völlig abgeschieden. Wir waren sicherlich dreißig Minuten von dem nächsten Dorf entfernt und ich liebte es. Normalerweise fand ich das rege Treiben in London inspirierend, aber die Einsamkeit hier war genau das was ich momentan brauchte.

Ich fröstelte leicht, schließlich war erst Anfang Februar.

„Gefällt es dir?"Ash war zu mir hinaus getreten und schlang die Arme von hinten um mich.

„Ich liebe es", sagte ich begeistert. „Danke, dass du mich hergebracht hast."

Wir packten als erstes unsere Taschen aus. Das Schlafzimmer wirkte unglaublich gemütlich. Das Bett war dekoriert mit vielen Kissen und einer karierten Tagesdecke, die herrlich zu dem gesamten Holzstil passte.

„Kommt ihr oft hier her?"

Ich hatte angeboten mich um das Essen zu kümmern, wenn Ash die Lebensmittel besorgte. Er hatte sich also in der Palastküche Verpflegung einpacken lassen, die ich nun in eine Pasta verwandelte. Ash half mir beim Gemüse schneiden,überließ das Wesentliche aber mir. „Meine Kochkünste sind nicht so perfekt. Ich musste mich auch noch nie selbst verpflegen", war seine Ausrede gewesen. Verständlich, bevor ich ausgezogen war, wurde ich auch täglich bedient.

„Als wir noch Kinder waren, waren wir oft hier. Oftmals auch nur übers Wochenende. Mum hat dann auf dem Wohnzimmerboden immer ein Picknick errichtet und wir haben den ganzen Abend Brettspiele gespielt." Ash lächelte bei der Erinnerung.

„Ich habe hier sogar laufen gelernt."

Ich grinste und stellte mir vor wie ein Mini-Ash hier durch die Räume tapste. Zu goldig.

„Je älter wir wurden, desto seltener sind wir hergekommen. In einem gewissen Alter wurde es auch ätzend mit den Eltern in Urlaub zu gehen. Dann haben wir das Haus meistens genutzt um mit Freunden herzukommen. Jeremy, Isabella, Lenny und ich haben hier legendäre Partys gefeiert."

„Sag bloß du hast auch mal die Sau rausgelassen", stichelte ich. Es war nur schwer vorzustellen wie Ash solche Partys feierte. Er war sonst immer so korrekt.

„Ich war auch mal jung", verteidigte er sich. „Damals habe ich auch ziemlich über die Grenzen geschlagen. Aber mit zweiundzwanzig irgendwann habe ich eingesehen, dass ich ein ganzes Königreich erben werde. Und das es als Person der Öffentlichkeit, vor allem als Prinz, nicht besonders klug ist, jede Woche mit einer anderen Frau abgelichtet zu werden."

„Also hast du aufgehört Spaß zu haben", schnaubte ich undeutlich.

„Wie bitte?"

„Ach nichts."

Ich hatte keine Lust unsere Zweisamkeit damit zu ruinieren, dass wir über unsere Familien sprachen.

Nach dem Essen kuschelten wir uns auf das Sofa. Ash hatte sogar den Kamin angezündet, also war es richtig kuschelig. Das Holz knisterte in den Flammen und ich lehnte mich entspannt an seinen Oberkörper. Ash breitete eine Wolldecke über uns aus.

Wir stritten eine Ewigkeit darüber welchen Film wir uns ansehen wollten. Hauptsächlich lag das daran, dass ich mich die meiste Zeit entsetzt darüber empörte, dass Ash kaum Filme kannte.

„Ich habe nicht so viel Zeit Filme anzuschauen", verteidigte er sich. „Es ist nicht so, dass ich es nicht gerne tun würde. Aber meistens sehe ich mir nur die Nachrichten an oder lese ein Buch."

„Ich muss dir dringend Nachhilfe geben", stellte ich fest. „Keine Sorge. Ich führe dich in die Klassiker ein."

Je länger wir diskutierten, desto größer wurde mein Entsetzen. „Notting Hill? Nein? Das ist einer meiner Lieblingsfilme. Aber du weißt schon wer Julia Roberts ist, oder?"

Ash knuffte mich liebevoll in die Seite. „Natürlich weiß ich wer Julia Roberts ist."
„Wenigstens hast du Titanic gesehen."
„Ja, sich stundenlang anzusehen wie ein Schiff unter geht, war wirklich erheiternd" brummte er sarkastisch.

„Und was ist mit Tatsächlich Liebe?"
„Nope."
„Oh mein Gott, was ist nur falsch mit dir? Wie erbärmlich ist dein Weihnachten ohne kitschige Liebesfilme?"

Dass er aber kaum Marvel Filme kannte, machte mich schließlich sprachlos.

„Das fühlt sich gerade an als würdest du mir die Seele aus dem Leib reißen", kommentierte ich trocken, woraufhin Ash schallend lachte. Somit war es beschlossene Sache und ich zwang ihn dazu Marvel's The Avengers mit mir anzuschauen.

Hauptsächlich weil ich eine Schwäche für Captain America und Loki hatte. Außerdem war es der erste Marvel Film den ich gesehen hatte und seitdem war ich dem MCU gänzlich verfallen.

Wollte man mich glücklich machen, musste man mir nur etwas zu Essen geben und mit mir Marvel schauen. So einfach konnte ich zu bändigen sein.

„Ich hätte nicht gedacht, dass du auf Superhelden-Filme stehst", äußerte sich Ash zu meiner Filmauswahl.

„Ich steh auch nicht einfach nur auf Superhelden-Filme. Marvel sieht man sich nicht einfach nur an. Marvel ist ein Lifestyle."

Als der Abspann lief, lag ich mit meinem Kopf mittlerweile in Ashs Schoß und brummte genüsslich, als er mir durch die Haare fuhr.
Seine Aufmerksamkeit lag schon lange nicht mehr auf dem Fernseher. Stattdessen beobachtete er mich.

„Was ist?", fragte ich unsicher.

„Ich liebe dich." Keine Sekunde ließ er mich dabei aus den Augen und mir stockte der Atem. „Gott ich liebe dich so sehr, dass ich verrückt werden könnte."

Ohne den Blickkontakt abzubrechen setzte ich mich auf seinen Schoß und anstatt etwas zu sagen zog ich ihn zu mir und küsste ihn. Und wie wir uns küssten.

Da waren keine Unsicherheiten mehr. Seine Hände waren überall. Auf meinen Beinen. In meinen Haaren.

Ich schnappte nach Luft, als seine Hände unter mein Oberteil wanderten und seine Finger über meine Haut fuhren. Jede Stelle die er berührte glühte.

Sein T-Shirt fand den Weg zu Boden und ich biss mir auf die Lippen, als ich seinen trainierten Oberkörper sah. Sanft fuhr ich mit meinen Fingern seine definierten Muskeln nach und beobachtete wie sich die Gänsehaut auf seiner Haut ausbildetet.

Erneut presste ich meine Lippen auf seine und keuchte auf, als seine Zunge in meinen Mund eindrang. Unsere Küsse waren tief. Innig. Verlangend.

Asher packte mich und trug mich ins Schlafzimmer, als würde ich nichts wiegen.

Ich hatte schon mit vielen Männern geschlafen, aber mit Ash fühlte es sich an wie das erste Mal. Dieses Mal war anders. Bedeutender. Vielleicht weil es dieses Mal nicht darum ging seine Bedürfnisse zu stillen. Sondern weil echte Verbundenheit und Gefühle im Spiel waren.

Als ich nackt unter ihm lag, überkam mich erneut die Unsicherheit und ich bedeckte meine Brüste mit den Armen. Was wenn ich ihm nicht gefiel? Er hatte mich zwar bereits nackt gesehen, aber da hatte er mich nicht so eingehend betrachtet wie er es jetzt tat. Und er ließ sich wirklich Zeit damit mich anzusehen.

Ash sagte nichts. Er nahm einfach nur sanft meine Arme und bedeckte jeden einzelnen Zentimeter meines Körpers mit Küssen. Jede Berührung jagte tausend Stromschläge durch meine Körper. Ash gab mir das Gefühl wunderschön zu sein. Und deshalb verliebte ich mich jede Sekunde mehr in ihn.

*****

Geplant sind jetzt Kapitel Freitags und Sonntags. Ich hoffe ich kann es einhalten, aber ich habe fleißig vorgeschrieben.
Habt ein schönes Wochenende!

Debbie x

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