Kapitel 11

Es war schwerer als erwartet die Textilfabrik ausfindig zu machen. Immerhin hatten wir nur ein Bild und Indien war groß, sodass wir Tage brauchten um das Gebiet einzuschränken.

Emmett und sein Team arbeiteten fast ununterbrochen daran, aber es ging nur langsam voran.

In der Zwischenzeit hatte ich beschlossen, mich vorerst aus der Öffentlichkeit zurück zu ziehen.

Ich war nicht mehr auf meinen Social-Media Kanälen aktiv und deaktivierte sogar die Kommentarfunktion unter den Beiträgen. Solange ich der Situation nicht auf den Grund gegangen war, würde ich kein öffentliches Statement abgeben.

Zu meiner großen Enttäuschung musste ich die Winterkollektion streichen. Wir hatten das schweren Herzens in einem weiteren Krisen Meeting beschlossen.

Aber da ich nicht mit Gewissheit sagen konnte, wo meine Stoffe tatsächlich herkamen, würde ich ganz sicher keine Bestellung aufgeben, nur damit meine Kollektion in die Produktion gehen konnte.

Voraussichtlich würde ich damit auch keine Einnahmen machen, da bereits die Herbstkollektion unter dem Skandal litt und sich so gut wie gar nicht verkaufte.

Maddy war wegen der gestrichenen Kollektion wahnsinnig enttäuscht gewesen.

Ich hatte mein Versprechen nämlich in die Tat umgesetzt und von ihren Entwürfen zwei Teile in die Kollektion aufgenommen.

Als ihr Praktikum vorbei war und sie zurück nach Dänemark reiste, versprach ich ihr daher hoch und heilig, die Kollektion im nächsten Jahr umzusetzen.

Das einzig Erhellende in meiner düsteren Phase war der bevorstehende Maskenball.

Jedes Mal wenn ich daran dachte, fing ich an wie eine dämliche Kuh zu grinsen.

Oft genug zog ich meine Einladung aus dem Umschlag, nur um Asher's Nachricht zum unendlichsten Mal zu lesen.

Mir ein Kostüm zu überlegen, war die beste Ablenkung die ich kriegen konnte.

Stundenlang saß ich auf dem Boden meines Arbeitszimmer, brachte Ideen zu Papier, nur um sie dann frustriert zu zerknüllen.

Wenigstens konnte ich so die Tatsache verdrängen, dass ich der Kinderausbeutung beschuldigt wurde und die ganze Welt sich wie hungrige Piranhas auf mich stürzen wollte.

Nachdem mich die zündende Idee geküsst hatte, arbeitete ich beinahe ununterbrochen an meinem Kostüm. Anderweitig konnte ich sowieso nichts tun.



Der große Tag war schließlich gekommen und ich war ein einziges Nervenbündel. Ich wusste nicht wann ich das letzte Mal so aufgeregt war, dabei war es eigentlich nur ein gewöhnlicher Ball. Ich war schon auf hunderten solchen Veranstaltungen gewesen.

Die Vorfreude auf Asher allerdings, versetzte mich in einen euphorischen Ausnahmezustand.

Dad, Willow, Emmett und ich flogen am Morgen des Maskenballs nach Kopenhagen, wo wir uns in einem Hotel eingemietet hatten. Carolina blieb zu Hause in England bei Emmetts Mutter Susan.

Ich wich meinem Kleid keine Sekunde von der Seite, wie eine über fürsorgliche Mutter. Aber da ich mein ganzes Herzblut hineingesteckt hatte, wollte ich mit allen nötigen Mitteln einen Unfall vermeiden.

Familie Sørensen schickte uns einen Wagen, der uns am frühen Abend zum Palast brachten. Schon draußen auf dem Hof herrschte eine magische Stimmung.

Limousine an Limousine reihte sich aneinander und spuckten in regelmäßigen Abständen wunderschön gekleidete Menschen aus.

Von einem Angestellten wurden wir in den großen Ballsaal geführt, der herbstlich geschmückt war.

„Bitte scheuen Sie sich nicht sich zu bedienen. Genießen Sie den Abend. Die Königsfamilie wird ebenfalls bald eintreffen." Er verneigte sich und eilte zurück zum Eingang, vermutlich um neue Gäste zu begrüßen.

Dad zog sofort los, um bekannte Gesichter zu begrüßen. Ich blieb erstmal etwas verloren stehen und sah mich um.

Der ganze Saal war in organge, rot und braun Tönen gehalten und versprühte alleine daher schon eine herbstliche Stimmung.

Die Tische waren mit bunten Blättern und Kürbissen geschmückt.

Mein persönliches Highlight war der Duft von gerösteten Kastanien, der den ganzen Raum schwängerte. Man konnte sich an einem Tisch sogar warme und frisch geschälte Maronen abholen.

Es wurde heißer Punsch verteilt und ich entschied mich lieber für die alkoholfreie Früchte Variante, auch wenn ich liebend gerne ein wenig Alkohol intus hätte, um meine Nerven zu beruhigen.

„Bitte begrüßen Sie nun: Seine Majestät König Albert zusammen mit seiner Frau Ihrer Majestät Königin Victoria, Seine königliche Hoheit Kronprinz Asher, Ihre Hoheit Prinzessin Leonora und Ihre Hoheit Prinzessin Mathilde!"

Unter Applaus wurde die Königsfamilie in Empfang genommen. Ich hatte kaum Zeit gefunden ihre Kostüme zu bewundern, da stürzte sich Maddy schon auf mich und fiel mir um den Hals.

„Du siehst einfach nur atemberaubend aus!"

„Danke", etwas verlegen sah ich an meinem Werk hinunter. Ich hatte mich für diesen Abend in einen schwarzen Schwan verwandelt.

Mein Kleid bestand bis zur Taille aus schwarzer Seide und war eng geschnitten. Dann fiel es in einem breiten Rock zu Boden, der aus jeder Menge Tüll bestand. Der Tüll allerdings war bedeckt von unzähligen schwarzen, unechten Federn der einem richtigen Federkleid sehr nahe kam.

Auch die Maske war schwarz und bestand aus filigranen Schnörkeln. Um meinen schwarzen Schwan zu vollenden hatte ich ein Band, verziert mit Perlenketten um den Kopf gebunden und daran eine längere Feder befestigt. So bekam das Ganze einen Touch aus den Zwanzigern.

„Du siehst aber auch fantastisch aus", gab ich das Kompliment zurück.

Maddy war eine Darstellung des Ozeans. Ihr Ballkleid schimmerte in den unterschiedlichsten Blautönen und wenn sie sich bewegte, sah es aus, als würden Wellen tanzen.

Wir versorgten uns mit Maronen und Punsch und setzten uns an einen der runden Tische.

„Wie geht es dir?", fragte Maddy ernsthaft besorgt. Sie musste auch gar nicht mehr darauf eingehen, ich wusste sofort sie sprach von dem Skandal.

Zuerst seufzte ich tief, auf ihre Frage.

„Ich hab es die letzten Tage ganz gut verdrängt", gab ich ehrlich zu. „Aber es macht mich wahnsinnig, mich so nutzlos zu fühlen. Solange wir noch nicht wissen wo die Textilfabrik ist oder wer die Gerüchte in die Welt gesetzt hat, kann ich mich weder dazu äußern, noch an den Kollektionen weiter arbeiten."

„Hat Emmett denn immer noch nichts gefunden?"

Resigniert schüttelte ich den Kopf. „Leider nicht. Das gestaltet sich schwieriger als erwartet, obwohl sein Team und er ununterbrochen daran arbeiten."

Mitfühlend legte Maddy ihre Hand auf meinen Arm. „Das wird schon. Bald schon macht ein anderer Promi was Dummes und niemand erinnert sich mehr daran, was man über dich geschrieben hat."

„Es ist mir egal was die Presse über mich schreibt. Meistens jedenfalls. Aber ich kann nicht so tun als wäre nichts und die Anschuldigungen ignorieren. Was wenn meine Stoffe wirklich von Kindern in Indien hergestellt wurden und ich nichts davon weiß? Ich kann nicht einfach so weiter machen und hinnehmen, dass ich vielleicht Kinder ausbeute."

„Natürlich tust du das nicht. Du setzt doch gerade schließlich alles daran der Sache auf den Grund zu gehen."

Deprimiert nickte ich. „Lass uns bitte das Thema wechseln, wir sind schließlich nicht auf diesem Ball um Trübsal zu blasen."

„Das ist die richtige Einstellung", stimmte mir die dänische Prinzessin zu.

Ich ließ mein Blick durch denRaum schweifen. Emmett und Willow entdeckte ich auf der Tanzfläche.

Sie hatten sich als Flynn Rider und Rapunzel verkleidet, was unglaublich gut zu ihnen passte. Die beiden sah so verliebt aus, wie sie sich eng umschlungen in den Armen lagen und sich zum Takt der Musik bewegte.

Insgeheim war ich immer neidisch auf die Beziehung gewesen, die Emmett und Willow hatten. Auch wenn ich kein gutes Verhältnis zu Willow hatte, wollte ich gerne so eine Liebe erfahren. Selbst, wenn sie sich mal uneinig waren, herrschte dennoch eine tiefe, bedingungslose Liebe unter ihnen.

Wie von alleine suchten meine Augen nach Asher. Ich fand ihn schließlich auch auf der Tanzfläche, mit einer beneidenswerten schwarzhaarigen Schönheit.

Ein hässliches Gefühl breitete sich in mir aus, weil ich dieses Wesen am liebsten aus seinen Armen reißen und ihr Platz einnehmen würde. Asher wollte doch heute unbedingt mit mir tanzen, wieso hatte er mich dann noch nicht aufgefordert?

Mein Eifersuchtsanfall wurde von Leonora unterbrochen, die ihre Ansprache hielt. Es war mucksmäuschenstill im Raum, alle hingen an Leonoras Lippen, als sie davon berichtete an welche Einrichtung die Einnahmen dieses Abends gespendet werden würde.

Unter tosendem Applaus bedankte sie sich für die Aufmerksamkeit und kam, zu meiner Überraschung, zu unserem Tisch. Ihr folgte ein gut aussehender Mann, den ich auf Ashers Alter schätzte.

„Das war eine tolle Ansprache. Du bist rhetorisch wirklich begabt", sagte ich verlegen, weil ich sie auch nicht anstarren wollte wie ein Fisch.

„Danke", sie lächelte milde und ließ sich mit ihrer Begleitung neben Maddy nieder.

„Olivia, darf ich dir Jeremy vorstellen? Unsere Familien sind schon ewig befreundet."

Jeremy nickte mir freundlich zu. „Freut mich."

„Gleichfalls", erwiderte ich.

„Wo habt ihr Isabella gelassen?", fragte Maddy.

„Die wollte mit Ash sprechen und dann nachkommen."

Ich sah wohl ziemlich verwirrt aus weil ich keine Ahnung hatte über wen sie sprachen, denn Leonora wandte sich gnädig zu mir, um mich aufzuklären.

„Isabella ist Jeremy's Schwester. Jeremy und Ash sind beste Freunde schon seit dem Sandkasten. Und Ash, Jeremy, Isabella und ich sind zusammen auf's Internat gegangen."

Bevor ich etwas erwidern konnte, trat auch schon eine blonde Schönheit zu uns, die als Paradiesvogel verkleidet war.

Sie war unglaublich hübsch und strahlte eine Natürlichkeit aus, dass ich sofort neidisch wurde.

„Ich habe Olivia gerade von unseren Internatszeiten erzählt", brachte Leonora sie auf den neusten Stand.

„Hi Olivia", Isabella schenkte mir ein warmes Lächeln, bevor sie sich mir gegenüber setzte. „Es freut mich dich endlich kennenzulernen. Maddy redet nur noch von dir."

„Das kann ich leider nicht erwidern, ich habe nämlich erst vor zwei Minuten von deiner Existenz erfahren."

Isabella lachte schallend. „Macht nichts. Ich hatte gehofft wir würden uns auf Maddys Geburtstagsfeier sehen, aber Jeremy und ich konnten leider nicht kommen."

„Sie waren zu der Zeit in Ghana und haben eine Schule besucht, für die sie zuvor Spenden gesammelt haben." Leonora lächelte mich zwar an, aber das Lächeln erreichte ihre Augen nicht. Es war klar, dass sie nur damit prahlen wollen, welche wohltätigen Projekte sie und ihre Freunde unterstützen, was man von mir nicht behaupten konnte.

Isabella hingegen winkte ab und wechselte das Thema. „Ich habe von den Gerüchten gehört, die über dich verbreitet wurden. Das tut mir ehrlich leid. Ich habe deine Arbeit immer bewundert und kann nicht fassen, dass sie jetzt so in den Dreck gezogen wird."

„Danke", sagte ich überrascht. Isabella wirkte aufrichtig und nicht als würde sie mir irgendwelche Lügen auftischen, um dann hinter meinem Rücken mit Leonora zu lästern.

„Ärgerlicherweise kann ich nicht genau sagen, woher meine Stoffe überhaupt kommen. Ich hatte sie zuvor immer bestellt und komischerweise ist mein Lieferant seitdem nicht erreichbar. Aber lassen wir das Thema lieber. Mich interessiert viel eher, wie ihr alle befreundet seid."

„Unsere Eltern sind schon lange befreundet", übernahm Jeremy die Erzählungen. „Isabellas und meine Eltern gehören dem dänischen Adel an, daher hatten sie öfters mit Albert und Victoria zu tun. Und als dann Ash und ich relativ zeitgleich auf die Welt kamen, waren wir sofort Wiegen-Buddys", er grinste fröhlich.

„Tja und wie das so ist, sind unsere Geschwister auch alle miteinander befreundet."

„Isabella und Ash werden wahrscheinlich eines Tages heiraten." Leonora warf mir eine triumphierenden Blick zu, der mich schlucken ließ. Ihren Wink mit dem Zaunpfahl war angekommen. Ich hatte mich gefälligst von ihrem Bruder fernzuhalten. Es verletzte mich mehr als es sollte.

„Lenny", zischte Isabella verlegen.

Ich konnte nicht leugnen, dass Isabella eine gute Wahl wäre. Sie war hübsch, freundlich, gütig und setzte ich offensichtlich für Notleidende ein. Somit hatte sie alle Eigenschaften, die eine gute Königin benötigte.

„Naja momentan vergnügt er sich mit allen anderen Ladys." Jeremy lachte und wandte sich Richtung Tanzfläche, auf der Asher mit einer jungen Damen tanzte. Er hatte sicherlich bereits mit allen Frauen in diesem Raum getanzt, nur mit mir nicht.

„Er ist als Prince Charming verkleidet, das spielt ihm natürlich in die Karten", witzelte nun auch Maddy, was alle – bis auf mich - zum Lachen brachte.

„Ash weiß wie er die Frauen um den Finger wickeln kann, der Charmeur", prustete Jeremy.

Die Eifersucht kroch erneut in mir hoch. Hatte ich mir nur eingebildet, dass Asher in den letzten Wochen mit mir geflirtet hatte? Oder hatte er sich nur einen Scherz erlaubt, um zu sehen wie schnell ich ihm verfallen würde?

Ich fühlte mich eklig benutzt und naiv, dass ich wegen der Einladung so aus dem Häuschen gewesen war.

Ich hatte mir nächtelang ausgemalt, wie wir tanzen würden und Asher mir währenddessen romantische Dinge ins Ohr flüstern würde. Aber natürlich hatte ich mich getäuscht. Warum sollte Asher auch Gefallen an mir finden?

Am liebsten wollte ich mich übergeben, oder mich selbst schlagen weil ich mir Hoffnungen gemacht hatte.

Ich musste hier raus.

„Entschuldigt mich bitte", murmelte ich und stand auf. Die anderen beachteten mich kaum, sondern witzelten immer noch über die Charme des Mannes, dem auch ich so jämmerlich verfallen war.

„Hast du schon mit Ash getanzt?", konnte ich Leonora noch hören, als ich auf die Tür des Ballsaals zusteuerte.

„Na klar habe ich schon mit ihm getanzt", laute Isabellas Antwort.

Natürlich hatte er schon mit ihr getanzt. Er hatte mit allen getanzt, nur mit mir nicht! Ich hatte nicht einmal eine Begrüßung bekommen, oder ein Blickkontakt. Gar nichts!

Den ganzen Abend hatte Asher mich erfolgreich ignoriert. Die Eifersucht wich nun grenzenloser Wut. Wut auf Asher, auf mich und diesen verdammten Palast, in dem man nie ein Badezimmer fand!

Ich gab ein wütendes Knurren von mir, als ich schon wieder eine falsche Tür geöffnete hatte. War es denn zu viel verlangt ein Badezimmer zu finden?

„Verfluchter Palast, warum müssen die denn immer so groß sein?", maulte ich.

„Liv, warte doch!"

*****

Ich hoffe ihr hattet alle wunderschöne Weihnachtsfeiertage und konntet die Zeit mit euren Liebsten verbringen. Wir haben alles ganz ruhig angehen lassen und ab morgen geht die Lernerei bei mir wieder los.

Habt ihr bestimmte Traditionen an Weihnachten?

Bleibt gesund!

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